Glückseliges Bewusstsein zum Erkennen der Leerheit nutzen

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Rückblick

Vor unser Pause haben wir die verschiedenen Methoden erörtert, die im Buddhismus verwendet werden, um die sich entwickelnden Buddha-Natur-Faktoren zu stärken, die wir innerhalb des Netzwerkes der guten Qualitäten ermittelt haben, nämlich unsere uns innewohnende Freude, d. h. unsere Fähigkeit die Dinge mit Glück zu erleben. Wie Sie sich vielleicht erinnern können, müssen wir um solche Netzwerke auszubauen nicht nur die Faktoren stärken, die schon innewohnend sind, sondern wir müssen auch die vergänglichen Befleckungen beseitigen, die verhindern, dass diese Faktoren vollständig funktionieren können.

Dieser Prozess des Stärkens und Reinigens kann durch zahlreiche verschiedene Mechanismen stattfinden. Wie wir bereits gesehen haben, ist das Beseitigen der Befleckungen manchmal äquivalent mit dem Unterstützen der guten Qualitäten oder der positiven Kraft, die durch das konstruktive Handeln hervorgebracht wird, bei dem wir diese Qualitäten verwenden. So ist beispielsweise die Beseitigung des geistigen Abschweifens und der geistigen Trägheit äquivalent mit dem Erreichen eines vollständig konzentrierten Geistes. Es ist nicht so, dass wir zuerst die Hindernisse beseitigen und dann vollkommene Konzentration erlangen. In gleicher Weise handelt es sich, wenn ich mich von destruktivem Verhalten zurückhalte, tatsächlich dabei um eine konstruktive Handlung. In anderen Fällen verhält es sich so, dass das Stärken einer guten Qualität, wie beispielsweise der Liebe dazu führt, dass der Hass bereinigt oder beseitigt wird. In noch wieder anderen Situationen wird ein Verständnis der Leerheit dazu führen, dass die Verwirrung beseitigt wird, weil es sich bei den beiden um genaue Gegensätze handelt. Wie wir an diesen Beispielen sehen können, gibt es viele Mechanismen, die hier beteiligt sind.

Wir haben über die verschiedenen Methoden gesprochen unsere innewohnende Freude zu unterstützen oder zu vergrößern. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal diese Liste durchgehen, und zwar lediglich deshalb, um die Ursachen der Leiden, die jede Methode beseitigt, im Überblick darzustellen.

  • Mit unserem Körper, unserer Sprache und unserem Geist konstruktiv zu handeln geht Hand in Hand damit, unser destruktives Verhalten, unsere destruktiven Sprache und unsere destruktiven Gedanken zu beseitigen.

  • Liebe zu erzeugen und zu verstärken geht mit dem Beseitigen von Ärger und Hass einher.

  • Sich an den konstruktiven Handlungen und guten Qualitäten von uns selbst und anderen zu erfreuen, geht mit dem Beseitigen von Bedauern und Neid einher.

  • Eine Geisteshaltung zu entwickeln, mit der einem das Wohl der anderen am Herzen liegt, geht mit dem Beseitigen einer Haltung der Selbstbezogenheit einher.

  • Die Freude eines ruhigen Geistes zu erlangen geht einher damit, verbale Gedanken zu beseitigen.

  • Das Erlangen der belebenden Freude eines Gefühl von geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit, welche durch einen ruhigen und zur Ruhe gekommenen Geistes – Shamatha – entsteht, geht mit dem Beseitigen von den geistige Abschweifung, Flatterhaftigkeit des Geistes und geistiger Trägheit zusammen.

  • Die belebende Freude eines Gefühls geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit, durch einen Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit – Vipashyana – entsteht, geht mit dem Beseitigen der Unfähigkeit zusammen, tiefgründig wahrzunehmen, was eigentlich vor sich geht, wie die Dinge zusammenpassen und wie die Dinge existieren.

  • Die vier Ebenen der Freude innerhalb des zentralen Kanals zu erlangen, geht mit dem Beseitigen der Blockaden einher, die den Fluss der subtilen, kreativen Energietropfen innerhalb des zentralen Kanals unterbinden.

  • Die Freude erfahren, die dadurch entsteht, dass die Energiewinde in den zentralen Kanal rein treten, um dort verweilen und sich dann auflösen, geht mit dem Beseitigen des Fließens der Energiewinde in den anderen Kanälen einher, wo diese Winde körperlicher und geistiger Nervosität und Anspannung verursachen, wie auch zu wilden, unkontrollierten begrifflichen Gedanken führen.

  • Das unbefleckte Glück erlangen, frei zu sein von störenden Emotionen und Geisteshaltungen, geht mit dem Beseitigen der Verwirrung zusammen.

  • Die Glückseligkeit zu erlangen, bei der man frei davon ist, die trügerischen Erscheinungen hervorzubringen, geht mit dem Beseitigen des Geistes einher, der immer wieder vom glückseligen Klaren-Licht-Gewahrsein der Leerheit abrückt. Das bedeutet, dass man ein für alle Mal die Art von begrifflichem Geist beseitigt, der das unbewusste, subtilste Erscheinungs-Hervorbringen und die subtilsten Energiewinde, die dieses Hervorbringen von Erscheinungen begleitet. Die Beseitigung dessen, dass sich das Hervorbringen trügerischer Erscheinungen jemals wiederholen wird, geht mit der Beseitigung der ständigen (karmischen) Gewohnheiten der Verwirrung einher.

Indem wir all diese unterschiedlichen Ebenen von Glück und Freude erlangen, verstärken wir die sich entwickelnden Buddha-Natur-Faktoren der innewohnenden Freude, die Teil unseres Netzwerks guter Qualitäten sind. Wir können dann immer stärkere Ebenen des Glücks anwenden, um die Methoden zum Aufbau des Netzwerks positiver Kraft und tiefen Gewahrseins zu fördern. Wir arbeiten nie nur daran, allein das Glück zu stärken, um einfach nur glücklicher zu sein. Vielmehr fördern wir unser Glück stets im Kontext der Arbeit mit anderen Faktoren und Elementen innerhalb unseres gesamten Systems von Netzwerken guter Qualitäten, positiver Kraft und tiefen Gewahrseins. Und all das tun wir mit einer Bodhichitta-Ausrichtung als unserer Motivation. Wir möchten erreichen, dass alle diese Netzwerke und Potenziale eine kritische Masse erreichen, damit die Netzwerke auf ihrer höchsten Quanten-Ebene als Körper eines Buddha funktionieren können, und wir auf diese Weise am Besten in der Lage sind, für alle Wesen von Nutzen zu sein.

Motivation und Widmung positiver Kraft

Damit die gestärkten Ebenen der innewohnenden Freude unserm System von Netzwerken der sich entwickelnden Buddha-Natur-Faktoren helfen können, auf immer höheren Quanten-Ebenen zu funktionieren, reicht es nicht aus, lediglich die richtige Motivation zu haben, bevor wir uns mit den Praktiken befassen, die unser Glück vergrößern werden. Genauso wie es essenziell ist, die richtige Motivation zu entwickeln, bevor wir diese Praktiken ausüben, so wesentliches ist auch, dass diese Praktiken nach ihrer Beendigung mit einer angemessenen Widmung abgeschlossen werden. Nachdem wir eine konstruktive Handlung beendet haben, die unser Glück stärken wird, müssen wir die positive Kraft, die wir durch diese Erfahrung aufgebaut haben, ganz bewusst dahingehend ausrichten, dass sie unser Netzwerk positiver Kraft stärkt, um die Erleuchtung zu erlangen und anderen zu nützen. Wir sollten diese Widmung selbst dann durchzuführen, wenn wir lediglich normales, gewöhnliches Glück in unserem Alltag erfahren. Durch die richtig motivierte Widmung können wir dann dieses alltägliche Erleben von Glück in etwas Positives und Konstruktives transformieren.

Um die positive Kraft zu verdienen, können wir denken: „Möge diese Erfahrung bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen, so dass die positive Kraft aus dieser Erfahrung mein innewohnendes Potenzial für das Erfahren von Freude verstärkt. Möge ich dadurch mehr und mehr Freude erleben, die ich als Pfadgeist benutzen kann, um die Erleuchtung zum Wohle aller Wesen zu erreichen.“ Das Erleben von Glück oder die Erfahrungen von Praktiken, um unser Glück zu stärken, wird in unserem geistigen Kontinuum in jedem Fall einen Eindruck hinterlassen, aber normalerweise wird es keinen besonders tiefen Eindruck hinterlassen. Wenn wir diese Widmung der positiven Kraft jedoch in sehr bewusster Weise durchführen, wird der hinterlassene Eindruck viel tiefer sein; zudem richten wir den Eindruck auf das positives Ziel aus, die Erleuchtung zum Wohle aller Wesen zu erlangen.

