Gewaltlosigkeit und spirituelle Werte

Heute wurde ich gebeten, über Gewaltlosigkeit und spirituelle Werte in der modernen Welt zu sprechen. Und das sind Themen, die besonders für Studenten wie Sie relevant sind, die, wie ich verstanden habe, die Berufsrichtung der Medizin und des Lehramts eingeschlagen haben, denn als Teil Ihrer Arbeit anderen zu helfen, ist es für Sie zweifellos sehr wichtig, auf gewaltfreie Weise zu helfen. Offensichtlich ist Helfen das Gegenteil von Gewalt. Und wenn Sie selbst ein paar spirituelle Werte haben, wird das dazu beitragen, Ihre Arbeit sinnvoller zu machen, sodass sie nicht nur ein Gelderwerb ist. Spirituelle Wert zu haben kann Ihnen vielmehr helfen, die Gelegenheit zu schätzen, die Ihre Arbeit bietet, tatsächlich anderen Menschen auf sinnvolle Weise zu helfen.

Im Buddhismus gibt es, wie in allen Religionen, viel über Gewaltlosigkeit zu sagen, und natürlich definieren verschiedene Systeme die Bedeutung der Gewaltlosigkeit unterschiedlich. Häufig denken wir, Gewalt sei eine bestimmte Art von Handlung, eben eine gewalttätige Handlung, und Gewaltlosigkeit bedeute, diese Art von Verhalten zu unterlassen. Aber der buddhistische Ansatz betrachtet das Thema mehr von der Seite des Geistes aus, von der Geisteshaltung, die damit verbunden ist. Denn ob wir tatsächlich ein gewisses gewalttätiges Verhalten an den Tag legen oder nicht, hängt davon ab, ob wir eine gewaltsame Geisteshaltung haben oder nicht. Es einfach nur zu unterlassen, jemandem weh zu tun, während man im Geist sehr gewalttätige Gedanken hegt, ihm zu schaden, reicht keineswegs aus. Deshalb ist es wichtig, diese gewaltsame Geisteshaltung zu verstehen und Methoden zu erlernen, sie zu überwinden.

Drei Arten der Gewalt und der Gewaltlosigkeit

In den buddhistischen Lehren unterteilen wir Gewalt, eine gewalttätige Geisteshaltung, in drei verschiedene Arten. Und vielleicht könnte man das Wort Gewalt hier auch als „Grausamkeit“ übersetzen. Wenn wir über Gewalt reden, geht es nicht nur darum, kräftig und stark zu sein, da wir manchmal kraftvolle Methoden anwenden müssen, um jemanden davon abzuhalten, sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen. Wenn Ihr Kind auf die Straße läuft, wo es ganz leicht von einem Auto überfahren werden könnte, sagen Sie nicht einfach: „Oh! Liebes, lauf nicht auf die Straße.“ Möglicherweise muss man das Kind mit aller Kraft zurückhalten. Doch das ist es nicht, was wir unter Gewalt verstehen. Gewalt bedeutet, jemandem Schaden zufügen zu wollen, und es gibt viele verschiedene Arten, wie wir jemandem schaden können. Im Buddhismus werden drei Arten erwähnt, aber ich bin mir sicher, dass uns noch mehr einfallen würden.

Gewaltlosigkeit gegenüber anderen

Die erste Art von Gewalt besteht darin, eine gewalttätige Denkweise gegenüber anderen zu haben. Es geht um einen grausamen Mangel an Mitgefühl, mit dem wir Unheil anrichten oder anderen schaden wollen. Mitgefühl ist der Wunsch, dass andere frei von ihren Leiden und Problemen und deren Ursachen sein mögen. Und im obigen Fall ist es so, dass wir, anstatt zu wünschen, die anderen mögen frei von Leiden sein, vielmehr wollen, dass sie leiden, dass sie Probleme haben, sei es durch uns, durch andere oder einfach, indem es ihnen auf natürliche Weise zustößt. Um diese Geisteshaltung zu überwinden, sollten wir daran denken, dass alle gleich sind, nämlich in dem Sinne, dass jeder glücklich sein und niemand unglücklich sein will.

Wenn uns also jemand Schaden zufügt, oder wenn man beispielsweise in einer Klasse unterrichtet und ein Schüler sich schlecht oder störend gegenüber den anderen benimmt, dann ist es viel hilfreicher, dieses Kind in gewissem Sinn als krank anzusehen, anstatt es einfach nur bestrafen zu wollen – was meistens mit Ärger, Ungeduld und anderen beunruhigenden und unangenehmen Geisteshaltungen verbunden ist. Das Kind möchte glücklich sein, hat aber eigentlich keine klare oder korrekte Vorstellung davon, wie man glücklich wird, und es benimmt sich einfach auf sehr störende Art und Weise, mit einer verwirrten Geisteshaltung, und glaubt, dass es dadurch irgendwie glücklicher wird. Mit der oben beschriebenen Auffassung gegenüber dem Kind denken wir nicht, dass es schlecht ist und dass wir es bestrafen müssen; vielmehr entwickeln wir Mitgefühl: den Wunsch, das Kind möge seine Verwirrung und seine Probleme überwinden, die dazu führen, so störend und ungezogen im Unterricht zu sein.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir gar nichts tun, dass wir passiv sind. Gewaltlosigkeit bedeutet nicht passiv zu sein und nichts zu tun, sondern sie bedeutet vielmehr, nicht wütend zu werden und diesem störenden Kind keinen Schaden zu wünschen. Natürlich ist es wichtig, etwas dagegen zu unternehmen und das Kind mit den Methoden vom Stören abzuhalten, die in Ihrem Schulsystem akzeptabel sind. Aber die Motivation, die Geisteshaltung, die dahintersteht, ist sehr verschieden von der, das Kind bestrafen zu wollen, weil es schlecht ist.

