Die Relevanz von Karma im täglichen Leben

Heute möchte ich über die Relevanz von Karma in unserem täglichen Leben sprechen. Dafür müssen wir natürlich verstehen, was mit Karma gemeint ist. Es bezieht sich auf den geistigen Drang, den wir verspüren und der uns zu verschiedenen Arten von Handlungen hinzieht, sei es zu physischen Handlungen, zu sprachliche Handlungen (zum Beispiel etwas zu sagen oder etwas mit Gesten zum Ausdruck zu bringen) oder dazu, etwas zu denken. Eine andere Erklärung lautet, dass im Zusammenhang mit physischen und sprachlichen Handlungen Karma eigentlich der – grobe wie auch der subtile - Energie-Impuls ist, der mit der Ausführung der Handlung in Verbindung steht. Aber in beiden Theorien bzw. Erklärungen wird Karma als die eigentliche Handlung betrachtet.

Nachdem man aufgrund dieses Dranges oder Energie-Impulses gehandelt hat, lässt dies dann eine bestimmte Art von Hinterlassenschaft oder Eindruck – keinen physischen Eindruck, sondern mehr im übertragenen Sinne – in unserem Geisteskontinuum zurück, und zwar in Form von Potenzialen - entweder einem positiven oder negativen Potenzial – und Tendenzen, ebenfalls positiver oder negativer Art. Zwischen Potenzialen und Tendenzen gibt es einen kleinen Unterschied, aber es ist jetzt nicht nötig, auf dieses technische Detail einzugehen. Und wenn bestimmte Umstände vorhanden sind, besteht ein Aspekt dieser Potenziale und Tendenzen darin, ein Resultat hervorzubringen. Wenn also entsprechende Umstände gegeben sind, führen sie dazu, dass ein Ergebnis, ein Resultat, reift.

Es gibt viele verschiedene Arten von Resultaten, die aus diesen karmischen Tendenzen und Potenzialen hervorgehen. Das allgemeinste ist ein Gefühl von Glück oder Unglücklichsein; ein bestimmtes Ausmaß davon begleitet jeden Augenblick unserer Erfahrung. Wenn es sich um Unglücklichsein handelt, so ist es das Resultat von destruktivem Karma, von destruktivem Verhalten. Handelt es sich um Glück, so ist es das Resultat von konstruktivem Verhalten.

Zudem gibt es ein Gefühl, aufgrund dessen man dazu neigt, die Handlung zu wiederholen. Das ist nicht der eigentliche karmische Drang. Karma reift nicht direkt aus Karma. Es handelt sich also um ein Gefühl. Verstehen Sie – wenn mir z.B. danach ist, jemanden anzuschreien oder jemanden zu umarmen. Auf der Grundlage dieses Gefühls tritt dann der Drang auf, der uns dazu treibt, das tatsächlich zu tun. Doch ich denke, „Gefühl“ ist, zumindest im Englischen, ein bisschen anschaulicher. Uns ist danach zumute, etwas Ähnliches zu wiederholen wie das, was wir früher schon getan haben – herumschreien, auf eine bestimmte Art handeln – und wir fühlen uns auch so, dass wir in eine Situation geraten, in der uns umgekehrt eine solche Handlung widerfährt. Doch es ist wohlgemerkt nicht das Resultat unseres Karmas bzw. unserer karmischen Tendenzen, dass die andere Person sich uns gegenüber ähnlich verhält, wie wir uns in einer früheren Situation verhalten haben, denn das reift aus deren karmischen Tendenzen. Das, was in uns reift, ist nur dieses Gefühl, dass uns in so etwas hineingeraten und auf die andere Person treffen lässt.

Etwas Weiteres, das reift, ist die tatsächliche Lebensform, die Art von Körper, die Art geistiger Aktivität, die wir haben können, die Begrenzungen dieser geistigen Aktivität – z.B. das Hirn eines Hundes oder das Hirn eines Menschen zu haben. Da gibt es bestimmte Begrenzungen. Die Art von Lebensform, die wir annehmen ist auch etwas, das aus den Tendenzen heranreift. Sie hat damit zu tun, womit uns das Geisteskontinuum in Verbindung bringt, im Falle von Säugetieren das Spermium und die Eizelle der Eltern, weil einem gefühlsmäßig danach ist, sich damit zu verbinden.

In Anbetracht unserer Erfahrungen im täglichen Leben können wir natürlich sagen, dass alles, was wir erleben – Glück, Unglück – alles, was wir tun, usw. eine Reifung unserer karmischen Potenziale und Tendenzen ist. Und es gibt zwar bestimmte Arten karmischer Handlungen, die noch in diesem Leben eine Reifung ihrer Potenziale und Tendenzen hervorbringen – vor allem solche Handlungen, die von einer äußerst starken positiven oder negativen Motivation getragen sind, und vor allem dann, wenn sie auf Personen gerichtet sind, die überaus gütig zu uns waren, etwa unsere Lehrer oder unsere Eltern -, aber der weitaus größte Teil dessen, was heranreift – und was wir aufgrund dessen erleben - ist das Resultat karmischer Potenziale und Tendenzen aus früheren Leben.

