Beziehungen zwischen Buddhismus und Islam im Hinblick auf ihre Lehren

Einleitung

Buddhisten und Muslime haben seit dreizehneinhalb Jahrhunderten kulturell, politisch, wirtschaftlich und manchmal militärisch miteinander zu tun gehabt. Die Bandbreite ihrer Interaktionen in all diesen Bereichen umfasste je nach Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen oder Regierungen das gesamte Spektrum von freundlich bis feindlich. Dem historischen Aspekt dieser Bereiche der Interaktion wurde bereits große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Untersuchung der Beziehungen der Lehren untereinander fand jedoch weniger Beachtung. In diesem Aufsatz möchte ich zunächst einen Überblick über die vergangenen und derzeitigen Beziehungen geben und anschließend die Möglichkeiten und Grundlagen für einen künftigen Dialog untersuchen. Die Erörterung wird das Augenmerk hauptsächlich auf den buddhistische Blickpunkt der Beschäftigung mit den Lehren lenken, und zwar insbesondere im Bereich der indischen, tibetischen und mongolischen Kultur.

Historischer Überblick über die Kalifate der Umayyaden und Abbasiden

Zu den frühesten Kontakten zwischen buddhistischer und muslimischer Bevölkerung kam es im heutigen Afghanistan, im östlichen Iran sowie in Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan, als diese Gebiete in der Mitte des 7. Jahrhunderts u.Z. unter die Herrschaft des arabischen Kalifats der Umayyaden kamen. Der umayyadische persische Autor ‘Umar Ibn Al-Azraq Al-Kermani zeigte Interesse daran, seinem islamischen Publikum den Buddhismus zu erklären. So schrieb er am Anfang des 8. Jahrhunderts u.Z. eine detaillierte Schilderung des Klosters Nava Vihara im afghanischen Balkh, einschließlich der dortigen grundlegenden buddhistischen Sitten, die er in den Begriffen ähnlicher Gegebenheiten im Islam erklärte. So beschrieb er beispielsweise einen Steinquader im Zentrum des Haupttempels, der von Stoff bedeckt war und von Gläubigen umschritten und dem mit Niederwerfungen gehuldigt wurde, ganz ähnlich, wie es auch in der Kaaba in Mekka geschieht.

Al-Kermanis Schriften blieben in einem Werk aus dem 10. Jahrhundert u.Z. erhalten, dem „Buch der Länder“ (arab. Kitab al-Buldan) von Ibn Al-Faqih Al-Hamadhani. Buddhistische Gelehrte schienen indessen kein entsprechendes Interesse daran gehabt zu haben, ihrem buddhistischen Publikum muslimische Bräuche und Glaubensinhalte zu erklären. Es gibt keinerlei Nachweis einer solchen Beschreibung aus jener Zeit.

Von 715 bis ungefähr 727 u.Z. war Tibet militärisch mit den Umayyaden verbündet. In dieser Periode erklärte Kalif ‘Umar II, dass alle Verbündeten der Umayyaden dem Islam folgen sollten. Um die Allianz nicht zu gefährden, bat die tibetische Kaiserin Jincheng darum, dass ein islamischer Geistlicher nach Tibet geschickt werden sollte. Der Kalif sandte Al-Salit Bin-Abdullah Al-Hanafi. Die tibetischen Buddhisten scheinen sich allerdings nicht ernsthaft für den Islam interessiert zu haben. Es gibt keine Hinweise darauf, dass als Ergebnis dieses Besuchs irgendein interreligiöser Dialog oder Bekehrungen von tibetischen Buddhisten zum Islam stattgefunden hätten. Der kühle Empfang ist vermutlich auf den Einfluss ausländerfeindlicher oppositioneller Kräfte am tibetischen Kaiserhof zurüczuführen.

Zur nächsten Interaktion zwischen buddhistischen und muslimischen Lehren kam es in der letzten Hälfte des 8. Jahrhunderts u.Z. während des Kalifats der Abbasiden. Kalif Al-Mahdi, gefolgt von Kalif Al-Rashid, lud buddhistische Gelehrte aus Indien und dem Kloster Nava Vihara in Balkh in das Haus des Wissens (arab. Bayt al-Hikmat) nach Bagdad ein. Hier beauftragte er sie, bei der Übersetzung von hauptsächlich medizinischen und astrologischen Texten aus dem Sanskrit ins Arabische zu helfen. Ibn Al-Nadims Buch aus dem späten 10. Jahrhundert u.Z., das „Buch der Verzeichnisse“ (arab. Kitab al-Fihrist), führt allerdings auch mehrere buddhistische Schriften auf, die zu jener Zeit ins Arabische übersetzt wurden, u.a. die Erzählung der früheren Leben Buddhas unter dem Titel „Das Buch vom Buddha“ (arab. Kitab al-Budd). Der Text basierte auf zwei Sanskrit-Werken: „ Ein Kranz von Erzählungen früherer Leben“ (Skt. Jatakamala) und Ashvaghoshas „Taten des Buddha“ (Skt. Buddhacarita).

Trotz dieses Interesses muslimischer Gelehrter am Buddhismus gibt es keine entsprechenden Berichte über islamische Anschauungen oder Übersetzungen islamischer Texte seitens buddhistischer Gelehrter jener Zeit. Ebensowenig gibt es Hinweise auf philosophische Debatten mit muslimischen Gelehrten in irgendeiner der buddhistischen Klosteruniversitäten, selbst dann nicht, wenn buddhistische und muslimische Gruppen im selben Gebiet wohnten. Debatten fanden nur mit den Vertretern der verschiedenen nicht-buddhistischen indischen Lehrsysteme statt. Sie erfolgten hauptsächlich im Zentrum Nordindiens, bevor der Islam in diese Region kam. Weder damals noch später finden sich in den auf Sanskrit verfassten philosophischen Texten des Buddhismus irgendwelche Verweise auf den Islam.

Die Kalachakra-Literatur

Die einzige buddhistische Schrifttradition, die islamische Bräuche oder Glaubensinhalte erwähnt, ist die Literatur des „ Kalachakra-Tantra“, die im späten 10. und 11. Jahrhundert u.Z. entstand. Ihr historischer Bezugspunkt sind allerdings nicht die Muslime im Allgemeinen, sondern speziell die Anhänger der östlichen ismaelitischen Schia, wie sie im späten 10. Jahrhundert u.Z. im fatimidischen Vasallenstaat von Multan im heutigen Norden von Zentralpakistan praktiziert wurde.

Zu dieser Zeit kämpften die ismaelitischen Fatimiden in Ägypten und ihre Verbündeten in Multan gegen die sunnitischen Abbasiden um die Vorherrschaft in der muslimischen Welt. Dem zwischen ihnen eingezwängten Abbasidenreich drohte also Invasion aus beiden Richtungen. Die Buddhisten und Hindus, die im abbasidischen Vasallenstaat der Ghaznaviden im heutigen östlichen Afghanistan lebten, waren unversehens in dieser erschreckenden Lage gefangen. Diejenigen Abschintte des „ Kalachakra-Tantra“, die sich mit der äußeren Welt befassten, entstanden höchstwahrscheinlich als Reaktion auf diese Situation. Sie rieten den Hindus, ihre eigenen spirituellen Werte neu zu kräftigen und sich mit den Buddhisten und dem Rest der Bevölkerung zu einer einzigen Kaste zusammenzutun, um nicht aufgrund von Naivität und Uneinigkeit in der Religion der Invasoren unterzugehen.