Es ist sehr wichtig, das Wort „Motivation“ zu verstehen. Es hat zwei Aspekte. Der eine ist unser Ziel oder die Absicht, und der andere ist die Emotion, die uns antreibt, dieses Ziel zu erreichen. Das Ziel besteht darin, dem Kind zu helfen. Aus diesem Grund werden wir beispielsweise Lehrer. Das gleiche trifft zu, wenn man einen medizinischen Beruf einschlägt: Unser Ziel ist es, dem Patienten zu helfen. Was ist nun die Geisteshaltung, die uns antreibt, dieses Ziel zu erreichen? Wenn es nur darum geht, Geld zu verdienen oder darum, dass die betreffende Person sich erkenntlich zeigt und uns überaus dankbar ist, dann ist das wirklich ein sehr selbstsüchtiges Motiv, nicht wahr? Es ist egozentrisch. Und da unsere Gedanken meist uns selbst gelten, richten wir nicht wirklich die größte Aufmerksamkeit darauf, was für die andere Person gut ist. Ein Doktor mag zum Beispiel eine Operation verordnen, die nicht unbedingt notwendig ist, aber er verordnet sie einfach deswegen, um dadurch mehr Geld zu verdienen. Wenn wir das Ziel erreichen wollen, der anderen Person zu helfen, ist es jedoch erforderlich, dass wir von Mitgefühl geleitet werden – an die andere Person denken: an ihr Wohlergehen und daran, was für sie am besten sein wird.

Manchmal ist es in der Medizin so, dass man, wenn man jemandem helfen möchte, eine Behandlungsmethode einsetzen muss, die sehr schmerzhaft sein kann: Injektionen oder eine Operation. (Die Heilung nach einer Operation ist mit Schmerzen verbunden.) Trotzdem ist es keine gewalttätige Methode, denn hier besteht die Absicht nicht darin, der Person Schmerzen zuzufügen; die Absicht besteht darin, ihr zu helfen, sich von ihrem Leid, von ihrem Problem, von ihrer Krankheit zu befreien.

Das gleiche gilt, wenn man einem ungezogenen Schulkind Disziplin beibringen muss: Auch hier besteht die Motivation nicht darin, dem Schüler weh zu tun. Wir wollen dem Schüler helfen, weil wir erkennen, dass er ein Mensch ist, genau wie ich – er will glücklich sein, er will nicht unglücklich sein – und vielleicht kann ich ihm beibringen und einen Weg zeigen, glücklicher im Leben zu sein. Und unabhängig davon, welche Berufsrichtung dieses Kind in der Zukunft einschlagen wird, wird es von Vorteil sein, wenn es Disziplin gelernt hat, wenn es weiß, wie man mit anderen kooperiert. Das sind Dinge, die einem jedem in der Zukunft hilfreich sein werden.

Disziplin bedeutet Selbstbeherrschung. Wenn das Kind sich anschickt, ungezogen zu sein, bringen wir ihm bei, dass es sich selbst beherrschen muss. Wenn wir dem Kind Disziplin beibringen, besteht die Absicht oder das Ziel also darin, ihm zu helfen, Disziplin zu entwickeln. Und wenn wir mit dieser Einstellung dem Kind Disziplin beibringen, wird sich das dem Kind in gewisser Weise mitteilen. Wenn beispielsweise eine Mutter oder ein Vater einem Kind Disziplin beibringt, dann wird er bzw. sie dem Kind gegenüber keine Hassgefühle entwickeln, nicht wahr?

Ich denke, das ist sehr wichtig zu lernen und zu üben, wenn man in helfenden Berufen wie Medizin oder Lehramt tätig sein will. Es geht darum, eine liebevolle, mitfühlende Einstellung zu haben: den Patienten bzw. den Schülern helfen zu wollen, ein glücklicheres, besseres Leben zu führen und frei von Problemen zu sein. Äußerlich sollten wir uns natürlich professionell verhalten, d.h. ernsthaft und manchmal, wenn es notwendig ist, auch ziemlich strikt sein. Dann können wir im Sinne dieser ersten Form der Gewaltlosigkeit unseren Beruf auf gewaltfreie Weise ausüben.

Statt Mangel an Mitgefühl gegenüber anderen zu haben, mit dem wir ihnen schaden wollen, haben wir also Mitgefühl: den Wunsch, dass sie frei von Schädlichem und frei von Leid sein mögen. Natürlich ist es sehr schwierig, wirklich zu wissen, mit welchen Methoden man jemandem am besten helfen kann. Jedes Kind, jeder Patient ist individuell. Und das bedeutet, was bei dem einen wirkt, wirkt nicht unbedingt gleichermaßen auch bei dem anderen. Deshalb ist es sehr wichtig, als Arzt auch die Individualität eines jeden Patienten und als Lehrer die Individualität eines jeden Schülers zu respektieren. Das mag vielleicht nicht so einfach sein, wenn wir jeden Tag so viele Patienten haben und wenn die Unterrichtsräume so voll sind. Aber selbst wenn es uns nicht möglich ist, wirklich jede Person individuell kennenzulernen, spielt doch die Geisteshaltung eine wichtige Rolle, mit der wir daran interessiert sind sie kennenzulernen. Sich für sie zu interessieren bedeutet sie zu respektieren. Wir sollten versuchen, sie mit dem gleichen Interesse und Respekt zu betrachten wie einen engen Freund oder Verwandten – je nach deren und unserem Alter wie unser Kind, unsere Eltern, den Bruder, die Schwester oder ähnliches.

