Sich in Geduld üben

24:48

1) Alle Großzügigkeit, alle Opfergaben an die Glückselig Gegangenen (Buddhas) und dergleichen, und alle positiven Handlungen, die ich über (einen Zeitraum) von ein Tausend von Äonen angesammelt habe – all diese werden durch (einen einzigen Augenblick) des Hasses vernichtet.

2) Da es keine zerstörerische Kraft gibt, die dem Ärger gleicht, und keine spirituelle Übung, die der Geduld gleicht, werde ich intensiv und mit verschiedenen Methoden über (die Entwicklung der) Geduld meditieren.

3) Solange der Stachel des Hasses in meinem Herzen sitzt, wird mein Geist keinen Frieden finden, wird keinerlei Glück oder Freude erleben, wird auch keinen Schlaf finden und wankelmütig sein.

4) Sogar jene, die er mit Reichtum und Ehre überschüttet, und auch jene, die in einem abhängigen Verhältnis zu ihm stehen, werden von einem Herren, der von Hass besessen ist, bis zu dem Punkt hin provoziert, dass sie ihn ermorden möchten.

5) Selbst Freunde und Verwandte wenden sich angewidert von ihm ab; und obwohl er möglicherweise versucht, sich (andere Menschen) durch Geschenke zu Freunden zu machen, begegnet ihm doch keiner mit Vertrauen und Respekt. Kurz gesagt: Für einen wutentbrannten Menschen, besteht keinerlei Möglichkeit, Glück zu erfahren.

6) Folglich erzeugt der Feind, der Ärger, Leiden und dergleichen; wer jedoch rigoros gegen seinen eigenen Ärger vorgeht und ihn aus der Welt schafft, wird in diesem, wie auch in anderen (Leben), Glück finden.

7) Der Ärger findet sein Brennmaterial in fauligen Geisteszuständen, die dadurch entstehen, dass er Dinge herbeiführt, die ich nicht will, und dass er Dinge verhindert, nach denen ich mich sehne; ist der Ärger erst einmal entflammt, richtet er mich zugrunde.

8) Genau deshalb muss ich diesem Feind vollständig seinen Brennstoff entziehen, denn dieser Feind hat keine andere Aufgabe, als mir Leid zuzufügen.

9) Ganz gleich, was passiert, ich werde nicht zulassen, dass (der Ärger) meine gute Laune stört, denn, wenn ich erst einmal schlechte Laune entwickelt habe, wird nicht das geschehen, was ich gerne möchte, und mein konstruktives Verhalten wird aus den Fugen geraten.

10) Wenn ich eine Sache ändern kann, warum sollte ich in schlechte Laune kommen? Und wenn ich sie nicht verändern kann, was nützt dann die schlechte Laune?

11) Leiden, Verachtung, Beschimpfung und in Ungnade zu fallen; das ist nicht das, was ich mir selbst und meinen Freunden wünsche; aber für meine Feinde gilt das Gegenteil.

12) Die Ursachen für Glück treten nur selten auf, wohingegen die Ursachen des Leidens überaus reichlich vorhanden sind. Aber ganz ohne Leiden, gäbe es nicht die Entschlossenheit, frei zu sein; deshalb, mein Geist, denke daran, standhaft zu bleiben.

13) Wenn die Anhänger von Durga und die Menschen aus Karnata sinnloserweise jene Qualen ertragen, die dadurch entstehen, dass sie sich selbst Verbrennungen, Schnittwunden und dergleichen zufügen, warum handle ich dann wie ein Feigling, wo es mir doch um die Befreiung geht?

14) Es gibt rein gar nichts, was nicht einfacher wird, sobald du dich daran gewöhnt hast; und so, indem du dich an geringfügige Schmerzen gewöhnst, wird es ganz gewiss einfacher, auch große Schmerzen zu erdulden.