Der Mechanismus zum Stärken dieser Kraft wird sehr klar in den Belehrungen von Karma beschrieben. Eine Handlung, der eine sehr starke Motivation zu Grunde liegt – egal ob dies eine positive oder eine negative Motivation ist – wird ein sehr viel stärkeres Resultat hervorbringen, als eine Handlung, die mit einer schwachen Motivation ausgeführt worden ist. Die stärkste positive Motivation ist eine Bodhichitta-Ausrichtung. Wenn wir also diese Bodhichitta-Ausrichtung als Motivation verwenden, indem wir beispielsweise denken: „Möge die positive Kraft dieser Erfahrung bei mir einen starken Eindruck hinterlassen, so dass ich schnell die Erleuchtung erlangen kann, um in der Lage zu sein, allen Wesen zu nutzen.“, dann wird, aufgrund der Gesetzmäßigkeit von Karma, als Resultat dieser starke Motivation die positive Kraft dieser Handlung sehr viel stärker sein. Der Eindruck wird also sehr viel stärker sein und die erzielte Wirkung wird gleichfalls viel stärker sein. Das gleiche ist auch in Bezug auf eine vergleichbare Widmung der positiven Kraft nach einer Handlung wahr. Wir müssen diesen ganzen Prozess wie man eine Motivation aufbaut bevor man handelt und wie man nach einer konstruktiven Handlung die positive Kraft widmet im Kontext der Unterweisungen über Karma verstehen lernen. Es ist keineswegs so, dass es sich dabei um irgendwelche bizarren, exotisch-ritualistischen Handlungen handelt, die überhaupt nichts mit den mehr logisch orientierten Lehren des Buddhismus zu tun haben. Es ist sehr wichtig, diese Dinge auf den Boden der Tatsachen zu bringen.

Das Stärken der innewohnenden Freude mit einem richtigen Verständnis von Leerheit kombinieren

Wenn wir die positive Kraft unseres Erlebens und unserer konstruktiven Handlungen widmen, die die sich entwickelnden Buddha-Natur-Faktoren unserer innewohnenden Freude stärken, müssen wir sicherstellen, dass diese positive Kraft nicht einfach nur dazu reift, intensivere Ebenen samsarischen Glücks zu erleben. Es ist auch nicht ausreichend, diese positive Kraft in der Weise zu widmen, dass das Glück, was daraus heranreifen wird, uns besser in die Lage versetzen wird, die Erleuchtung zum Nutzen aller Wesen zu erlangen. Es ist nötig, dafür zu sorgen, dass unsere konstruktiven Handlungen und Erfahrungen von Glück von irgendeinem Grad eines korrekten Verständnisses der Leerheit begleitet werden.

Beflecktes samsarisches Glück entsteht durch konstruktives Verhalten, bei dem wir aus uns selbst und aus dem was wir tun eine große Sache machen. Bewusst oder unbewusst denken wir möglicherweise: „Ich bin so gut; was ich getan habe ist einfach wunderbar.“ Solcherlei Gedanken bewirken, dass die positive Kraft aus der konstruktiven Handlung zu dem Erleben von beflecktem samsarischen Glück heranreift – das heißt, dass die konstruktive Handlung in eine Form von Glück heranreift, die mit Verwirrung verbunden ist.

Wenn wir Liebe mit Verwirrung vermengen, haben wir möglicherweise das Gefühl: „Ich bin ja so ein liebevoller Mensch.“ Und wir erwarten dann vielleicht von der anderen Person, dass sie uns im Gegenzug auch liebt. Oder wenn wir unser Erfreuen mit Verwirrung vermengen, dann stellen wir den anderen Menschen vielleicht auf Podest, und haben das Gefühl: „Du bist so wunderbar da oben und ich bin so ein schrecklicher kleiner Wurm hier unten.“ Wenn wir die Verwirrung mit der Geisteshaltung vermengen, mit der uns das Wohl der anderen am Herzen liegt, dann denken wir vielleicht: „Ich bin ja solch ein Heiliger; ich bin ja so ein großer Bodhisattva, der zum Wohle anderer arbeitet.“ Oder wir entwickeln vielleicht einen Märtyrer-Komplex und denken: „Ich werde zum Wohle meines armen, bedauernswerten Gegenübers leiden.“

Für das Erlangen der Freude eines ruhigen Geistes gilt, dass dabei nicht beabsichtigt wird lediglich wie eine Kuh zu werden und gar nichts zu denken. Wenn man aus solch einem Grund heraus auf einen ruhigen Geist abzielt, befindet man sich wirklich in einem Zustand der Verwirrung. Dann, wenn man Verwirrung mit der erhebenden Freude vermengt, die durch das Gefühl von Leistungsfähigkeit zu Stande kommt, welche man erlangt, wenn man Shamatha erreicht, geraten wir vielleicht in einen Zustand, in dem wir völlig in Verzückung entrückt (engl. blissed-out) sind, das bedeutet, wir werden dann völlig von Glückseligkeit berauscht und wollen aus diesen Zustand gar nicht wieder rauskommen. Das ist in etwa vergleichbar mit der Situation, in der Menschen mit Drogen berauschen (“ high“ werden), – sie werden „blissed-out“. Sie sind so davon „spaced out“, dass sie nicht in ihr gewöhnliches Leben zurückkehren wollen. Das ist es nicht worauf wir abzielen, wenn wir die erhebende Freude eines ruhigen Geistes entwickeln wollen. Durch Meditation berauscht zu werden stellt tatsächlich eine große Gefahr dar. Das ist eine wirkliche Gefahr. Und wenn wir Verwirrung mit der erhebenden Freude vermengen, die durch ein Gefühl von Leistungsfähigkeit zustande kommt, welche dadurch entstanden ist, dass man einen Zustand von Vipashyana erlangt hat werden wir möglicherweise sehr egozentrisch und arrogant. Wir denken dann vielleicht: „Wie klug ich doch bin. Mein Geist ist ja so fantastisch, er kann alles verstehen.“

Also was wir wirklich tun wollen ist folgendes: Wir wollen all diese Ursachen zum Stärken unserer innewohnenden Freude mit einem Verständnis von Leerheit kombinieren. Dann werden diese Praktiken anfangen, uns unbeflecktes Glück zu bringen – ein Glück das nicht mit Verwirrung vermengt ist. So wollen wir beispielsweise die vier Grade von Freude innerhalb unseres Zentralkanals nicht als Selbstzweck erleben. Auch wollen wir die Winde nicht nur um ihrer selbst willen in den zentralen Kanal einbringen. Das kann jeder tun, der sich in fortgeschrittenen Yoga-Systemen übt; so jemand wird dann denken: „Wie großartig ich doch bin!“ Aber dabei handelt es sich lediglich um eine yogische Manipulationen unserer subtilen Energiewinde. Wir müssen diese yogischen Praktiken mit einem Verständnis von Leerheit verbinden, sodass die intensiven Grade von Freude, die durch diese Praktiken hervorgebracht werden, zu Methoden werden, um Befreiung und Erleuchtung zu erlangen.

Dasselbe gilt auch in Bezug auf das Auflösen dieser subtilen Energiewinde, die an den störenden Emotionen, der Verwirrung, begrifflichen Gedanken und dem subtilen Hervorbringen von Erscheinungen beteiligt sind. Dieser Prozesse ereignet sich zum Zeitpunkt des Todes sowieso. Wir wollen diese subtilsten Ebenen des Geistes in der Meditation verlangen, sodass wir sie in glückseliges Gewahrsein verwandeln können, das unbegrifflich auf Leerheit ausgerichtet ist, und dadurch können wir schneller die Befreiung und Erleuchtung erlangen. Das ist worauf wir mit Hilfe dieser buddhistischen Praktiken abzielen, mit denen wir unsere uns innewohnende Freude stärken. Wir wollen unser Glück stärken und die Ursachen unseres Unglücklichseins beseitigen. Das tun wir mit einer Bodhichitta-Motivation und der Widmung, wie auch mithilfe eines korrekten Verständnisses von Leerheit.

Leerheit und Glückseligkeit in der Praxis verbinden

Wie führen wir das in der Praxis durch? Wir können an der Seite von Methode und an der Seite von Weisheit jeweils einzeln arbeiten, oder wir „packen“ ein paar ihrer Komponenten zusammen, wie wir das auf dem Sutra-Pfad tun. Oder wir können diese Praktiken auf einer tantrischen Ebene durchführen, auf der wir viele Dinge gleichzeitig miteinander verbinden, wie Sie sich vielleicht erinnern. Das ist der Grund dafür, warum Tantra zu den sehr fortgeschrittenen Praktiken gehört: Wir müssen uns zuerst zumindest ein bisschen, in allen Aspekten der Dharma Praxis üben, die wir miteinander kombinieren wollen, bevor wir sie in sinnvoller Weise alle zur gleichen Zeit ausüben können.

