Sich um die Bodhichitta-Ausrichtung kümmern

09:18

1) Nachdem ich, als ein Nachkomme des Glorreichen, Bodhichitta in dieser Weise fest ergriffen habe, werde ich, ohne jemals zu wanken, danach streben, seine Übungen niemals zu übertreten.

2) In dem Falle, wo ich ganz spontan gehandelt habe, oder in Bezug auf eine Sache, die ich nicht gut durchdacht habe, ist es, selbst dann, wenn ich etwas bereits versprochen habe, angemessen zu erwägen: „Mach’ ich’s oder lass ich’s bleiben?“

3) Aber wie kann ich jemals (von der Aufgabe) zurücktreten, die von den Buddhas und ihren spirituellen Nachkommen mit großem unterscheidenden Gewahrsein untersucht worden ist, und die ich auch selber wiederholt durchdacht habe?

4) Wenn ich solch ein Versprechen gegeben habe und es nicht in Taten umsetze, was für eine Wiedergeburt werde ich dann annehmen, da ich alle begrenzten Wesen betrogen habe?

5) Wenn (der Buddha) gesagt hat, dass derjenige, der sich dazu entschlossen hat, eine kleine und unbedeutende Sache wegzugeben und diese dann aber (in Wirklichkeit) gar nicht weggibt, als Klammergeist [Hungergeist] wiedergeboren wird;

6) Werde ich dann, wenn ich alle umherwandernden Wesen betrügen sollte, nachdem ich sie aufrichtig zur unübertrefflichen Glückseligkeit eingeladen habe, eine glücklichere Wiedergeburt erlangen?

7) Und wie das Karma für jemanden wirkt, der Bodhichitta aufgibt und dennoch die Befreiung erlangt, das liegt jenseits allen Vorstellungsvermögens: nur der Allwissende kann das verstehen.

8) Für einen Bodhisattva ist dies (allerdings) die schlimmste (aller) Übertretungen überhaupt, denn sollte sich solche jemals ereignen, wird das Wohl der Wesen beeinträchtigt.

9) Und sollte irgendjemand anders – und sei es auch nur für einen Augenblick – sein verdienstvolles (Handeln) behindern, werden die schrecklichen Wiedergeburtszustände für ihn kein Ende nehmen, weil er das Wohl der begrenzten Wesen beeinträchtigt hat.

10) Wenn man die eigene (Wiedergeburt) schon dadurch nachteilig beeinflusst, dass man die Freude von lediglich einem einzelnen begrenzten Wesen zerstört, dann braucht kaum noch erwähnt zu werden, (welchen Effekt es hat,) wenn man die Glückseligkeit aller verkörperten Wesen zerstört, die sich so zahllos im unermesslichen Himmelsraum befinden.

11) Daher wird jemand, der durch die Kraft einer Übertretung und durch die Kraft, die daraus entsteht, (danach dann wieder) Bodhichitta (zu entwickeln), im Samsara abwärts und aufwärts gestoßen und über lange Zeit daran gehindert, eine Arya-Ebene eines verwirklichten Geistes zu erlangen.

12) Daher werde ich, mit höchster Wertschätzung, das durchführen, was ich versprochen habe, denn wenn ich mich von nun an nicht mehr weiter bemühe, werde ich in tiefere und noch tiefere Zustände fallen.

13) Unzählige Buddhas sind bereits vorbeigezogen, die allen begrenzten Wesen halfen, doch aufgrund meiner eigenen Fehler, wurde mir ihr heilsamer Einfluss bisher nicht zuteil.

14) Und wenn ich weiterhin so handle, werde ich immer wieder dasselbe erfahren: üble Wiedergeburten, Krankheit und Tod, verstümmelt und auseinander gerissen zu werden.

15) Wenn das Erscheinen eines So-Gegangenen (Buddha), das Erlangen eines Körpers als Mensch, (der mit) dem Glauben an Tatsachen (ausgestattet ist), und ein natürlicher Instinkt, sich in angemessener Weise konstruktiv (zu verhalten), so selten sind, wann werde ich dann diese (Art von Körper wieder) erlangen?

16) Obwohl ich an einem Tag wie heute nicht krank bin, gut zu essen habe und keinerlei Verletzungen, ist das Leben flüchtig und wird mich im Stich lassen: der Körper ist nur wie etwas kurz Geborgtes.

17) Und wenn ich mich derartig verhalte, werde ich nicht einmal einen menschlichen Körper (wieder) erlangen. Und wenn ich keinen (anderen) menschlichen Körper erlange, wird mir nichts Konstruktives mehr bleiben, nur (meine) negative Kraft.

18) Wenn ich selbst dann nicht konstruktiv handle, wenn ich die Möglichkeit habe, konstruktiv zu handeln, welchen Kurs werde ich dann einschlagen, wenn ich durch die Leiden übler Widergeburten vollends mit Blödheit geschlagen bin?

