''Wie man über Unbeständigkeit meditiert'' – Eine Paraphrase

Gungthang Rinpoches (Gung-thang-tshang dKon-mchog bstan-pa'i sgron-me) (1762-1823) Text ,,Training im Meditieren über Unbeständigkeit in Versmaß” (Mi-rtag sgom-tshul-gyi bslab-bya tshigs-su bcad-pa bcas) beginnt mit einer Ehrerweisung an alle seine spirituellen Meister, die sich in vielzähligen Formen manifestieren und Belehrungen geben, um den Geist zu zähmen:

Ehre der großen Vereinigung von Glückseligkeit und Leerheit, die sich in verschiedenen Formen und Variationen manifestiert, um den vielen Bedürfnissen und Veranlagungen begrenzter Wesen gerecht zu werden.

Diesen kostbaren menschlichen Körper mit seinen acht Ruhepausen und zehn Bereicherungen erhält man nur einmal. Es besteht die Gefahr, diese Möglichkeit zu verlieren und, ohne etwas von bleibendem Wert vollbracht zu haben, in die nächste Wiedergeburt zu gehen. Jetzt ist die Zeit, uns auf den Pfad der Befreiung zu begeben. Eigentlich ist es schon fast zu spät, da wir alle hier zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt sind. Wir müssen uns mit einer eisenhakengleichen Erinnerung und einer Wachsamkeit, die dem schrittweisen Training eines Elefanten gleicht, aufrecht halten den Dharma zu praktizieren. Der Versuch, alles Weltliche und Samsarische diesen Monat oder zumindest in diesem Jahr fertig zu stellen, oder den Gedanken zu haben, die eigene Dharmapraxis aufzuschieben und zuerst alles andere in diesem Jahr zu tun, ist ein dich verführender Geist. Ein Meister hat einmal gesagt, dass religiöse Menschen sich niemals Sorgen darum machen müssen, nicht genug zum Überleben zu haben. Manche Menschen haben die Ausrede, dass sie zunächst Geld verdienen müssen, um den Dharma zu praktizieren. Es gab jedoch niemals einen Dharmapraktizierenden, der einen Hungertod gestorben ist.

Entwickle den Gedanken, den Dharma hingebungsvoll und vollständig zu praktizieren. Die Aktivitäten dieses Lebens sind wie Wellen auf dem Wasser. Wie ein Kräuseln kommt die erste; die nächste folgt unverzüglich darauf. Je mehr du tust, desto mehr neue Aktivitäten kommen: Es ist endlos. Ist es nicht besser, diese Dinge jetzt, da keine Erschwerungen auf uns liegen, fest entschlossen hinter uns zu lassen, anstatt ziellos hier und dort umherzuschweifen? Falls zum Beispiel ein Notfall eintritt, trifft man den festen, entschiedenen Entschluss, alles fallenzulassen, um sich darum zu kümmern. Es ist wie in der Geschichte von Naropa, der fortging, um Tilopa zu treffen. Entschlossen verließ er seine Position als Abt von Nalanda und ging. Oder wie Tsongkhapa, der, nachdem er von Manjushri Belehrungen erhalten hatte, eine Klausur über vorbereitende Übungen zu machen, den Entschluss fasste dies zu tun, und Tausende seiner Schüler verließ und fortging.

Mach' dir nichts vor. Bevor die Dharmapraxis von morgen stattfindet, könnte der Tod von heute dieser zuvorkommen. Wenn du deshalb den Dharma praktizieren möchtest, tu dies von heute an.

Obwohl die Taten großer Meister wie Tsongkhapa und Padmasambhava in allen Richtungen der Welt verbreitet sind, sind alle diese Meister tot. Es bleiben lediglich deren Namen zurück. Ihre Körper sind fort und wir können sie nur durch ihre Lehren verstehen. All dies sind Zeichen ihrer Unbeständigkeit, so wie die liegende Statue des Buddha in Kushinagar, die uns daran erinnert, dass sogar Buddha gestorben ist. Shantideva sagt in seinem ,,Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas” (sPyod-‘jug, Skt. Bodhicharyavatara), dass wenn Buddhas, Pratyekabuddhas and Shravakas alle gestorben sind, steht es da überhaupt noch zur Frage, ob auch wir sterben müssen? Dies ist ebenso eine Belehrung des Achten Dalai Lamas, der, wie die Meister, die all diese Belehrungen verfasst haben, nicht mehr am Leben ist.  Trotzdem sollte gesagt werden, dass, wenn die Formen dieser großartigen Wesen vergehen und sie sich zurück in den Körper der essentiellen Natur der Buddhas (Svabhavakaya) auflösen, dies lediglich geschieht, um verblendeten Schülern Unbeständigkeit zu lehren.