Die Beschreibung der Religion der Invasoren im Kalachakra zeigt, dass dessen Autoren die damaligen islamischen Gruppierungen nur teilweise verstanden. Beschrieben werden die allgemeinen islamischen Bräuche, fünf Mal am Tag, nachdem man sich gesäubert hat, zu beten und sich in Richtung des Heiligen Landes niederzuwerfen, ausschließlich zu einem einzigen Gott im Himmel Zuflucht zu nehmen, als spirituelles Ziel das Glück im Himmel anzustreben, jegliche Götterstatuen zu zerstören, die Halal-Methode des Tierschlachtens anzuwenden, während des Fastenmonats Ramadan nur nach Sonnenuntergang zu essen, auf allgemeine Sauberkeit zu achten, die Gleichheit aller Männer in „ einer Kaste“ zu ehren und nicht etwas zu behaupten, Brahmanen seien eine reinere Kaste, des Weiteren die Beschneidung, das Schleiertragen der Frauen, Einhaltung strenger allgemeiner Ethik und insbesondere das Verbot zu lügen oder zu stehlen sowie das Gebot der Einhaltung ehelicher Treue. Die allgemeinen islamischen Glaubensinhalte, die im Kalachakra geschildert wurden umfassen die Annahme eines Schöpfergottes namens „Rahman“, der atomaren Natur von Materie, individueller ewiger Seelen, die Verantwortung für ihr Handeln tragen und eines Tags des Gerichts, bei dem Rahman die Seelen, welche ihn erfreut haben, zur Wiedergeburt in ein himmlisches Reich und diejenigen, die sein Missfallen erregt haben, zur Wiedergeburt in ein Höllenreich schickt.

Bestimmte Details, z.B. eine Liste islamischer Propheten und die Aussage, dass es eine Seele gibt, von der nur ein Aspekt zeitweilig in einer weltlichen Existenz wiedergeboren wird, basieren in erster Linie auf der östlichen ismaelitischen Schia, wie sie von Abu Ya’qub Al-Sijistani formuliert wurde. Andere Einzelheiten, wie etwa die Wiedergeburt im Himmel oder in der Hölle in einem menschlichen Körper, gründen sich auf Aussagen anderer islamischer Theologen jener Zeit. Wieder andere Besonderheiten sind lediglich Versuche, islamische Anschauungen in einer Begrifflichkeit zu formulieren, die für Buddhisten und Hindus verständlich ist, etwa wenn Mohammed als eine Inkarnation von Rahman beschrieben wird, ähnlich wie Krishna als Inkarnation (Skt. avatara) von Vishnu gilt.

Die Kalachakra-Literatur unterstreicht auch Inhalte, die dem Buddhismus und dem Islam gemeinsam sind – nämlich die Annahme der atomaren Natur von Materie und von Seelen, die für ihre Handlungen Verantwortung tragen. Ohne die spezifisch muslimische Interpretation dieser Punkte zurückzuweisen, weist sie darauf hin, wie Muslime zu einem Verständnis buddhistischer Sichtweisen geführt werden können. Der Hauptpunkt, den die buddhistischen Texte angreifen, ist die Annahme, dass die Wiedergeburt im Himmel das höchste spirituelle Ziel und die letztendliche Errungenschaft sei, die jemand erreichen kann – denn dies steht im Widerspruch zu der zentralen buddhistischen Annahme der letztendlichen Befreiung von Karma und Wiedergeburt. Die buddhistischen Texte kritisieren auch die Halal-Methode des Schlachtens, deren Beschreibung lautet, dass man den Tieren die Gurgel aufschlitzt und dabei Gottes Mantra Bismillah rezitiert. Grundlage der Kritik ist allerdings ein Missverständnis des islamischen Brauches, der hier fälschlich als Blutopfer an einen Gott interpretiert wird.

Fortwährendes muslimische Interesse am Buddhismus

Nichts deutet darauf hin, dass islamische Gelehrte im Laufe der folgenden Jahrhunderte auf die problematischen Punkte, die in der Kalachakra-Literature erwähnt sind, aufmerksam wurden oder sich damit befassten. Das Interesse am Buddhismus bestand bei ihnen jedoch weiterhin, wie aus mehreren historischen Werken ersichtlich ist. Auf buddhistischer Seite hingegen war das Interesse am Islam, abgesehen von exegetischen Kommentaren zum Kalachakra, gleich null.

Der persische Historiker Al-Biruni zum Beispiel begleitete in der Zeit der Ghaznaviden-Dynastie zu Beginn des 11. Jahrhunderts u.Z. Mahmud von Ghazni bei dessen Invasion des indischen Subkontinents. Auf der Grundlage dessen, was er dort lernte, schrieb Al-Biruni sein „Buch über Indien“ (arab. Kitab al-Hind). Darin schilderte er grundlegende buddhistische Bräuche und Anschauungen und stellte fest, dass die Inder Buddha als einen Propheten ansahen. Das heißt natürlich nicht, dass er andeutete, die Muslime sollten Buddha als einen Propheten Allahs betrachten, doch es zeigt sein Verständnis, dass die Buddhisten Shakyamuni nicht als ihren Gott ansehen. Der unter der Seldschuken-Dynastie dienende Al-Shahrastani wiederholte Al-Birunis Darstellung des Buddhismus in seinem Werk aus dem 12. Jahrhundert u.Z.: „Das Buch der Religionen und Glaubensinhalte“ (arab. Kitab al-Milal wa al-Nihal).

Die Mongolen

Im späten 13. Jahrhundert u.Z. schloss sich Khubilai (Kublai) Khan, der Enkel von Dschingis Khan und Kaiser von Yuan-China, der Sakya-Tradition des tibetischen Buddhismus an. Er stellte zentralasiatische Muslime als Steuereintreiber ein, um eine Art Puffer zwischen seinen chinesischen Untertanen und ihren mongolischen Herrschern zu bilden. Am Anfang seiner Herrschaft erlaubte Khubilai Khan den Muslimen, all ihre Bräuche beizubehalten. Als jedoch sein Vetter und Feind Khaidu die Muslime unterstützte, erließ Khubilai Khan Vorschriften, die gegen die Muslime gerichtet waren. 1280 u.Z. verbot er die Beschneidung und die Halal-Methode des Schlachtens. Die zweite Verfügung entsprach dem Jasagh-Grundsatz der Gesetze des Dschingis Khan, welcher verbot, die Erde durch das Vergießen von Blut geschlachteter Tiere zu entheiligen. Dies hatte nichts mit buddhistischen Glaubensinhalten zu tun, sondern entsprach einfach den prä-buddhistischen mongolischen Sitten. Obwohl sich Khubilai Khan dem Buddhismus anschloss, hatte seine Interaktion mit seinen muslimischen Untertanen also nichts mit einem buddhistisch-islamischen Dialog über Lehrinhalte zu tun.

Der Buddhismus wurde von den Mongolen sogar in Gebiete verbreitet, die bereits traditionell muslimisch geworden waren; doch auch hier zeigten die Buddhisten kein Interesse am Glauben der einheimischen Bevölkerung. Insbesondere während eines großen Teils der Periode der Ilkhanate in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts u.Z., als die Mongolen den Iran beherrschten, praktizierten und verbreiteten die mongolischen Khane dort die tibetische Form des Buddhismus. Sa’d Al-Daula, der Minister von Arghun Khan, schlug vor, einige Aspekte des Islams in die imperiale Politik des Khans mit aufzunehmen. Er empfahl, Dschingis Khan und seine Erbfolgelinie zu Propheten zu erklären, ähnlich der schiitischen Linie der Imame, und dass Arghun Khan dem Beispiel Mohammeds folgen sollte, indem er eine universelle buddhistische religiöse Nation begründen und die Kaaba zu einem buddhistischen Tempel umfunktionieren solle. Der Khan erklärte den Buddhismus zur Staatsreligion und lud zahlreiche Mönche aus Kaschmir und Tibet in sein Reich ein; die anderen Empfehlungen seines Ministers jedoch nahm er nicht an.

Der nächste Herrscher der Ilkhanate, Ghazan Khan, konvertierte bald nach seiner Thronbesteigung zum Islam. Als er seinen Minister Rashid Al-Din beauftragte, eine „Universale Geschichte“ (arab. Jami’ al-Tawarikh) zu schreiben, gab er ihm die Anweisung, auch die Glaubenssysteme der verschiedenen Völker zu beschreiben, die die Mongolen vorgefunden hatten, einschließlich des Buddhismus. Aus diesem Grund lud Ghazan einen buddhistischen Mönch aus Kaschmir, Bakshi Kamalashri, an seinen Hof ein, um Rashid Al-Din bei seiner Arbeit zu helfen. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit war der Text „Leben und Lehren des Buddha“, der sowohl in einer arabischen als auch in einer persischen Version als Abschnitt drei des Buches „Geschichte Indiens“, dem zweiten Band der „ Universalen Geschichte“, erschien.

