Eifersucht auflösen: Kein besonderes Ich oder Du

Letztendlich entsteht Eifersucht nicht durch andere, sondern dadurch, zu viel über sich selbst nachzudenken. Während wir eine übermäßige Anhaftung an einen bestimmten Aspekt unseres Lebens entwickeln, wird jemand, der in diesem Bereich auch nur ein wenig besser ist, zu einem Ziel unserer Eifersucht. All dies beruht auf dem „Ich“, und hier sehen wir uns an, wie an uns oder anderen wirklich nichts besonders ist und werfen einen Blick darauf, wie wir dieses Verständnis nutzen können, um störende Emotionen zu überwinden.

Rückblick auf Aspekte der Eifersucht 

Wenn wir hier nun über Eifersucht reden, geht es dabei auch um das Selbst. Das Verständnis wie wir und wie alle anderen existieren, ist ein zentrales Thema in Bezug auf die Eifersucht.

Wie wir gesehen haben, wird die Eifersucht im Buddhismus als eine Art der Feindseligkeit definiert, eine emotionale Geisteshaltung, die sich auf die Errungenschaften anderer Menschen fokussiert. Dabei könnte es um ihre Intelligenz, ihren Besitz, ihr gutes Aussehen, ihren Reichtum, ihren Erfolg oder ihren Status gehen. Es könnte sich auch um ihre Beziehungen handeln; vielleicht haben andere einen Partner oder Kinder und wir nicht. Wir dagegen können es nicht hinnehmen, dass sie dieses oder jenes haben, und es ist uns nicht möglich, ihre Erfolge zu ertragen.

Diese Missgunst gründet auf Anhaftung an unsere eigene Situation und unsere Errungenschaften. Zum Beispiel sehen wir uns unseren Kontostand an und wissen, dass andere mehr Geld auf dem Konto haben als wir. Wir messen dem Positiven und der Wichtigkeit, Geld auf dem Konto zu haben, zu viel Bedeutung bei, indem wir diese Sache als einen der entscheidendsten Aspekte des Lebens betrachten und bauen unser Selbstwertgefühl darauf auf. Dasselbe können wir auch mit der Intelligenz, dem guten Aussehen und allem anderen tun, und schließlich können wir es nicht ertragen, wenn ein anderer in diesem Gebiet besser ist als wir. Das ist Eifersucht und das Gegenteil davon ist, sich an dem zu freuen was andere haben.

Die Sache mit dem „Ich“ 

Diese Aspekte der Eifersucht zu verstehen ist die erste Stufe, sich mit dem Problem auseinandersetzen. All dem liegt jedoch diese Sache mit dem „Ich“ zugrunde und letztendlich ist es das, woran wir arbeiten müssen, um sicherzustellen nicht eifersüchtig zu werden. Der Fehler liegt darin, dass wir einem bestimmten Aspekt des Lebens zu große Bedeutung beimessen und unser ganzes Selbstwertgefühl darauf gründen. Nur deshalb werden wir eifersüchtig und das führt uns zur Identität unseres Selbst und der Frage: „Wer bin ich?“ Wie definieren wir uns selbst? Tun wir es in Bezug auf Geld, unserem guten Aussehen oder unserer Position im Leben. Viele Menschen tun es und denken: „ich bin ein Doktor“, „ich bin ein Vater oder eine Mutter“, oder was auch immer.

Indem wir das tun, messen wir dem „Ich“ eine zu große Bedeutung bei und definieren es als eine solide Sache mit einer festen Identität. Wir betrachten es als das wahre, das echte „Ich“. Das wird dann zu einer Sache, die im Leben einzig und allein zählt und wir weisen alles andere als unwichtig ab. Wir meinen, nur diese eine Sache würde wirklich etwas bedeuten, beispielsweise wie viel Geld wir auf unserem Konto haben. Für viele von uns ist es das, was unsere Eltern uns beigebracht haben!

Es ist wichtig zu erkennen, dass es hierbei nicht nur um materielle Dinge, wie Geld, Status usw. geht, sondern auch um Aufmerksamkeit. Manche von uns denken vielleicht, das Wichtigste im Leben wäre Aufmerksamkeit zu bekommen. Dann merken wir, dass nicht wir, sondern ein anderer sie bekommt und bauen unser Selbstwertgefühl darauf auf. Das ist etwas subtiler als mit materiellen Dingen. Natürlich werden wir furchtbar eifersüchtig, wenn alle, die wir kennen, wunderbare und liebevolle Partner haben und wir ganz allein zu Hause sitzen. Es ist auch notwendig, sich mit diesen subtileren Dingen zu befassen, um das Problem der Eifersucht wirklich zu entwurzeln. 