So wie diese großartigen Wesen wird in hundert Jahren niemand von uns mehr hier sein. Könige und Staatsmänner, die so stolz auf ihren Reichtum und ihre Macht sind, und, eine Liste von Handlungen aufzählend, prahlen, werden auch nicht mehr sein. Lediglich ihre Namen verbleiben. Dasselbe gilt für die vielen bekannten Führungspersonen der heutigen Welt: Sie werden in der Zukunft nicht mehr hier sein. Menschen, die dein Alter und dieselbe körperliche Kraft haben, werden ebenso sterben. Plötzlich werden sie vom Herrn des Todes gekidnappt. Was gibt dir also die Gewissheit, dass du ewig leben wirst? Keine Angst vor dem Tod zu haben, obwohl man über Unbeständigkeit belehrt wurde, ist sehr dumm. Sogar träge und dumme Tiere wie Schafe zittern mit bebendem Herzschlag, wenn sie sehen, wie ihre Artgenossen vom Schlachter getötet werden.

In diesem Zusammenhang gibt es eine Geschichte von Geshe Potowa. Ein Mann, der in dessen Dorf lebte, kam zu ihm und fragte: ,,Könntest du mir eine Nachricht schicken, wenn mein Tod kurz bevorsteht?” Später starb jemand in einem Dorf oberhalb und dem Mann wurde darüber in einer Nachricht berichtet, aber er tat nichts. Das Gleiche geschah jemandem in einem Dorf unterhalb und in einem auf derselben Höhe. Immer noch tat der Mann nichts. Schließlich kündigte sich sein eigener Tod an, und so rannte er zu Geshe Potowa und fragte: ,,Warum hast du mir keine Nachricht geschickt?” Geshe Potowa antwortete: ,,Ich habe dir eine Nachricht geschickt, aber du hast es nicht verstanden.” Geshe Potowa selbst meditierte über Unbeständigkeit, indem er alle Tode in Penpo, dem Tal, in dem er lebte, zählte.

Ein Verständnis von Unbeständigkeit muss nicht auf Basis schriftlicher Texte bestehen; man kann den Tod, der alle lebenden Wesen heimsucht, mittels bloßer Wahrnehmung sehen. Menschen, die die Offensichtlichkeit des Todes sehen, aber diese Erkenntnis nicht auf sich selbst anwenden, sind wie Blinde mit offenen Augen, oder wie jemand mit Glasaugen. In der Zukunft werden unsere Freunde, Angehörige, Diener und Gefolgschaft alle versterben. Solange man mit ihnen zusammen ist, gleicht dies einer vom Wind zusammengetragenen Ansammlung von Blättern, die anschließend wieder verstreut wird. Obwohl wir jetzt beieinander sind, werden wir andere Formen angenommen haben, wenn wir uns in zukünftigen Leben wieder treffen, und uns nicht einmal wiedererkennen. Es ist sehr selten, dass jemand über Unbeständigkeit nachdenkt, aber wir sollten zumindest eine Balance zwischen weltlichem und spirituellem Leben haben, da dies Stabilität schafft.

Der Wechsel der Jahreszeiten, das Fallen der Blätter und andere Naturphänomene lehren uns Unbeständigkeit. Wie Milarepa sagt: ,,Ich sehe alles um mich herum als eine Belehrung.”

Eine andere Metapher für Unbeständigkeit ist ein Jahrmarkt. Menschen von verschiedenen Dörfern kommen zusammen für dieses Ereignis und gehen anschließend wieder auseinander. Wir wissen nicht, wohin sie gehen, und sie werden nicht wieder in derselben Weise zusammenkommen. Diese Ansammlung von Freunden und Angehörigen, die uns umgeben, ist wie die Menschen auf dem Jahrmarkt oder wie Fliegen im Herbst. Sie werden wieder auseinandergehen.