Eine der Richtlinien, an die man sich meiner Meinung nach immer erinnern sollte, ist, dass diese Person ein Mensch ist und dass sie Gefühle hat, genau wie ich. Sie will glücklich sein, genau wie auch ich glücklich sein will, und sie will gemocht werden, genau wie auch ich gemocht werden will. Und wenn ich ihr gegenüber hässliche Gedanken hege und auf grausame und kalte Weise mit ihr umgehe, wird sie sich verletzt fühlen, genauso wie auch ich mich verletzt fühlen würde, wenn jemand mit mir so umgehen würde. Diese respektvolle Geisteshaltung gegenüber anderen ist also für eine einzelne Person wirklich sehr wichtig.

Gewaltlosigkeit gegenüber uns selbst

Die zweite Art der Gewaltlosigkeit steht etwas im Zusammenhang mit derjenigen, die wir gerade besprochen haben, denn nun sprechen wir über Gewaltlosigkeit gegenüber uns selbst (die erste Art ist die Gewaltlosigkeit gegenüber anderen). Und hier geht es darum, nicht selbstzerstörerisch zu sein. Wenn wir selbstzerstörerisch sind, stellt das einen Mangel an Selbstliebe dar, mit dem wir uns selbst Schaden oder Leid zufügen wollen. Wir können uns selbst entweder absichtlich oder unabsichtlich Leid zufügen. Wir machen das beispielsweise mit Gedanken wie: „Ich bin schlecht“, „Ich bin nicht gut“, „Ich bin nicht gut genug.“

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn wir zum Beispiel Arzt sind und einer unserer Patienten stirbt – was unausweichlich ist -, und wir denken, „Oh, ich bin so ein furchtbarer Arzt. Ich bin so schlecht“, uns dann schuldig fühlen und uns in irgendeiner Form – meist auf ganz emotionale und psychologische Weise – bestrafen, weil jemand gestorben ist, weil wir jemandem nicht helfen konnten. Auf so etwas müssen wir wirklich vorbereitet sein, wenn wir Arzt oder Lehrer werden wollen. Wir sind keine Buddhas; wir können nicht allen helfen – nicht einmal Buddha konnte allen helfen. Und so werden wir natürlich manchmal scheitern. Entweder werden wir einen Patienten nicht heilen können oder wir werden ein Kind nicht unterrichten oder ihm nichts beibringen können. Aber das gehört einfach zur Natur der Realität. Um jemandem helfen zu können, muss der andere von seiner Seite aus empfänglich dafür sein. Einige Krankheiten können wir einfach nicht heilen, und selbst wenn es möglich wäre, machen wir manchmal Fehler; wir sind schließlich auch nur Menschen. Und einige Schüler haben ernsthafte emotionale oder soziale Probleme, Probleme in der Familie oder was auch immer, – und es übersteigt unsere Fähigkeiten, ihnen tatsächlich helfen zu können.

Es ist also wichtig darauf zu achten, auf welche Weise wir selbstzerstörerisch sein könnten, mit anderen Worten, auf welche Weise wir gewaltsam gegenüber uns selbst sein könnten. Man kann beispielsweise selbstzerstörerisch sein, indem man sich selbst zu sehr antreibt und meint: „Ich muss absolut perfekt sein“, was eigentlich unmöglich ist. Natürlich versuchen wir in dem, was wir tun, so gut wie möglich zu sein, aber niemand ist vollkommen. Und natürlich bedauern wir es, wenn wir in der ein oder anderen Angelegenheit keinen Erfolg haben – wir wollen es in der Zukunft besser machen können – , aber wir müssen wirklich sehr aufpassen, dass wir deswegen nicht in eine furchtbare Depression geraten, denn das wird unserer Arbeit und der Effektivität in unserem Beruf nur schaden.

Jetzt könnte man sagen: „Wie kann ich es denn vermeiden, dass ich depressiv werde oder mich verletzt fühle“ – wenn man beispielsweise einen Schüler hat, der sehr gut war, aber dann aus irgendeinem Grund die Schule abbricht. Natürlich ist das traurig, aber der entscheidende Punkt ist, nicht depressiv zu werden. Also stellt sich die Frage: Was können wir selbst tun, um nicht depressiv zu werden? Und hier kommen wir wieder darauf zurück, worüber wir in Bezug auf den Umgang mit anderen gesprochen haben. Wenn wir anderen wirklich helfen und ihnen nicht schaden wollen, ist es sehr wichtig, ihnen gegenüber respektvoll zu sein, und auf ähnliche Weise sollten wir uns selbst gegenüber respektvoll sein. Es ist wichtig, sich immer zu versichern: „Ich habe Fähigkeiten; sonst hätte ich nicht Lehrer oder Arzt werden können.“ Wir bekräftigen erneut unsere Motivation: „Indem ich die Arbeit tue, die ich ausübe, habe ich eine gute Absicht.“ Und: „Da ich ein Mensch bin, bin ich nicht vollkommen; aber dennoch respektiere ich mich selbst dafür, mein Bestes zu geben.“ Das hilft uns, nicht gänzlich depressiv zu werden.