Das ist natürlich ein schwieriges Thema, weil viele von uns – wahrscheinlich die meisten von uns Westlern – sicherlich nicht überzeugt sind, dass es frühere und zukünftige Leben gibt. Ich denke, das ist noch ein ganz anderes Thema (etwas, das gesondert besprochen werden müsste, sollte ich wohl besser sagen), das ich hier eigentlich nicht erörtern möchte – wir haben keine Zeit dafür -, nämlich das Thema früherer und zukünftiger Leben und wie wir zu der Überzeugung davon gelangen. Doch ich meine, dass die gesamte Erörterung von Karma, auch ohne dass man an frühere und spätere Leben glaubt, von großer Bedeutung in unserem Leben sein kann, und zwar in Bezug darauf, wie wir mit dem umgehen, was uns passiert.

Zunächst einmal entwickeln wir das, was in westlichen Kreisen meist „Vergegenwärtigung“ genannt wird – obwohl dieser Ausdruck nicht ganz präzise dem buddhistischen Fachbegriff entspricht, wie er definiert wird. Wenn wir aufmerksam darauf geworden sind, was in unserem mentalen und emotionalen Leben vor sich geht, dann ist Vergegenwärtigung der Geistesfaktor, der uns wie eine Art mentaler Klebstoff bei dieser Aufmerksamkeit bleiben lässt. Wenn wir sehr aufmerksam sind, werden wir bemerken, wann uns danach zumute ist, etwas Bestimmtes zu tun oder zu sagen, – wann dieses Gefühl aufsteigt -, und wir werden feststellen, dass es in der Tat eine Art Spielraum gibt zwischen dem Aufsteigen dieses Gefühls und dem Zeitpunkt, an dem wirklich der Drang einsetzt ist, der einen dazu bringt, es tatsächlich zu tun.

Manche Menschen sprechen einfach aus, was ihnen als erstes durch den Kopf geht – so drücken wir das zumindest umgangssprachlich im Englischen aus -, ohne darüber nachzudenken. Sie haben keine innere Instanz, die vorher prüft, was sie sagen und tun. Ganz impulsiv tun oder sagen sie einfach, was ihnen in den Sinn kommt. Aber wenn wir merken, dass es einen Spielraum gibt zwischen dem Moment, in dem ein Gefühl aufkommt, und dem Moment, in dem wir aufgrund dieses Gefühls handeln, erlaubt uns das, unser so genanntes unterscheidendes Gewahrsein zu benutzen, um zu entscheiden, ob wir das wirklich ausagieren möchten oder nicht. Wäre es hilfreich oder würde es nur zu einer Menge Probleme führen? Wenn es eine Menge Probleme verursachen würde, ist es destruktiv und wir setzen es nicht in die Tat um. Wir müssen jemandem nicht sagen: „Was hast du da für ein hässliches Kleid an“, das ist nicht unbedingt hilfreich.

Es geht darum zu verstehen, dass diese Gefühle, wenn uns danach zu Mute ist, auf bestimmte Art zu handeln oder zu sprechen, aus Gewohnheiten herrühren. Erinnern Sie sich, dass wir über Gewohnheiten aus diesem Leben oder früheren Leben gesprochen haben? Eigentlich ist es irrelevant, ob sie aus diesem oder einem früheren Leben stammen. Der Punkt ist, dass ich basierend auf früheren Gewohnheitsmustern impulsiv handele und es keinen Grund dafür gibt, Sklave dieser Impulse zu sein. Wir sind menschliche Wesen; wir sind keine Tiere, die ohne jede Kontrolle ihren Instinkten folgen müssen. Als Menschen besitzen wir Intelligenz. Intelligenz beinhaltet die Fähigkeit zu unterscheiden, was hilfreich und was schädlich ist. Ganz gleich, ob bestimmte Impulse nun aus früheren Leben stammen oder nicht – ich sehe, dass es töricht ist, auf der Grundlage dieser Gewohnheiten zu handeln, und ich will das nicht, weil es mir immer wieder Probleme einbringt, also versuche ich es zu überwinden.

Ich denke, wir müssen diese Wiederholungsmuster in gewisser Weise wie eine Sucht betrachten. Wir können natürlich süchtig nach Alkohol oder Zigaretten oder Drogen sein. Aber wir können auch spielsüchtig sein oder süchtig nach Sex oder danach, andere anzuschreien. Es gibt viele Methoden, buddhistische und nicht buddhistische, um Suchtverhalten zu überwinden. Das ist etwas, das wir anwenden müssen; andernfalls geraten wir außer Kontrolle und handeln uns immer mehr Probleme ein.

Was wir natürlich hinzufügen müssen, ist, dass man in bestimmten inneren Mustern eine vermeintlich wahre Identität darauf aufbaut: „Ich bin jemand, der süchtig ist“, und diese nie wirklich loslässt. Dem liegt somit die Annahme zugrunde, dass man die Sucht nie ganz loswerden kann. Man kann nie eine wahre Beendigung davon erlangen. Vom buddhistischen Gesichtspunkt aus gesehen kann man natürlich eine wahre Beendigung davon erlangen, so dass sie nie wieder auftritt und man sich nie wieder damit plagen muss. Das ist es, was ein Buddha in vollem Ausmaß erreicht hat. Auch hier spielt also unsere Diskussion über die Frage: „Gibt es einen Buddha?“ eine Rolle. Können wir wirklich aus unserem Suchtverhalten herauskommen?