Überbewertung eines Aspektes unseres Lebens 

Nehmt euch einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken. Die meisten von uns haben Momente oder Perioden von Eifersucht erlebt. Wir haben Phasen in unserem Leben gehabt, in denen uns Eifersucht zu schaffen gemacht hat. Versuchen wir herauszufinden, worauf das in unserer Erfahrung zurückzuführen war. Was haben wir als die wichtigste Sache in unserem Leben betrachtet und sind eifersüchtig geworden, weil wir etwas nicht hatten oder weil ein anderer mehr von etwas hatte. Denkt einmal darüber nach. Ist es wirklich die wichtigste Sache im Leben und das Einzige, was mich ausmacht? Vielleicht denken wir: „ich bin jemand, der keinen Partner hat.“ Ist dies das Einzige, was es über uns zu sagen gibt? Wenn wir im Sterben liegen und jemand müsste unser Leben in einem Satz zusammenfassen, wäre es das, was es über uns zu sagen gäbe und dann auf unserem Grabstein stehen sollte? Ist dies das Einzige, woran sich andere in Bezug auf uns erinnern sollten? Diese Denkweise ist eine gute Möglichkeit zu sehen, wie lächerlich die ganze Sache doch ist.

Indem wir es ins Lächerliche ziehen, sehen wir wie dumm es ist, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Wenn wir denken: „Das bin ich. Das ist die wichtigste Sache und ich kann es nicht ertragen, dass irgendjemand besser ist als ich“, wird uns das helfen zu erkennen, wie albern es doch ist und auf diese Weise können wir es überwinden. Begreifen wir nicht wie absurd es ist, werden wir es nur schwerlich loslassen können. Nehmt euch einen Moment Zeit und betrachtet eure eigene persönliche Erfahrung der Eifersucht auf diese Weise.

[Meditation]

Begehren, Neid, Gier, niedriges Selbstwertgefühl und andere störende Emotionen 

Wenn ihr es euch für einen Moment auf diese Weise angesehen habt, konntet ihr vielleicht erkennen, um was es im Buddhismus geht, wenn von Eifersucht die Rede ist. Im Westen sprechen wir auch von Neid, aber weder im Sanskrit noch im Tibetischen gibt es dafür ein eigenes Wort. Beim Neid geht es zusätzlich zur Eifersucht noch um etwas, das im Buddhismus als „Begehren“ bezeichnet wird. Hierbei legen wir nicht nur zu viel Betonung auf einen Bereich des Lebens und können es nicht ertragen, wenn jemand uns übertrifft, sondern wollen eine Sache auch für uns selbst haben. Das ist Neid und auf diese Weise sind wir neidisch.

Hier gibt es zwei verschiedene Fälle. Im ersten könnte es sein, dass wir selbst nichts von einer Sache haben und das haben möchten, was ein anderer hat. Im zweiten Fall haben wir vielleicht bereits etwas und im Grunde ist es ausreichend, aber dann werden wir gierig. Wir wollen mehr, weil die andere Person mehr hat. In diesem zweiten Fall führt die Gier zu Konkurrenzdenken und wir wünschen uns, die andere Person zu übertreffen.

Es gibt viele andere damit verbundene störende Gefühlszustände, die durch diesen grundlegenden Aspekt, der als Eifersucht definiert wird, zum Vorschein kommen. Nach wie vor liegt all dem das gleiche Problem zugrunde: unsere Vorstellung eines „Ichs“. Wir denken, wir wären etwas Besonderes. Wir meinen, wir wären wichtig und sollten daher stets an erster Stelle stehen und immer das Beste haben. Wir betrachten andere nicht als gleichwertig und denken erst recht nicht, dass es gut wäre, wenn andere das Gleiche wie wir hätten. Wegen diesem ausgeprägten Gefühl des „Ichs“ müssen wir besser sein.

Wie wir bereits besprochen haben, werden Eifersucht und Konkurrenzdenken durch viele Aspekte in unserer Gesellschaft verstärkt. Da gibt es das Feiern von Gewinnern beim Sport, das Bewundern von Berühmten und Reichen in Zeitschriften, in denen sie dargestellt werden, um größtmögliche öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Dies befällt unsere Geisteshaltung wie eine Krankheit und übt einen Einfluss darauf aus, wie wir unser Leben führen, und wie wir mit unserer Arbeit und unseren Beziehungen umgehen. Wenn nur die Kräftigsten und Stärksten überleben, müssen wir mit jedem im Wettbewerb stehen und werden eifersüchtig, wenn jemand besser ist.

Eifersucht hat jedoch nicht immer etwas mit Konkurrenzdenken zu tun, denn manchmal dreht es sich bei der Eifersucht auch um unser Selbstwertgefühl. Haben wir ein ausgesprochen niedriges Selbstwertgefühl, was aus verschiedenen Gründen in der westlichen Kultur ein grassierendes Problem ist, können wir ziemlich eifersüchtig auf das werden, was andere erreicht haben. Das führt nicht wirklich zu Konkurrenzdenken, sondern ist vielmehr ein Gefühl, bei dem wir meinen: „Ich könnte das nie erreichen, ich bin nicht gut genug.“ Wir versuchen es nicht einmal und das führt schließlich dazu, unzufrieden mit sich selbst zu sein und Mitleid mit sich selbst zu haben, weil alle anderen so erfolgreich, wir aber solche Versager sind. Das ist eine andere Weise, auf die sich dieser Aspekt der Überbewertung und der Beschäftigung mit dem „Ich“ als Eifersucht manifestiert.