Wie die vorangehenden Werke Al-Kermanis und Al-Birunis erklärte Rashid Al-Din den Buddhismus in der Begrifflichkeit des Islams. So zählte er Buddha als einen der sechs Religionsgründer auf, die von den Indern als Propheten akzeptiert wurden: drei theistische – Shiva, Vishnu und Brahma – und drei nicht-theistische – Arhanta für den Jainismus, Nastika für das Charvaka-System und Shakyamuni für den Buddhismus. Ferner beschrieb er die Deva-Götter als Engel und Mara als ‘Iblis, den Teufel. Der Text erwähnt auch die sechs Bereiche möglicher Wiedergeburten, die Gesetze karmischer Ursachen und Wirkungen und die Tatsache, dass die Worte Buddhas im Kangyur, der Sammlung ihrer tibetischen Übersetzungen, bewahrt sind.

Rashid Al-Din berichtete überdies, dass zu seiner Zeit elf buddhistische Texte in arabischer Übersetzung im Iran zirkulierten. Es handelte sich unter anderem um Mahayana-Texte wie das „Sutra über die Anordnung des Reinen Landes der Glückseligkeit“ (Skt. Sukhavativyuha Sutra) über Amitabhas Reines Land, das „Sutra über die Anordnung wie ein geflochtener Korb“ (Skt. Karandavyuha Sutra) über Avalokiteshvara, die Verkörperung des Mitgefühls und eine „ Darstellung über Maitreya“ (Skt. Maitreyavyakarana), den Buddha der Zukunft und die Verkörperung der Liebe. Einige Aspekte von Rashid Al-Dins Beschreibung waren allerdings recht fantasievoll. Er behauptete zum Beispiel, dass vor dem Islam die Einwohner Mekkas und Medinas Buddhisten waren und in der Kaaba Götzen anbeteten, die wie Buddha aussahen.

Etwas mehr als ein Jahrhundert später, im frühen 15. Jahrhundert u.Z., stellte der in Samarkand am Hof von Shahrukh aus der Timuriden-Dynastie dienende Hafiz-I Abru eine „Sammlung der Geschichtsschreibungen“ (arab. Majma at-Tawarikh) zusammen. Der Teil, der sich mit Buddha und dem Buddhismus befasste, basiert auf Rashid Al-Dins Werk.

Obwohl die von muslimischen Gelehrten verfassten Geschichten Indiens Beschreibungen des buddhistischen Glaubens enthalten, finden sich keine vergleichbaren Darstellungen des islamischen Glaubens in den von tibetischen oder mongolischen Autoren verfassten Geschichten Indiens, die geschrieben wurden, nachdem sich der Islam nach Indien verbreitet hatte. In der „Geschichte des Buddhismus in Indien“ (tib. rGya-gar chos ‘byung) des tibetischen Gelehrten Taranatha aus dem frühen 17. Jahrhundert u.Z. zum Beispiel beschreibt der Autor die Zerstörung der buddhistischen Klöster im zentralen Nordindien durch die muslimischen Armeen der Guzz -Türken zur Zeit der Ghuriden -Dynastie im frühen 13. Jahrhundert u.Z. Über den Islam selbst jedoch schrieb er kein Wort. Und auch, als sich in der Mitte des 17. Jahrhunderts aufgrund einer Hungersnot in ihrer Heimat kaschmirische Muslime in Tibet niederließen und mit speziellen Privilegien vom Fünften Dalai Lama friedlich in die tibetische buddhistische Gesellschaft integriert wurden, kam es zu keinem Dialog über die Lehren der beiden Religionen.

In der Diskussion nicht -buddhistischer Glaubensinhalte haben sich indische, tibetische und mongolische Texte über Lehrsysteme (Skt. siddhanta, Tib. grub-mtha’) hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, auf Systeme konzentriert, die in Indien beheimatet waren. Selbst in den Fällen, in denen diese Texte über das indische Kulturgebiet hinausgingen und nicht -buddhistische chinesische und einheimisch tibetische Glaubensinhalte darstellten, wie z. B das Werk „ Kristallspiegel ausgezeichneter Erklärungen, die die Quellen und Behauptungen aller Lehrsysteme aufzeigen“ (tib. Grub-mtha’ thams-cad-kyi khungs-dang ‘dod-tshul ston-pa legs-bshad shel-gyi me-long) des tibetischen Gelehrten Tuken Lozang-Chokyi-Nyima (tib. Tu’u-bkvan blo-bzang chos-kyi nyi-ma) aus dem späten 18. Jahrhundert u.Z., wurde darin nichts über den Islam geschrieben.

Nur eine Ausnahme zu dieser Tendenz buddhistischen Desinteresses gegenüber dem Islam sticht heraus: der mongolische Romanautor Injannashi aus dem 17. Jahrhundert u.Z. In seinem anti-chinesischen und anti-mandschurischen Roman über mongolische Geschichte, „ Die blaue Chronik“ (mong. Köke Sudar), weist er darauf hin, dass Islam und Buddhismus eine gemeinsame Absicht verfolgen: die „Güte“. Als Beispiel zitiert er die Tatsache, dass sowohl muslimische als auch buddhistische Metzger beim Schlachten von Tieren Gebete für deren Wiedergeburt im Himmel sprechen.

Vorschlag einer Erklärung für den traditionellen Mangel an buddhistischem Interesse an den islamischen Lehren

Im Allgemeinen haben sich also buddhistische wie islamische Gelehrte für andere religiöse Systeme in erster Linie dann interessiert, wenn sich ihre eigene Religion in Gebiete mit bereits etablierten einheimischen Religionen verbreitete. Das Gegenteil war allerdings nicht der Fall. Sie interessierten sich wenig für andere Religionen, die sich in Gebiete verbreiteten oder zu verbreiten suchten, in denen ihre eigene Religion das wichtigste Glaubenssystem war.

Gelegentlich entlehnte der Buddhismus bestimmte Vorstellungen aus einheimischen Religionen der Gebiete, in denen er sich verbreitete, oder betonte Punkte im indischen Buddhismus, die mit bestimmten Aspekten dieser Religionen im Einklang standen. Zum Beispiel haben das Bodhisattva-Ideal, die reinen Länder und Amitabha, der Buddha unendlichen Lichts, gewisse Parallelen im Zoroastrismus, wie er in den iranischen Kulturgebieten anzutreffen war. Die buddhistischen Texte zögerten jedoch auch nicht, auf ethisch zweifelhafte Bräuche in diesen Gebiete hinzuweisen. „Der große Kommentar“ (Skt. Mahavibhasa) zum Beispiel, welcher im 2. Jahrhundert in Kaschmir erstellt wurde, beschrieb, dass die Lehren der Yonaka Inzest und das Töten von Ameisen guthießen. Wörtlich bezieht sich „Yonakas“ auf die griechischen Siedler der baktrischen Region des Kushan-Imperiums, genauer genommen jedoch auf die dort lebenden Indo-Skythen, welche dem Zoroastrismus und Mithras-Kult folgten. Der indische buddhistische Meister Bhavaviveka aus dem 6. Jahrhundert u.Z. wiederholte diese Beschreibung fragwürdiger Yonaka-Lehren in seiner Schrift „Flamme der Beweisführung“ (Skt. Tarkajvala), dem frühesten Beispiel der Literaturgattung über Lehrsysteme.

Als sich der Buddhismus nach China verbreitete, wurde die erste Methode, die zum Übersetzen von Texten verwendet wurde, als „Erreichen der Bedeutung“ (chin. geyi, Wade-Giles: ko-i) bezeichnet genannt. Dabei wurden taoistische und neo-taoistische Fachbegriffe als analoge Konzepte zur Übersetzung buddhistischer Terminologie benutzt. Einige frühe buddhistische Meister in China, wie z.B. Zhidun im frühen 4. Jahrhundert und Sengzhao im frühen 5. Jahrhundert u.Z., erklärten die Leerheit (Leere) sogar im Sinne von „Sein“ und „Nicht-Sein“. Auch konfuzianische Werte und Denkweisen beeinflussten die Wahl der Übersetzungsbegriffe; so schrieb man beispielsweise „Menschen“ statt „fühlende Wesen“ und erklärte die Kindespflicht gegenüber den Eltern als eine buddhistische Tugend. All dies setzt, wenn nicht einen Dialog, so doch zumindest die Kenntnis dieser einheimischen chinesischen Systeme seitens der Buddhisten voraus.