Hier kommt Entsagung ins Spiel. Entsagung bedeutet: „Ich bin entschlossen, das aufzugeben.“ Das Gefühl, das damit verbunden ist, ist einfach ein totaler Überdruss, und es widert einen an, so weiterzumachen: „Ich hab die Nase voll von dieser Sucht. Ich bin es leid, dauernd die Fassung zu verlieren und herumzuschreien. Wenn mir das nächste Mal danach ist, werde ich versuchen, dem ein Ende zu setzen. Als ersten Schritt werde ich zumindest versuchen, das nicht auszuagieren.“

Noch etwas anderes, in Bezug auf das wir aufpassen müssen, wenn wir die Lehren über Karma in unserem täglichen Leben anzuwenden versuchen, hat mit einem Missverständnis zu tun, welches im Zusammenhang mit der Einstellung auftreten kann: „Was immer ich erlebe, ist das Reifen meines Karmas.“ Es ist die defätistische Einstellung, dass ich es nicht anders verdient habe: Ich war früher ein böser Junge oder ein böses Mädchen, und was mir jetzt passiert, geschieht mir nur recht. Nun gibt es natürlich Lehren, die besagen: Wenn wir keine Zielscheibe abgeben, würde niemand einen Pfeil auf uns schießen. Diese Aussage stammt von Shantideva. Wenn ich also in der Vergangenheit nicht destruktiv gehandelt hätte, würde ich nicht erleben, dass Leute ärgerlich auf mich sind, mich schlecht behandeln usw. Aber worum es Shantideva hier geht, ist, die Schuld nicht anderen zuzuschieben, sondern selbst die Verantwortung zu übernehmen. Das kann allerdings in das Extrem jener Einstellung geraten: „Ich bin so ein schlechter Mensch, dass ich es nicht anders verdiene. Also werde ich den Mund halten, mich nicht beklagen und quasi die Strafe annehmen.“ Ich denke, das ist weder die gesündeste Art, mit dieser Lehre umzugehen, noch entspricht es der eigentlichen Absicht, wie sie in die Praxis umzusetzen ist.

Betrachten wir stattdessen einen anderen Aspekt der Lehren über Karma, nämlich: Wenn ich jetzt etwas erlebe bzw. mir etwas passiert, kann ich aus den Lehren über Karma schlussfolgern, was in meinem Verhalten die Ursache dafür war. Es gibt zahlreiche Lehren, die das auflisten: Wenn wir es immer wieder erleben, dass Beziehungen nicht andauern, dass wir nicht mit geliebten Menschen zusammenbleiben können, dass dauernd Leute die Beziehung zu uns abbrechen usw., so ist das das Resultat von entzweiender Rede, davon, dass man anderen garstige Dinge über ihre Freunde erzählt. Wenn ich dann so etwas erlebe, ist das natürlich die Reifung meines Karmas. Denn wir geraten in Situationen, in denen andere uns Ähnliches antun – nämlich, dass wir oder andere im Einzelnen oder das Leben im Allgemeinen Trennungen herbeiführen.

Wenn wir uns aufrichtig überprüfen, entdecken wir vielleicht (und wahrscheinlich wird das der Fall sein), dass die Lehren über Karma stimmen – dass wir eine Tendenz haben zu kritisieren, Negatives über andere erzählen, auch denen gegenüber, die mit ihnen befreundet sind oder ihren Studienkollegen usw. Wir neigen dazu, übermäßig kritisch zu sein. Wir erzählen nicht Gutes über jemanden, wir reden nur über das Schlechte. Das ist durchaus üblich, nicht wahr? Wir sind eifrig darauf bedacht, jemandes Unzulänglichkeiten aufzuzeigen und uns darüber zu beklagen. Aber wie oft rücken wir eigentlich die guten Qualitäten von anderen in den Mittelpunkt und loben sie gegenüber anderen Menschen? Bei den meisten von uns ist kommt das ziemlich selten vor.

Ich denke, das ist einer der wichtigsten Punkte, die wir aus diesen Lehren über Karma lernen und in unserem tätlichen Leben anwenden können. Wir finden Muster heraus, die wir haben, und die der Art von Dingen entsprechen, die wir erleben. Und statt zu sagen: „Ich war in einem früheren Leben ein so schlechter Mensch, dass ich das getan habe, und nun muss ich eben erleben, dass meine Beziehungen immer zerbrechen“, konzentrieren wir uns darauf, uns mehr und mehr dessen gewahr zu werden, dass wir dieses Muster haben – z.B. überkritisch zu sein, stets Negatives über andere zu erzählen -, und daran zu arbeiten, dass sich das ändert. Etwa, wenn mir danach ist, etwas Schlimmes über jemanden zu erzählen, mehr an dessen gute Qualitäten zu denken.