Unterschiedlicher Fokus im Westen 

Im Buddhismus analysieren wir Eifersucht im Hinblick darauf, den Fokus auf die Errungenschaften anderer zu richten und eine feindselige Haltung ihnen gegenüber zu entwickeln. Es gibt auch andere Formen der Eifersucht, die wir erleben und die einen etwas anderen Gesichtspunkt haben. Hier richten wir uns auf jemanden, der nicht mir, sondern einem anderen etwas gibt. Es ist ähnlich, aber doch etwas anders. Wir denken zum Beispiel: „Du hast deine Liebe und Zuneigung nicht mir, sondern einem anderen gegeben.“ Wir sind nicht so wütend auf die Person, welche die Liebe und Zuneigung bekommen hat, sondern ärgern uns über jene, die nicht uns diese Dinge gegeben hat, sondern einem anderen. Diese Art der Eifersucht erleben wir oft, nicht wahr?

Denkt man einmal darüber nach, ist das ziemlich widersprüchlich, denn wie kann man erwarten, dass die Person, auf die wir wütend sind, einfach ihre Meinung ändert und uns nun liebt, während wir all unsere Wut und Eifersucht auf sie richten. Diese Haltung ist auf naive Weise selbstzerstörerisch, aber oft ist das unsere Strategie. Es ist wirklich unwahrscheinlich, dass die andere Person ganz plötzlich sagen wird: „Oh ja! Tut mir leid, ab jetzt werde ich nur dich lieben“, während wir sie wütend anschreien: „Warum um alles in der Welt gehst du mit jemand anderem aus? Bleib zu Hause bei mir!“ Wenn sie daraufhin tatsächlich zuhause bleiben würde, wäre es nur, weil sie sich schuldig fühlt oder Mitleid mit uns hat. Aber wäre das für uns zufriedenstellend? Sie wäre nicht wirklich bei uns, weil ihre Gedanken und ihr Herz bei einem anderen sind. Letztendlich würden wir weiter unglücklich sein, weil unser Problem überhaupt nicht gelöst wurde.

Nehmt euch etwas Zeit um zu sehen, ob ihr auch dieser Strategie gefolgt seid. Wie erfolgreich wart ihr damit? Nur wenn wir darüber lachen können, ist es möglich zu sehen, wie lächerlich es war und zu erkennen, dass wir Probleme auch anders lösen können. Auch wenn wir eifersüchtig und wütend sind, liegt die Lösung nicht darin, es zu zeigen. Der entscheidende Punkt ist, diese Gefühle auf andere Weise zu beseitigen. 

Verfestigung von „ich“ und „du“ 

Denkt daran, dass Eifersucht im englischen Wörterbuch als „eine Intoleranz gegenüber Rivalität oder Untreue“ definiert wird. Gibt jemand etwas unserem Rivalen und nicht uns, haben wir das Gefühl, er ist untreu. Wiederum gibt es hierbei ganz offensichtlich zwei Variationen. Es könnte sein, dass der andere uns etwas gegeben hat, es aber nicht mehr tut, oder aber dass wir von Anfang an nie etwas von ihm bekommen haben. Viel schmerzhafter ist es, wenn er uns früher etwas gegeben hat und es nicht mehr tut, und das entspricht viel eher der westlichen Vorstellung von Untreue. Trotzdem könnten wir den Wunsch haben, jemand würde uns lieben, auch wenn er uns vorher nie geliebt hat.

Hier messen wir wiederum einem Aspekt des Lebens zu viel Bedeutung bei und erklären dies, wie die Zuneigung einer Person, zur wichtigsten Sache. All das baut auf einer ausgeprägten Identifizierung mit dem „Ich“ auf. Wir denken: „Ich möchte Aufmerksamkeit bekommen und alles andere ist mir völlig egal.“ Was sogar noch stärker als die Verfestigung des „Ichs“ sein kann, ist die Verfestigung des „Du“. Egal ob uns zehn oder hundert andere Menschen lieben, uns geht es nur um diesen einen und alles andere zählt nicht. Wir denken: „Ich will nur, dass du mich liebst.“ Und wenn uns diese eine Person nicht liebt, fühlt es sich so an, als würde uns niemand lieben.

Aber das ist falsch. Lassen wir uns das einmal durch den Kopf gehen, ist es doch höchst unwahrscheinlich, dass uns niemand liebt. Es mag zwar möglich sein, aber in den meisten Fällen ist es nicht so. Trotzdem bemitleiden wir uns und meinen, niemand würde uns lieben, auch wenn unsere Mutter, unsere Freunde und unser Hund uns liebt. Es gibt viele Wesen, die uns auf die eine oder andere Weise lieben. Dies unterschätzen wir, wenn wir der möglichen Liebe eines Einzelnen zu große Bedeutung beimessen, denn uns interessiert lediglich die Liebe dieser einen Person.

Meditation: Was ist an mir und an dir so besonders? 

Es ist ziemlich problematisch, besonders wenn wir es in unserem Leben schön häufig mit verschiedenen Personen erlebt haben und meinen: „Dieser Eine muss mich lieben.“ Aber was ist so besonders an dieser Person, mal ganz abgesehen davon, was an uns so besonders sein sollte? Warum sollte jemand nur uns und nicht einen anderen lieben? Da gibt es also diese zwei Fragen: was ist an mir so besonders und warum bist du etwas Besonderes.