19) Wenn ich, unfähig, irgendetwas Konstruktives zu bewirken, weiterhin negative Kraft ansammle, dann werde ich für hunderte Millionen von Äonen nicht einmal das Wort „glückliche Wiedergeburt“ vernehmen.

20) Aus eben diesem Grund hat der Siegreiche Meister gesagt, dass die Geburt als ein Mensch so schwer zu erlangen ist, wie es für eine Schildkröte ist, ihren Kopf durch die Öffnung eines Joches zu stecken, das auf dem weiten Ozean treibt.

21) Wenn ich sogar durch die negative Kraft einer einzigen (verabscheuungswürdigen Tat), die ich in nur einem einzigen Augenblick (begangen habe), für (die Dauer) eines Äons in einem freudlosen Bereich nicht nachlassenden Schmerzes verweilen muss, muss ich dann noch erwähnen, dass ich aufgrund der negativen Kraft, die ich im anfangslosem Samsara aufgebaut habe, nicht den Zustand einer besseren Wiedergeburt erlangen werde?

22) Aber (auch) wenn ich nur soviel erfahren habe, werde ich immer noch nicht befreit sein, denn während ich (diese Früchte) erfahre, werde ich reichlich weitere negative Kraft erschaffen.

23) Wenn ich mir jetzt, da ich eine Ruhepause wie diese erlangt habe, konstruktives Handeln nicht zur Gewohnheit mache, dann gäbe es keinen größeren Selbstbetrug; dann gäbe es nichts Dümmeres als das.

24) Und wenn ich, obwohl ich das verstanden habe, törichterweise (konstruktives Handeln) in die Zukunft hinauszögere, dann werden sich, wenn die Stunde (meines) Todes naht, gewaltige seelische Qualen bilden.

25) Wenn mein Körper über lange Zeit hinweg in den unerträglichen Flammen eines freudlosen Bereiches schmort, dann gibt es keinen Zweifel daran, dass mein Geist unausweichlich vom Feuer einer unerträglicher Reue geplagt werden wird.

26) Ich habe irgendwie eine nutzbringende Wiedergeburt erlangt, die so schwer zu erlangen ist; wenn ich sie jetzt nicht nutze, wo ich doch momentan in der Lage bin zu unterscheiden, ziehe ich mich selbst noch einmal in einen freudlosen Bereich herab,

27) Das wäre dann so, als hätte ich keinen Verstand gehabt; wie von Sinnen unter dem Bann eines Mantra-Zauberspruchs. Wenn ich nicht einmal weiß, was meine Dummheit verursacht hat, na, was befindet sich dann wohl in meinem (Kopf)?

28) Obwohl Feinde, wie beispielsweise Ärger und Begierde, weder Arme noch Beine haben, und weder mutig noch weise sind, wie kommt es dann, dass sie mich dennoch zu ihrem Sklaven gemacht haben?

29) Solange sie sich in meinem Geist breit machen, fügen sie mir, zu ihrem eigenen Vergnügen, Leiden zu. Hierbei geduldig zu sein und nicht ärgerlich zu werden ist unangemessen, ein erbärmlicher Zeitpunkt um Geduld zu üben.

30) Selbst wenn sich alle Götter und Gegengötter als Feinde gegen mich erheben sollten, so wären sie doch nicht im Stande mich in die Feuerbrünste (eines freudlosen Bereichs) unerbitterlichen Schmerzes zu stürzen.

31) Aber diese starken mächtige Feinde, meine störenden Emotionen, können mich im Bruchteil einer Sekunde in dieses (Flammenmeer) stoßen, bei dessen Berührung noch nicht einmal die Asche des Königs der Berge übrig bleibt.

32) Meine störenden Emotionen sind langjährige Feinde, die weder einen Anfang, noch ein Ende haben. Keinem anderen Feind ist es möglich, über eine solange Zeitraum hinweg so zu sein.

33) Mit all (den anderen) verhält es sich so, dass, wenn ich (ihnen) freundlich zu Diensten bin, wird dies Nutzen und Glück hervorbringen, aber eine enge Beziehung zu meinen störenden Emotionen zu unterhalten, wird mir (nur) schaden und noch mehr Schmerzen bereiten.

34) Solche Feinde wie diese, die über einen langen Zeitraum hinweg ausdauern, bilden die einzigen Ursachen dafür, dass die Masse an Unglück weiter zunimmt. Wie kann ich in Samsara voller Freude und nicht erschrocken sein, wenn ich (ihnen) doch ein sicheren Platz in meinem Herzen gewähre.