Was passiert nun aber, wenn wir uns ehrlich prüfen und entdecken, dass wir nicht wirklich unser Bestes gegeben haben? Wir hätten es besser machen können. Nun, in dieser Situation empfinden wir sicherlich Reue und es ist wichtig, nochmals zu bestätigen: „In Zukunft werde ich mich mehr anstrengen.“ Aber um diesen Fehler, nicht das Beste gegeben zu haben, zu vermeiden bzw. zu versuchen, ihn zu vermeiden, müssen wir herausfinden, was die Ursachen dafür waren. Vielleicht ist es passiert, weil ich einfach zu müde war. Und in Bezug darauf müssen wir wiederum human, nicht selbstzerstörerisch, gegenüber uns selbst sein. Wir müssen wissen, wann wir Ruhe und Erholung brauchen – wo sind meine Grenzen? – und wiederum ist es wichtig, sie zu respektieren. Wir sollten uns deswegen nicht schlecht fühlen. Jeder hat seine Grenzen. Im Notfall können wir natürlich immer mehr tun, aber nicht alles ist ein Notfall. Und manchmal müssen wir einfach sagen „Ich brauche eine Pause“ und dann versuchen, uns diese Pause zu nehmen, falls das möglich ist. Manchmal ist es vielleicht nicht möglich, aber wenn es geht, sollten wir uns diese Pause nehmen, ohne uns dabei schuldig zu fühlen.

Das ist natürlich nicht immer einfach, wenn wir versuchen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Kinder, unsere eigenen Kinder, haben große Bedürfnisse. Aber die Priorität muss darauf liegen, wie wir unsere Zeit so einteilen, dass wir nicht überarbeitet und übermüdet sind und dann in keinem Bereich gute Arbeit leisten können. Wir sollten nicht einfach immer weitermachen, bis wir einen Punkt erreichen, an dem wir zusammenbrechen. Denn wenn wir unsere Bedürfnisse ignorieren, sind wir tatsächlich gewalttätig gegenüber uns selbst. Und deshalb ist Gewaltlosigkeit gegenüber uns wirklich sehr wichtig.

Sich nicht über das Unglück anderer freuen

Die dritte Art von Gewaltlosigkeit besteht darin, sich nicht am Unglück anderer zu erfreuen. Mit anderen Worten: Es gilt als grausam – sofern wir Gewalt als eine grausame Geisteshaltung verstehen – , sich über die Schwierigkeiten anderer zu freuen; mit anderen Worten, wenn jemand einen Fehlschlag erleidet. Nun mögen wir vielleicht denken: „So etwas tue ich eigentlich nicht.“ Aber denken wir beispielsweise an die Politik: Es gibt zwei Kandidaten und der eine, den man nicht mag, verliert seine Position – er verliert die Wahl und wird hinausgeworfen – und wir freuen uns darüber. Wir erfreuen uns an seinem Unglück, ist es nicht so? Und in dieser Situation gilt ebenso: Obwohl wir vielleicht froh sind, dass derjenige, den wir für besser halten, die Position bekommen hat, und wir uns mitfreuen an seinem Glück, besteht trotzdem kein Grund sich zu freuen, dass die andere Person verloren hat. Bestimmt hat auch sie eine Familie, es gibt andere Menschen, die von ihr abhängig sind und auch sie sind unglücklich – sie sind auch Menschen. Ich freue mich also, dass diese Person die Position nicht bekommen hat, aber ich wünsche ihr Glück im Leben. Ich wünsche ihr nichts Übles (ich wünsche ihr nichts Schlechtes).

Wir haben also gesehen, dass diese drei Arten der Gewaltlosigkeit den drei Arten von grausamem Denken, grausamen Gedanken entgegenwirken:

  • Wir wirken damit dem Mangel an Mitgefühl entgegen, der bewirkt, dass wir uns wünschen, andere mögen Kummer und Leid erfahren.
  • Wir vermeiden es, lieblos mit uns selbst umzugehen und uns dadurch bewusst oder unbewusst Schaden zuzufügen.
  • Und wir freuen uns nicht, wenn ein anderer einen Fehlschlag erlebt oder wenn ihm etwas Schlimmes widerfährt.

Wie gesagt können wir dies durch unsere Handlungsweise fördern, ohne gewalttätig zu sein. Es gibt ein klassisches Beispiel dafür in einem der buddhistischen Sutras: Zwei Meditierende saßen an einem Flussufer. Ein Mann kam an den Fluss – es war ein Fluss mit überaus starker Strömung – und wollte hineinspringen und versuchen, auf die andere Seite zu schwimmen. Aber dies war ein Fluss, den niemand schwimmend überqueren konnte; jeder, der es versuchte, würde mit Sicherheit ertrinken. Einer der Meditierenden saß einfach mit sehr friedlichem Gesichtsausdruck da und war durchaus willens, nichts zu unternehmen und diese Person in den Fluss springen zu lassen, wo sie mit Sicherheit ertrinken würde. Der andere Meditierende stand auf und als er die Person nicht davon überzeugen konnte, nicht in den Fluss zu springen, schlug er sie bewusstlos, um sie davon abzuhalten. Und Buddha sah das alles (Buddha kam vorbei und beobachtete all das) und er sagte, der Meditierende, der friedlich mit einem Lächeln in seinem Gesicht dasaß, sei derjenige, der sich gewalttätig verhalten habe. Die Person zu schlagen, um sie davon abzuhalten, sich selbst zu schaden, war die Handlung der Gewaltlosigkeit. Warum? Aufgrund der Motivation, der Geisteshaltung, nämlich dieser Person dabei helfen zu wollen, Leid zu vermeiden und unweigerlich zu ertrinken.