In vielen anderen Fällen wurde das buddhistische Interesse an nicht-buddhistischen Systemen durch den Wettstreit um königliche Unterstützung ausgelöst. Manchmal waren beide Parteien in der Debatte bereits im Land etabliert. Dies war der Fall, als die buddhistischen Gelehrten in den Klöstern im zentralen Nordindien zwischen dem frühen 4. und späten 12. Jahrhundert u.Z. mit den Vertretern der verschiedenen indischen Religionen und philosophischen Systeme debattierten.

Bei anderen Gelegenheiten rangen beide Seiten um die königliche Gunst, damit sie als Staatsreligion angenommen würden, die ein Imperium einen sollte. Die Debatte im tibetischen Kloster von Samye (tib. bSam-yas) zwischen indischen Meistern des Madhyamaka und chinesischen Chan -Meistern in den letzten Jahren des 8. Jahrhunderts u.Z. fällt in diese allgemeine Kategorie, auch wenn es sich dabei um zwei Formen von Buddhismus handelte. Offenkundigere Beispiele waren die Debatten zwischen Buddhisten und chinesischen Taoisten, die von Dschingis Khans Enkeln organisiert wurden, um die Staatsreligion für die neuen mongolischen Khanate zu bestimmen. Die erste dieser Debatten wurde 1255 u.Z. am Hof von Mongke Khan veranstaltet. Die zweite fand drei Jahre später am Hofe seines Bruders Khubilai (Kublai) Khan statt. Der Streitpunkt war allerdings die taoistische Behauptung, Buddha sei ein Schüler von Laotse gewesen. Die Debatten hatten wenig mit philosophischen Lehrinhalten zu tun.

William von Rubruck, ein flämischer franziskanischer Missionar des 13. Jahrhunderts u.Z., besuchte den Hof von Mongke Khan. In seinem Reisebericht beschreibt er eine Debatte darüber, ob es nur einen Gott gibt, die 1254 u.Z. hauptsächlich zwischen ihm selbst und einem Vertreter der Religion der „Tuin“, der „Götzendiener“, am Hofe stattfand. Der Debatte wohnten auch Vertreter des nestorianischen Christentums und der „sarazenischen“ Religion, d.h. dem Islam, bei.

Zwar haben einige Gelehrte diese Debatte als einen Streit interpretiert, der Christentums und Islam gegen den Buddhismus Zusammenschloss, aber diese Folgerung erscheint aufgrund von William von Rubrucks eigener Darstellung fragwürdig. Erstens leitet sich der Name Tuin vom chinesischendao-ren ab, was „Menschen des Tao“ bedeutet. Offenbar stützte sich der franziskanische Mönch auf chinesische Übersetzer am mongolischen Hof. Des Weiteren schreibt er, dass die Tuin die manichäische Behauptung akzeptieren, wonach das Universum in Gut und Böse unterteilt ist. Er berichtet weiter, dass die Tuin an einen höchsten Gott im Himmel glauben, der aber nicht allmächtig, sondern reiner Geist ist und nie menschliche Form angenommen hat. Unter ihm, so v. Rubruck, leben zehn andere Götter, unter diesen ein weiterer und darunter schließlich eine unendliche Anzahl von Göttern auf der Erde. Obwohl die Tuin die Wiedergeburt akzeptieren, erklärt er, dass sie die Existenz einer Seele annehmen. An den Orten, wo sie ihre Gottesdienste abhalten, gebe es im Zölibat lebende Mönche, die Mantras rezitieren, doch die Götterbilder in diesen Tempeln seien Statuen von Verstorbenen und nicht ihres höchsten Gottes.

Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass die Tuins Buddhisten im strengeren Sinne waren. Es scheint, dass William von Rubruck bei seinem Versuch, ihre Glaubensinhalte in christlichen Begriffen zu erklären, die Buddhisten, Taoisten und Manichäer an Mongke Khans Hof – alle sogenannten „Götzendiener“ – zusammenfasste. Ferner trugen laut dem Bericht des franziskanischen Mönches die Muslime und Nestorianer nicht tatsächlich etwas zur Debatte bei, sondern pflichteten bloß seinen eigenen Behauptungen bei. Wir können diese Debatte also kaum als einen buddhistisch-muslimischen Dialog betrachten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Buddhismus für die Lehren anderer Religionen dann zeigte, (1) wenn er sich in nicht-buddhistische Regionen verbreitete, in denen eine andere Religion vorherrschend war; (2) wenn er, zusammen mit anderen ausländischen Glaubenssystemen als mögliche Staatsreligion in Betracht gezogen wurde, oder (3) wenn er mit anderen Religionen um die königliche Gunst rang. Außer während einer sehr kurzen Periode unter den Ilkhanen im Iran kann der Islam in keiner dieser Situationen als „die andere Religion“ dargestellt werden, mit der man sich befasste. Doch selbst dann, als die Mongolen den Buddhismus in den islamischen Iran brachten, interessierten sich die Buddhisten nicht für die muslimischen Lehren. Der einzige Zeitpunkt, zu dem der Buddhismus sich mit islamischen Glaubensinhalten beschäftigte, war also derjenige, zu dem eine Bedrohung durch die Invasion islamischer Kampftruppen bestand.

Die heutige Situation zwischen buddhistischen und muslimischen Bevölkerungen in Asien

Diese historischen Präzedenzfälle scheinen die derzeitige Situation des Buddhismus in der Welt gegenüber anderen Glaubenssystemen zu charakterisieren. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts u.Z. hat sich der Buddhismus in zahlreiche Gebiete der Welt verbreitet, in denen traditionell andere Religionen vorherrschen. Dies ließ die Tendenz zum interreligiösen Dialog zwischen führenden Persönlichkeiten der Buddhisten, Christen und Juden anwachsen. Der Buddhismus hat sich allerdings nicht in traditionell muslimische Gebiete verbreitet. Das buddhistische Interesse an einem Dialog mit Muslimen wurde statt dessen, insbesondere seit Anfang des 21. Jahrhunderts u.Z., hauptsächlich durch drohende Unruhen veranlasst. Ein Teil dieser Bedrohung stammt aus den gewalttätigen Umständen terroristischer Angriffe durch militante islamische Terroristen und die starke militärische Reaktion darauf. Ein anderer Teil der Bedrohung geht auf traditionelle ökonomische Rivalitäten zwischen buddhistischen und muslimischen Gemeinschaften in Asien zurück, die dadurch verschlimmert werden, dass die wirtschaftliche Globalisierung als Gefahr angesehen wird. In einigen Fällen wurde die Situation durch die Politik ehemaliger und heutiger Kolonialmächte verschärft. Oft wirken mehrere dieser Faktoren zusammen.

In derart gefährlichen Situationen sind Bildungsmaßnahmen und Dialog unbedingt notwendig, da viele Menschen die Extremisten mit der muslimischen Bevölkerung als Ganze verwechseln und die Politik und Taktiken dieser Extremisten für die Lehren des Islams halten. Zudem geben manche Menschen ausschließlich den religiösen Lehren die Schuld für die Gewalt, wobei sie die mitspielenden politischen, kulturellen, sozialen, historischen und ökonomischen Faktoren ignorieren oder abstreiten. Eine solche Kurzsichtigkeit verschlimmert den Konflikt.

In Afghanistan zum Beispiel war die Zerstörung der gigantischen Buddhastatuen in Bamiyan durch die Taliban im Jahre 2001 u.Z. möglicherweise eher ein Protest gegen internationale Sanktionen und die Vorenthaltung humanitärer Hilfe als ein Angriff gegen Buddhismus und Buddhisten als solche. Schließlich lebten in Afghanistan keine die Statuen verehrenden Buddhisten.