35) Wo kann ich jemals Glück erfahren, wenn (die störenden Emotionen) als Wachen meines Samsara-Gefängnisses auf der Lauer liegen, während ich in einem Netz der Anhaftungen, innerhalb meines eignen Geistes (gefangen bin), (und sie) zu meinen Mördern und Schlächtern in den freudlosen Bereichen und dergleichen werden.

36a) Daher werde ich mit meinen Bemühungen niemals aufhören, bis ich diese Feinde eigens und unmittelbar selbst erschlagen habe.

36b) Jene, deren Stolz in voller Blüte steht, werden, wenn sie bereits über jemanden verärgert waren, der ihnen nur gelegentlich leichten Schaden zugefügt hat, keinen Schlaf finden, bis sie diesen (Feind) zerschmettert haben.

37) Und während (sie) auf der Höhe der Schlacht gegen jene antreten, die (erfüllt sind) von störenden Emotionen, und die ihren natürlichen Tod (ohnehin) erleiden werden, werden jene, die besessen davon sind, (die Feinde) aus Rache vernichtend zu schlagen, ihren eigenen Schmerzen gegenüber gleichgültig sein, die sie durch Waffen wie Pfeile und Speere erlitten haben. Und werden sich nicht zurückziehen, bevor sie ihr Ziel erreicht haben.

38) Es braucht dann wohl kaum erwähnt zu werden, dass ich selbst dann nicht, wenn es mir Hunderte von Leiden verursacht, den Mut verlieren und zögere darf, wenn ich jetzt fest entschlossen danach strebe, meine natürlichen Feinde, (die störenden Emotionen), zu überwinden, die die unaufhörliche Quelle all meiner Leiden sind.

39) Wenn sogar Wunden, die einem ohne irgendeinen Vorsatz, von seinen Feinden zugefügt worden sind, stolz wie eine Zierde am eigenen Körper getragen werden, warum empfinde ich dann die Leiden als lästig, die makellos darum ringen dem Großen Ziel zu entsprechen.

40) Wenn Fischer, Ausgestoßene und Landarbeiter, die nur mit dem Gedanken an ihren Broterwerb, leiden wie jene durch Hitze und Kälte aushalten, warum sind dann Leute wie ich nicht geduldig, wenn es um das Glück der umherwandernden Wesen geht?

41) Als ich versprach, die umherwandernden Wesen die in den zehn Himmelsrichtungen (verweilen), die sich bis an die Grenzen des Weltalls erstrecken, von ihren störenden Emotionen zu befreien, war ich selbst noch nicht von den störenden Emotionen befreit,

42) Und habe das Ausmaß gar nicht begriffen, zu dem ich ihrer Kontrolle unterlag; war es dann nicht verrückt, (so etwas) gesagt zu haben? Aber da dies nun einmal so ist, werde ich mich niemals mehr (von der Aufgabe) zurückziehen, die störenden Emotionen zu vernichten.

43) Und dies zu tun wird meine einzige Leidenschaft sein: Groll (gegen sie) hegend, begegne ich ihnen in der Schlacht! Störende Emotionen werden in dieser Form ausschließlich dazu verwendet, störende Emotionen zu vernichten.

44) Es wäre besser für mich verbrannt oder enthauptet zu werden: ich werde mich niemals, und unter keinen Umständen, dem Feind, (meinen) störenden Emotionen, beugen.

45) Gewöhnliche Feinde können sich, wenn sie aus einem Land vertrieben worden sind, einfach zurückziehen und in einem anderen (Land) niederlassen, dort ihre Kräfte sammeln und erneut einfallen; aber die Art und Weise des Feindes, meiner störenden Emotionen, ist diesbezüglich nicht vergleichbar.

46) Ihr jämmerlichen störenden Emotionen, wo werdet ihr hingehen, wenn ihr vom Auge der Weisheit vernichtet und aus meinem Geist vertrieben worden seid? Wo wollt ihr solange leben, bis ihr zurückkommt, um mir zu schaden? Unentschlossener, es liegt an mir selber, da ich mich nicht genügend bemühe.

47) Wenn diese störenden Emotionen nicht existieren, weder in Objekten der Sinneswahrnehmung, noch in den Netzwerken der Sinneszellen weder zwischen (diesen beiden), noch sonst wo, wo können sie dann existieren, um alle umherwandernden Wesen (wieder) zu schikanieren? Sie sind wie eine Illusion, und weil dem so ist, möchte ich mich von der Angst in meinem Herzen befreien und entschlossen danach streben, Weisheit zu erlangen. Warum habe ich mich selber – ohne wirklichen Grund – in diesem freudlosen Bereich gequält?

48) Nachdem ich in dieser Weise entschlossen darüber nachgedacht habe, will ich danach streben, die Übungen so umzusetzen, wie sie erläutert worden sind. Wie kann ein Patient, der der Heilung bedarf, durch die Arznei des Arztes kuriert werden, wenn er den Anweisungen des Arztes nicht folgt?

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