Gibt es eine Grundlage dafür, warum diese Person mich und nicht jemand anderen lieben sollte? Gibt es irgendeinen Grund dafür, warum es so wichtig ist, mich zu lieben und warum mir alle anderen, die mich lieben, egal sind? Das sind sehr tiefgründige Fragen, die uns unsere Sichtweise in Bezug auf die Welt und darauf, wie wir uns und andere sehen, überdenken lassen. Steckt vielleicht eine grundlegende Verwirrung hinter all diesen emotionalen Problemen?

[Meditation]

Es ist wichtig, das zu verstehen, denn auf diese Weise erkennen wir, woran wir wirklich arbeiten müssen, um uns auf der tiefsten Ebene von diesen emotionalen Problemen zu befreien, damit sie nie wieder in Erscheinung treten. Wir wollen uns nicht einfach nur von ihnen lösen können, wenn sie auftreten, sondern tiefgreifendere vorbeugende Maßnahmen ergreifen, damit sie gar nicht erst entstehen. Die einzige Möglichkeit dies wirklich umzusetzen besteht darin, ein vollkommenes Verständnis in Bezug darauf zu entwickeln, wie wir, wie andere und wie die Welt existiert. So können wir all unseren unbewussten Projektionen ein Ende setzen, die nichts weiter als Mythen und Fantasien sind. 

Besitzgier 

Wir können sehen, dass Eifersucht oft mit Besitzgier einhergeht, dem Gefühl etwas oder jemanden ganz für uns allein zu haben. Hierzu können wir uns das Beispiel eines wunderschönen wilden Vogel betrachten, den wir mit Samen und Brotkrümeln an unser Fensterbrett locken. Welche Einstellung haben wir gegenüber diesem wilden Vogel?

Nun, es ist ein freies Wesen. Wir sehen wie wunderschön er ist, wenn er an unser Fenster kommt und können die Zeit genießen, die dieser wilde Vogel mit uns teilt. Wenn wir Glück haben, wird sich der Vogel bei uns so wohlfühlen, dass er im Garten ein Nest baut und für eine Saison bei uns bleibt. Dann können wir die Gegenwart eines wilden Vogels in unserem Garten den ganzen Sommer genießen. Früher oder später, ob nach ein paar Augenblicken oder nach einer ganzen Saison, wird der Vogel wieder wegfliegen. Schließlich ist er ein freier, wilder Vogel. Wäre es nicht schön, wenn er irgendwann wiederkommen würde? Er ist jedoch nicht der einzige wilde Vogel und es wäre dumm, sich nur nach diesem einen Vogel zu sehnen und zu hoffen, er würde wiederkommen. Kommt ein anderer vorbei, können wir auch seine Schönheit für einen kurzen Moment genießen, den er in unserer Nähe verbringt.

Wären wir eifersüchtig und würden denken: „Ich will, dass dieser Vogel nur zu mir kommt und nicht zu einem anderen geht. Und ich will nicht, dass irgendwelche anderen Vögel kommen, sondern nur dieser eine“, wäre das recht dumm. Aus einer buddhistischen Sichtweise sollten wir uns freuen, wenn es im Laufe des Jahres auch andere Menschen gab, die den Vogel füttern konnten. Und wie gesagt, wenn der Vogel dann zu uns zurückkehrt, ist das ein Bonus.

Würden wir allerdings den Vogel, der an unser Fenster kommt, versuchen zu fangen, würde er sich erschrecken, wegfliegen und wahrscheinlich nie wiederkommen. Wie glücklich wäre der Vogel, wenn wir es schaffen würden ihn zu fangen und in einen Käfig zu stecken? Wir würden es tun, weil wir ihn ganz für uns haben wollen, aber wie würde sich der Vogel dabei fühlen? Würde er im Käfig ein Nest bauen und ein Ei hineinlegen? Nein, ganz bestimmt nicht.

Wunderschöne wilde Vögel: Ein hilfreiches Bild 

Dieses Bild kann in Bezug auf unsere Lieben, die in unser Leben treten und sogar im Hinblick auf unsere Kinder ausgesprochen hilfreich sein. Sie alle sind wie wilde Vögel, die nur für kurze Zeit in unser Leben treten; aber weil sie frei sind, gehen sie hierhin und dorthin. Sie haben andere Freunde. Kommen sie zu einem späteren Zeitpunkt in unserem Leben zurück und besuchen uns, ist das etwas Wunderbares. Wir können die Zeit genießen, die wir miteinander haben, und wenn sie später wiederkommen, können wir uns auch daran erfreuen.

Sind wir auf der anderen Seite eifersüchtig, weil sie mit anderen Menschen Umgang haben oder nicht all ihre Zeit uns widmen, welchen Einfluss wird das auf die Beziehung haben? Was können wir erwarten, wie sich die Situation entwickeln wird, wenn wir wollen, dass sie zuhause bleiben, nur mit uns zusammen sind und nie irgendwelche anderen Freunde haben? Würden wir versuchen sie zu fangen und in Käfige zu stecken, wäre das nicht beängstigend für sie? Wie glücklich würden sie sein, wenn wir es schaffen, sie in Käfige zu stecken, und wie glücklich würde es uns letztendlich machen?