Ganz allgemein gesprochen praktizieren wir im Tantra Methoden, die dem Ergebnis, das wir erreichen wollen, ähnlich sind – wir stellen uns nämlich vor, dass wir selbst die Form von Buddha-Gestalten haben – damit wir die Ergebnisstufe schneller erreichen können. Die zusätzliche Methode, die wir speziell in der höchsten Klasse des Tantra, dem Anuttarayoga-Tantra, verwenden, ist das glückselige Gewahrsein. Wir kombinieren das glückselige Gewahrsein mit einem tiefen Gewahrsein der Leerheit, indem wir es zu einem glückseligen Gewahrsein der Leerheit machen; und das ist dem ähnlich, was wir auf der Ergebnisstufe erlangen, das glückselige tiefe Gewahrsein der Leerheit eines Buddha. Sie werden sich vielleicht erinnern, dass der Dharmakaya eines Buddhas, der sich auf den erleuchtenden Geist eines Bruders bezieht, gemäß den Formulierungen im Kalachakra-Tantra, zwei Aspekte besitzt. Der Dharmakaya des tiefen Gewahrseins ist das allwissende, alle Wesen liebende tiefe Gewahrsein eines Buddha, das gleichzeitig die konventionelle und die tiefgründigste Wahrheit in Bezug auf alle Dinge erkennt. Und der Körper der essenziellen Natur ist der Aspekt des glückseligen Gewahrseins eines allwissenden Geistes.

Obwohl untrennbare Leerheit und Glückseligkeit meistens im Anuttarayoga-Tantra erörtert wird, können wir es auch als ein Mittel verwenden, um Tantra im Allgemeinen zu beschreiben. Die so genannten „Vajra-Ausdrücke“, die wir in Texten des Anuttarayoga-Tantra finden können, können auf vielen verschiedenen Ebenen verstanden werden, und eine dieser Ebenen hat eine „allgemeine, von allen geteilte Bedeutung“, die sich auf alle vier Klassen des Tantra anwenden lässt. Jede dieser vier Klassen des Tantra können dann in dem Sinne beschrieben werden, dass sie zunehmend intensiver werdende Ebenen von Glückseligkeit verwenden. Die allgemeine, von allen geteilte Bedeutung kann sogar auch auf die Sutra-Ebene von Praktiken angewendet werden.

Das glückselige Gewahrsein von Leerheit im Kontext der Darbringung von Opfergaben erzeugen

Welche Art von Praxis können wir jetzt verwenden, um mit dieser Methode des Kombinierens von Leerheit und Unglückseligkeit zu arbeiten? Die wichtigste Praxis um Leerheit und Glückseligkeit miteinander zu verbinden, ist die Praxis der Darbringungen von Gaben. Es ist sehr wichtig, diesen Punkt zu verstehen. Die Darbringung von Gaben spielt sowohl bei den Sutra-Praktiken wie auch bei den tantrischen Praktiken eine wichtige Rolle. Das Darbringen von Gaben ist das zweite Glied des siebengliedrigen Gebets, das sowohl im Sutra als auch im Tantra als vorbereitende Übungen praktiziert wird, um positive Kraft aufzubauen und negative Kräfte zu beseitigen.

In dem Text „Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas“ – dem Bodhicaryavatara – führt Shantideva in sehr schöner Weise die verschiedenen Objekte auf, die wir möglicherweise den Buddhas als Teil des siebengliedrige Gebets darbringen können. Dies aufgeführten Objekte umfassen sowohl tatsächliche Objekte, wie auch visualisierte Objekte, und auch sowohl Objekte, die wir selber besitzen, wie auch Objekte, die sich im Besitz der Allgemeinheit befinden und frei zugänglich sind. Wir bringen diese Gaben mit einem glücklichen Geisteszustand dar und stellen uns vor, dass sich die Buddhas daran erfreuen und sie zu unserem eigenen Wohl gerne entgegennehmen. Optimaler Weise bringen wir die Gaben nicht nur mit einer glücklichen geistigen Verfassung dar, sondern auch mit einem gewissen Verständnis der Leerheit. Dieses Verständnis von Leerheit bezieht sich auf uns selbst, den Akt der Darbringung, der Gaben, die wir darbringen, wie auch der Buddhas, denen wir diese Gaben darbringen.

Eine weitere Praxis, die sowohl im Sutra als auch im Tantra ausgeübt wird, ist das Darbringungen von Trinkwasser, Wasser zum Waschen der Füße, und manchmal auch Wasser zum Duschen, und Wasser zum Ausspülen des Mundes. Auf Sanskrit heißen diese: argham, padyam, prokshanam, und anchamanam. Dem folgt dann das Darbringen von Blumen, Kölnischwasser, Kerzen oder Butterlampen, Räucherwerk, Nahrung und Musik. Auf Sanskrit heißen diese: pushpe, dhupe, aloke, gandhe, naividya, und shabda. All diese Dinge bringen wir den Buddhas dar, wenn wir sie zu dem Ort eingeladen, an dem wir meditieren oder studieren. Das Darbringen dieser Gaben folgt dem im alten Indien üblichen Brauch, der durchgeführt wurde, wenn ein Haushälter den Buddha und seine Mönche in sein Haus eingeladen hatte, damit sie dort Unterweisungen geben würden. Da die geehrten Gäste zu Fuß ankommen würden, barfuss und von der heißen Sonne beschienen, würde man ihnen zunächst Wasser zum Trinken anbieten, dann Wasser, mit dem sie ihre heißen, staubigen Füße abwaschen könnten. Als nächstes würde der Haushälter seinen Gästen eine kühle Dusche anbieten, bevor sie dann vor den Unterweisungen zu einem Mahl niederlassen würden, würde er ihnen Wasser zum Ausspülen ihres Mundes anbieten. Auf den Tischen hätte er wunderschöne Blumen arrangiert. Dann würde er den Gästen Erfrischungstücher anbieten, die mit Kölnischwasser getränkt sind. Auf den Tischen wären Kerzen angezündet und der Raum wäre von dem wohl duftenden Rauch brennenden Räucherwerks durchzogen. Der Haushälter würde dann eine köstliche Mahlzeit auftischen, wobei im Hintergrund sanfte Musik spielen würde.

Indem wir diesem Brauch, sowohl auf dem Sutra-Pfad als auch bei der Durchführung tantrischer Praktiken, als eine vorbereitende Übung folgen, laden wir die Buddhas und Bodhisattvas einen, während unserer Meditations- und Studiensitzung gegenwärtig zu sein. Wir bringen ihnen dann all die oben beschriebenen Objekte als Gaben dar. Wir versuchen die Gaben mit einem glücklichen Geisteszustand darzubringen, und wir stellen uns vor, wie unsere geehrten Gäste es sich bequem machen und sich glücklich fühlen, und wir behalten die Leerheit von all den Dingen im Sinn, die mit dem Darbringen verbunden sind.

Ebenfalls als eine vorbereitende Übung für Sutra- und Tantra-Praktiken, bringen wir die zuvor genannten Objekte in der Art der Darbringung der tiefen Konzentration dar – die Gabe von samadhi. Diese Opfergabe umfasst verschiedene Aspekte unserer Praxis, die wir in der Weise darbringen, dass wir uns die verschiedenen Aspekte unserer Praxis in Form der zuvor genannten Opfergaben vorstellen. Wir bringen diese Gaben dar, um die Buddhas und Bodhisattvas durch unsere Praxis zu erfreuen, trotz der Tatsache, dass die Buddhas und Bodhisattvas die gleiche Liebe und das gleiche Mitgefühl für alle Menschen empfinden, unabhängig davon, ob die Menschen praktizieren oder nicht. Als ein weiterer Aspekt kommt hinzu, dass wir all diese Aspekte unserer Praxis allen begrenzten Wesen als Hilfsmittel dar bringen, damit wir Ihnen helfen können das Glück der Befreiung und Erleuchtung zu erlangen.

Wir bringen also all das dar, was wir gelesen und studiert haben, und stellen uns vor, dass das Gelesene und Studierte die Form der Gabe von Wasser annimmt. Wir bringen das Wissen, das wir durch dieses Lesen und Studieren erlangt haben in Form von Blumen dar, die Disziplin, dieses Wissen anzuwenden in Form von Räucherwerk, und die Einsichten, die wir durch disziplinierte Praxis erlangt haben, bringen wir in Form von Kerzenlicht dar. Die feste Überzeugung in den Dharma, die wir durch unsere Einsichten erlangt haben, bringen wir in Form von Kölnischwasser dar, unsere Konzentration in Form von Nahrung, und unsere Fähigkeit zu lehren und den Dharma zu erläutern in Form von Musik. Wir bringen diese Gaben wiederum mit einem glücklichen Geisteszustand dar, stellen uns vor, dass wir allen Wesen Glück bringen, und tun all das mit einem gewissen Verständnis der Leerheit in Bezug auf alle Phänomene und Wesen, die beteiligt sind.

Äußere Gaben

In den tantrischen Praktiken selbst gibt es vier Arten von Opfergaben, die wir machen: Äußere Gaben, innere Gaben, rätselhafte Gaben und gaben, die von der Natur der Realität selbst sind. Alternative Bezeichnungen für diese vier Gaben sind: äußerliche Gaben, innerliche Gaben, geheime oder verborgenen Gaben und Soheits-Gaben. In allen vier Tantra-Klassen findet sich das Darbringen von äußeren Gaben. Die anderen drei Arten von Gaben werden lediglich im Annuttarayoga-Tantra durchgeführt.