Spirituelle Werte

All das ist verbunden mit dem zweiten Teil unseres Themas für diesen Morgen: die spirituellen Werte in der modernen Welt. Dieses Wort „spirituell“ ist tatsächlich schwer zu definieren und zweifellos bzw. offensichtlich ist der Beigeschmack im Englischen und im Russischen verschieden. Aber lassen Sie uns sehen, wie das Wort im buddhistischen Kontext definiert wird oder welches entsprechende Wort dort verwendet wird. Im Buddhismus sprechen wir von Dharma. Und „Dharma“ bedeutet sinngemäß eine vorbeugende Maßnahme; wir tun etwas, um Leiden und Probleme zu vermeiden. Das bezieht sich nicht nur auf unmittelbare Situationen – etwa, wenn man Auto oder Fahrrad fährt und zur Seite ausweicht, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Das würde man nicht als Dharma bezeichnen.

Wir reden hier also nicht nur von unmittelbaren, alltäglichen Dingen, die wir tun. Das würden wir nicht als spirituell bezeichnen. Es geht eher darum, etwas in der Zukunft verhindern zu wollen. Und in den meisten Religionen, einschließlich dem Buddhismus, bezieht man sich gedanklich auf zukünftige Leben, und in einigen anderen Religionen bezieht man sich auf das Jenseits. Das bedeutet, unseren Schwerpunkt nicht nur auf materiellen Erfolg in diesem Leben zu legen, denn zum Zeitpunkt des Todes lässt man all das hinter sich und dieses Leben ist im Vergleich zum unglaublich langen Zeitraum der Zukunft sehr kurz.

Das ist gut und schön, wenn man an zukünftige Geburten oder ein Leben nach dem Tod glaubt, aber viele von uns glauben möglicherweise nicht daran. Können wir trotzdem spirituelle Menschen sein? Meiner Meinung nach können wir das auf jeden Fall sein, wenn wir uns gedanklich nicht nur auf unser materielles Wohlergehen für uns persönlich und vielleicht noch für unsere Familie in diesem Leben beziehen, sondern auf einen viel größeren Zeitraum – beispielsweise auf zukünftige Generationen. Mit anderen Worten: Wir versuchen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen und entsprechend unseren Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten, sei er auch noch so klein. Wieder gibt es dafür ein Beispiel, das der Buddha verwendete, nämlich dass ein großer Sack Reis durch jedes einzelne Reiskorn gefüllt wird. Einige von uns mögen eine ganze Handvoll Reis dazugeben können und der Beitrag von anderen mag nur in einem einzigen Reiskorn bestehen, aber beide tragen etwas dazu bei. Das ist das Entscheidende. Und auch wenn wir finden, dass wir eigentlich nicht viel beitragen können, versuchen wir es doch zumindest.

Für Sie, die Sie eine Ausbildung zum Lehrer oder zur medizinischen Fachkraft machen, ergibt sich natürlich eine großartige Gelegenheit im Hinblick darauf, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Welt besser wird. Als Lehrer unterrichten Sie Menschen, die in der Zukunft hoffentlich ihre eigenen Beiträge leisten werden. Als Ärzte helfen Sie, kranke Menschen zu heilen, so dass diese weiterhin ihren Beitrag für die Zukunft leisten können. Das passt sehr gut zu dem Wunsch, dass andere glücklich und nicht unglücklich sein mögen, und dazu, ihnen gegenüber keine gewaltsamen oder grausamen Gedanken zu hegen und sie auch zu respektieren. Wir respektieren uns selbst im Sinne von: „Ich kann einen Beitrag für die Zukunft leisten“ und unsere Patienten, unsere Schüler respektieren wir im Sinne von: „Auch sie können einen Beitrag leisten.“ Und was bedeutet dieser Beitrag? Was bedeutet es, die Welt zu einem besseren Ort machen? Im Grunde bedeutet es, bestimmte Arten von Mitteln zu bevorzugen, um die Menschen glücklicher zu machen. „Glücklich“ bezieht sich hier nicht nur darauf, auf materieller Ebene glücklicher zu sein, obwohl auch das wichtig ist, sondern auch darauf, geistigen Frieden zu haben; es bedeutet, nicht nur technische Fertigkeiten, sondern auch emotionale Fähigkeiten nutzen zu können, um mit allem zurechtzukommen, was uns im Leben begegnet.

Das ist es, was ich als spirituelle Werte betrachten würde. Mit anderen Worten: Was ist es, das wir in unserem Leben und in dem, was wir damit machen, für wichtig erachten? Kurz gesagt, ich meine, dass es besonders für Sie als junge Menschen von großer Bedeutung ist, ganz ernsthaft über die Motivation nachzudenken. Warum habe ich gerade dieses Studium gewählt? Was will ich im Leben erreichen? Was will ich für meine Familie in der Zukunft erreichen? Was will ich schließlich für die Zukunft, für künftige Generationen hinterlassen? Und warum möchte ich das? Es mag vielleicht eine Menge innere Überprüfung erfordern, aber es lohnt sich, sich darauf einzulassen. Vielleicht stellen wir fest, dass unsere Antworten auf diese Fragen nicht sehr zufriedenstellend sind. Ich denke, das Kriterium für die Entscheidung, ob wir versuchen wollen, unsere Motivation zu korrigieren oder nicht, sollte die Erwägung sein, ob das was ich tue, mir und anderen Glück bringen oder nur zu Problemen führen wird. Und für diese Erwägung sind dauerhafte Auswirkungen weitaus wichtiger als nur unmittelbare, kurzfristige Auswirkungen. Doch wenn wir uns darüber im Klaren sind, was wir im Leben tun werden, und sehen, dass wir eine gute Richtung in unserem Leben eingeschlagen haben, gibt uns das ein wunderbares Gefühl, wir fühlen uns wohl und sind zufrieden.