Es gibt jede Menge Beispiele unterschiedlicher Arten von karmischen Syndromen, die wir identifizieren können. Wir sind vielleicht arm, und entdecken nun, dass wir immer auf unseren Vorteil bedacht sind, dass wir anderer Leute Dinge benutzen, sie ausnutzen, nie jemandem etwas ausgeben, immer erwarten, dass sie für uns bezahlen usw. Wir können dann Entsprechungen bemerken zwischen dem, was wir erleben, was uns geschieht, und unseren Gefühlen und Neigungen, uns auf bestimmte Weise zu verhalten. Ich denke da besonders an die Gewohnheit, anderer Leute Dinge zu benutzen, ohne zu fragen, etwa von ihrem Telefon Ferngespräche zu führen, einfach an ihrem Kühlschrank zu gehen und sich etwas herauszuholen und dergleichen mehr.

Ein weiterer Aspekt hat damit zu tun, dieses Gefühl des Defätismus zu überwinden – dass ich etwas nicht anders verdiene usw. -, nämlich zu erkennen, dass Ergebnisse nicht nur aus einer einzigen Ursache entstehen. Buddha sagte: Ein Eimer wird nicht durch den ersten oder den letzten Tropfen gefüllt, sondern durch die Gesamtheit all der Tropfen, die ihn füllen. Was immer wir erleben, ist nicht bloß Resultat einer einzigen Sache – einer Gemeinheit, wenn es sich um leidvolles Erlebnis handelt -, die wir in der Vergangenheit begangen haben, und auch nicht nur eine Anhäufung mehrerer Gemeinheiten, die wir begingen. Es gibt zahllose Ursachen und Umstände, die zusammenkommen mussten, damit wir etwas erlebten.

Dabei geht es nicht nur um … Sagen wir, wir wurden von einem Auto angefahren. Es ist nicht nur so, dass ich vielleicht früher jemand anderen verletzt habe, vielleicht nicht durch ein Auto, sondern durch etwas anderes. Was ist mit all den karmischen Kräften, die die Person beeinflussen, die uns angefahren hat? Auch das Wetter kann dabei eine Rolle spielen. Und: Warum habe ich zu der Zeit überhaupt das Haus verlassen? Auch die Menschen, die die Straße bauten, spielen eine gewisse Rolle. Es gibt eine enorme Anzahl von Ursachen und Umständen, die zusammenkommen mussten – die Verkehrsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt usw. -, sodass ich es schließlich erlebte, von einem Auto angefahren zu werden.

Wenn wir unsere Sicht von Ursache und Wirkung ausweiten – dahingehend, dass überaus viele Ursachen und Umstände zusammenkommen müssen, um ein Resultat hervorzubringen -, dann beginnen wir, die Festigkeit von „Ich, ich bin der Schuldige. Ich habe das verdient, es ist alles mein Fehler“ ins Wanken zu bringen. Es ist ein großer Unterschied, ob wir Verantwortung für unser Verhalten übernehmen oder sagen: „Das ist alles mein Fehler. Seht, was dabei herauskommt!“

Wir müssen vielmehr die so genannten drei Sphären, auch drei Kreise genannt, die daran beteiligt sind, im Einzelnen analysieren: „ich, der oder die das erlebt“ und „das, was ich erlebe“ und dann noch „das, was ich in der Vergangenheit getan habe“ usw. Es gibt viele Arten, diese drei Kreise, die an etwas beteiligt sind, darzustellen. Wenn wir an einem feststehenden „Ich“ festhalten, das in der Vergangenheit schlecht war, sodass es mir nur recht geschieht, wenn mir jetzt so etwas passiert, dann machen wir uns nun gewissermaßen zum Opfer oder wir sind quasi der Verbrecher, der bestraft wird. Wir halten daran fest, und das ist ein sehr unglücklicher Geisteszustand, nicht wahr? Und wir machen ein großes Drama aus dem, was wir jetzt erleben: „Ach, das ist so furchtbar“, und aus dem, was wir in der Vergangenheit getan haben: „Oh, es ist so entsetzlich, was ich getan habe“. Und dann wird das Ganze mit Schuld in Verbindung gebracht, mit Selbstmitleid usw. All das macht unsere Erlebnisse im täglichen Leben nur noch schlimmer.

Deshalb ist es sehr wichtig – wie wir auch im Zusammenhang mit der Zuflucht gesehen haben – hier etwas Verständnis der Leerheit mit einzubringen. Ohne das werden die Dinge etwas zu sehr verfestigt, und man gerät leicht in bestimmte Extreme, die nur noch mehr Probleme und zusätzliches Leiden schaffen. Und wie wir im Zusammenhang mit dem Einschlagen einer sicheren Richtung in unserem Leben – der Zuflucht – gesagt haben: „Tun Sie’s einfach“, ähnlich gilt auch hier im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Ursache und Wirkung von Karma beim Handeln: Man tut es einfach – indem man konstruktiv handelt und es unterlässt, destruktiv zu handeln.