Äußere Gaben schließen die Opfergaben ein, die wir gerade erwähnt haben, das heißt jederlei Art von wunderschönen äußeren Objekten im Allgemeinen, und im Speziellen: Wasser, Blumen, Räucherwerk und so weiter. Einige tantrische Systeme fügen diesen Gaben noch einige weitere solcher Objekte hinzu, wie beispielsweise verschiedene Arten von Unterhaltungsmusik. Im Tantra bringen wir auch die äußeren Gaben von Objekten dar, die spezifisch jedem der Sinne Freude bereiten: Wunderschöne Ansichten, Klänge, Düfte, Geschmäcker und körperliche Empfindungen. Und selbstverständlicher Weise bringen wir diese Gaben begehrenswerter Sinnesobjekte mit einem Verständnis der Leerheit dar, sodass die Handlung des Darbringens von Gaben nicht von störenden Emotionen wie beispielsweise sehnsüchtigem Verlangen und Anhaftung begleitet werden. Da wir jedoch Objekte darbringen, die wir mögen und die uns gewöhnlicher Weise Glück schenken, befinden wir uns in einer glücklichen geistigen Verfassung, wenn wir sie dar bringen. Im Annuttarayoga-Tantra stellen wir uns sogar vor, dass wir diese Gaben begehrenswerter Objekte uns selbst als Buddha-Gestalten darbringen und dass wir uns an diesen Gaben mit einem Gefühl des unbeflecktem reinen Glücks erfreuen.

Diese Arten von äußeren Opfergaben zu machen wird auch unser Glück in dem Sinne stärken, dass es sich dabei um eine konstruktive Handlung handelt, die zu einem zukünftigen Erleben von Glück reifen wird. Die konstruktive Handlung ist hier großzügig zu sein; und diese Handlung wird unsere Praxis der Großzügigkeit gegenüber unseren Mitmenschen im alltäglichen Leben verstärken. Diese Opfergaben zu machen wird auch unserer Liebe kräftigen, weil wir die Gaben mit einem Gefühl der Liebe darbringen. Wir wollen den Anderen Freude und Glück schenken, egal ob es sich dabei um die Buddhas oder um die begrenzten Wesen handelt. Wir versuchen diese Gaben auch in einem Geisteszustand darzubringen, der vollkommen konzentriert ist, sodass wir die Freude eines beruhigten und zu Ruhe gekommenen Geisteszustandes von Shamatha erleben. Und wir versuchen die Gaben auch in einem Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit darzubringen, sodass wir die Realität all der Dinge sehen können, die an diesem Prozess beteiligt sind. Beim Darbringen der Gaben erfreuen wir uns auch an dem Glück, das wir anderen und auch uns selbst bescheren. Wenn wir Glück und Freude in dem Augenblick erleben, indem wir die Gaben darbringen, dann tun wir das auch mit einem Verständnis der Leerheit, sodass unsere Erfahrung nicht aufwühlend ist sondern sich in die Richtung hinbewegt, dass wir unbefleckte Glückseligkeit erleben. In dieser Weise ähnelt die Praxis dem Ergebnis, das wir durch die Praxis zu erreichen wünschen. Abschließend vollenden wir den ganzen Prozess noch mit einer Widmung, die sich auf das Erlangen der Erleuchtung zum Wohle aller Wesen ausrichtet.

Wir können anhand dieses Beispiels sehen, wie das Darbringen von Gaben, und zwar nicht nur von äußeren Gaben, sondern von allen vier Arten von Gaben, unsere uns innewohnende Freude in einer Weise stärkt, die nicht mit Verwirrung vermengt ist. Ebenso verstärken wir die uns innewohnende Freude in multidimensionaler Weise, indem wir so viele Aspekte der Dharma-Praxis auf einmal kombinieren. Vielleicht beginnen Sie nun zu verstehen, was für eine außerordentliche Praxis die Darbringung von Gaben ist, wenn sie bewusst durchgeführt wird und wir genau wissen, was wir mit der Praxis tun.

Die drei Tore zur Befreiung

Das Verständnis der Leerheit, das wir mit dem Darbringen der Gaben, dem Erfreuen an den Gaben und mit der Freude, die wir erfahren, wenn wir die Gaben darbringen, verbinden, wird gewöhnlicher Qeise mit dem Begriff die „drei Tore zur Befreiung“ (engl. three gateways to liberation“ beschrieben, der manchmal auch als die „drei Türen zur Befreiung“ (engl. three doors to liberation, auf Deutsch ist diese Übersetzung allerdings nicht so üblich, Anm. d.Ü.) übersetzt wird.

  • Als erstes haben wir die Leerheit von uns selbst als Mensch, der die Gaben darbringt. Wir sind leer davon, vollständig identisch mit den Aggregat-Faktoren unseres Körpers und Geistes zu sein und wir sind leer davon vollständig verschieden und unabhängig von den Aggregat-Faktoren unseres Körpers und Geistes zu sein.

  • Als zweites haben wir die Leerheit der Ursachen der Gaben, die sich im Wesentlichen auf die Leerheit der verschiedenen Aspekte unserer Motivation und des Prozesses der Kausalität bezieht. Die motivierenden Geistesfaktoren umfassen Mitgefühl, Liebe, den Wunsch, anderen Glück und Freude zu bereiten, und die Bodhichitta-Ausrichtung, die Erleuchtung mithilfe dieser Geistesfaktoren zu erlangen, sodass wir bestmöglich in der Lage sind anderen zu helfen. Die Ursachen existieren nicht als eigenständige Entitäten für sich selbst, völlig getrennt und unabhängig von ihren Wirkungen. Auch sind die Ursachen nicht identisch mit der Wirkung, in dem Sinne, dass sie ein noch nicht manifester Zustand des Resultats sind. Möglicherweise nehmen wir unsere Buddha-Natur-Faktoren, wie beispielsweise die uns innewohnende Freude, fälschlicher Weise so wahr, als existierten sie in dieser unmöglichen Art und Weise. Auf der einfachsten Praxisebene machende keine große Sache aus unserer Motivation als den ursächlichen Faktor, der bei der Darbringung von Gaben beteiligt ist. Wir denken nicht: „Oh, ich habe so viel Liebe im Herzen, ich möchte dich gerne glücklich machen.“ Wir erkennen zudem, dass Resultate nicht durch eine einzige Ursache oder durch irrelevante Ursachen oder durch überhaupt keine Ursache erzielt werden, sondern, dass Resultate in Abhängigkeit von vielen verschiedenen Ursachen und Bedingungen hervorgebracht werden.

  • Als drittes haben wir die Leerheit des Resultats, nämlich die Leerheit der Erleuchtung, beziehungsweise die Leerheit der verschiedenen Buddha-Körper, die wir durch unsere Praxis zu erlangen beabsichtigten. Es verhält sich nicht so, dass die Wirkung zur Zeit der Ursache bereits wahrhaft existent ist, noch ist das Resultat zur Zeit der Ursache vollkommen nichtexistent. In einfachen Begriffen ausgedrückt, machen wir keine große Sache aus dem Resultat. Es ist keineswegs so, dass die Erleuchtung einer so fantastische Sache, und dass sie irgendwo dort oben schon existiert und ich sie erreichen werde. Wir machen keine große Sache aus dem, was wir erlangen wollen.

Manchmal wird auch noch ein vierter Zugang zur Befreiung beschrieben:

  • das ist die Leerheit in Bezug auf das, was als die „drei Kreise“ bezeichnet wird. Das bezieht sich auf die Leerheit von (1) uns als Person, die die Gaben darbringt, (2) anderer Menschen, die die Empfänger unserer Gaben sind, und (3) die Gegenstände, welche die Objekte sind, die dargebracht werden. Manchmal wird der dritte dieser drei Kreise als die Handlung der Darbringung der Gaben spezifiziert. Alle diese „Kreise“ des Gaben-Darbringens sind leer davon, unabhängig voneinander zu existieren. Ihre Existenz als die Person, welche die Gaben darbringt, die Person, welche die Gaben empfängt, die Objekte, die als Gaben dargebracht werden, und die Handlung der Darbringung von Gaben können nur abhängig von einander begründet werden. Sie existieren nicht als solches für sich selbst, aus ihrer eigenen Kraft heraus.

Unsere Praxis des Darbringens von Gaben mit einem Verständnis von Leerheit zu verbinden ist insbesondere dann essenziell, wenn wir unserem spirituellen Mentor Gaben darbringen – unabhängig davon, ob wir unseren Mentor die Gaben persönlich übergeben oder in unseren Meditationen. Viele Dharma-Studenten sind besessen davon, ihrem Lehrer zu gefallen und ihn glücklich zu machen, sodass ihr Lehrer sie mögen und lieben wird. All diese Arten von unreifen Einstellungen werden durch ein Verständnis der Leerheit beiseitigt. Wir machen keine große Sache aus dem, was wir tatsächlich tun, wenn wir Gaben darbringen, und wir machen auch keine große Sache daraus, was wir als Gaben darbringen, wie wenn wir zum Beispiel denken: „Oh, diese fantastischen Blumen – die waren so unglaublich teuer!“ Wir machen keine große Show aus dem Geben, wenn wir etwas persönlich geben. Die beste Art von Gabe ist die, die man anonym und stillschweigend gibt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir in Bezug auf das Verbinden eines Verständnisses von Leerheit mit unserm Darbringen von Gaben erinnern sollten, ist , dass wir uns insbesondere auf die Leerheit des Glücks und der Freude fokussieren müssen, die wir während des gesamten Prozesses der Darbringung von Gaben hindurch empfinden. Ansonsten laufen wir Gefahr, in Glückseligkeit zu entrücken (engl. „bliss-out“) – uns einfach vollständig in die Glückseligkeit des Darbringens von Gaben zu verlieren. Es ist sehr wichtig, sich nicht in dieser Glückseligkeit zu verlieren.