15) Hast du das nicht selbst schon bei Schwierigkeiten erlebt, die ohne ein (großes) Ziel zu haben, entstanden sind, wie etwa bei Schwierigkeiten durch Schlangen und Insekten, oder bei Unannehmlichkeiten durch Hunger und Durst, oder wie sie durch einen Hautausschlag entstehen?

16) Gegenüber Hitze und Kälte, und Regen und Wind, wie auch gegenüber Krankheiten, Gefangenschaft, Schlägen und dergleichen will ich nicht zu nachgiebig sein, denn wenn ich dies tun würde, wäre der Schaden nur noch schlimmer.

17) Es gibt einige Menschen, die, wenn sie ihr eigenes Blut sehen, außergewöhnlichen Mut und Entschlusskraft entwickeln; und es gibt einige Menschen, die, wenn sie das Blut anderer sehen, zusammenbrechen und ohnmächtig werden.

18) Diese Reaktionen kommen dadurch zustande, dass sie sich in einem Geisteszustand befinden, der entweder entschlossen ist oder aber von feiger Natur. Daher will ich den Schmerzen keine Bedeutung beimessen, und darf mich durch Leiden nicht aus der Bahn werfen lassen.

19) Ein geschulter Mensch wird, selbst wenn er Todesqualen erleidet, niemals zulassen, den Gleichmut seines Geistes zu verlieren; und in einem Krieg, der gegen die störenden Emotionen geführt wird, bekommt man, in der Schlacht kämpfend, reichlich blaue Flecken.

20) Wer aus dem Leiden keine große Sache macht, die Feinde, wie den Ärger und so weiter, vernichtet, ist ein Held, der einen Sieg errungen hat; die übrigen (Krieger) erschlagen bloß Leichen.

21) Überdies hat das Leiden auch Vorteile: mit großen Schmerzen schwindet die Arroganz; das Mitgefühl für jene Wesen wächst, die sich im wiederkehrenden Samsara befinden; negatives Verhalten wird vermieden; und man findet Freude am Konstruktiven.

22) Da ich mich über erhebliche Ursachen von Leiden nicht ärgere wie zum Beispiel über die Galle, warum sollte ich mich dann über jene ärgern, deren Geist begrenzt ist? Sie alle werden durch Bedingungen hervorgerufen.

23) So treten beispielsweise Krankheiten in Erscheinung, ohne dass man sie sich wünscht, und ebenso treten, ohne dass man sie sich wünscht, (ihre) störenden Emotionen deutlich zutage.

24) Ohne dass sie denken: „Ich will mich jetzt ärgern“, werden Menschen einfach ärgerlich; und gleichfalls ohne zu denken: „Ich will jetzt entstehen“, entsteht auch der Ärger.

25) Alle Fehler, die es gibt, und all die verschiedenen Arten negativen Verhaltens – entstehen alle durch die Kraft von Bedingungen: keine von ihnen hat Gewalt über sich selbst.

26) Eine Ansammlung von Bedingungen, hat nicht die Absicht: „Ich möchte etwas hervorbringen“; und was hervorgebracht wurde, hatte nicht die Absicht: „Ich werde jetzt entstehen.“

27) Der Liebling, (wie die Samkhyas) die „Urmaterie“ bezeichnen, und „das Selbst“, wie die Samkhyas es sich vorstellen – denken beide nicht mit Absicht: „Ich will jetzt entstehen, (um Schaden anzurichten)“, und entstehen daraufhin.

28) (In Wahrheit) existieren sie gar nicht, da sie nicht entstanden sind – was würde dann also den Wunsch gehabt haben zu entstehen? Und da (ein statisches, empfindendes Selbst) etwas wäre, das fortwährend mit einem Objekt beschäftigt ist, würde es niemals damit aufhören, (sich so zu verhalten).