Es ist wirklich hilfreich, unsere Lieben, wer immer sie auch sein mögen, als wunderschöne wilde Vögel zu betrachten, die in unser Leben treten und die Zeit, die wir tatsächlich zusammen verbringen einfach zu genießen. Natürlich werden sie andere Freunde und Interessen haben. Vielleicht bleiben sie eine lange Zeit bei uns, oder verlassen uns schon nach kurzem. Lieben wir diese Person wirklich, würden wir hoffen und uns wünschen, dass ihre Freunde sie ebenso nett behandeln, wie sie es tun. Ist es nicht so?

Meditation: Anwendung in unserem Leben

Dies ist eine viel gesündere Herangehensweise in Beziehungen und sie hilft uns, Probleme der Eifersucht und Besitzgier zu vermeiden, die uns im Grunde davon abhalten, die Zeit, die wir miteinander haben, zu genießen. Habt ihr schon einmal jemanden besucht, den ihr lange nicht gesehen habt und der dann, anstatt einfach die gemeinsame Zeit zu genießen, anfing sich zu beschweren, weil ihr nicht länger bleiben könnt? Denkt einmal darüber nach und versucht das Bild des wilden Vogels in Bezug auf eure Lieben anzuwenden, besonders auf jene, bei denen wir eifersüchtig sind, wenn sie Zeit mit anderen verbringen oder anderen ihre Aufmerksamkeit schenken.

[Meditation]

Eine andere Perspektive des wilden Vogels 

Unser Selbstwertgefühl hat einen großen Einfluss darauf zu verstehen, wer wir sind und wer dieses „Ich“ ist. Mitunter versuchen wir, andere in Käfige zu stecken, aber oft finden wir uns auch selbst auf der anderen Seite und sind dann der Vogel, den jemand versucht einzusperren. Wie können wir damit umgehen?

Zunächst ist es immer sehr wichtig, sich bewusst über die Realität der Situation zu sein. Insbesondere in Beziehungen und Ehen hat jede Person eine andere Vorstellung davon, was so eine Bindung mit sich bringt und wo die Grenzen sind. Darüber sollten wir uns im Klaren sein, denn sonst könnte eine Person etwas erwarten, was nie eintreten wird oder völlig verschieden von der Sichtweise des anderen ist.

Das ist in der Beziehung für beide Seiten von Bedeutung. Es gilt jedoch auch das andere Extrem zu vermeiden, also ständig die Regeln neu auszuhandeln, andauernd über die Beziehung zu sprechen und darüber, wie wir uns damit auseinandersetzen, anstatt sie einfach zu leben. Es ist gut aufrichtig zu sein, Probleme nicht zu unterdrücken und den anderen wissen zu lassen, wenn wir wirklich verletzt wurden. Aber wir sollten versuchen, es ohne versteckte Absichten zu tun, und dem anderen keine Schuldgefühle und Wünsche aufzwingen.

Sind wir uns erst einmal über die Auswirkungen unseres Verhaltens bewusst, ist das eigentlich ganz leicht. Oft sind wir jedoch recht naiv, was das betrifft und scheinen mitunter zu denken, unsere Verhaltensweise würde andere nicht beeinflussen, als hätte außer uns niemand sonst Gefühle oder würde verletzt werden. Es gibt allerdings bestimmte Grenzen was sexuelle Treue betrifft, die wir einhalten sollten, wohingegen andere Bereiche etwas flexibler sein können.

Funktioniert nur eine Sache in der Beziehung nicht, sollten wir nicht gleich alles wegwerfen, und auch wenn wir uns scheiden lassen, heißt das nicht, dass wir die Person nun nicht mehr lieben oder uns um sie kümmern dürfen. Man muss jemanden nicht unbedingt jeden Tag sehen und in Beziehungen muss es nicht um alles oder nichts gehen. Sie können auch neu definiert werden. Aus einem buddhistischen Blickwinkel betrachtet, gibt es da eine karmische Verbindung und daher kann man sich ihr nicht einfach so entledigen.

Hat unser Partner uns wirklich verletzt, indem er uns beispielsweise betrogen hat, könnten wir sagen: „Ich fühle mich durch dein Verhalten wirklich verletzt und denke, dass wir uns trennen sollten. Ich will dich jedoch nicht als Freund verlieren, aber gib mir etwas Zeit. In ein paar Monaten werde ich mich damit abgefunden haben und werde mit der Situation besser klarkommen. Dann könnten wir weiter Freunde sein. Du bist mir wichtig, denn sonst wäre ich nie diese Beziehung mit dir eingegangen.“ Das ist eine viel reifere Weise, sich damit auseinandersetzen, egal auf welcher Seite wir stehen. So, wie in einem Märchen, wird es nie sein. Es wird einfach nicht passieren, dass wir bis an unser Lebensende glücklich miteinander sein werden.

Geht es nicht um sexuelle Probleme, sondern um all unsere Zeit, die jemand in Anspruch nehmen möchte, können wir der Person stattdessen einen festgelegten Zeitraum widmen, den wir mit ihr verbringen werden. Halten wir uns dann auch daran, wird der andere auf diese Weise trotzdem auf uns zählen können. Er wird sich nicht abgelehnt oder zurückgewiesen fühlen und sind wir dann zu einhundert Prozent mit unserem Herzen und unseren Gedanken bei ihm, ist es noch besser. Lasst das einmal einwirken.