Objekte der Darbringung, die uns Freude bereiten

Ein weiterer Grund, warum das Unterstützen der uns innewohnende Freude durch die Darbringung von Gaben eine äußerst effektive Methode ist, ist dass wir tatsächlich Objekte darbringen, die uns Freude bereiten. Wenn wir uns bei den allgemeinen tantrischen Praktiken vorstellen, dass wir einen freudigen Geist haben und uns dann auf die Leerheit dieses freudigen Geistes konzentrieren, dann ist das eine reichlich schwierige Angelegenheit. Es ist schwierig, Freude einfach nur aus unserer Vorstellungskraft heraus zu erzeugen. Wir brauchen ein Ausrichtungsobjekt als eine Bedingung zum Erzeugen von Freude.

Bitte erinnern Sie sich daran, dass wir in unserer Erörterung zu einem früheren Zeitpunkt davon gesprochen haben, dass es bestimmte Ausrichtungsobjekte gibt, die als Bedingung dafür fungieren, dass wir Glück erfahren, wie beispielsweise gute Musik, leckeres Essen, nette Freunde und so weiter. Wir müssen beim Erleben dieser Dinge nicht notwendigerweise die ganze Zeit über Glück erfahren, aber oft erleben wir Glück dabei. Und weil sie eben doch häufig als Bedingungen dafür fungieren, dass wir Glück erleben, verwenden wir sie in den tantrischen Praktiken und zwar mitsamt dem ganzen Paket von Freigebigkeit, Liebe, Konzentration, Erfreuen, dem Verständnis von Leerheit und so weiter. Worauf wir uns ausrichten ist etwas, das als eine Bedingung für uns fungiert, Freude zu empfinden, so dass wir ein gewisses Gefühl von Freude erleben, um überhaupt anzufangen. Jeder Mensch wird dabei einen unterschiedlichen Geschmack in Bezug darauf haben, welche Art von Dingen er am schönsten findet. Ganz egal welche Art wir für unsere Visualisation auswählen, wir stellen uns jeweils die schönsten Dinge vor, wenn wir Gaben darbringen; die schönsten Blumen, die schönste Musik, das wohlriechendste Räucherwerk, die schönste Art von Licht, das wohlschmeckendste Essen und so weiter. Lediglich an solche Objekte zu denken, fungiert als eine Bedingung dafür, dass wir Freude empfinden, weil diese Dinge so wunderschön sind und wer sie so gerne mögen.

In der Tantra Praxis stellen wir uns zudem nicht einfach nur vor, die Gaben darzubringen, vielmehr stellen wir uns die so genannten „Opfergöttinnen“ vor, die diese Gaben darbringen. Zum Beispiel könnten wir eine äußerst köstliche Mahlzeit vor uns haben, aber wenn wir dieses Essen in einem Tupperware-Behälter in der Mikrowelle erhitzen und das Essen dann aus diesem Plastikbehälter löffeln, während wir uns inmitten einer lärmenden Menschenmenge befinden, dann wird es uns möglicherweise nicht so einen Hochgenuss verschaffen, als wenn uns das Essen von wunderschönen Kellnerinnen oder Kellnern in einem eleganten Ambiente serviert werden würde. Es würde sich dabei um dasselbe Essen handeln, aber der Grad von Freude wäre ein recht unterschiedlicher, oder nicht? Und würden wir unseren ehrenwerten Gästen das Essen aus einem Plastikbehälter von Tupperware anbieten, den wir zuvor in der Mikrowelle erhitzt haben? Weder und selbst noch unseren Gästen würde eine solche Mahlzeit große Freude bereiten. Wir wollen das Essen auf möglichst attraktive Art und Weise servieren.

Nebenbei bemerkt, wird in den klassischen Texten lediglich von Opfergöttinnen gesprochen, aber das beschreibt den Prozess lediglich von einem Blickwinkel aus. Es kann sich dabei auch um gut aussehende männliche Opfergottheiten handeln. Das macht überhaupt keinen Unterschied. Der Punkt ist, dass wir uns sehr attraktive Kellnerin und Kenner vorstellen, die nicht nur sehr schön aussehen, sondern auch in sehr angenehmer Weise sprechen, angenehm duften und so weiter. Wenn wir begehrenswerte Sinnesobjekte darbringen, stellen wir uns auch vor, dass die Opfergöttinnen und Opfergottheiten selbst schön und begehrenswert für all unsere Sinne sind. Das ist, was wir uns vorstellen, und was als Bedingung dafür fungiert, dass wir beginnen, einen gewissen Grad von Freude zu empfinden. Wir intensivieren dann diese Freude, indem wir die Gaben mit einem Gefühl von Liebe darbringen, mit dem Wunsch, der anderen Person Freude zu bereiten, und mit Konzentration, außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit in Bezug darauf, was vor sich geht, und mit einem Verständnis von Leerheit und so weiter.

Hier verwenden wir die Ausrichtungsobjekte die wir gewöhnlicher Weise mögen – in diesem Beispiel das Essen oder die Kellnerinnen oder Kenner, bei denen wir uns gewöhnlicher Weise glücklich fühlen, wenn wir sie sehen, oder wenn wir von dem Essen kosten. Aber noch stärker, als dass Sie uns einfach nur glücklich machen, sie „machen uns an“. Für diejenigen, die die Redewendungen „turned on“ / „das macht mich an“ nicht kennen: Der Ausdruck beschreibt was passiert, wenn wir einen wunderschönen Menschen sehen, der uns sexuelle erregt. Aber der Ausdruck beschreibt nicht nur dies, sondern etwas kann uns auch auf nichtsexuelle Weise „anmachen“, wie z. B. wenn wir ein äußerst leckeres Gericht vor uns auf dem Tisch haben und wir ganz erregt werden und unbedingt etwas davon haben wollen. Es handelt sich um eine angenehme Erregung unsere Energie. Wenn wir dieses Phänomen von einem tantrischen Blickwinkel aus beschreiben wollen, kann man feststellen, dass das Wahrnehmen dieser Objekte die Intensität unserer Energiewinde stärkt. Die Energiewinde werden zu einem höheren Niveau von Vibrationen angeregt, was wir mit einem Gefühl der Freude erleben. Dabei handelt es sich nicht um eine Erregung der Energie, die wir mit Angst erleben. Sowohl Freude als auch Angst sind Erregungen von Energie; hier sprechen wir jedoch von einer Erregung der Energie, die freudvoll ist. Wir wollen dabei im Augenblick die Beispiele von Menschen beiseite lassen, die es als ein Vergnügen erleben, einen Adrenalinkick zu bekommen, während sie mit einer Extremsportart beschäftigt sind, die mit einem hohen Risiko behaftet ist, wie beispielsweise beim Bungee-Springen.

Die Opfergaben-Objekte reinigen

Wie wir schon zuvor besprochen haben, „machen“ uns Objekte, die uns normalerweise „anmachen“, keineswegs immer „an“, und wenn Sie das doch tun, kann es sein, dass sie uns auf eine aufwühlende Art erregen. Weil dem so ist, gehen wir, bevor wir im Tantra die Opfergaben darbringen, durch einen vier-stufigen Prozess, um uns vor der Gefahr zu befreien oder die Gefahr zu vermeiden, dass wir die Freude auf eine störende Art erleben. Wir wollen vermeiden, dass diese Objekte lediglich Störungen hervorrufen oder uns nicht „anmachen“.

  • Als erstes müssen wir das tun, was als das „Verjagen von Störungen“ bezeichnet wird. Störungen sind zum Beispiel, wenn man über die negativen Eigenschaften eines Objektes nachdenkt, wie beispielsweise: „Ich reagiere allergisch auf Blumen; sie bewirken, dass ich niesen muss,“ oder „Ich mache eine Diät und dieses Essen wird mich dick machen,“ oder, wenn wir einen realen Menschen als Vorbild nehmen, nach dem wir die Opfergottheiten oder Opfergöttinnen modellieren: „Ihre/seine Nase ist zu groß und er/sie schnarcht.“ Wir wollen diese Störungen vertreiben, die uns davon abhalten, dass uns diese Objekte „anmachen“. Aber obwohl wir nicht bei den negativen Eigenschaften der Objekte verweilen, leugnen wir doch ihre Existenz auch nicht. Dies wird dadurch symbolisiert, dass wir uns vorstellen, dass wir kraftvolle Gestalten emanieren, welche die Dämonen oder störenden Kräfte, die sich um diese Objekte herum befinden, verjagen. Es ist nicht so, dass wir diese Dämonen zerstören; wir vertreiben sie lediglich. Wir wollen nicht in Gedanken bei den negativen Qualitäten verweilen.