29) Aber, wenn das Selbst statisch wäre, (und nicht-fühlend, wie es die Nyayas behaupten), dann liegt klar auf der Hand, dass es untätig bliebe wie der Himmel; und selbst wenn es mit anderen Bedingungen zusammentreffen würde, welche Aktivität könnte eine Sache entfalten, die unveränderlich ist?

30) Wenn das (Selbst) im Augenblick des Handelns so (unverändert bliebe) wie es zuvor war, was könnte dann durch die Handlung (eines solchen Selbst) bewirkt werden? Und wenn es etwas gäbe, zu dem man sagen könnte: „Das ist seine Handlung“, was ist es dann, das die beiden, (das Selbst und die Tat), miteinander verbindet?

31) Daher unterliegt alles dem Einfluss anderer (Phänomene), und die Kräfte, denen sie selbst wiederum unterworfen sind, befinden sich wiederum nicht in ihrer (eigenen) Gewalt. Wenn ich das verstanden habe, wird mich nichts mehr ärgern, kein Phänomen mehr – sie sind nichts als magische Erscheinungen.

32) Wenn ich sagen würde: „Den (Ärger) abzuwehren, wäre in der Tat unangebracht, denn wer (oder was) kann denn eigentlich was abwehren?“ Dann würde ich geltend machen, dass dies nicht unangebracht sei, denn in Abhängigkeit davon kann die Kontinuität des Leidens durchbrochen werden.

33) Wenn ich daher einen Feind oder gar einen Freund sehe, der sich in unangebrachter Weise verhält, werde ich entspannt bleiben, weil ich (zuvor bereits) darüber reflektiert haben werde, dass dieses Verhalten durch eine solche Bedingung entsteht.

34) Wenn sich die Dinge für die körperlichen Wesen genauso gestalten würden, wie sie es gerne hätten, dann würde es niemals vorkommen, dass irgendjemand leiden müsste, da niemand sich jemals wünschen würde, Leid zu erfahren.

35) Menschen verletzen sich sogar selber, weil sie nicht achtgeben, durch Dornen und derlei, und in ihrer Rage, weil sie eine Frau oder anderes besitzen wollen, schaden sie sich, indem sie beispielsweise Nahrung verweigern.

36) Es gibt Menschen, die sich selbst zugrunde richten, indem sie sich erhängen oder von Klippen stürzen, Gift schlucken oder ungesundes Essen zu sich nehmen, und sich durch negative Taten (schlechte Wiedergeburten einhandeln).

37) Wenn Menschen unter dem Einfluss störender Emotionen sogar ihr eigenes geliebtes Selbst zugrunde richten, wie sollte man dann von ihnen erwarten, dass sie den Körpern anderer Wesen kein Leid zufügen?

38) Wenn ich noch nicht einmal für solche Menschen hin und wieder Mitgefühl entwickeln kann, in denen derlei störende Emotionen emporsteigen, die sie dazu verleiten, solche Dinge zu tun, wie beispielsweise sich selbst zu töten, so kann ich doch wohl mindestens nicht (auf sie) ärgerlich werden.

39) (Selbst) wenn es die Natur der kindischen Leute sein sollte, anderen Lebewesen Gewalt anzutun, wäre es deshalb dennoch genauso unangemessen, sich über diese Menschen zu ärgern, wie sich darüber zu ärgern, dass es die Natur von Feuer ist, zu brennen.

40) Und selbst wenn dieses Fehlverhalten stattdessen von vergänglicher Natur wäre, und die begrenzten Wesen ihrer Natur nach liebenswert wären, so wäre es dennoch unangemessen, sich über sie zu ärgern, denn das wäre wie dem Himmel nachzutragen, dass der (beißende) Rauch in ihm emporsteigt.

41) Die wirkliche (Ursache meines Schmerzes), das heißt den Knüppel und dergleichen außer Acht lassend: wenn ich mich über den Menschen ärgern würde, der den Knüppel geschwungen hat, so müsste ich in der Tat (einsehen), dass (auch) er nebensächlich ist, da auch er lediglich vom Ärger angestachelt wurde. Es wäre demnach angemessener, sich über seinen Ärger zu ärgern.