[Meditation]

Die Währung des anderen akzeptieren

Um uns der Liebe des anderen sicherer zu sein, können wir uns eines anderen Beispiels bedienen. Wie Menschen uns gegenüber ihre Liebe ausdrücken und schenken, können wir uns mit der Analogie von Währungen ansehen, in denen andere uns bezahlen. So, wie wir auch bisweilen flexibel in Bezug auf die Art und Weise sein müssen, wie Menschen uns bezahlen, gilt es auch flexibel im Hinblick darauf zu sein, wie andere uns ihre Liebe und Zuneigung zeigen.

Wir wollen vielleicht in Euro bezahlt werden, aber wie kann die Person uns bezahlen, wenn sie nur Dollar hat? Damit will ich sagen, dass sie uns vielleicht nicht auf genau die Weise lieben kann, wie wir es uns wünschen. Vielmehr ist es notwendig, die Währung oder das, was die anderen uns geben können, zu akzeptieren und zu erkennen, dass sie auf diese Weise ihre Liebe ausdrücken. Es ist das, wozu sie in der Lage sind und genauso ist es auch umgekehrt. Manchmal haben wir eine bestimmte Währung und können der Person die Zuneigung, die sie haben möchte, nicht in der Währung auszahlen, die sie gern hätte.

Wir sollten flexibel sein, wenn der andere sagt: „Es tut mir leid, momentan habe ich nicht genug Geld. Ich habe gerade keine Zeit. Ich bin so beschäftigt und kann dich diese Woche nicht treffen.“ Sind wir flexibel, können wir die andere Person verstehen und erkennen, wie viel Geld oder Zeit sie für uns hat. Genauso verhält es sich natürlich auch mit uns, wenn wir überhaupt kein Geld anzubieten haben.

Es ist ein nützliches Beispiel, auch wenn Liebe und Zuneigung keine Waren sind, die wir kaufen und verkaufen können. Trotzdem kann es uns bei unseren Problemen der Unsicherheit weiterhelfen. Wir dringen in diesem Beispiel nicht bis zur Wurzel unserer Art der Existenzweise vor, aber ungeachtet dessen ist es eine hilfreiche Methode, vorübergehend mit einer Situation umzugehen. Eigentlich geht es darum die Währung zu erkennen, die von der anderen Person angeboten wird, denn allzu oft kennen wir sie nicht einmal oder sagen: „Ich will keine polnischen Zloty sondern echtes Geld!“

Häufig sieht man das am Beispiel von verheirateten Paaren mit Kindern. Derjenigen, die zuhause bleiben und auf die Kinder aufpassen, klagen, dass der Geldverdiener sich nicht genug um sie kümmert und ausreichend Zeit mit ihnen verbringt. Sie erkennen nicht, dass der Verdiener seine Zuneigung zeigt, indem er viele Stunden auf der Arbeit verbringt, um die Familie zu ernähren. Das ist seine oder ihre Währung. Auf der anderen Seite klagt der Verdiener, dass die Person, die zuhause bleibt, ihm nicht genug Aufmerksamkeit schenkt, wenn er Abends nach Hause kommt. Er erkennt nicht, dass der Ehepartner mit der Währung zahlt, sich um Haus und Kinder zu kümmern. Jeder von uns nutzt eine andere Währung, um Fürsorge und Aufmerksamkeit zu zeigen und jeder sollte lernen, die Währung des anderen zu akzeptieren.

Die richtige Medizin 

Lernen wir etwas über die Leerheit oder Leere, und darüber, wie man sie anwendet, können wir erkennen, wie entscheidend und wichtig dieses Verständnis ist. Es ist eine überaus starke Medizin. In vielen Situationen mag es jedoch angebrachter sein, eine schwächere Medizin anzuwenden und dann langsam immer tiefer zu gehen.

Leerheit und dualistische Wahrnehmung 

Das große Problem in Bezug auf die Leerheit sind unsere Projektionen und hier gibt es zwei Aspekte. 

  • Der eine besteht darin, dass unser Geist automatisch Dinge auf eine Weise erscheinen lässt, die nicht der Wirklichkeit entspricht. 
  • Der zweite ist, dass wir diese Erscheinung für wahr halten und meinen, sie würde tatsächlich der Wirklichkeit entsprechen. 

Dies geschieht automatisch; es ist nicht etwas, das wir bewusst tun. Wir glauben es, weil es sich so anfühlt, als würden wir es wirklich erleben. Wir erfahren es auf diese Weise und halten es tiefgründig und grundlegend für wahr und meinen, es würde der Wirklichkeit entsprechen. Es ist so ein tiefgreifendes Problem, fast immer zu denken, unsere Gefühle müssten doch wahr sein. Was wir empfinden, muss wahr sein; wir stellen es nicht einmal infrage.

Was die Eifersucht betrifft, projiziert der Geist eine dualistische Erscheinung von „ich“ und „du“ in zwei festgelegten Kategorien. Da gibt es ein scheinbar festes „Ich“, das natürlich etwas erreichen sollte, aber keinen Erfolg hatte. Grundsätzlich meinen wir etwas verdient, aber leider nicht bekommen zu haben, während der andere dort drüben, der es überhaupt nicht verdient, bekommen hat. So fühlt es sich doch an, nicht wahr? Es tut weh und deshalb glauben wir, es wäre wahr.