Phänomene wie Frühling und Sommer mögen verlockend schön sein, jedoch lehren sie uns alle Unbeständigkeit und unentwegte Veränderung, so wie auch die Elemente selbst. Pflanzen sind zunächst grün, dann orange und am Ende kahl. Die Temperatur des Wassers in Bächen, deren Farbe und Geräusche verändern sich alle mit den Jahreszeiten. Bäche, die auffallend grün-blau mit wunderschönen, tänzerischen, kleinen Wellen, von denen hübsche Blasengeräusche erklingen, waren, frieren an der Oberfläche ein und das weiße Eis und das Wasser darunter geben Geräusche von sich, als würde jemand murmeln. Gleiches geschieht den Menschen. Solange sie jung sind, gehen sie zu vielen Feiern und genießen das Tanzen, Singen und Alkoholtrinken. Jedoch ändern sich ihre Gewohnheiten, sobald sie älter werden. Wie im vorherigen Beispiel geben sie ein Murmeln von sich!

In der Sommerzeit entlocken brummende Bienen die Essenz der Blüten in wunderschönen Gärten. So ähnlich ist es, solange wir jung sind. Wir geben uns den weltlichen Vergnügen und Bequemlichkeiten hin. Jedoch wird der Blumengarten im Herbst wie eine Wüste, und wenn der Winter kommt und der Wind durch den Garten bläst, ertönen traurige Klänge. Niemand möchte dorthin gehen, nur um alles kahl vorzufinden. Manchmal ist eine Anhöhe vollständig mit Blumen bedeckt; im Winter ist sie dann vollständig kahl. Das gleiche gilt für Häuser: Sie verwittern und werden alt. So sind dies alles Beispiele für Unbeständigkeit. Die unmittelbarste Belehrung über Unbeständigkeit gibt uns jedoch die eigene physische Form. Sobald wir älter werden, können wir nicht mehr denselben Aktivitäten nachgehen wie in unserer Jugend: Wir werden langsamer und unsere äußere Erscheinung verändert sich.

Unbeständigkeit betrifft nicht nur lebendige Wesen, sondern auch unbelebte Dinge wie Gebäude, die Natur, Gartenbau und Zeit. Orte wie die bedeutenden Klöster von Nalanda, wo Nagarjuna und Asanga studierten, und in Bodhgaya sind schon lange verschwunden. Das gleiche geschah mit Ganden, Sera und den anderen bedeutenden Klosteruniversitäten in Tibet. Sogar die Library of Tibetan Works and Archives, wo wir uns jetzt gerade befinden, wird einmal zerfallen und zu einer Ruine werden. Nagarjuna sagt in seinem ,,Brief an einen Freund” (Skt. Suhrllekha): ,,Wenn das gesamte Universum durch die Verbrennung der sieben Sonnen zerstört wird, besteht kein Zweifel, dass unsere Körper ebenso vernichtet werden”, da sich die Zerstörung auf alles bis hin zur ersten Ebene geistiger Beständigkeit, dem Brahma-Bereich der Ebene ätherischer Formen, auswirkt.

Eine schwarze und eine weiße Maus fressen wechselweise einen Strick, der ein Heubündel zusammenhält. In diesem Beispiel repräsentieren die schwarze und die weiße Maus Nacht und Tag, das Heubündel unsere Lebensspanne und der Strick um das Heu die Dauer. Bevor dieser Strick reißt, und das Heubündel, das unsere Lebensspanne repräsentiert, auseinanderfällt, sollten wir die Gelegenheit nutzen, so viele konstruktive Handlungen wie möglich auszuführen.

Jeder Moment der Zeit jagt uns in Richtung der Gegenwart des Herrn des Todes. So wie ein Tier, das zum Schlachthaus gebracht wird, bringt uns jeder Schritt dem Tod näher. Jeder Atemzug bringt uns dem Tod näher. Wie viel näher sind wir ihm seit dem Aufwachen heute Morgen gekommen? Zu glauben, dass wir nicht sterben werden, da wir noch noch jung sind, ist albern. Das Alter spielt keine Rolle für den Herrn des Todes. Wenn sehr alt gewordene Eltern mit weißem Haar und zitterndem Körper, bucklig wie ein Bogen, die Körper ihrer Kinder zum Friedhof tragen, wie können wir da sagen, dass der Herr des Todes Unterschiede im Bezug auf das Alter macht? Wir müssen folglich ungeachtet unseres Alters den Dharma praktizieren, nicht nur wenn wir bereits alt geworden sind. Das einzige, was förderlich ist, ist der Dharma.