  • Im zweiten Schritt reinigen wir die Objekte. Dazu lösen wir zunächst die gewöhnliche Erscheinung dieser Objekte auf – also die mit Fehler behafteten Erscheinungen, wie beispielsweise Blumen, die schon ein bisschen welken oder Blätter, die nicht mehr so schön aussehen. Wir wollen diese Art der Erscheinung loswerden. Oder wir lösen die gewöhnliche Erscheinung der Vorbilder für unsere Opfergottheiten und Opfergötter auf, wie beispielsweise, dass ihre Nase zu groß ist oder dass sie zu mager oder zu dick sind – solcherlei Erscheinungen lösen wir auf. Wir wollen jegliche Art von Erscheinung auflösen, die beeinträchtigt, dass uns die Objekte angenehm anregen oder dass uns die Objekte in einer uns nicht aufwühlenden Weise erregen. Aber zusätzlich dazu, dass wir uns von der gewöhnlichen Ebene der Erscheinung dieser mit Fehlern behafteten Objekte befreien wollen, wollen wir uns auch von der tiefgründigeren Ebene der Erscheinung dieser Dinge befreien, nämlich dass sie in unmöglicher Weise existieren, wie beispielsweise das Essen als etwas inhärent, von seiner eigenen Seite her Köstliches zu betrachten, oder Opfergöttinnen oder Opfergötter als inhärent, von ihrer eigenen Seite aus hinreißend zu betrachten. Mit anderen Worten reinigen wir diese Ebene der Erscheinungen, indem wir uns an die Leerheit der Objekte erinnern.

  • Im dritten Schritt verwandeln wir die Objekte, indem wir die Quanten-Ebene wechseln. Wir wechseln zu einer reinen Ebene der Erscheinung der Objekte und der Opfergöttinnen und Opfergötter. Die reine Ebene der Erscheinung geht ausschließlich mit guten Qualitäten einher und mit göttlichen Erscheinungen als wirklicher Nektar, Ambrosia, himmlischer Musik, göttlichen Opfergöttinnen und – G öttern und so weiter. In einigen Anuttarayoga-Tantra-Systemen mit kraftvollen Buddha-Gestalten ist die reine Quanten-Ebene der Erscheinungen gleichfalls kraftvoll. Die verschiedenen Objekte der Darbringung sind aus Teilen der Körper störender Dämonen hergestellt. So wird Licht beispielsweise in Form von Lampen dargebracht, die das Fett der Körper von Dämonen verbrennen. Dies sind vielleicht die Beispiele, bei denen die Art von Vergnügen verwendet werden, die von einem Adrenalin-Kick begleitet werden. Aber ganz unabhängig davon, ob die reinen Erscheinungen sanft oder kraftvoll sind, existieren die Erscheinungen nicht so, als seien sie solide existent, und dass sie ihre Existenz aus eigenen Kraft heraus begründen würden, irgendwo dort draußen. Zudem stiften die reinen Erscheinungen niemals dazu an, störende Emotionen oder Geisteshaltungen wie Gier, Anhaftung, Wollust oder Angst hervorzubringen.

  • Im vierten Schritt dieser Reinigungsprozedur vermehren wir die Objekte, sodass wir uns niemals darüber Sorgen machen müssen, dass uns die Gaben ausgehen. Wenn wir zum Beispiel Angst haben, dass wir nicht mehr genug Essen haben, das wir anderen anbieten könnten, oder dass wir selbst nicht mehr genug vom Essen abbekommen, dann deutet das auf unsere Neigung hin, geizig zu sein. Wir versorgen nicht alle mit einer großzügigen Portion Essen und befürchten, selbst nicht genug zu bekommen. Um diese Haltung zu vermeiden, stellen wir uns vor, dass jedes Objekt, das wir als Gabe darbringen, unendlich viele Male vervielfältigt wird: Wir stellen uns vor, dass wir einen unbegrenzten Vorrat an Blumen, Essen, Kerzen und all diesen Dingen hätten. Wir brauchen keinerlei Sorge zu haben, dass irgendwelche Vorräte zur Neige gehen würden, also können wir uns entspannen. Auf diese Weise können wir die Gaben ohne eine Spur von Geiz darbringen, und daher werden wir viel mehr Freude dabei empfinden, die Gaben darzubringen. Wir stellen uns zudem vor, dass wir unendlich viele außerordentlich schöne Kellnerinnen und Kellnern haben, sodass es überhaupt keine Rolle spielt, wie viele Menschen zu unserer Darbringung von Gaben erscheinen, es wird stets genügend Kellnerinnen und Kellner geben, um sie zu bedienen. Wir müssen uns keinerlei Sorgen machen, wie wenn wir beispielsweise denken: „Oh nein, es sind einfach zu viele Leute zu meinen Festbankett gekommen, und ich habe nur einen Kellner, um sie alle zu bedienen!

Wenn wir in unserer Tantra-Praxis Gaben darbringen, dann folgen wir diesem vierfachen Ablauf, bevor wir die Gaben machen, so dass uns die Objekte angenehm erregen können und uns „anmachen“ können. Wir können dann ein Gefühl der Freude empfinden, das frei von irgendwelchen Sorgen oder störenden Emotionen ist, frei von jeglicher Verwirrung; ein Gefühl von Freude, bei dem wir keinerlei negative Assoziationen haben, oder solcherlei Dinge. Wir bringen die Gabe mit einem freudigen Geisteszustand dar und intensivieren diese Freude mit einem Gefühl immenser Freigebigkeit und Liebe, die wir besitzen. Wir empfinden ganz aufrichtig: „Mögen die Buddhas, Bodhisattvas und alle begrenzten Wesen diese Gaben genießen,“ und wir erfreuen uns daran, dass sie diese Gaben genießen. Danach widmen wir die positive Kraft, die wir daraus gewonnen haben, dem Erlangen der Erleuchtung, sodass wir wirklich dazu in die Lage versetzt werden, anderen Lebewesen auf die bestmögliche Weise von Nutzen sein zu können. Darüber hinaus halten wir bei all diesen heilsamen Handlungen und Emotionen einen Geisteszustand der Konzentration aufrecht und besitzen ein Verständnis für die Wirklichkeit von uns selbst, den Opfergaben-Objekten, den Opfergaben-Göttinnen und -Göttern, die diese Gaben darbringen, den Empfängern der Gaben und unserer Handlung des Gebens. Wenn wir beim Darbringen der Gaben in der Lage sind, all diese verschiedenen Aspekte miteinander zu verbinden, dann werden wir auch in der Lage sein, die Gaben mit einem Geisteszustand darzubringen, der freudig erregt ist und nicht in einer aufgewühlten geistigen Verfassung, die mit einem Gefühl der Verwirrung verbunden ist. Dies ist wichtig, wenn wir den sich entwickelnden Buddha-Natur-Faktor der uns innewohnenden Freude stärken wollen, sodass wir diese Freude als einen Pfadgeist verwenden können, um uns auf Leerheit und das Erreichen der Erleuchtung zu konzentrieren.

Die Anwendung dieser vierfachen Reinigungsprozedur im Alltag

Wir können diesen vierfachen Reinigungsprozess nicht nur anwenden, wenn wir Opfergaben als Teilen unserer tantrischen Praxis darbringen, sondern ich denke, dass dieser Ablauf auch einige ausgezeichnete Richtlinien gibt, die wir auf einer ganz alltäglichen Ebene anwenden können. Wenn wir beispielsweise auf eine Weise mit einem Freund oder einer Freundin zusammen sein wollen, die uns nicht durcheinander bringt oder nervös macht – insbesondere wenn das Zusammensein mit diesem Freund oder der Freundin uns angenehm anregt oder uns auf die eine oder andere Art „anmacht“ – dann ist es zuallererst wichtig, dass wir alle negativen Gedanken und Beschwerden, die wir in Bezug auf die anderen Personen haben, verjagen. Das können beispielsweise Gedanken sein wie: „Du hast mich nicht zurückrufen,“ „immer kommst du zu spät,“ und so weiter. Wir verleugnen diese Dinge nicht, aber sie helfen uns in der gegenwärtigen Begegnung mit dem anderen Menschen nicht weiter – es sei denn wir müssen irgendein Problem lösen; das wäre dann etwas anderes.

Wenn dann ihre gewöhnliche Erscheinung etwas darstellt, was uns betrübt oder enttäuscht – wie zum Beispiel in den Fall, dass die andere Person unserer Ehepartner ist, und dieser nicht mehr so jung ist, wie er einmal war; er hat an Gewicht zugelegt, sein Haar ist grau geworden, sein Gesicht hat Falten bekommen und so weiter – dann es ist wichtig, diese Erscheinung aufzulösen. Und es ist auch wichtig, den Glauben aufzulösen, dass es sich bei dem Ehepartner um einen inhärent alten, dicken und nicht mehr so gut aussehenden Menschen handelt. Dann erkennen wir ihre Schönheit, die „unter der Oberfläche“ verborgen ist. Wir leugnen dabei nicht ihre gewöhnliche Erscheinung, aber wir erkennen an, dass es eine tiefere Quantenebene gibt, auf der wir die wirkliche Schönheit dieses Menschen unabhängig von seiner äußeren Erscheinung erkennen können.