Natürlich heißt es, dass die ursächlichen Faktoren dafür, eine bestimmte Art destruktiven Verhaltens zu unterlassen, beinhalten, dass man sich über die Nachteile Gedanken macht, die aus entsprechendem Handeln hervorgehen: Weil wir diese leidvollen Resultate nicht erfahren wollen, unterlassen wir es, dem Drang entsprechend zu handeln. Aber oftmals denken wir nicht tatsächlich sehr aktiv an diese Zusammenhänge. Wieder kommt die Erfahrung ins Spiel, dass es „sich einfach nicht richtig anfühlt“, jemanden anzuschreien. Das ist eigentlich recht interessant: In Bezug auf bestimmte Arten von negativem Verhalten finden wir: „Es fühlt sich einfach nicht richtig an, zu betrügen“, „Es fühlt sich nicht richtig an, herumzulaufen und Autos zu zerkratzen“ usw. – klar, wir haben wahrscheinlich noch nie besonders ausführlich über die negativen Folgen solcher Handlungen nachgedacht.

Aber wie ist es beim Töten von Moskitos? Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe jedenfalls schon die Erfahrung gemacht, dass es sich durchaus richtig anfühlen kann, einen Moskito zu erschlagen, oder in meinem Zimmer herumzuschleichen, als wäre ich auf einer Safari in Afrika, auf der Jagd nach dem Moskito, der mich die ganze Nacht wachhält, und ihn schließlich zu erlegen. Das fühlt sich richtig an. Und selbst wenn wir merken, wie lächerlich wir uns verhalten, indem wir eine Safari auf einen Moskito veranstalten – an solche absurden Beispiele zu denken ist tatsächlich recht hilfreich in solchen Fällen -, gehen wir trotzdem auf die Jagd nach dem Moskito, nicht wahr? In dem Fall ist es also unbedingt notwendig, sich die Nachteile zu überlegen, die aus dem Töten des Moskitos hervorgehen und daraus, dass wir keine Toleranz aufbringen. Das soll natürlich nicht heißen, dass wir den Moskito nun unbedingt füttern müssen, aber wir könnten eine friedlichere Methode anwenden, etwa ein Glas über ihn stülpen, wenn er sich an der Wand niederlässt, ein Stückchen Papier darunter schieben und ihn aus dem Zimmer schaffen.

Tatsächlich ist das eine sehr interessante Erfahrung. Tun wir das nur deshalb, weil wir das Jucken vermeiden wollen, oder denken wir dabei an den Moskito? Wir enthalten ja dem Moskito seine Nahrung vor. Natürlich könnten wir Großzügigkeit üben und ihn in das Zimmer von jemand anderem bringen! Aber wenn wir dauernd Moskitos oder Fliegen oder sonst etwas erschlagen, muss man überlegen, was für eine Gewohnheit dadurch aufgebaut wird. Die Gewohnheit – oder Tendenz -, die dadurch aufgebaut wird, ist, dass unsere erste Reaktion auf irgendetwas, das uns auf die Nerven geht, darin besteht, es zu töten. Ein gewalttätiges Mittel anzuwenden, um es loszuwerden, statt zu versuchen, ein friedliches Mittel anzuwenden. Wenn wir den Moskito mit einem Glas und einem Stück Papier jagen, versuchen Sie es wenigstens nicht hasserfüllt zu tun: „Widerwärtiges Geschöpf. Das muss ich eliminieren. Es ist in mein Zimmer eingedrungen.“

Es gibt natürlich weitergehende Gedankengänge – dass dieser Moskito in früheren Leben meine Mutter gewesen ist usw., aber für die meisten von uns ist es ziemlich schwierig, aufrichtig so zu denken. Was ich sagen will, ist Folgendes: In Bezug auf manche Dinge scheint es richtig, fühlt es sich einfach richtig an, nicht destruktiv zu handeln, aber in Bezug auf andere müssen wir uns wirklich nochmals der Motivation vergewissern. Gut.

Noch ein weiterer Punkt, den ich erwähnen möchte, steht Zusammenhang mit den Faktoren, die unsere karmischen Tendenzen und Potenziale tatsächlich aktivieren und zum Reifen bringen. Wenn wir uns die Lehren über die zwölf Glieder des abhängigen Verstehens anschauen, finden wir dort Aussagen über die Faktoren, die zum Zeitpunkt des Todes die karmischen Potenziale dafür aktivieren, dass unser geistiges Kontinuum in eine weitere Wiedergeburt „geworfen“ wird – so lautet der wörtlich Ausdruck. Es sind die abhängigen Glieder „Begierde“ – eigentlich lautet das Wort, das hier als „ Begierde“ übersetzt wird, im Sanskrit (und auch auf Tibetisch, aber das Sanskrit ist erheblich klarer) „Durst“.

Der andere Faktor wird von den meisten Leuten als „Ergreifen“ übersetzt, aber ich denke, diese Übersetzung ist nicht sehr klar, weil es andere Begriffe gibt, die normalerweise als „Greifen“ übersetzt werden, und der Begriff hier nicht derselbe ist wie zum Beispiel in dem Ausdruck „Greifen nach wahrer Existenz“. Hier ist vielmehr ein Wort verwendet, welches wörtlich bedeutet, dass man etwas erhält, etwas erwirkt. Ich nenne es daher eine „herbeiführende“ Emotion oder Einstellung. Es handelt sich um eine Emotion oder Einstellung die, wenn wir sie hervorbringen, für uns eine weitere Wiedergeburt erwirkt bzw. herbeiführt. Dazu gehört eine Reihe von störenden Emotionen und Einstellungen, die dieser Begriff beinhaltet. Es kann sich um eine oder mehrere dieser störenden Emotionen und Einstellungen handeln. Die bedeutsamste ist eigentlich damit verbunden, dass wir irgendetwas in unseren Aggregaten als „ich“ erleben und identifizieren – „ich“ als der- oder diejenige, die das erlebt. Diese Faktoren im Zusammenhang damit aufgeführt, was das Karma für das „ Hineinwerfen“ in eine weitere Wiedergeburt aktiviert, auch ich denke, dass sie auch anzeigen, was unsere karmischen Potenziale in jedem Augenblick aktiviert; es gibt einige derartige Erklärungen.