Der einzige zuverlässige Freund ist deine eigene Dharmapraxis. Menschen sind nicht zuverlässig. Wenn einem die Ernte des Reichtums vom Hagel schlechter Umstände zerstört wird, wird es schwierig, selbst vom Kreis der Abhängigen, um die man sich zuvor kümmerte, eine Antwort zu bekommen. Wenn wir arm werden, wird uns jeder im Stich lassen und uns aufgeben. Das liegt in der Natur des Menschen. Wenn wir alt und arm werden, wird man uns nicht einmal mehr Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir reich und berühmt sind, wird man immer unsere Aufmerksamkeit suchen. Wenn jemand reich ist, geben die Menschen vor, zu diesem Reichtum etwas beigetragen zu haben. Man möchte unser Glücklichsein teilen, aber nicht unsere Leiden. Wenn es nichts von einem zu holen gibt, wird man ignoriert. Buddha handelte gegenteilig und schenkte den Armen und Bedürftigen mehr Aufmerksamkeit.

Wenn eine einflussreiche Person deinem treuesten Freund sagt, dass du ein Nichtsnutz bist, wird er seine Meinung ändern und wankelmütig werden. Wenige Worte genügen, ihn dazu zu bringen, dich am nächsten Tag nicht mehr zu mögen. Das beweist das Sprichwort: ,,Etwas, das zuvor mit einigen Zentimetern erreicht werden könnte, ist vielleicht nicht mit einem Meter erreichbar.” Das heißt, dass wenige Worte genügen, um Menschen, die sich zuvor nahestanden, voneinander zu distanzieren. Wir müssen einen beständigen Freund im Dharma finden. Freunde sehen sich vor und zeigen deine Fehler und Schwachpunkte nur zögerlich auf. Dein Feind ist jedoch hilfreicher, da er dir deine Fehler aufzeigt.

Manche Menschen verbringen das ganze Leben damit, ein Vermögen anzuhäufen, und verändern sich dadurch sehr und leiden viel. Da dies die Ursache für so viel Leid ist, sollten wir an Reichtümern nicht anhaften. Reichtum hat die Erscheinung von Glücklichsein. So ist es aber nicht. Die Anziehungskraft, die Reichtümer für uns haben, gleicht der Anziehungskraft einer Flamme für eine Motte oder einen Schmetterling: Wenn sie zu nahe kommen, gehen sie zugrunde. Reiche Menschen scheinen glücklich, sehen gut aus, haben ein schönes Haus und scheinen keine Sorgen bezüglich des Geldes zu haben. Das sieht reizvoll aus. Wenn wir jedoch vollständig in diese Situation eingetaucht sind, sehen wir deren Probleme und Nachteile. So sind zum Beispiel manche Menschen religiös, aber sobald sie reich sind, verlieren sie das Interesse an Religion und ihr Geist ist auf das Anhäufen von mehr Vermögen fokussiert. Wir sind immer müde, Tugenden anzuhäufen, aber niemals müde, mehr Vermögen anzuhäufen.

Kurz gesagt ist das Leben unbeständig und der Tod wird zwangslaüfig kommen. Deshalb müssen wir darauf vorbereitet sein. Es besteht keine Gewissheit, wann er kommen wird, aber sobald er da ist, ist er unabwendbar. Reiche Menschen können ihn nicht bestechen, schöne Menschen ihn nicht verführen, und Muskulöse ihn nicht bekämpfen. Anscheinend kann man sich an manchen Orten zwar eine Verlängerung des Visums oder der Aufenthaltsgenehmigung mit Geld erkaufen, eine Verlängerung unserer Lebensdauer aber nicht.

Wenn der Herr des Todes uns gefangen nimmt, müssen wir unseren Körper, den wir seit unserer Geburt haben, hinter uns lassen. Obwohl wir in einem warmen Bett sterben - wenn unser Bewusstsein fortgeht, gibt es nicht einmal die Chance, auch nur einen Moment auf unsere Angehörigen, Freunde und unser Vermögen zurückzuschauen. Das ist die Realität des Lebens und wir müssen uns darauf vorbereiten. Wir müssen alles, was wir angehäuft haben, zurücklassen, und alle schwierigen Umstände unermüdlich durchstehen. Wir müssen über dieses Leben hinausgehen, indem wir das Gepäck, die Last und die Verantwortung unserer konstruktiven und destruktiven Handlungen auf unseren Rücken nehmen. Manche alt gewordenen Eltern bauen Häuser für ihre Kinder und Enkel, aber wenn sie sterben, nehmen sie die Last des destruktiven Verhaltens, das Haus gebaut zu haben und dabei Würmer etc. getötet zu haben, auf ihren Rücken, während die Kinder einfach das Leben in dem Haus genießen. Deshalb häufen wir durch solche Handlungen nur die Last negativen Karmas an.