In Bangladesch hingegen lebt eine buddhistische Minderheit von etwa einem Prozent, die hauptsächlich in der Chittagong Division und in den Chittagong Hill Tracts ansässig ist. Als Folge von zunehmendem islamischem Fundamentalismus in Bangladesch seit den Ereignissen vom 11. September 2001 u.Z. kam es in diesen Gebieten zu einigen muslimischen Gewaltausbrüchen, die sich gegen die buddhistische Bevölkerung richteten. Die Gewalt beschränkte sich allerdings nicht auf die buddhistische Gemeinschaft bzw. diese Gebiete, sondern betraf auch Christen überall im Land. Dies ist ein klares Beispiel von wachsender Gewalt seit dem so genannten „Krieg gegen den Terror“ und dem amerikanischen Truppeneinsatz in Afghanistan und im Irak. Obwohl in Bangladesch 1988 ein Zusatz in die Verfassung aufgenommen wurde, der „die islamische Lebensweise“ proklamierte, waren dort die Spannungen zwischen muslimischen und buddhistischen Gemeinschaften vor den terroristischen Attacken vom 11. September erheblich geringer.

Malaysia und Indonesien sind Beispiele für Länder, in denen ökonomische Faktoren die Spannungen zwischen den Gemeinschaften verstärkten. In beiden Ländern leben große einheimische muslimische Minderheiten und vergleichsweise reichere Gemeinschaften von Auslandschinesen. Doch nur in Indonesien kam es zu Spannungen in den Beziehungen zwischen den beiden ethnischen Gemeinschaften, und zwar im Anschluss an die ökonomische Krise von 1997-1998 u.Z. und den Zusammenbruch des Suharto-Regimes.

In Kaschmir und Ladakh sowie in den Regionen mit tibetischer Kultur in der Volksrepublik China dagegen haben Konflikte zwischen Buddhisten und Muslimen nicht das Stadium offener Gewalt erreicht. Es gibt jedoch Spannungen, vor allem aufgrund ökonomischer Rivalitäten zwischen den beiden Gruppen und nicht aufgrund von Unterschieden in den Lehren. Im Fall der Regionen mit tibetischer Kultur in der Volksrepublik China wird die Situation verschärft durch die chinesische Politik, die Umsiedlung von nicht-tibetischen Populationen in diese Gebiete zu ermutigen, zu unterstützen und zu begünstigen.

Regierungspolitik hat auch die Situation in Burma/Myanmar beeinflusst. Hier kam es vor allem seitens der Buddhisten gegenüber den Rohingya-Muslimen im nördlichen Rakhine-Staat in Arakan zu ethnischen Zusammenstößen. Die Gewalt spiegelt die allgemeinen Ressentiments der Buddhisten gegen die unter ihnen angesiedelten Nicht-Buddhisten, insbesondere die aus Bengalen stammenden Muslime. Diese Ressentiments haben sich infolge der bevorzugten Behandlung entwickelt, die die britische Kolonialregierung den Nicht-Buddhisten während ihrer Herrschaft über das Land zukommen ließ. Die gegenwärtige Militärjunta hat dieses Vorurteil ausgenutzt und den Muslimen schwere Restriktionen auferlegt, indem sie ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert hat. Die Muslime werfen der Junta oft vor, buddhistische Unruhen gegen sie anzuzetteln.

Im südlichen Thailand geht die Gewalt zwischen Muslimen und Buddhisten auf die Annexion des malaiisch-muslimischen Staates von Pattani durch Thailand zurück, die als Teil des anglo-siamesischen Abkommen von 1909 u.Z. erfolgte, und auf den Mangel an anschließender Integration dieser Region in den überwiegend buddhistischen Staat.

Der buddhistisch-muslimische Dialog in der heutigen Zeit

Als Antwort auf die kritische Situation in Südthailand und die Herausforderungen in anderen Teilen Südostasiens organisierten die Internationale Bewegung für eine Gerechte Welt und das Santi Pracha Dhamma Institut 1996 u.Z. in Penang, Malaysia, eine Konferenz für buddhistisch-muslimischen Dialog mit dem Titel: „Alternative Politik für Asien.“ Hervorgehoben wurde die Anwendung traditioneller Weisheit und der spirituellen Werte beider Religionen, um die regionalen Probleme zu lösen.

2004 u.Z. bildete die thailändische Regierung ein Nationales Komitee für Versöhnung, um nach Lösungen zu suchen, die die Gewalt zwischen den Gemeinschaften beenden können. In der Folge finanzierte dieses Komitee gemeinsam mit dem Forschungszentrum für Friedensbildung der Universität Mahidol im November 2005 u.Z. eine Konferenz in Salaya, Thailand, mit dem Titel „Buddhismus und Islam im Dialog: Gewalt und Versöhnung“.

Zusammen mit dem Internationalen Netzwerk Engagierter Buddhisten organisierten die Internationale Bewegung für eine Gerechte Welt und das Santi Pracha Dhamma Institute im Juni 2006 u.Z. in Bangkok, Thailand, eine Folgekonferenz: „Buddhisten und Muslime in Südostasien: Auf Gerechtigkeit und Frieden hinarbeiten“. Das Ergebnis dieser Konferenz war die Deklaration von Dusit [Name des Universitätsgeländes in Bangkok]. Die Deklaration empfiehlt verstärkte Bemühungen im Bereich von Erziehung, Veröffentlichungen und Verbreitung von Informationen über elektronische Medien, um gegenseitiges Verständnis und Harmonie zwischen den Gemeinschaften zu fördern und Stereotypen und Vorurteile zu beseitigen, sowie auch Bemühungen seitens führender religiöser und politischer Persönlichkeiten, um harmonische Beziehungen zwischen den Gemeinschaften zu fördern.

Die Deklaration kommt zu dem Schluss:

Die Hegemonialmacht des globalen Kapitalismus ist die neue „Religion“, welche die universellen, spirituellen und moralischen Werte und Weltsichten auszuhöhlen droht, die der Buddhismus, der Islam und andere Religionen verkörpern. Deshalb sollten Buddhisten, Muslime und andere eine tiefere Einheit und Solidarität schmieden, die gemeinsam eine andere Sichtweise, nämlich die einer gerechten, mitfühlenden und humanen universellen Zivilisation bieten kann. Indem wir uns diese Mission vor Augen halten, verkünden wir die Gründung einer ständigen buddhistisch-muslimischen Bürgerkommission für Südostasien.

Der Ruf nach einer alternativen Ethik gegenüber der des globalen Kapitalismus läuft allerdings Gefahr, das anzuheizen, was Samuel Huntington als „Zusammenstoß der Zivilisationen“ bezeichnet hat. Das Risiko einer solchen Sicht besteht darin, dass sie tatsächlich auch den Dialog mit anderen Gruppen erschweren kann. Daher haben andere interreligiöse Gruppen, die Interesse an einem buddhistisch-muslimischen Dialog haben, einen umfassenderen Ansatz in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten gestellt.

Als Antwort auf die Zerstörung der Buddha-Statuen in Bamiyan haben zum Beispiel die Globale Familie für Liebe und Frieden zusammen mit dem Museum der Weltreligion in Taipei, Taiwan, eine Reihe muslimisch-buddhistischer Dialoge mit einer umfassenderen Herangehensweise organisiert. Die ersten drei Konferenzen folgten rasch aufeinander: im März 2002 u.Z. in New York, USA, im Mai 2002 u.Z. in Kuala Lumpur, Malaysia, und im Juli 2002 u.Z. in Jakarta, Indonesien. Darauf folgte eine „Konferenz des buddhistisch-muslimischen Dialogs über globale Ethik und verantwortungsbewusste Regierungsführung” am Hauptsitz des UNESCO in Paris im Mai 2003 und ein Symposium über „Dharma, Allah und Regierungsführung: Ein buddhistisch-muslimischer Dialog“ als Teil des Parlaments der Weltreligionen im Juli 2004 in Barcelona. Im November 2005 u.Z. wurde dann „Symposium zum buddhistisch-muslimischen Dialog“ in Marrakesch, Marokko, abgehalten. im Oktober 2006 u.Z. folgte eine muslimisch-buddhistische Konferenz mit dem Titel „Religionen zu Leben und Tod“ in Beijing, China.