42) Früher muss ich anderen begrenzten Wesen (vergleichbares) Leid zugefügt haben, daher ist es nur passend, dass mir nun Leid widerfährt, der ich selbst für andere begrenzten Wesen, ein Verursacher von Gewalt gewesen bin.

43) Sowohl seine Waffe als auch mein Körper sind Ursachen für mein Leiden. Er hat die Waffe mitgebracht und ich meinen Körper; über wen sollte ich mich da ärgern?

44) Verblendet durch Anhaftung habe ich mich an diese leidbringende Eiterbeule geklammert, eine menschlichen Form, die es nicht ertragen kann, berührt zu werden; über wen sollte ich mich dann ärgern, wenn (dieser Körperform) Leid zu gefügt wird.

45) Ich, Kindischer, möchte keinesfalls leiden, und doch bin ich besessen von der Ursache meines Leidens. Warum sollte ich Groll gegen jemand (anderes) hegen, wo ich doch selbst die Verantwortung dafür trage, dass ich verletzt werde?

46) Es ist genauso, wie beispielsweise bei den Wächtern der freudlosen Bereiche und dem Wald der Rasiermesser-scharfen Blätter: (auch) dieses (Leiden) wurde durch mein eigenes impulsives karmisches Verhalten verursacht; worauf sollte ich da also ärgerlich sein?

47) Verursacht durch mein eigenes karmisches Verhalten begegne ich jenen Lebewesen, die mir Leid zufügen, und wenn diese begrenzten Wesen nun durch ihr (Verhalten) mir gegenüber in die freudlosen Daseinsbereiche stürzen, war es dann nicht ich, der sie in ihr Unglück stürzte?

48) Dank ihnen werden meine negativen karmischen Kräfte umfassend bereinigt, wenn ich mich in Geduld übe; aber durch mich stürzen sie in die freudlosen Daseinsbereiche mit ihren lang-anhaltenden Höllenqualen.

49) Da es in Wirklichkeit ich bin, der ihnen Leid zufügt, und sie diejenigen sind, die mir von Nutzen sind, warum, du unvernünftiger Geist, drehst du (diese Tatsache) ins Gegenteil um, und beginnst vor Wut zu kochen?

50) Da ich den Vorteil auf meiner Seite habe, mir zu wünschen, (mich in Geduld zu üben), werde ich nicht in einen freudlosen Bereich stürzen; aber obwohl ich mich selber in dieser Weise schütze, was geschieht denn mit ihnen diesbezüglich?

51) Auch, wenn ich ihnen stattdessen das Leid, das sie mir zugefügt haben, heimzahlen würde, so würde auch das ihnen keinen Schutz bieten; hingegen würde mein (übriges Bodhisattva-) Verhalten an Kraft verlieren, und folglich wären jene, die sich der Prüfungen unterziehen, verloren.

52) Da mein Geist immateriell ist, kann ihn niemanden in irgendeiner Weise zerstören; aber, weil er sich wie besessen mit meinem Körper befasst, wird er verletzt vom Leid (in Verbindung) mit dem Körper.

53) (Jedoch) können Beleidigungen, grausame Worte und diffamierende Äußerungen meinem Körper keinen Schaden zufügen. Warum, mein Geist, wirst du dann so ärgerlich?

54) Dass andere mich nicht mögen, wird mich nicht vernichten; weder in diesem Leben, noch in einem anderen; warum finde ich das dennoch unangenehm?

55) Vielleicht finde ich dies wenig wünschenswert, weil es meinen materiellen Profit schmälern könnte; nun ja: aber den materiellen Besitz dieses Lebens werde ich wieder aufgeben müssen, meine negativen karmischen Kräfte werden dagegen bestehen bleiben.