Diese Zusammenhänge sind meines Erachtens ziemlich relevant dafür, wie die Lehren über Karma auf unser tägliches Leben anzuwenden sind. Zunächst einmal: Was ist Begierde? Was ist dieser Durst? Er bezieht sich auf das Gefühl eines gewissen Ausmaßes von Glück oder Unglücklichsein. Es handelt sich um eine Einstellung oder einen emotionalen Zustand, bezogen auf das Glück oder Unglücklichsein, das wir in jedem Augenblick erleben und das aus unseren karmischen Tendenzen und Potenzialen reift. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass eines der wesentlichen Dinge, die aus diesen Tendenzen und Potenzialen reifen, ein gewisses Ausmaß an Glück ist, das jeden Moment unserer Erfahrung begleitet. Was ist nun der Durst in diesem Zusammenhang? Worin besteht die Begierde? Sie macht einen großen Wirbel um das Ausmaß von Glück oder Unglücklichsein, das wir erleben. Auf das Glück ausgerichtet besteht ein Durst danach, dass es weitergeht, dass es nicht aufhört. In Falle von Unglücklichsein oder Leiden natürlich danach, dass es aufhört, dass es nicht weitergeht. Und natürlich besteht dieser Durst, den wir haben, diese Begierde, in unterschiedlichem Grade.

Die andere wesentliche herbeiführende Einstellung ist in diesem Zusammenhang das Greifen nach einem festen „Ich“ in Bezug darauf, was in unseren Aggregaten vorgeht. Ich muss dieses Glück fortsetzen. Ich muss etwas beseitigen. Der Durst oder die Begierde ist auf das Gefühl selbst gerichtet, und die herbeiführende Einstellung ist auf ein „Ich“ ausgerichtet als etwas, das es erlebt. Selbst wenn wir kein tiefes Verständnis der Leerheit von Gefühlen und der Leerheit des „Ich“ haben, können wir hier im täglichen Leben, während wir irgendein Gefühl von Glück oder Unglücklichsein erfahren – was in jedem Augenblick der Fall ist -, beispielsweise die Lehren über die so genannten acht weltlichen Dharmas anwenden.

Denken Sie daran, welche Bedeutung das Wort „weltlich“ eigentlich beinhaltet. Das tibetische Wort lautet „Jigten (‘ jig rten). „Ten“ (rten) ist eine Basis, und „Jig“ (‘ jig) ist etwas, das auseinanderfällt. Also haben diese verschiedenen Einstellungen, die wir haben, keine stabile Basis. Hier geht es um die Einstellung, total euphorisch zu sein, wenn wir glücklich sind, und total deprimiert, wenn wir unglücklich sind. Was ist es, das hier keine stabile Basis hat? Das Glück und das Unglücklichsein. Und wir überreagieren darauf – mit Euphorie oder Verzweiflung. Und dann – wie jemand, der großen Durst hat und mit Wasser in Berührung kommt: „Ich muss dieses Glück bewahren und darf es auf keine Fall verlieren“ und: „Ich muss unbedingt dieses Unglücklichsein loswerden“, so wie man auf keinen Fall Durst leiden will.

Um diese kindische Art von Gefühl, wie es Shantideva nennt, zu überwinden, müssen wir Gleichmut entwickeln. Gleichmut bezieht sich hier, ganz einfach ausgedrückt, darauf, dass es zur Natur von Samsara gehört, dass es immer auf und ab geht. Manchmal fühle ich mich glücklich und manchmal unglücklich. Man kann nie vorhersehen, wann ich mich glücklich oder unglücklich fühlen werde. Meine Stimmung kann jederzeit ohne ersichtlichen Grund umschlagen. Das Ausmaß von Glück oder Unglücklichsein muss dabei nicht dramatisch sein, es kann auch auf nur sehr niedrigem Niveau vorhanden sein. Das Schlüsselwort ist hier: „nichts Besonderes“.