Der Ruf nach friedlicher Zusammenarbeit zwischen Buddhisten, Muslimen und Anhängern anderer Religionen, um eine religionsübergreifende, globale religiöse Ethik zu schaffen, ist auch an anderer Stelle laut geworden. Daisaku Ikeda beispielsweise, der Präsident von Soka Gakkai International, gründete 1996 u.Z. das Toda Institut für Globalen Frieden und Politik mit Sitz in Tokyo, Japan, und Honolulu, Hawaii, USA. Das Institut, dessen Schwerpunkt auf der Entwicklung einer „globalen Zivilisation“ liegt, widmet sich dem Schutz allen menschlichen Lebens, dem Umweltschutz und der harmonischen Entwicklung aller menschlichen Gemeinschaften. Das Institut hat zahlreiche Konferenzen und Publikationen in die Wege geleitet; letztere umfassen u.a. die Schrift „Globale Zivilisation: Ein Buddhistisch-Islamischer Dialog“.

Seine Heiligkeit der Vierzehnte Dalai Lama hat ebenfalls wiederholt alle Menschen – sowohl diejenigen, die einer Religion angehörigen als auch „Nicht-Gläubige“ dazu aufgerufen, „universelle Verantwortung“ zu übernehmen und auf der Grundlage einer „säkularen Ethik“, die allen Religionen und humanitären Systemen gemeinsam ist, eine friedliche Welt zu schaffen. Diese „säkulare Ethik“ basiert auf der Wiederbelebung grundlegender menschlicher Werte, wie beispielsweise dem gleichen Wunsch aller, glücklich und nicht unglücklich zu sein, und dem gleichen Recht aller, glücklich zu sein und nicht zu leiden.

Ganz im Sinne dieses Aufrufs hat Seine Heiligkeit an zahlreichen interreligiösen Dialogen teilgenommen. Diejenigen davon, die sich auf die buddhistisch-muslimischen Beziehungen konzentrierten, begannen im März 1995 u.Z. mit einem Treffen in Dharamsala, Indien, zwischen ihm und Dr. Tirmiziou Diallo, dem angestammten Leiter des Sufi-Ordens in Guinea, Westafrika. Bei diesem Treffen ging es um das Thema Mitgefühl im Buddhismus und Sufismus. In jüngerer Zeit nahm Seine Heiligkeit der Dalai Lama unter anderem teil an der interreligiösen Veranstaltung mit dem Titel „ Treffen der Herzen, die das Mitgefühl erhellen“ in San Francisco im April 2006 u.Z. und an der Konferenz „Die Risiken der Globalisierung: Bieten Religionen eine Lösung oder sind sie Teil des Problems?“ in Prag im Oktober 2006 u.Z.

Auch Akademiker haben Konferenzen im Hinblick auf den buddhistisch-muslimischen Dialog organisiert, um durch historische Forschungen ein besseres Verständnis zu fördern. Meine eigene Teilnahme an solchen kooperativen Bemühungen begann im Mai 1994 u.Z. mit mehreren Treffen mit islamischen Gelehrten an den Universitäten von Bischkek, Kirgisistan, und Almaty, Kasachstan, gefolgt von Diskussionen in Istanbul, Türkei, im Februar 1995 u.Z. Ziel dieser Treffen war es, eine objektivere Untersuchung der Interaktion zwischen Buddhismus und Islam in Zentralasien und auf dem indischen Subkontinent in die Wege zu leiten, die frei von einseitigen Erklärungen ist, welche nur die Gewalt und die Zerstörung von Klöstern anführen. Diese Gespräche wurden im November 1995 u.Z. durch weitere Treffen in Kairo, Ägypten, Mafrak, Jordanien und nochmals in Istanbul erweitert. Eine ausgedehntere Runde von Gesprächen folgte dann im Oktober 1996 u.Z. mit Besuchen der Universitäten in Bischkek, Almaty, Kairo, Mafrak und Istanbul, Konya, Kayseri und Ankara in der Türkei. Die Einsichten, die ich bei diesem Wissensaustausch gewinnen konnte finden sich in meinem eBook „Die historische Interaktion zwischen den buddhistischen und islamischen Kulturen vor der Zeit des mongolischen Reichs“.

Jüngeren Datums sind die Gerald Weisfeld Lectures über Islam und interreligiösen Beziehungen, die im Oktober-November 2006 u.Z. in Glasgow, Schottland, abgehalten wurden; dort wurden u.a. Aufsätze mit dem Titel „Eine muslimische Sicht des Buddhismus“ und „Eine buddhistische Sicht des Islams“ präsentiert. In ähnlichem Sinne lud das Warburg-Institut im November 2006 u.Z. zu einer akademischen Konferenz mit dem Titel „Islam und Tibet: Kulturelle Interaktionen“ nach London ein. Es ist also offensichtlich, dass zahlreiche Institutionen überall auf der Welt erkannt haben, wie wichtig es ist, das Verständnis zwischen den Weltreligionen und humanitären Systemen, darunter auch Buddhismus und Islam, zu fördern,.

Aussichten auf künftige Dialogue

Einer der Hauptschwerpunkte der Reihe gegenwärtiger buddhistisch-muslimischer Dialoge war es, eine gemeinsame Ethik finden bzw. wieder hervorzuheben, die dabei helfen kann, die Woge der Gewalt zwischen den verschiedenen Gemeinschaften in der Welt einzudämmen. In diesem Zusammenhang sprach Seine Heiligkeit der Vierzehnte Dalai Lama im Mai 2007 u.Z. in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Mitgefühl: die Quelle des Glücks“ in Madison, Wisconsin, über extreme Sichtweisen der Ethik, die vermieden werden müssen. Die eine Seite solcher Sichtweisen ist, Ethik als exklusiven Zuständigkeitsbereich einer bestimmten Religion anzusehen; die andere besteht darin, zu denken, dass alle Menschen, die keinem speziellen oder allgemeinen religiösen Glauben angehören, keine Ethik hätten. Seine Heiligkeit wies darauf hin, dass speziell einige Muslime dieser Ansicht zu sein scheinen. Im Hinblick auf seinen Aufruf zu einer „säkularen Ethik, die auf grundlegenden menschlichen Werten basiert“ machte er dann klar, dass eine solche Ethik eine im Glauben begründete Ethik weder ausschließt noch bedroht. Sie umfasst vielmehr die gemeinsamen Werte aller religiösen und humanitären Systeme. Der Grund dafür ist, dass der Wunsch nach Glücklichsein und nach Freiheit von Leiden aus angeborenen biologischen Faktoren stammt, ungeachtet der Frage, ob es Gott war, der die Biologie schuf, oder nicht.

Zu dieser Klarstellung sah sich Seine Heiligkeit möglicherweise veranlasst aufgrund der Reaktion zahlreicher führender Muslime auf die Universelle Menschenrechtserklärung, die die Vereinten Nationen 1948 u.Z. deklarierten hatten. Diese Deklaration wurde später vom Sudan, von Pakistan, vom Iran und von Saudi Arabien kritisiert mit der Begründung, sie würde die Werte nicht-westlicher Religionen und Kulturen nicht berücksichtigen. Diese Einwände führten zu der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam in der Organisation der Islamischen Konferenz 1990 u.Z., der sich Minister von 48 islamischen Ländern angeschlossen hatten. Dieses Dokument erkennt nur diejenigen Menschenrechte an, die mit dem islamischen Gesetz der Scharia übereinstimmen.

Wenn sich Buddhisten und Muslime zusammentun sollen, um Frieden, Harmonie und soziale Gerechtigkeit zu fördern, nicht nur in ihren bilateralen Beziehungen, sondern in der Welt als Ganzes, dann müssen sie die gemeinsame Grundlage ihrer ethischen Lehren erkunden und darauf aufbauen. Das Kalachakra-Tantra hat diese gemeinsame Grundlage bereits aufgezeigt: Beide Systeme akzeptieren, dass Individuen Verantwortung für ihre Handlungen tragen und die Anhänger beider Systeme halten strikte Ethik ein.