Ich glaube, Menschen werden manchmal aus dem Grund depressiv, weil sie feststellen, dass ihr Leben keine Bedeutung, keine Richtung hat. Wir gehen einem Beruf nach, sind aber nicht mit dem Herzen dabei. Und wir haben das Gefühl, dass die Probleme der Welt, die Probleme meines Landes, die Probleme meiner Gemeinde, die Probleme meiner Familie und meine Probleme – dass dies alles einfach zu schrecklich, dass es einfach zu viel ist. Und was hat all das für einen Sinn, wenn man ein Leben mit dieser Geisteshaltung führt? Das ist wirklich sehr traurig; es ist kein sehr glückliches Leben. Und wiederum erfordert es Respekt gegenüber uns selbst, zu versuchen, dieses Gefühl der Verzweiflung zu überwinden. Wir müssen uns versichern: „Ungeachtet der äußeren Umstände habe ich die Fähigkeit mich weiterzuentwickeln und ein besserer Mensch zu werden.“ Und sich dessen zu vergewissern, ist sehr wichtig, nicht nur, damit ich selbst ein glücklicherer Mensch werde, sondern meine Geisteshaltung wird auch alle anderen um mich herum beeinflussen. Wenn wir arbeiten, um anderen auf medizinische oder pädagogische Weise zu helfen, dann ist das tatsächlich eine sinnvolle Sache. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird, aber wir wissen, dass es, wenn die Menschen gesund sind und eine Ausbildung haben, Hoffnung gibt und möglicherweise besser werden wird. Vielleicht ist das schwer vorstellbar. Aber auch wenn es in der Zukunft größere Schwierigkeiten geben wird, können wir den Menschen helfen, besser darauf vorbereitet zu sein, damit umgehen zu können.

Dies sind meine Gedanken zu Gewaltlosigkeit und zu spirituellen Werten in der modernen Welt.

Fragen

In unserer modernen Welt verstehen wir natürlich, dass einer der buddhistischen Werte das Mitgefühl ist. Aber im wirklichen Leben sind die Umstände sehr schwierig und manchmal wachsen Kinder ohne Eltern auf und sind dann ziemlich ungebärdig. Und für uns als Lehrer ist es sehr schwierig, ihnen irgendwie die Notwendigkeit von Mitgefühl zu vermitteln – dass sie lernen müssen, schwächere Menschen zu beschützen und Schwächeren nicht zu schaden oder grob mit ihnen umzugehen. Wie können wir als Lehrer den Schülern diese Botschaft vermitteln, besonders jenen, die gewalttätig sind und die in sehr schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen aufgewachsen sind?

Ich glaube, eine der Methoden, mit denen man solch ungebärdigen Kindern helfen kann, besteht darin, ihnen Gelegenheit zu verschaffen, dass sie etwas geben und großzügig sein können. Mit anderen Worten, wenn man jemandem (beispielsweise einem Kind) die Möglichkeit gibt, anderen Kindern etwas zu geben – zum Beispiel ein Papier oder eine Aufgabe zu verteilen, dann tun sie etwas, das großzügig ist – sie tun etwas, um anderen zu helfen. Das gibt dem Kind Selbstwertgefühl. Anders ausgedrückt: Wenn ein Kind aus einem sehr schwierigen Umfeld stammt und sich ungeliebt fühlt, handelt es in der Regel aus einem Gefühl der Ablehnung heraus sehr ungebärdig. Quasi: „Wenn ich vom Leben allgemein als nichtsnutzig betrachtet werde, weil ich kein gutes Umfeld habe, werde ich jedem zeigen, wie nichtsnutzig ich bin.“ Sie führen also gewissermaßen die Rolle einer Person auf, die unsozial ist und nicht zur Gesellschaft dazugehört. Er oder sie führt eine Karriere der Abweichung, die zu Kriminalität usw. So etwas ist ziemlich charakteristisch. Aber wenn man ihnen Gelegenheit gibt zu zeigen, dass sie gute Menschen sind, dass sie etwas geben können, auch wenn sie es nicht sehr gut – ich meine, nicht auf sehr effiziente Weise – tun, gibt es ihnen immerhin das Gefühl, dass sie etwas Positives und nicht Negatives zu geben haben.

Aus buddhistischer Sicht baut man durch Geben eine Art positiver Kraft oder positives Verdienst auf. Aber wir müssen es nicht auf buddhistische Weise erklären. Ich denke, was ich erklärt habe, kann manchmal einfach im psychologischen Sinne hilfreich sein. Wenn man ihnen etwas Positives und Konstruktives zu tun gibt, ist es jedoch sehr wichtig, dass es für sie nicht wie eine Strafe aussieht.