Aber eigentlich geht es dabei um eine sehr tiefgründige Sache. Nichts Besonderes. Es ist nichts Überraschendes daran, nichts Außergewöhnliches. Was erwarten wir denn? Natürlich geht es auf und ab, also machen wir keine große Sache daraus. Ganz gleich, was wir im Leben erfahren, manchmal sind wir glücklich, manchmal sind wir unglücklich. Im Grunde – klar, wir erkennen, dass Unglücklichsein aus destruktivem Handeln herrührt und Glück aus konstruktiven Handeln usw. – aber bleiben Sie nicht daran hängen. Halten Sie nicht an dem „Ich, ich, ich“ fest, wie etwa „Ich bin so glücklich, und ich will glücklich sein“ oder „Ach mir geht’s so miserabel und ich will das weghaben.“

Natürlich ist es so, im konventionellen Sinne, dass wir glücklich sein wollen und nicht unglücklich. Und im konventionellen Sinne streben wir nach der Befreiung und Erleuchtung, in der wir frei von Unglück und Leiden sind. Aber der Punkt ist: Machen Sie keine große Sache daraus. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt im Hinblick auf die Bedeutung dieser Karma-Lehre in unserem Alltag – nämlich, dass sie uns zeigt, was uns mehr inneren Frieden verschafft. Was uns mehr inneren Frieden bringt, ist, Gleichmut bezüglich unserer wechselnden Stimmungen zu bewahren, während wir unseren Tagesablauf erleben, denn natürlich werden wir uns im Laufe des Tages mal glücklicher und mal unglücklicher fühlen. Das ist einfach Teil von Samsara, was soll man schon anderes erwarten. Wir machen einfach weiter mit unserer Dharma-Praxis, welche auch immer das sein mag. Und wenn ich im Moment nicht sonderlich glücklich bin – na und?

Das heißt nicht, dass wir aufhören sollen, im konventionellen Sinne glücklich zu sein oder unglücklich zu sein und ein Mensch ganz ohne Gefühle werden sollen. So ist das natürlich nicht gemeint. Es ist in Ordnung, glücklich zu sein, und es ist in Ordnung, unglücklich zu sein. Etwas Nettes geschieht, und wir fühlen uns glücklich. Etwas nicht so Nettes passiert – wir sind essen gegangen, wollten unser Lieblingsessen bestellen, und das gibt es nicht mehr – nun ja, nicht so toll. Aber machen wir doch keine große Sache daraus; es ist ja nichts dabei, glücklich oder unglücklich zu sein. Vielleicht ist das ein blödes Beispiel. Ein besseres Beispiel ist vielleicht die Situation, wenn jemand gestorben ist, der uns sehr nahestand. Es ist ganz natürlich, dass wir dann traurig und unglücklich sind. Daran ist nichts verkehrt. Ich meine, es ist sehr gesund zu trauern. Doch klammern Sie sich nicht daran und identifizieren Sie sich nicht damit. „Ach, ich“ – das große „Ich“ – „bin so verzweifelt“. Oder: „Ich bin ja so glücklich“. Man ist mit jemandem zusammen: „Wie glücklich wir doch sind! Wie herrlich es uns geht“ – ich meine, das verfestigt das Ganze, lässt es erstarren, zerstört es in vieler Hinsicht.

Wir erleben also einfach das Auf und Ab des Lebens – Glücklichsein, Unglücklichsein – keine große Sache, nichts Besonderes. Und die andere Einstellung, die wir bekunden: Wenn ich unglücklich bin und die Dinge schlecht laufen, richte ich das Augenmerk darauf, was die karmische Ursache dafür gewesen sein könnte, sehe, dass ich etwas wiederhole, das ihr entspricht, und befasse mich damit.

Als Letztes möchte ich noch die Motivation erwähnen, und zwar im Zusammenhang mit den drei Reichweiten, die im Lamrim, dem Stufenweg, aufgezeigt werden. Die Lehren über Karma werden im Allgemeinen im Kontext der Motivation anfänglicher Reichweite dargelegt. Das bedeutet: Ich unterlasse es, destruktiv zu handeln, weil ich die Folgen fürchte, die ich dann erfahren müsste. Ich weiß nicht, was andere Menschen durch meine Handlungen erfahren; das kann ich nicht garantieren. Aber meinerseits möchte ich dieses Leiden, das Unglück usw., auf keinen Fall erleben. Ich fürchte mich davor, ich schrecke davor – auf gesunde Weise – zurück. Wir reden nicht von Bestrafung in der Hölle; ich möchte im Speziellen Leiden in künftigen Leben vermeiden. Das ist die Motivation der anfänglichen Ebene.

Auf der mittleren Ebene, mit der Motivation mittlerer Reichweite, will ich alle Arten von karmischen Verhaltensweisen vermeiden, weil ich Befreiung erlangen will. Wenn ich diese Verhaltensweisen nicht vermeide, wird es immer weitergehen mit diesem Auf und Ab, Auf und Ab – was einfach schrecklich ist.

Auf der fortgeschrittenen Ebene unterlasse ich es, destruktiv zu handeln – unterlasse auch alle Arten karmischer Verhaltensweisen -, denn wenn ich es nicht tue, beeinträchtigt es erheblich meine Fähigkeit, anderen zu helfen. Wie kann ich anderen helfen, wenn ich ständig dieses Auf und Ab durchmache und mir ziemlich unangenehme Dinge passieren usw.? Der Gedanke ist nun: Das beeinflusst im negativen Sinne meine Fähigkeit, anderen zu helfen. Wir denken eigentlich nicht, entsprechend einer bestimmten humanitären Einstellung, daran, dass es anderen schadet. Wir denken an unsere Fähigkeiten zu helfen.