Das ist ein großes Missverständnis, denn unbewusst meinen wir, die Welt würde uns etwas schulden und es wäre unfair, wenn andere und nicht wir etwas bekommen.  Wir denken, es wäre nicht fair. Diese Frage ist nicht wirklich schön, aber warum sollte die Welt fair sein? Gibt es seitens des Universums etwas, das man als „Gerechtigkeit“ bezeichnet? Das ist eine ziemlich westliche Vorstellung, bei der wir denken: „Gott ist gerecht“ und es gäbe Gerechtigkeit im Universum. Aber nicht jeder denkt oder glaubt daran.

Obwohl dieses Gefühl der Ungerechtigkeit kulturell bedingt ist, gibt es eine Form, die diesbezüglich ganz automatisch entsteht. Hier teilen wir die Welt in zwei feste Kategorien von „Gewinnern“ und „Verlierern“ und das ist Dualismus. In der biblischen Ausdrucksweise würden wir von den Sündern und den Rechtschaffenen sprechen. Wir haben die Gewinner und die Verlierer in unveränderliche Schubladen gesteckt und das „arme Ich“ befindet sich in der Verlierer-Schublade. So fühlt es sich für uns an und deswegen ist es so furchtbar. Im Dualismus gibt es nur diese zwei Schubladen und wir befinden uns entweder in der einen oder in der anderen.

Sich selbst feststehenden, beständigen Kategorien zuzuordnen 

Wir stecken uns selbst in eine feststehende, beständige Kategorie und beständig heißt natürlich, dass sie sich nie ändern wird und ewig ist. Wir befinden uns in der feststehenden, beständigen Kategorie der „Verlierer“, während sich andere Menschen in der feststehenden, beständigen Kategorie der „Gewinner“ befinden. Auf diese Weise fühlen wir uns nicht nur traurig, sondern auch verdammt. Es ist, als wären wir auf völlig unfaire Weise bestraft worden. Unsere Wahrnehmung ist so realitätsfremd, dass wir meinen, wir wären die Einzigen in dieser Verlierer-Schublade, denn wir sind so sehr von unserer egozentrischen Denkweise beherrscht. Wir bemitleiden uns selbst und leiden, als würde es in uns etwas geben, das uns zu einem Verlierer macht, der für immer in diesem Zustand bleiben muss.

Törichte Sichtweise von Ursache und Wirkung 

Es ist nicht nur kompliziert, weil wir nicht verstehen, wie wir und andere existieren, sondern auch, weil wir naiv in Bezug auf Ursache und Wirkung sind, was oft hinter Eifersucht und Neid steckt. Wir denken, die Person, die auf der Arbeit befördert wurde, hat es nicht verdient, weil sie nichts dazu beigetragen hat, diese Förderung zu bekommen, die uns verwehrt wurde. Damit leugnen wir die Tatsache von Ursache und Wirkung. Wir meinen, diese Förderung verdient zu haben, ohne etwas dafür tun zu müssen. Oder wir denken es wäre unfair, weil wir sie nicht bekamen, obwohl wir so viel dafür getan haben; wir wurden einfach nicht belohnt und das ist nicht fair. Wir sehen nicht all die anderen zahlreichen damit verbundenen Kräfte und ursächlichen Faktoren neben dem Wenigen, das wir dazu beigetragen haben.

Zuweilen scheint es, als würde es diese Denkweise kulturell bedingt in sozialistischen Staaten geben. Nur weil man beispielsweise in einem sozialistischen Land geboren wurde, scheint es, als hätte man bestimmte Dinge verdient, ohne etwas dafür tun zu müssen und dann denkt man, einem würde alles zustehen. Es ist recht interessant, wenn man einmal einen Blick darauf wirft, was wir meinen verdient zu haben. Stehen jemandem irgendwelche Dinge zu oder geschehen Dinge einfach grundlos? Das ist eine ziemlich tiefgreifende Sache! Wir können es beispielsweise bei Jugendlichen beobachten, die sich völlig daneben benehmen, um die Liebe ihrer Eltern auszutesten.

Glaubensvorstellungen hinterfragen 

Betrachten wir die Projektionen der Gewinner- und Verlierer-Kategorien in drei Abschnitten. Erstens: Unterteilen wir die Welt und stimmt es, dass die Welt in Gewinner und Verlierer aufgeteilt wird? Zweitens: Glauben wir, das Universum müsse fair und gerecht sein? Und schließlich: Meinen wir, dass wir von Natur aus etwas verdient hätten und beispielsweise grundlos geliebt werden sollten, egal wie selbstsüchtig und gemein wir sind?

[Meditation]

Wir beginnen unsere Glaubensvorstellungen zu hinterfragen, indem wir untersuchen, warum das Universum fair sein sollte, oder warum wir meinen, dass uns etwas einfach grundlos zusteht. Warum sollte es so sein? Es ist nicht einfach, eine Antwort darauf zu finden, und viele von uns werden es wahrscheinlich damit begründen, dass es so sein sollte oder dass wir es so haben wollen.