In unserem Leben haben wir oft damit zu tun, jemandem Disziplin beizubringen. Es gibt aber auch den Prozess der „Redisziplinierung“, nämlich wenn wir versuchen, jemandem später erneut Disziplin beizubringen. Was ist dabei für die Person, die man disziplinieren will, am nützlichsten – Bestrafung oder vielleicht eine gewisse Arbeit, wie zum Beispiel Sozialarbeit? Oder eine Art ethische Erziehung? Zum Beispiel für Kriminelle, die im Gefängnis sitzen – Menschen, die keine Kinder mehr sind und denen wir Disziplin beibringen möchten.

Das ist schwer so allgemein zu beantworten, denn wie gesagt ist jeder verschieden. Ich persönlich habe noch nie in Gefängnissen unterrichtet, aber viele meiner buddhistischen Kollegen haben es getan. Ihnen ist aufgefallen, dass viele Menschen im Gefängnis … man braucht viel Zeit und diese Menschen haben viel Zeit, um ihr Leben zu analysieren – was sie aus ihrem Leben gemacht haben und was sie im Leben erreichen wollen. Und daher gibt es eine Reihe von Gefangenen, die ziemlich daran interessiert sind zu lernen, ihre Wut, ihre gewalttätigen Impulse in den Griff zu bekommen und deshalb sehr empfänglich sind für eine sehr einfache Art der buddhistischen Meditation, die zur Beruhigung dient, indem man sich auf den Atem konzentriert. Und solche Menschen sind natürlich empfänglich für diese Art von Hilfe. Nicht jeder ist empfänglich dafür, Hilfe zu erhalten, und wenn jemand nicht empfänglich ist, kann man sehr wenig tun. Jemanden nur körperlich zu bestrafen, wenn er selbst nicht den Wunsch hat, sein Leben zu verändern oder zu verbessern, führt nur dazu, dass in ihm noch mehr Feindseligkeit und Wut entsteht.

Es gibt bestimmte Arten der Schulung, die in der Psychologie anwendet werden. Vielleicht sind sie für solche Fälle nicht übermäßig gut geeignet, aber nur um ihnen eine Vorstellung zu geben: Wenn man es mit einem Teenager, zu tun hat, der völlig unkooperativ und sehr ungebärdig ist, schickt man ihn mit einer Gruppe von Menschen und einem Gruppenleiter auf eine Reise. Die Reisegruppe hat einen Maulesel dabei. Ein Maulesel ist natürlich ein sehr störrisches Tier und es ist schwierig, ihn dazu zu bringen, das zu tun, was er tun soll. Und diese Teenager sind verantwortlich für diesen Maulesel, sie müssen mit ihm zurechtkommen und sie müssen lernen, ihre Wut, Ungeduld usw. zu überwinden und irgendwie mit diesem Tier umzugehen. Das heißt also wiederum, ihnen etwas Verantwortung zu übertragen, sodass sie in gewisser Weise etwas Konstruktives tun – in diesem Fall: mit diesem Maulesel arbeiten.

Manchmal hilft es, einem Kind die Verantwortung dafür zu übertragen, sich um ein Tier zu kümmern... das Tier übt keine Kritik an ihnen, anders als Menschen. Wenn Sie zum Beispiel einen Hund haben... egal wie sehr Sie ihn disziplinieren, der Hund mag Sie trotzdem. Wenn man ein Kind bzw. einen Teenager also mit einem anderen Wesen arbeiten lässt, in dem Fall mit einem Hund, kann das manchmal die Wirkung haben, jemanden zu bändigen und ihm zu helfen, sich zu beruhigen und eine gewisse Verantwortung zu übernehmen. Aber natürlich gibt es einige Menschen, die sehr gewalttätig sind... und, wenn man ihnen einen Hund gibt, diesen bloß quälen würden; man muss also sehr vorsichtig damit sein.

Eine Freundin von mir ist Psychiaterin und befasst sich hauptsächlich mit gewalttätigen Jugendlichen, die meist obdachlos sind und auf der Straße leben, mit all den Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Sie erzählte mir, eine ihrer Richtlinien bestehe darin, diese Kinder – die sehr gewalttätig sein können – mit Interesse und Respekt als Menschen zu behandeln. Das bringt uns wieder zurück zu dem, was wir bereits erwähnt haben. Man sollte sie ernst nehmen, sich die Zeit nehmen, ihnen wirklich zuzuhören und herauszufinden, was ihre Probleme sind. Etwas, das man vermeiden sollte, wenn man ihnen zuhört, ist zu sagen: „Oh, deine Zeit ist um. Du musst jetzt gehen.“ Gewöhnlich reagieren sie darauf sehr heftig, denn sie werden abgewiesen.

Daraus lernen wir: Wenn wir versuchen, mit einem unbändigen Schüler umzugehen, sollten wir diesem Schüler unsere Zeit geben. Wir hören ihm zu. Wir wollen versuchen zu verstehen, was seine Probleme sind. (Auch wenn man keine Lösung hat, ist allein die Tatsache, dass jemand ihm verständnisvoll zugehört hat, hilfreich.) Aber setzen Sie keine zeitliche Begrenzung und respektieren Sie dieses Kind als Menschen.

Aber was man tatsächlich tun sollte, um jemanden zu disziplinieren usw., ist sehr schwer zu sagen. Ich weiß nicht, was in Ihrer Gesellschaft eigentlich akzeptabel und was inakzeptabel ist. Aber bloße Bestrafung, besonders wenn sie aus Wut heraus geschieht, wird nicht helfen.