Bemerkenswert ist, dass – anders als die früheren indisch-buddhistischen philosophischen Texte mit ihrem ausführichlen Debatten über die Existenz eines Schöpfergottes, wie er von den verschiedenen hinduistischen Lehrsystemen angenommen wird – die Kalachakra-Literatur von dem muslimischen Glauben an den Schöpfer Rahman lediglich berichtet, ohne weitere Kommentare hinzuzufügen. Indem die Frage nach der Existenz eines allmächtigen Schöpfers nicht gestellt wird, erkennt dieser buddhistische Text an, dass es zwecklos ist zu debattieren, ob die natürliche ethische Ordnung des Universums von Gott stammt oder ungeschaffen ist. In Indonesien haben die Buddhisten zwar erklärt, dass der Adibuddha im Kalachakra der Schöpfer ist, um mit dieser Aussage den Erfordernissen zu entsprechen, als offizielle Religion anerkannt zu werden; doch eine tiefergehende Analyse der Frage scheint für die Förderung interreligiöser Zusammenarbeit angesichts der Gewalt heute ebenso irrelevant wie zur Zeit der Entstehung der Kalachakra-Literatur. Die Frage ist auf beiden Seiten mit zu viel emotionaler Energie aufgeladen und für die meisten durchschnittlichen Anhänger der beiden Religionen wäre diese Diskussion zu philosophisch, um für ihr alltägliches Leben und ihre alltägliche Erfahrung eine bedeutsame Relevanz zu haben.

Relevanter für den buddhistisch-muslimischen Dialog über die jeweiligen Lehren ist möglicherweise die Frage nach den heiligen Kriegen. Im Islam bedeutet das arabische Wort jihad einen Kampf, in dem man für Allah Schwierigkeiten erdulden muss. Obwohl es verschiedene Systeme zur Klassifizierung für Typen von Jihad gibt, stimmen die meisten Muslime darin überein, dass es zwei Haupttypen gibt: den größere Jihad und den geringeren Jihad. Der „ größere Jihad“ ist ein innerer Kampf in der eigenen Seele gegen Gedanken und Impulse, die im Gegensatz zu den islamischen Lehren stehen. Der „geringere Jihad“ ist ein bewaffneter Kampf gegen äußere Bedrohungen des Islams und zur Verteidigung gegen die Unterdrückung der eigenen Person, der eigenen Familie oder der eigenen Gemeinschaft.

Unter islamischen Gelehrten und Geistlichen bestehen viele Meinungen, welche der beiden Arten von Jihad grundlegender ist, doch kann niemand abstreiten, dass sich im Koran die Erlaubnis zum bewaffneten Kampf zum Schutz des Islams findet. Nichtsdestotrotz sind die Lehren über den größeren Jihad eine potenziell fruchtbares Thema für den buddhistisch-muslimischen Dialog und für die Zusammenarbeit, um regionalen und globalen Frieden zu fördern. Um den Vorrang des größeren Jihads zu untermauern, zitieren einige muslimische Gelehrte folgenden hadith:

Einige Truppen kamen von einer Expedition zurück und besuchten den Botschafter Allahs – Segen und Frieden sei mit ihm, seiner Familie und seinen Gefährten. Er sagte: „Ihr seid zum Besseren zurückgekehrt, vom geringeren Jihad zum größeren Jihad.“ Jemand fragte „Was ist der größere Jihad?“ Er antwortete: „Des Dieners Kampf gegen die eigene Begierde.“

Der im 8. Jahrhundert u.Z. lebende indische Meister Shantideva bringt in seinem „Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattva“ V.12 (Skt. Bodhicharyavatara) eine ähnliche Geisteshaltung zum Ausdruck, indem er die Überlegenheit des inneren Krieges gegen die eigenen störenden Emotionen wie z.B. die Wut darstellt:

Grausame Wesen sind (überall) genau wie der Raum: Ich kann sie unmöglich (alle) zerstören. Doch wenn ich bloß diesen Geist der Wut zerstöre, ist es genauso, als habe ich all diese Feinde zerstört.

Von den eigenen Lehren her bietet der Buddhismus gute Voraussetzungen, um mit dem Islam über die zwei Arten von Jihad einen Dialog zu führen. Denn auch die buddhistischen Lehren beinhalten etwas, das dem geringeren Jihad ähnelt. So hat Seine Heiligkeit der Vierzehnte Dalai Lama darauf hingewiesen, dass es manchmal notwendig sein kann, wenn alle gewaltlosen, friedlichen Methoden scheitern, kraftvolle Methoden zu benutzen, um die Gewalt zu stoppen, die sich gegen andere richtet. In solchen drastischen Situationen muss die Motivation Mitgefühl sowohl für die Opfer als für die Täter der Gewalthandlungen sein, nicht Wut und Hass. Da im allgemeinen Gewalt nur zu mehr Gewalt führt, sind gewaltlose Methoden immer vorzuziehen.

Es könnte überdies von Nutzen sein, die Spannweite des buddhistisch-muslimischen Dialogs bezüglich des Jihad auszudehnen, um auch Strategien zum Umgang mit Umweltfragen mit einzubeziehen. Obwohl z.B. äußere Methoden erforderlich sind, um globale Erwärmung und Umweltzerstörung zu bekämpfen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen, ist das innere Ringen sogar noch wichtiger, um den kurzsichtigen Egoismus und die Gier zu überwinden, die dem Problem zugrunde liegen.

Islamische Praktiken und Methoden, die für die Buddhisten hilfreich sein können

Während der interreligiöse Dialog zunimmt, erfahren die Anhänger der verschiedenen Religionen der Welt von den Lehren und Praktiken der anderen. Manche machten sogar die Erfahrung, dass bestimmte Methoden aus anderen Religionen mit ihrer eigenen Tradition harmonieren und sie regten zu Praktiken an, die die Umsetzung ihrer eigenen Grundsätze im täglichen Leben unterstützen könnten. Angesichts dieser Entwicklung ist es möglicherweise hilfreich für Buddhisten, etliche muslimische Praktiken genauer zu betrachten.

Einer der fünf Pfeiler des Islams ist, dass jeder Muslim, der dazu körperlich und finanziell in der Lage ist, mindestens einmal in seinem bzw. ihrem Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka unternimmt: den sogenannten Haddsch. Während dieser Pilgerfahrt ist es für alle Männer obligatorisch, sich auf die gleiche Weise zu kleiden: sie müssen sich in zwei weiße Tücher hüllen und Sandalen tragen. Für Frauen gibt es keine derartige Kleidervorschrift; sie tragen einfache traditionelle Frauentracht ihres jeweiligen Landes. Die Bekleidung der Männer symbolisiert die Gleichheit aller Muslime, seien sie reich oder arm, und ungeachtet der islamischen Gruppierung, der sie angehören, und des Landes, aus dem sie stammen. Sie führt den Pilgern Einfachheit, Bescheidenheit und die Bereinigung ihrer Sünden durch den Haddsch vor Augen. Die Pilger folgen während des Haddsch einem festgelegten Plan religiöser Praktiken; während dieser Zeit wird von ihnen gefordert, negative Handlungen zu unterlassen – z.B. weder anderen absichtlich zu schaden noch zu streiten oder Schimpfwörter zu benutzen – und sich sexueller Aktivitäten zu enthalten.

Viele Anhänger der verschiedenen buddhistischen Traditionen sind ebenfalls bemüht, einmal in ihrem Leben eine Pilgerreise nach Bodh Gaya zu machen, dem heiligen Ort in Indien, wo Buddha Erleuchtung erlangte. Es gibt allerdings keine festgelegten Sitten, wie sie sich dabei zu kleiden oder zu verhalten haben. Insofern könnte es eine interessante Idee für buddhistische Pilger sein, gerade auch um die Einheit von Buddhisten verschiedener Traditionen und Länder zu fördern, bestimmte Sitten des Haddsch aufzugreifen und sie im Sinne der buddhistischen Glaubensinhalte entsprechend zu übernehmen. Es ist zwar nicht erforderlich, eine jährliche Pilgerfahrt mit einem gewissen Datum festzulegen, doch könnten sich alle Pilger im Laienstand während ihres Aufenthalts in Bodh Gaya gleichermaßen in einfache Gewänder kleiden und eine vorgeschlagene Reihe ritueller Praktiken durchführen, die für alle Formen von Buddhismus annehmbar wären.