Das Ergebnis entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit, auch wenn wir denken, dass es auf diese Weise erscheinen sollte. Nur weil wir der Meinung sind, es gäbe einen Weihnachtsmann, heißt das zum Beispiel nicht, es würde aus diesem Grund auch einen geben und es sollte wirklich so sein. Das ist reine Fantasie. Wenn wir jedoch die Leerheit des Weihnachtsmanns betrachten, sollten wir verstehen, was wirklich da ist. Sehen wir einen Weihnachtsmann in einem Geschäft, erkennen wir, dass es sich um eine Person handelt, die sich als Weihnachtsmann verkleidet hat. Es gibt keinen Weihnachtsmann, aber eine Person, die sich als Weihnachtsmann verkleidet hat. Die Erscheinung selbst entspricht jedoch nicht der Realität. Durch die Leerheit wird nicht alles negiert, sondern lediglich unser Glaube an die projizierte Erscheinung. Die Erscheinung einer Person als Weihnachtsmann ist kein Beweis dafür, dass es einen Weihnachtsmann gibt. Das wird durch das Verständnis der Leerheit negiert. 

Meditation: Die Erscheinung entspricht nicht der Realität 

Nur weil es sich so anfühlt, als wäre ich ein Verlierer, beweist nicht, dass ich auch einer bin. Und auch wenn du mich als einen Verlierer bezeichnest, heißt das nicht, ich wäre wirklich einer. Habe ich etwas nicht erreicht, war ich einfach nicht erfolgreich; das ist alles. Ich bin ein Mensch, der etwas versucht, und das wird nicht verneint. Lasst das für einen Moment einwirken.

[Meditation]

Nur weil eine Person zu spät gekommen ist oder uns nicht angerufen hat, ist kein Beweis dafür, dass sie uns nicht liebt. Es mag sich so anfühlen, aber es ist wirklich kein Beleg dafür, dass sie uns nicht liebt. So etwas zu denken ist unsinnig und im Deutschen gibt es dafür das perfekte Wort: es ist „Quatsch“. Wir können es als nützliches Stichwort dafür benutzen, wenn wir uns in diesen Gedanken verlieren. Nichts davon entspricht der Realität.

Verspätet sich jemand oder versetzt uns, haben wir diese übertriebenen Ängste verlassen worden zu sein. Das ist allerdings Unsinn! Die Wirklichkeit ist einfach, dass sich die Person verspätet hat oder nicht kommen konnte. Das ist die Realität. Wir können versuchen, den Grund dafür herauszufinden, ohne gleich zu denken: „Ich armer, ich wurde verlassen, niemand liebt mich. Es ist schon wieder passiert, ich bin so ein Verlierer.“ Quatsch!

Nur weil es sich so anfühlt, als wurden wir verlassen und wären immer der Verlierer, heißt nicht, dass wir wirklich verlassen wurden oder tatsächliche Verlierer sind. Es zeigt nur, dass wir denken und meinen, es wäre wahr und würde der Realität entsprechen und deswegen tut es weh. Hören wir auf daran zu glauben, es wäre wahr, würde es nicht so weh tun und schließlich würde es sich so anfühlen, als wäre nichts passiert. Früher oder später würden wir erkennen, dass die Person sich einfach verspätet oder jemand anderen gefunden hat. Dann würden wir uns damit auseinandersetzen. Haben wir einen Freund, der sich ständig verspätet, würden wir ihn bitten, etwas früher zu kommen oder eine Richtlinie setzen und ihm sagen, dass wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt warten, aber dann ohne ihn weitermachen werden. Auf diese Weise ist alles klar und wir können unser Leben führen, ohne in Traurigkeit zu verfallen und an Unsinn zu glauben. 

Wunsch nach Kontrolle 

Oft steckt dahinter ein sehr kulturell bedingtes Missverständnis, ein Wunsch, ständig alles unter Kontrolle zu haben. Besonders bei den Deutschen ist das ziemlich ausgeprägt. Alles muss unter Kontrolle sein, und erst wenn alles geordnet und klar ist, kann man sich sicher fühlen. Das ist ebenfalls absurd, denn niemand ist in der Lage, das Leben unter Kontrolle zu haben. Es ist viel zu komplex und so viele Dinge passieren, die einen Einfluss auf alles mögliche haben. Es ist wichtig, die zahlreichen Ebenen der Absurdität und unrealistischen Erwartungen zu erkennen.

Zusammenfassung 

Fast jeder von uns misst dem „Ich“ eine zu große Bedeutung bei. Im Grunde genommen geschieht es ganz natürlich, sich selbst als Zentrum des Universums zu betrachten, um das sich alles dreht. Und dann meinen wir noch, unser gutes Aussehen, unsere Intelligenz oder unser Reichtum wären unsere wichtigsten Merkmale. Hier liegt nun unser größtes Problem: das solide, schöne, reiche „Ich“.

Denken wir auf diese Weise, sind wir gegenüber unseren Freunden besitzergreifend und werden eifersüchtig, wenn wir sehen, dass sie ihre Zeit mit anderen verbringen und Spaß dabei haben. Hinterfragen wir diese Glaubensvorstellung, die ja sowieso völlig falsch ist, ändern wir unsere Perspektive grundlegend. Daher wird das Verständnis der Leerheit nicht nur in Bezug auf die Eifersucht, sondern in Bezug auf alle störenden Emotionen als stärkste und effektivste Medizin betrachtet.

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