56) (Daher) wäre es wirklich besser, wenn ich noch heute sterben würde, als wenn ich mir durch einen falschen Lebenserwerb ein langes Leben ermöglichen würde; denn selbst wenn ich noch lange leben sollte, wird doch jemand wie ich immer noch die Leiden des Sterbens erfahren müssen.

57) Jemand, der aus einem Traum erwacht, in welchem er einhundert Jahren lang Glück erfuhr, und jemand der aus einem Traum erwacht, in dem er nur einen Augenblick lang glücklich war:

58) Nachdem sie erwacht sind, wird das Glück zu keinem der beiden zurückkehren. Genau das Gleiche gilt auch für jemanden, der lang gelebt, und für jemanden, der kurz gelebt hat.

59) Obwohl ich vielleicht viel Besitz angehäuft habe und mich lange an zahlreichen Vergnügungen erfreut habe, muss ich doch mit leeren Händen und nackt weiterziehen, so, als hätte mich ein Dieb meiner Sachen beraubt.

60) Angenommen, ich würde sagen: „Während ich von meinem Vermögen lebe, brauche ich meine negativen karmischen Kräfte auf und tue positive Dinge.“ Wenn ich nun allerdings der Vermehrung meines Vermögens zuliebe in Wut gerate, würde dann nicht meine positive karmische Kraft aufgebraucht und negative karmische Kräfte entstehen?

61) Wenn der einzige Grund, weshalb ich überhaupt lebe, sich in seine Bestandteile auflösen würde, welchen Sinn hätte dann ein Leben, in dem ich nur negative Handlungen ausführe?

62) Nun gut; angenommen ich sage: „Ich bin deshalb wütend auf jemanden, der mich schlechtmacht, weil andere Menschen sonst (ihr Vertrauen in mich) verlieren.“ Nun, warum wirst du dann nicht ebenso wütend auf jemanden, der den guten Ruf eines anderen Menschen zerstört?

63) Wenn du Misstrauen tolerieren kannst, (wenn es sich auf jemand anderen bezieht), weil der Mangel an Vertrauen in Abhängigkeit von einer anderen Person entstanden ist, warum sollte ich mich dann nicht in Geduld mit jemandem üben, der (mich) schlechtmacht, da die Verleumdung doch davon abhängig ist, dass störende Emotionen emporsteigen?

64) Es ist sogar unangemessen, auf Menschen wütend zu werden, die heilige Bilder, Stupas und die Dharma-(Lehren) verunglimpfen und zerstören, da den Buddhas und den Übrigen, kein Leid zugefügt werden kann.

65) Und dass in mir Ärger über jene emporsteigt, die meinen spirituellen Lehrern, meinen Verwandten und auch meinen Freunden Leid zufügen, kann ich – wie ich es schon zuvor getan habe – durch die Erkenntnis abwenden, dass all dies aufgrund von Bedingungen entsteht.

66) Da die körperlichen Wesen sowohl durch jene, die ein Bewusstsein besitzen, als auch durch unbelebte Objekte verletzt werden können, warum hebe ich dann jene mit einem Bewusstsein besonders hervor, und bin über sie verärgert? Übe dich daher in Geduld, wenn dir Leid widerfährt!

67) Einige begehen aus Unwissenheit Untaten, und einige werden aus Unwissenheit wütend: von welchen der beiden (Personengruppen) können wir sagen, dass sie ohne Fehler ist, und von welcher, dass sie die Schuld trägt?

68) Warum habe ich früher so impulsiv gehandelt, dass mir andere nun Leid zufügen? Da alles vom karmischen Verhalten abhängt, warum hege ich dann diesem gegenüber Groll?

69) Da ich nun verstehe, dass die Dinge so sind, werde ich mich in jeglicher Hinsicht verstärkt darum bemühen, in positiver Weise zu handeln, wodurch alle (Beteiligten) anfangen werden, Wohlwollen füreinander zu empfinden.