Es besteht hier ein großer Unterschied zu jener Einstellung in Bezug auf ethisches Verhalten, welche beinhaltet: Solange ich durch das, was ich tue, niemandem schade, ist es in Ordnung; ich will vermeiden, andere zu verletzen, ihnen Schaden zuzufügen. Das ist eine Haltung, die meiner Meinung nach charakteristisch für die westliche humanitäre Einstellung ist – im Unterschied zur buddhistischen Einstellung. Das heißt nicht, dass daran etwas verkehrt ist. Das Einzige, was etwas problematisch ist, ist, dass man nicht garantieren kann, welche Wirkung das eigene Verhalten auf andere hat. Wir können jemandem etwas stehlen, und er ist ganz froh darüber, weil der Gegenstand in einem schrecklichen Zustand war und er jetzt die Versicherung kassieren kann. Natürlich versuchen wir im Buddhismus, Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Also versuchen wir natürlich, anderen nicht zu schaden. Aber die Betonung liegt hierauf: Ich möchte nichts tun, was meine Fähigkeit einschränkt, anderen zu helfen. Und das geht, denke ich, ein bisschen tiefer, ein bisschen weiter - ich weiß nicht, ob es fair ist, wenn ich das Wort „tiefgründig“ benutze, aber das ist hier in der Erörterung von Karma im Buddhismus der Schwerpunkt. Denn all das fügt sich in den gesamten spirituellen Pfad ein, mit dem wir auf Erleuchtung hinarbeiten, d.h. versuchen, anderen auf so vollkommene Weise wie nur möglich zu helfen.

In Bezug auf unser tägliches Verhalten liegt wiederum die Bedeutung, denke ich, stärker darin - wenn wir dies in der Art des Mahayana einsetzen wollen -, dass, wenn ich destruktiv handle, herumprahle usw., mir niemand Vertrauen schenken wird – und wie kann ich dann eigentlich jemandem helfen? Wenn ich andere betrüge – wie kann ich dann noch jemandem helfen? Usw. Oder mehr im Speziellen: Wenn ich Resultate erlebe, die aus meinem Karma reifen und darin bestehen, dass – wie in unserem obigen Beispiel – niemand mit mir zusammenbleibt, Beziehungen auseinanderbrechen usw., wie kann ich dann eigentlich anderen wirklich helfen – z.B. wenn ich Lehrer bin und dann meine Schüler nie bei mir bleiben, sich von mir abwenden? Das motiviert uns viel stärker. Dann hören wir auf, andere immer zu kritisieren usw., und sprechen lieber über ihre guten Qualitäten.

Der letzte Punkt, den ich erwähnen möchte, ist in Vasubandhus Text „ Abhidharmakosha“ („Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“) zu finden. Vasubandhu war ein großer indischer Meister. Er weist darauf hin, dass es zwei Arten von Geistesfaktoren gibt, die bei jeder konstruktiven Handlung vorhanden sind. Zwar definiert Asanga in seinem Text diese Geistesfaktoren auf besondere Art, aber wir müssen diese Faktoren so verstehen, wie Vasubandhu sie selbst definiert. Der erste dieser Faktoren ist, Respekt zu haben vor guten Qualitäten und denjenigen, die sie besitzen. Der zweite ist, davor zurückzuschrecken, wirklich, wie es in diesem Zusammenhang wörtlich heißt, „unverschämt“ destruktiv zu sein. „Unverschämt“ bedeutet, dass es einem völlig egal ist. Ohne irgendeine Art von Selbstkontrolle. Es ist einem einfach schnuppe; und deshalb hält man sich in keiner Weise von destruktivem Verhalten zurück. Man tut einfach, wozu man Lust hat.

Übe ich mich in konstruktivem Verhalten, so unterlasse ich das. Im Falle von destruktivem Verhalten habe ich keinen Respekt vor irgendetwas Positivem oder Menschen, die konstruktiv handeln, und übe keinerlei Selbstkontrolle. Im Falle von konstruktivem Verhalten habe ich Respekt vor positiven Qualitäten und denjenigen, die sie besitzen, und ich übe Selbstkontrolle. Ich handele eben nicht unverschämt destruktiv. Das erinnert uns vielleicht an unseren Satz: „Es fühlt sich einfach richtig an.“

Dieser Punkt weist darauf hin, was ich im täglichen Leben versuchen muss zu betonen, er zeigt auf, woran ich mich erinnern und was ich mir immer wieder klarmachen muss: dass ich großen Respekt vor guten Qualitäten habe, etwa Geduld, Güte usw., und diejenigen respektiere, die solche Qualitäten haben. Das ist etwas sehr Inspirierendes für mich. Und ich möchte eine gewisse Selbstkontrolle ausüben, nicht einfach so sein, dass es mich nicht kümmert, was ich tue, und ich mich zügellos destruktiv und abscheulich verhalte.

Kurz gesagt: Was das konstruktive Handeln betrifft, so handeln wir nicht so, weil wir gut sein wollen, etwa in dem Sinne: „Ich will ein guter Junge oder ein gutes Mädchen sein; ich will nicht schlecht sein.“ Das ist nicht der Grund. Vielmehr handeln wir konstruktiv aufgrund dieses Respekts vor guten Qualitäten und denjenigen, die sie haben, und es fühlt sich richtig an, davon abzulassen, einfach ungeniert und zügellos destruktiv zu handeln. Man tut bzw. lässt es einfach.

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