Wenn wir die gefährlichen Pfade des Bardo durchreisen und auf die Streitkräfte des Herrn des Todes treffen oder von diesen gestoppt werden, verstehen wir die Nutzlosigkeit der Anstrengungen, die wir unternommen haben, um unser Vermögen anzuhäufen. Auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt große Reue spüren, wird das nicht von großem Nutzen sein. Ein Sprichwort sagt: ,,Wenn man im Voraus denken kann, ist man weise; wenn man Dinge im Anschluss bereut, ist man dumm.” Der echte Wegweiser an einem unbekannten Ort ist der Dharma; die Vorräte für eine lange Reise sind der Dharma; der Ruderer, der uns sicher ans andere Ufer des Meeres bringt, ist der Dharma. Von heute an widme deinen Körper, deine Rede und deinen Geist dem Dharma.

Solange es in unserer Kraft liegt, unser eigenes Glücklichsein sicherzustellen, müssen wir dies tun. Tun wir dies nicht, so wird eine Zeit kommen, in der wir verwirrt sind und nicht wissen, was wir tun sollen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen einem religiösen Menschen und einem nichttugendhaftem Menschen, der gerade stirbt. Letzterer stirbt ohne Gewahrsein und unter Schmerzen. Ersterer stirbt friedlich, hat sich bereits im Voraus auf diesen Moment vorbereitet und hat sein Vermögen an Arme, seine Angehörigen und die Zufluchtsobjekte etc. aufgeteilt. Um wie der religiöse Mensch zu werden, sollten wir versuchen, von diesen Belehrungen so viel zu lernen, wie wir können. Wir sollte keine falsche Entsagung haben und Essen, Schlaf und Reichtum vollständig aufgeben, sondern stattdessen eine Balance zwischen Spiritualität und materiellen Angelegenheiten haben und versuchen, so gut wie möglich zu praktizieren.

Die Praxis des Dharma dreht sich nicht um das Tragen von Trachten und Folgen von Bräuchen, sondern darum, ein warmes, mitfühlendes Herz zu haben. Es gibt eine Erzählung über eine tibetische Dame, die stirbt, in die Hölle geht und den Herrn des Todes trifft. Sie sagt ihm, dass sie, obwohl sie anderen physisch Schaden zugefügt habe, dies im Geiste mit einer guten Motivation getan habe. Aus diesem Grund wurde sie in ihrer alten Erscheinung ins Leben zurückgeschickt. Dies zeigt die Notwendigkeit eines gütigen Herzens, ungeachtet der Erscheinung unserer Handlungen nach außen hin.

Ein Sprichwort sagt: ,,Leute, die viel über den Dharma sprechen, praktizieren wenig.” Atisha hat dies immer betont und immer, wenn er jemanden traf, fragte er: ,,Hast du ein gutes Herz?” Als Dromtönpa von Atishas Tod hörte, war er sehr traurig, dass er nicht bei ihm war, als er starb. Atisha jedoch hinterließ eine Nachricht, in der er seinen Schülern sagte, dass, sobald er nicht mehr am Leben ist, ein gutes Herz zu haben dasselbe ist, wie ihn persönlich zu sehen. Ebenso ist es gut, sich an die Belehrung der Kadampas zu erinnern, die besagt: Obwohl wir uns jetzt beklagen, dass wir anderen nicht nutzen können, ist es auf unserem Niveau von großem Nutzen, uns einfach davor zurückzuhalten, anderen zu schaden. Versuche niemanden unglücklich zu machen.