Obwohl es die Tatsache der Vergänglichkeit gibt und wir unausweichlich sterben werden, denken wir doch jetzt für einenden Moment, dass die Zeit, die wir miteinander verbringen, niemals zu Ende geht, so dass wir nicht ängstlich und angespannt sind. Wir können uns einfach entspannen und es wirklich genießen, mit dem anderen Menschen zusammen zu sein. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Zeit einfach verschwenden können, weil wir denken, dass wir alle Zeit der Welt hätten. Aber wir müssen nicht ängstlich darüber nachdenken: „Bitte lass mich nicht alleine zurück; bitte verlass mich niemals; wann werde ich dich jemals wieder sehen?“ und uns derlei Sorgen machen. Wir können einfach die Freude genießen, mit dem anderen Menschen zusammen zu sein und mittels eines Verständnisses von Leerheit in einer nichtstörenden Weise durch den Kontakt mit dem anderen Menschen angenehm angeregt sein. Das bedeutet, dass ich „keine große Sache“ aus mir, aus meinem Gegenüber und aus unserer Interaktion mache. Die Beziehungen zum anderen ist auch davon durchdrungen, dass wir großzügig sind, dass wir liebenswert zum anderen sind und davon, dass wir uns an der Freude des anderen erfreuen, und auch davon, dass wir aufmerksam und sensibel für die Stimmungen und Bedürfnissen des anderen sind, und davon, dass wir jede freudvolle Erfahrung, die wir machen, dem Erlangen der Erleuchtung widmen. Natürlich ist es am besten, wenn diese Art der Interaktion auf Gegenseitigkeit beruht und nicht nur einseitig ist. Aber selbst wenn unser Freund oder unsere Freundin nicht in der Lage ist oder nicht willens ist, auf diese Art zu interagieren, ist es vorteilhaft, diese Prozedur auch einfach für sich selbst durchzuführen.

Dies ist ein ganz praktischer Ratschlag, den die Unterweisungen in Bezug darauf, wie man in einer nicht störenden Weise Gaben darbringen und unsere innewohnende Freudestärken kann. Es ist keineswegs so, dass wir diese buddhistischen Methoden einfach nur in einem meditativen Ritual praktizieren, und es dabei bewenden lassen.

Das sinnliche Vergnügen transformieren, das wir erleben, wenn wir Verlangen empfinden

Wenn wir uns erst einmal daran gewöhnt haben, Glück und Vergnügen in einer relativ störungsfreien Art zu erleben, indem wir unser Verständnis der Leerheit auf dieses Glück und Vergnügen anwenden, dann wird es uns auch gelingen, auch andere alltägliche Erfahrungen in Methoden zum Stärken unserer innewohnenden Freude zu verwandeln. Wenn wir unser normales Alltagsleben einmal betrachten, dann stellen wir fest, dass die meisten von uns täglich auf der Straße, in Geschäften oder anderswo anderen Leuten begegnen, die wir attraktiv finden und die uns zu einem gewissen Grad ansprechen („anmachen“). Einen anderen Menschen zu sehen, den wir schön finden, erregt unsere Energien in angenehmer Weise. Wenn wir dieses sinnliche Vergnügen mit einem Gefühl des sehnsüchtigen Verlangens erleben, dann könnten wir dadurch recht stark gestört werden und wir würden beispielsweise denken: „Mit diesem Menschen muss ich unbedingt zusammen sein,“ und wir dann alle möglichen sexuellen Fantasien auf diese Person projizieren. Oder vielleicht fühlen wir uns zu dem anderen Menschen nicht notwendigerweise sexuell hingezogen, aber wir bedauern uns selbst und wünschen uns, dass wir doch auch so jung und gut aussehend wären, wie dieser Mensch.

In solchen Fällen können wir die beeinträchtigenden störenden Emotionen in Gedanken verjagen, ein Verständnis von Leerheit anwenden, die gewöhnlichen Erscheinungen in reine Erscheinungen transformieren und die Freude so steigern, dass wir jegliche Angst davor verlieren, die Person nicht häufig sehen zu können. Wenn wir das erfolgreich bewerkstelligen, können wir die Schönheit des anderen Menschen mit einem Gefühl reiner Freude erleben. Wir können dann die Ansicht dieser Personen vollständig genießen, ohne dabei ein Gefühl von Gier, Verlangen, Anhaftung oder Neid zu haben. Unsere Energie wird in einer angenehmen Weise angehoben. Wir können dann den Buddhas, Bodhisattvas und allen begrenzten Wesen eine Gabe dieses Glücks darbringen, und diese Gabe mit dem Wunsch verbinden, dass jedes Lebewesen in der Lage sein mögen, die Schönheit und Freude eines reinen Buddha-Bereiches zu genießen. Wir können eine ähnliche Transformation mit unserer weltlichen Vergnügungen durchführen, wenn wir schöner Musik zuhören, einen köstlichen Kuchen im Schaufenster einer Bäckerei sehen, ein köstliches Mahl essen, eine gute Massage erhalten und so fort.

Innere Gaben

Zusätzlich zu den äußeren Angaben, bringen wir im Anuttarayoga-Tantra auch innere Gaben, rätselhafte Gaben und Gaben, die aus der Natur der Wirklichkeit beschaffen sind, dar. Wir wollen diese Gaben hier nur kurz betrachten.

Im Falle der inneren Gaben, bringen wir Objekte dar, die sich im Inneren unseres Körpers befinden. Diese inneren Gaben werden durch das symbolisiert, was wir normalerweise als schmutzige Substanzen ansehen, wie beispielsweise Urin, Fäkalien, Blut und das Fleisch verschiedener Tierarten, einschließlich des Menschen. Die inneren Elemente, die diese Substanzen symbolisieren, sind die fünf Aggregatfaktoren, die jeden Augenblick unseres Erlebens ausmachen, wie auch die fünf körperlichen Elemente, aus denen unser Körper besteht. In Kalachakra-System sind die inneren Elemente, die diese Substanzen symbolisieren, die zehn Arten von Energiewinden des Körpers. Wir folgen derselben vierfachen Reinigungsprozedur der Substanzen und dessen, was sie symbolisieren, so wie wir es auch bei den äußeren Gaben durchgeführt haben: wir beseitigen die Beeinträchtigungen, reinigen sie in Leerheit, transformieren sie in Nektar, und wir vermehren sie.

Was wir durch das Darbringen inneren Opfergaben erreichen wollen, ist grundsätzlich ein Bereinigen aller Unzulänglichkeiten und Fehler unseres Körpers, und all dessen, was sich in unserem Körper befindet, wie auch ein Bereinigen der störenden Geisteshaltungen, die wir in Bezug auf unseren Körper haben – egal ob es sich dabei um Anhaftung oder Ablehnung handelt. Wir wollen diese inneren Dinge reinigen, um sie zum der Erleuchtung als Gabe darzubringen, und zwar in dem Sinne, dass wir ohne störende Emotionen und Geisteshaltungen von ihnen Gebrauch machen können, um intensive Freude erleben zu können. Noch spezifischer, wollen wir dazu in der Lage sein, die Energiewinde als Gabe in den zentralen Energiekanal einzubringen, und zwar durch Praktiken wie Tummo, die Praxis der inneren Flamme. die Anfolge dieser Visualisationen, die wir in diesem vierfältigen Reinigungprozess benutzen, symbolisieren die Stadien der Tummo-Praxis. Diese Visualisationen dienen als eine Ursache, die zu unserem Erfolg in der Tummo-Praxis reifen wird, wenn wir die Praxis der Vollständigkeitsstufe des Annuttarayoga-Tantra erlangt haben.

Rätselhafte Gaben

Als nächstes haben wir die rätselhaften Gaben, die auch als geheime oder verborgene Gaben bezeichnet werden. Sie sind in dem Sinne rätselhaft, weil es für nicht initiierte Personen schwierig ist, diese richtig zu verstehen. Weil dem so ist, müssen die rätselhaften Gaben verborgen oder privat gehalten werden. Diese Opfergabe ist die Gabe der Glückseligkeit, die jemanden findet, wenn man sich mit einem Partner in sexueller Vereinigung befindet, wobei wir uns vorstellen, dass diese Vereinigung von all den konstruktiven Geisteszustände begleitet wird, die wir zuvor erörtert haben: Liebe, Mitgefühl, Bodhichitta, Großzügigkeit und ein ruhiger, voll konzentriert Geist – der sowohl ruhig und zur Ruhe gekommen und außergewöhnlich wahrnehmungsfähig ist. Am wichtigsten ist dabei ein korrektes Verständnis der Leerheit, mit der Reinigung und Transformation der gewöhnlichen Erscheinungen all der Dinge, die in diesem Akt beteiligt sind. Die rätselhaften Gaben sind ganz bestimmt nicht Gaben der Glückseligkeit irgendeiner gewöhnlichen sexuellen Vereinigung und hat nichts mit einem Orgasmus tun.