Ein weiterer der fünf Pfeiler des Islams sind die Almosen an die Armen; dafür ist eine Abgabe in Höhe von jährlich 2.5 % des Gesamteinkommens oberhalb einer bestimmten Mindestgrenze festgelegt. Alle Formen von Buddhismus lehren ihrerseits Großzügigkeit als eine der weit reichenden Geisteshaltungen oder Vollkommenheiten. Im Einklang mit dieser Praxis haben buddhistische Laien traditionellerweise den Mönchen, Nonnen und Klöstern Speisen und andere Formen der Unterstützung zukommen lassen. Großzügigkeit gegenüber Armen und Bedürftigen in der Laiengemeinschaft war allerdings selten. Mehrere zeitgenössische buddhistische Bewegungen haben begonnen, diesem Mangel entgegenzutreten: etwa die Buddhist Compassion Relief Tzu Chi Foundation, die 1966 u.Z. in Taiwan durch Meister Cheng Yan gegründet wurde, oder das Internationale Netzwerk engagierter Buddhisten, das 1987 u.Z. durch Sulak Sivaraksa in Thailand gegründet wurde. Die muslimische Sitte einer organisierten Abgabe zeigt, dass mehr in diese Richtung unternommen werden könnte.

Der Buddhismus ermutigt allerdings Praktizierende, Großzügigkeit und die anderen weit reichenden Geisteshaltungen entsprechend ihrer eigenen Motivation und Initiative zu entwickeln. Eine obligatorische Abgabe für die Armen würde dieser Art von Übung widersprechen. Trotzdem wäre es durchaus hilfreich, einen gewissen Prozentsatz des Einkommens vorzuschlagen, den man jährlich den Armen zukommen lässt, und weitere ehrenamtliche Institutionen einzurichten, um solche Beiträge zu verteilen.

Zuletzt sei noch ein weiterer Bereich genannt, in dem Buddhisten von den Muslimen nützliche Methoden lernen könnten, nämlich im Hinblick auf die Rehabilitierung von Drogenabhängigen. In Sansibar zum Beispiel gehört es zu den Rehabilitationsprogrammen, dass die Suchtabhängigen auf dem Wege der Heilung eine gewisse Zeit mit organisierten religiösen Praktiken verbringen, wie etwa dem fünfmaligen täglichen Gebet. Das hilft ihnen dabei, mit den körperlichen und emotionalen Schwierigkeiten des Entzugs umzugehen und eine neue, positivere Richtung in ihrem Leben einzuschlagen.

Drogenabhängigkeit und Alkoholmissbrauch nehmen in vielen buddhistischen Gesellschaften in Asien zu. Heroinmissbrauch findet sich nicht nur im Goldenen Dreieck von Burma/Myanmar, Thailand und Laos, sondern hat seinen Weg auch in andere Länder gefunden. Die tibetische Flüchtlingsgemeinschaft in Indien und Nepal zum Beispiel hat einen ständig wachsenden Drogenmissbrauch unter ihren desillusionierten Jugendlichen festgestellt. In der Mongolei ist Alkoholismus seit Jahrzehnten ein erhebliches Problem und die Drogenabhängigkeit nimmt zu. Ein Programm wie dasjenige in Sansibar könnte dazu beitragen, Süchtigen auf dem Weg der Genesung zu helfen. Im religiösen Kontext des indo-tibetischen und mongolischen Buddhismus könnte ein solches Programm Niederwerfungen und andere traditionelle vorbereitende Übungen umfassen, die zur Reinigung hunderttausendmal wiederholt werden.

Fazit

Traditionell haben buddhistische Gelehrte und Übende wenig oder kein Interesse an den Lehren des Islams gehabt. Das lag nicht an kultureller Selbstgefälligkeit, sondern eher an der Tatsache, dass die Buddhisten keine Notwendigkeit für einen Dialog über die Lehren sahen. Dies wiederum hatte damit zu tun, dass der Buddhismus, anders als beim buddhistischen Kontakt mit anderen Religionen, sich weder in traditionell islamische Regionen verbreitete noch mit dem Islam um königliche Unterstützung wetteiferte. Auch als buddhistische Klöster auf dem indischen Subkontinent durch muslimische Armeen zerstört wurden oder als sich der Islam friedlich in traditionell buddhistische Gebiete verbreitete, wie in Zentralasien und Indonesien, sahen die Buddhisten keine Notwendigkeit für einen Dialog. Buddhisten hatten stets die Freiheit, ihre Religion zu wechseln, und nachdem ihre Klöster zerstört waren, schien es sinnlos, mit den Zerstörern über die Lehren zu debattieren. Eine ähnliche buddhistische Reaktion sehen wir auch angesichts der Verfolgungen und Zerstörungen in jüngerer Zeit durch kommunistische Regimes in Russland, in der Mongolei, in China, Vietnam, Laos und Kambodscha.

Die einzige historische Gelegenheit, bei der sich Buddhisten im Hinblick auf den Islam mit Themen aus dessen Lehren befassten, war, als sie sich Ende des 10. Jahrhunderts u.Z. der Bedrohung einer Invasion und der Gewalt durch eine bewaffnete extremistische muslimische Gruppierung gegenübersahen. Doch selbst in dieser schlimmen Lage wurde in den buddhistischen Texten nicht versucht, islamischen Glaubensinhalte zu widerlegen, sondern es wurde darin eher nach gemeinsamen Grundlagen gesucht, um die eindringende islamische Gruppe zu einem besseren Verständnis der buddhistischen Sicht zu bringen. Ähnlich ist möglicherweise auch heute der am meisten Erfolg versprechende Ansatz für den buddhistisch-muslimischen Dialog die Identifizierung von Gemeinsamkeiten in den Lehren, um Bedrohungen wie eskalierende Gewalt unter Gruppen, bewaffnete Konflikte, globale Erwärmung, Umweltzerstörung und Drogenmissbrauch bewältigen zu können. Durch friedliche Kooperation und gegenseitiges Verstehen lassen sich möglicherweise Lösungen für diese dringlichen Probleme finden.

Nachwort

In einem Vortrag mit dem Titel „Mitgefühl in der Globalisierten Welt“, den Seine Heiligkeit der Vierzehnte Dalai Lama im Juli 2007 in Hamburg hielt, sprach er ein weiteres Thema an, das überaus wichtig für das Gelingen eines künftigen buddhistisch-muslimischen Dialogs ist: Wie kann man damit umgehen, dass in den Lehren einiger Religionen nur eine Wahrheit akzeptiert wird und in anderen mehrere Wahrheiten? Seine Heiligkeit erklärte, dass Religion eine individuelle Angelegenheit ist und daher für jedes Individuum der eigene Glaube tatsächlich die einzige Wahrheit ist. Die Realität ist allerdings, dass es mehrere Religionen in der Welt gibt und somit mehrere Wahrheiten, an die ihre jeweiligen individuellen Anhänger glauben. Er erläuterte diesen Punkt dann folgendermaßen:

Meine christlichen und islamischen Freunde, die Realität ist, dass es mehrere Religionen gibt und dass somit von diesen mehrere Wahrheiten gelehrt werden. Das ist die Realität und die Realität ist stärker als das, was wir uns wünschen mögen. In dem Sinne, dass es mehrere Völker und mehrere Gemeinschaften gibt, sind mehrere Religionen angemessen. Diejenigen, die glauben, es gebe nur eine Wahrheit, eine Religion, mögen dies für sich beibehalten. Aber bitte respektiert die Religionen der anderen, da sie für unsere Brüdern und Schwestern zutiefst hilfreich sind.
Ich bewundere, schätze und respektiere alle anderen Religionen – die christliche, islamische, hinduistische und jüdische. Einige Christen beschreiben mich als guten Christen und ich betrachte einige Christen als gute Buddhisten. Ich akzeptiere alle wichtigeren Praktiken des Christentums: Vergebung, Mitgefühl, Barmherzigkeit und so weiter. Doch ich betrachte Ursache und Wirkung als die Grundlage der Religion, während sie Gott als Grundlage annehmen. Ich sage ihnen, dass abhängiges Entstehen und Leerheit unsere Sache sind, nicht eure; doch all die anderen Aspekte haben wir alle gemeinsam. Dies ist die Grundlage für alle Harmonie.

Diese abschließenden Punkte – die Betonung gemeinsamer ethischer Werte – gelten auch in Bezug auf die Harmonie zwischen Buddhisten und Muslimen.

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