Solange der Strom des Atems nicht unterbrochen ist, hat man noch die Möglichkeit und Kraft, positives Potenzial aufzubauen und die eigene Zukunft zu sichern. Du bist gleichzeitig dein eigener bester Freund und schlimmster Feind. Wie glücklich du in Zukunft sein wirst, hängt von dir selbst ab. Jemand, der, ohne den Dharma praktiziert zu haben, stirbt, gleicht einem sterbenden Hund, besonders während des Bardos. Es wird keinen Unterschied machen, dass du als Mensch geboren wurdest. Es besteht kein Unterschied zwischen einem Chakravartin-Herrscher, der nicht den Dharma praktiziert, und einem Hund, der auf der Straße stirbt. Tatsächlich, wenn sie tot sind, könnte sich herausstellen, dass der Hund weniger negatives Karma geschaffen hat. Deshalb ist es wichtig, zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Praxis über Unbeständigkeit nachzudenken. Sogar die höchst verwirklichten und erfahrenen Meister meditieren über Unbeständigkeit.

Von allen Fußabdrücken ist der des Elefanten am größten. Von allen Gedanken ist es der der Unbeständigkeit, welcher den besten Abdruck hinterlässt.

Milarepa wendete sich dem Dharma zu, als er den Tod des Meisters seines Meisters in schwarzer Magie, den er verursacht hatte, sah. Gampopa wendete sich dem Dharma zu, als seine Frau starb. In ähnlicher Weise wurde der Buddha, als er zum ersten Mal dem Tod begegnete, inspiriert den Dharma zu betreten, um so eine Lösung für dieses Leid zu finden. Unbeständigkeit wird als der zentrale Pfad bezeichnet (nicht zu verwechseln mit Madhyamaka, dem Mittleren Weg). Es ist der zentrale Pfad, der die Funktion hat, Anhaftung an dieses Leben zu verhindern und positive Gedanken in Bezug auf die gesamte eigene Praxis zu etablieren. Unbeständigkeit als der ,,zentrale Pfad” hat auch eine tiefgründigere Interpretation. Er kann ebenso in Bezug auf Madhyamaka erläutert werden. Unbeständigkeit ist das Fundament für das Entwickeln von Verständnis der Madhyamaka-Philosophie, welches das Konzept eines falschen Ichs beseitigt und uns dabei hilft, die Realität des konventionellen Ichs zu verstehen.

Nachdem wir in der Lage waren, den Geist von Ablenkungen abzuwenden und ihn auf den Dharma zu fokussieren, müssen wir Folgendes tun. Obwohl es in dieser Welt viele Praxistraditionen gibt, die berühmt dafür sind, tiefgründig zu sein, wäre es, nachdem wir gegenüber der Praxis des Dharma vollkommen aufgeschlossen sind, am besten, dem Kern der Lehren der Buddhas aller drei Zeiten durch die gut etablierte Tradition von Tsongkhapa zu folgen. Dafür müssen wir den kombinierten und vereinigten Methoden von Sutra und Tantra folgen, die sowohl Erklärungen als auch Praxis beinhalten. Um diesen zu folgen, müssen wir die Wesensart, die Stufen und Unterteilungen des Pfades kennen und ihnen richtig folgen. Zum Besipiel sollten wir Tantra nicht vor Sutra praktizieren, oder über Bodhichitta lernen, ohne über das kostbare Menschenleben, sichere Ausrichtung (Zuflucht) und bedingtes Entstehen etc. Bescheid zu wissen.

Wir sollten versuchen, den Instinkt für den vollständigen, fehlerfreien Pfad und dessen wesentliche Lehren von Tag zu Tag in unserem Geist einzupflanzen. So wie Händler versuchen, jeden Tag so viel wie möglich zu verkaufen, sollten wir versuchen, jeden Tag so viele weiße Samen wie möglich zu pflanzen, um so viel positives Potenzial aufzubauen wie möglich. In der eigentlichen Praxis können wir eine Überblicksmeditation über einen kurzen Text des Pfades machen, der dem Sutra und Tantra gemein ist, wie ,,Die Grundlage für gute Eigenschaften” (Yon-tan gzhi-gyur-ma); er wird üblicherweise auswendig gelernt, langsam rezitiert und dann meditiert man darüber. Man findet solche Inhalte ebenso in der vorbereitenden Praxis Jorchö (sByor-mchod). Ein anderer Text dieser Art ist ,,Die zusammengefassten Punkte des Stufenweges” (Lam-rim bsdus-don), wo die sechs weitreichenden Geisteshaltungen erwähnt werden. Dieser Text ist nicht so explizit wie ,,Die Grundlage für gute Eigenschaften”, enthält aber die drei Arten ethischer Selbstdisziplin, die wiederum die sechs weitreichenden Geisteshaltungen beinhalten. Einen anderen Text, den wir für diese Art von Überblicksmeditation verwenden können, ist der Abschnitt über die Stufen des Lam-rim aus der,,Guru-Puja” (Bla-ma mchod-pa). Überblicksmeditation ist eine effiziente Methode, um zu überprüfen, was wir gelernt haben, und hilft dabei, es in gesammelter Weise in unserem Geist zu strukturieren. Es ist ähnlich wie das Überblicken einer Landkarte, um so zu sehen, wo alles ist, oder wie eine Ansicht aus der Vogelperspektive, die man von einem Berg aus über die gesamte Ebene hat.