Was können wir tun, um uns in unseren alltäglichen Beziehungen mit Menschen nicht zu ärgern?

Wenn wir eine Situation, die wir als unangenehm und belästigend empfinden, analysieren, merken wir, dass sie durch viele verschiedene Ursachen, Umstände und Bedingungen hervorgerufen wird – durch soziale und wirtschaftliche Umstände, die Situation bei den beteiligten Menschen zu Hause, deren Umfeld usw.. Wenn wir genervt und wütend werden, verwandelt unser Geist einen Vorfall oder was immer uns wütend macht, in ein großes, festes, schreckliches Monster, in etwas Monströses. Wir verlieren alle Ursachen und Bedingungen aus den Augen, von denen es abhängig ist und projizieren viel mehr negative Eigenschaften als tatsächlich vorhanden sind. Der Ärger ist dann eine sehr starke emotionale Ablehnung dessen, weil wir nicht wollen, dass es so ist.

Wenn wir darüber nachdenken, zeigt sich, dass die Ablehnung... dass der Mechanismus dahinter ist: „Ich wünsche mir, dass dieses Leiden, diese Schwierigkeiten nicht vorhanden sind.“ Das ist Mitgefühl. Und das Gegenmittel für Wut und Ärger ist immer Liebe. Liebe ist der Wunsch, die andere Person möge glücklich sein und die Ursachen des Glücks besitzen. Sie handelt auf abscheuliche Weise aufgrund all dieser Umstände und weil sie unglücklich ist. Ich möchte, dass sie glücklich ist, damit sie aufhört, auf unangenehme und störende Weise zu handeln. Damit sie glücklich ist, muss ich all die Bedingungen herausfinden, die sie unglücklich machen und sie auf so aufbrausende Weise handeln lassen, und dann sehen, was ich ändern kann.

Das sind einige der Methoden, die wir anwenden. Im Grunde geht es darum zu analysieren: Das entsteht durch diese und jene Ursache. Ich möchte, dass die Person damit aufhört, auf die durch diese Ursachen hervorgerufene Weise zu handeln. Und: Was kann ich tun, um etwas an dem zu verändern, was ihr Verhalten bewirkt?

Als Lehrer haben wir mit Kindern unterschiedlicher Herkunft zu tun – Kindern aus verschiedenen kulturellen, sozialen und religiösen Umfeldern. Reicht es aus, für all diese verschiedenen Kinder einfach nur Geduld zu haben, um ihnen Disziplin beizubringen und sie zu schulen?

Ich glaube, einer der wichtigsten Faktoren ist das Interesse an den Kindern. Das heißt: sich damit vertraut machen, was die religiösen Hintergründe, was die sozialen Hintergründe dieser Kinder sind. Je mehr man die Menschen versteht, die man versucht zu unterrichten, desto mehr wird man verstehen, was sie wirklich brauchen. Das Entscheidende bei ihrer Ausbildung ist hoffentlich nicht nur, dass sie imstande sind, eine Prüfung zu bestehen, sondern ihnen dabei zu helfen, bessere Menschen zu werden. Finden Sie also etwas über sie heraus. Lassen Sie sie kleine Aufsätze über sich, ihre Familie, ihre Herkunft oder Ähnliches schreiben. Bringen Sie sie dazu, etwas über sich zu erzählen. Auf diese Weise lernen Sie sie etwas besser kennen.

Oft treffe ich Menschen, die zögern, wenn sie ihre Meinung oder etwas über sich selbst sagen müssen, weil sie befürchten, abgelehnt zu werden. Meine Frage dazu ist, wie man diesen Menschen helfen kann, ihre Zurückhaltung und ihre Angst zu überwinden.

Ich glaube, das ist besonders bei Jugendlichen ein großes Problem, da ihnen die Anerkennung ihrer Altersgenossen wirklich sehr wichtig ist. Wie kann man ihnen helfen, ihre Scheu zu überwinden? Eine der Methoden, die in der buddhistischen Ausbildung im Kloster angewandt wird besteht darin, dass sich nach einer Lektion alle Schüler jeweils in Zweiergruppen aufteilen und dann miteinander diskutieren – eigentlich führen sie eine logische Debatte, doch sie diskutieren darüber, was gerade gesagt wurde, und sehen, ob sie es verstanden haben. So reden sie nicht vor der gesamten Klasse, in der vielleicht einige Schüler nicht sehr wohlwollend sind und sie auslachen. Aber wenn man sich jeweils zu zweit gegenübersteht, muss man etwas sagen. Und der Lehrer kann herumgehen und bei jeder Gruppe ein oder zwei Minuten zuhören, um sicherzustellen, dass tatsächlich über das Thema und nicht über etwas anderes gesprochen wird. Das ist eine sehr gute pädagogische Methode, denn sie sorgt dafür, dass Schüler nicht einfach nur passiv dasitzen und zuhören oder unaufmerksam sind und nichts mitbekommen. Die Schüler müssen auf diese Weise etwas sagen; sie müssen der Person, mit der sie diskutieren, zeigen, dass sie tatsächlich aufmerksam waren und zugehört haben. Und sie können nicht einfach schüchtern sein. Man muss jedoch darauf achten, dass sie nicht jedes Mal den gleichen Gesprächspartner wählen; sie sollten sich abwechseln. Das ist eine Methode, die im klösterlichen Bildungssystem verwendet wird. Vielleicht könnte das hilfreich sein.

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