Obwohl die rätselhaften Gaben nur im Anuttarayoga-Tantra dargebracht wird, wird die Glückseligkeit der Vereinigung mit einem Partner gerne verwendet, um die zunehmenden Intensitätsgrade von Glückseligkeit innerhalb der vier Tantra-Klassen zu illustrieren. Diese vier Ebenen können uns möglicherweise eine bessere Idee davon geben, was wir uns vorstellen, wenn eine rätselhafte Gabe darbringen. Aber ich muss noch mal die Notwendigkeit betonen, diese Gaben mit einem Einverständnis der Leerheit dazu bringen. Obwohl wir möglicherweise Verlangen benutzen, um den Prozess der Darbringung einer rätselhaften Gabe zu initiieren, beseitigen wir schnellst möglich jegliche störende Emotionen oder Geisteshaltungen, indem wir unser Verständnis der Leerheit anwenden.

  • Wenn wir mit jemanden zusammen sind, der uns wirklich sexuell erregt und wir uns dann gegenseitig liebevoll in die Augen schauen, so wird uns das noch mehr „anmachen“.

  • Wenn wir uns dann gegenseitig anlächeln, wird die Energie und Freude noch intensiven werden.

  • Wenn wir uns dann an den Händen halten oder umarmen, wird unsere erregte Energie und Freude sogar noch intensiver werden.

  • Und wenn wir uns dann in sexueller Umarmung befinden, wird unsere Energie und Freude auf ihr höchstes Niveau gehoben. Aber bitte erinnern Sie sich daran, dass wir das mit einem ruhigen, gelassenen, zur Ruhe gekommenen Geist und einem in Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit erleben, wie auch mit einem Gefühl der Liebe, Großzügigkeit und so weiter.

Es wird jetzt deutlich, dass wir hier nicht über etwas sprechen, was auch nur entfernt mit gewöhnlichem Sex zu tun hat. Bei den rätselhaften Gaben stellen wir uns dann mithilfe sehr spezifischer Visualisationen vor, dass unser Herz schmilzt (wie in „Ich schmelze dahin, wenn ich dich sehe.“). Das wäre wohl die naheliegendste Analogie, wie man im Westen über die Glückseligkeit sexuell erregt zu sein sprechen würde. Beim Schmelzen des Herzens stellen wir uns vor, dass wir in unserem zentralen Kanal die vier Freuden erleben. Jede dieser vier Freuden geht stufenweise mit intensiverer Glückseligkeit einher, wobei jede Freude stets von einem Verständnis von Leerheit begleitet wird. Das Ziel die Intensität unserer Glückseligkeit zu vergrößern ist es, die Energiewinde dazu zu bewegen, sobald diese im zentralen Kanal fließen, sich in den Geist des klaren Lichts aufzulösen. In gewisser Hinsicht bringen wir dann, durch das Darbringen dieser Opfergabe, die Energiewinde im Zentralkanal dem Geist des klaren Lichts als Gabe dar. Wenn wir tatsächlich irgendwann einmal in der Lage sein werden, dies mittels der Praktiken der Vollständigkeitsstufe zu erlangen, werden wir sogar ein noch höheres Niveau von Glückseligkeit erleben – und zwar die Glückseligkeit für immer von störenden Emotionen und Geisteshaltungen befreit zu sein. So, dies ist die rätselhafte Opfergabe, die eine Intensivierung unseres glückseligen Gewahrseins der Leerheit beinhaltet, indem wir uns vorstellen, uns in sexueller Vereinigung zu befinden.

Gabe der ureigensten Natur der Realität

Als viertes haben wir die Gabe der ureigensten Natur der Realität. Auf der letzten Stufe der Prozedur des Darbringens von rätselhaften Gaben, stellen wir uns vor, dass wir die vollkommene Vertiefung von Leerheit mit einen glückseligen Geist des klaren Lichts haben, aber ohne eine Erscheinung der konventionellen Wahrheit von uns selbst als Buddha-Gestalt eines Paares in Vereinigung. Mit der Gabe der ureigensten Natur der Realität stellen wir uns vor, dass unser Geist des klaren Lichts, in diesen Zustand des glückseligen Klaren-Licht-Gewahrseins der Leerheit, sich gleichzeitig auf zwei Wahrheiten in Bezug auf von selbst während dieser Erfahrung konzentriert – das heißt auf unsere reine Erscheinung, die leer ist von einer unmöglichen Art zu existieren, und auch auf die Leerheit unserer Erscheinung und aller Phänomene. Man kann also sagen, dass wir in gewisser Hinsicht unser Klares-Licht-Gewahrsein der zwei Wahrheiten unserer (eigenen zukünftigen) Erleuchtung als Gabe darbringen. Mit der Erleuchtung erlangen wir ununterbrochen und für immer das glückselige Klares-Licht-Gewahrsein der zwei Wahrheiten.

Wenn wir auf der Erzeugungsstufe im Anuttarayoga-Tantra innere Gaben, rätselhafte Gaben und Gaben der ureigensten Natur der Realität darbringen, visualisieren wir diese Gaben lediglich und stellen uns lediglich vor, dass sich all diese Dinge ereignen. Aber in der Praxis der Vollständigkeitsstufe entwickeln wir tatsächlich die Fähigkeit dazu, dass sich all dies Dinge ereignen, indem wir die Energiewinde wirklich in unserem zentralen Kanal auflösen, wir Zugang zu unserem Geist des klaren Lichts erlangen und so weiter. Die Darbringung dieser Gaben mittels unserer Vorstellungskraft bei den Praktiken der Erzeugungsstufe fungiert als Ursache für den Erfolg auf der Vollständigkeitsstufe, mit dem was die Gaben symbolisieren.

Abschließende Zusammenfassung

Es gibt eine Vielzahl anderer Methoden, um unsere sich entwickelnden Buddha-Natur-Faktoren der innewohnenden Freude zu intensivieren. Diese anderen Methoden schließen ein: das Darbringen eines Mandalas des gesamten Universums; sich vorzustellen, dass sich der von uns visualisierte spirituelle Lehrer auflöst und mit uns verschmilzt; und dass unsere körperlichen, sprachlichen und geistigen Qualitäten untrennbar mit den Qualitäten unseres spirituellen Lehrers oder unserer spirituellen Lehrerin verschmelzen. An dieser Stelle haben wir jedoch jetzt keine Zeit mehr, auf diese Methoden einzugehen.

So, das war der grundlegende Vortragsstoff, den ich Ihnen an diesem Wochenende gerne präsentieren wollte. Wie Sie sehen können, ist das Thema, welchen Stellenwert das Glück im Buddhismus hat, sehr tiefgründig und weitreichend. Etwas über dieses Thema zu lernen, vermittelte uns ein schönes, integriertes Bild von sehr vielen Faktoren, die sich in unserer Sutra- und Tantra-Praxis finden. Der Vortragsstoff deutet auch den Weg an, den wir auf diesen miteinander verbundenen Pfad von Sutra und Tantra gehen, und zwar von dem Blickwinkel einer zunehmenden Intensivierung unserer innewohnenden Freude und dem Gebrauch dieser Freude als eine Methode, um unsere Systeme von erleuchtungsbildenden Netzwerken zu stärken.

Aber bitte behalten Sie im Sinn, dass der Prozess der Stärkung und Reinigung dieser Netzwerke niemals in lineare Weise von statten geht. Es verhält sich niemals einfach so, dass Sie nur an einem einzigen Faktor zurzeit arbeiten. Wir können diesen ganzen Prozess genauso unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung eines anderen Faktors beschreiben, wie beispielsweise unserem Verständnis von Leerheit. In der Tat ist jede dieser Beschreibungen des buddhistischen Pfades gleichermaßen gültig. Jede Darstellung beschreibt den ganzen Prozess lediglich von dem einen oder anderen Standpunkte aus. Aber Fortschritt ist in Wirklichkeit ein organischer Prozent der die ganze Sache umfasst.

Obwohl wir über einige sehr tiefgründige und fortgeschrittene Praktiken gesprochen haben, haben wir auch verstanden, dass diese Methoden Anwendungsmöglichkeiten für unser tägliches Leben anbieten, die äußerst praktisch und hilfreich sind. Die Absicht buddhistischer Praktiken, sowohl im Sutra als auch im Tantra, ist schließlich, dass sie praktisch sind. Bitte erinnern Sie sich daran, dass wir darüber gesprochen haben, wie die Worte der Tantras auf vielen verschiedenen Ebenen verstanden werden können. Die Bedeutungen dieser Worte sind auf all diesen Ebenen gleichermaßen gültig. Eine dieser Ebenen wird als die „allgemein miteinander geteilte Ebene“ bezeichnet. Dies ist die Ebene der Anwendbarkeit für Praktizierende auf eher grundlegenderen Stufen. Wenn wir also die beabsichtigte Bedeutung der Unterweisung begreifen, insbesondere der Unterweisung hier im Kontext von Glück, und wenn wir stets versuchen, diese Unterweisungen ohne Verwirrung anzuwenden, dann können sie uns und anderen auf vielen Stufen des Pfades von Nutzen sein.

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