Es mag vielleicht schwierig sein, jetzt Erfahrung im Lam-rim zu sammeln. Macht man jedoch Tag für Tag eine Überblicksmeditation, pflanzt dies die Anweisungen zur gesamten Sammlung der Belehrungen in unserem Geist ein. Wenn wir über den Lam-rim meditieren, müssen wir dem richtigen Vorgehen folgen, das in den Anweisungen gegeben wird. Zu Beginn sollten wir die Motivation des Bodhichitta entwickeln und am Ende eine Widmung machen. Wenn wir am Anfang der Sitzung eine Motivation entwickeln, sollten wir denken, dass wir um aller anderen willen meditieren. Wenn das nicht möglich ist, sollten wir zumindest Entsagung haben. Am Ende unserer Meditation sollten wir das positive Potenzial, das wir hervorgebracht haben, dem Glücklichsein aller begrenzten Wesen und deren Erlangung der Buddhaschaft widmen. Ich bitte euch eindringlich, die Essenz eures kostbaren Menschenlebens durch das Aufnehmen dieser Art von Praxis zu entwickeln. Das ,,Entwickeln der Essenz” hat drei Interpretationsstufen: Eine weitreichende, eine mittlere und eine kleine. Die weitreichende Interpretation ist in diesem Leben ein Buddha zu werden, die mittlere ist Befreiung von allen groben Formen störender Emotionen zu erlangen, und die kleine ist, von einer niederen Wiedergeburt frei zu sein.

Widmung

Mögen wir durch den Einfluss der positiven Kraft, die wir hierdurch aufgebaut haben, dazu in der Lage sein, die Quelle des Leidens zu zerstören: Greifen nach Beständigkeit; Anhaftung und Abneigung. Mögen wir besonders dazu fähig sein, die Kräfte des Greifens nach wahrer Existenz, das die Wurzel des Leidens in Samsara ist, zu zerstören. Möge jeder den Zustand weitreichender, glückverheißender Unsterblichkeit, der Buddhaschaft ist, erlangen.

Die Praxis des Dharma an einem Tag jetzt, da der Dharma degeneriert ist, ist besser als Hunderte von tugendhaften Handlungen, wenn der Dharma floriert. Dharmapraxis bedeutet ein gutes Herz zu haben, gütig zu sein, rücksichtsvoll, mitfühlend und sich davon zurückzuhalten, anderen zu schaden. So erwidert man die Güte der spirituellen Meister. Anstatt vorzugeben, mitfühlend zu sein, während man Hass im Herzen trägt, ist es am besten, bescheiden den Dharma zu praktizieren. Milarepa sagte: ,,Arbeite nicht nur für dein eigenes Glück, sondern für das der anderen. So vergilt man es dem Meister, dem spirituellen Vater.”

Die beste Methode für Anfänger, sich dem Dharma zuzuwenden, ist zuerst über die zehn destruktiven Handlungen zu lernen und sich von ihnen zurückzuhalten. Dann kann man seine Praxis langsam ausbauen und mit Meditation beginnen. Gleich am Anfang mit Meditation zu beginnen, kann zu Frustration, ,,Lung” und Verwirrung führen, und so entwickelt man schnell eine Abneigung gegen Meditation. Die beschriebene Vorgehensweise ist die unbedenklichste, etablierteste und unverfälschte Grundlage für Dharmapraxis. Beim Praktizieren der Tugenden der zehn konstruktiven Handlungen müssen wir moralische Selbstachtung entwickeln, Bedachtsamkeit, wie unsere Handlungen auf andere wirken, Vergegenwärtigung und Wachsamkeit. Wir sollten nicht einfach das tun, was uns gefällt, sondern an die Auswirkungen davon denken, was wir anziehen, tun, denken und sagen. Am wichtigsten ist es, niemandem zu schaden.

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