70) Wenn sich beispielsweise das Feuer eines brennenden Hauses, auf ein benachbartes Haus zubewegt, so ist es angemessen, dass wir all die Gegenstände wie Strohballen und dergleichen, aus dem Haus hinauswerfen, wenn diese Sachen sonst dazu beitragen würden, dass sich das Feuer weiter ausbreitet.

71) Gleichermaßen sollte ich, wenn sich das Feuer des Ärgers in mir ausbreitet, weil mein Geist an irgendetwas anhaftet, diesen Ärger unverzüglich hinauswerfen, und zwar aus Furcht davor, dass meine positive Kraft sonst verbrennen würde.

72) Warum sollte ein zum Tode Verurteilter es bedauern, wenn man ihm lediglich die Hand abhacken würde; und er wäre (dadurch dem Tode) entronnen? Warum sollte ich es bedauern, wenn mir, durch menschliche Leiden, die freudlosen Bereiche erspart blieben?

73) Wenn ich noch nicht einmal in der Lage bin, diese geringfügigen, gegenwärtigen Leiden zu ertragen, warum wehre ich dann nicht den Ärger ab, der die Ursache für höllengleiche Qualen sein wird?

74) Als Folge meiner leidenschaftlichen (Wut), habe ich tausende Male in den freudlosen Bereichen geschmort und ähnliche (schreckliche Dinge) erlebt; aber (dadurch) habe ich weder mir selber genützt, noch für andere Wesen einen Nutzen bewirkt.

75) Aber da aus dieser (Geduld) großer Nutzen entsteht, welche nicht einmal den Bruchteil des Leidens (der Höllen) ergibt, gibt es wirklich nur Anlass zur Freude über das Leiden welches die Leiden der wandernden Wesen beseitigt.

76) Wenn andere Menschen Vergnügen und Freude darin finden, jemanden zu loben, (den ich nicht leiden kann), der (aber) gute Eigenschaften besitzt, warum, mein liebes Herz, bereitest du dir nicht gleichermaßen Freude, indem du diesen (Menschen) auch lobst?

77) Der Genuss der Freude, den du dann erleben würdest, wäre ein Genuss, der nicht verwerflich ist, sondern von den Wesen mit guten Qualitäten befürwortet wird; und es wäre auch ein hervorragendes Mittel, mit dem man andere (Menschen um sich) scharen kann.

78) Wenn du dich an seinem Glück nicht erfreuen kannst: „Nur er allein erlebt schließlich dieses Glück!“, dann würdest du dich, wissentlich oder unwissentlich, ruinieren, so, als würdest du aufhören, Gehälter und ähnliches zu zahlen.

79) Wenn jemand deine guten Qualitäten herausstreicht wünscht du dir auch, dass andere sich darüber freuen; wenn jedoch die guten Qualitäten anderer herausgestellt werden, möchtest du dich daran nicht erfreuen.

80) Nachdem du eine Bodhichitta-Motivation entfaltet hast, indem du allen begrenzten Wesen Glück wünscht, warum wirst du dann stattdessen ärgerlich, wenn sie von ganz alleine ein wenig Glück finden?

81) (Da Du dein Wort gegeben hast), den Wunsch zu entwickeln, dass alle fühlenden Wesen die Buddhaschaft erlangen mögen, die überall in den drei Welten verehrt wird, warum kochst Du dann schon innerlich, wenn du nur beobachtest, wie ihnen ein wenig Respekt entgegengebracht wird?

82) Wenn ein Familienmitglied, das der Fürsorge und Pflege bedarf, und um das du dich zu kümmern und sorgen hast, nun Unterstützung (von anderen) erhält, wärst du darüber nicht sehr erfreut? Oder würdest du dich darüber ärgern?

83) Wenn ich den Lebewesen nicht einmal gönne, dass sie in dieser Weise versorgt sind, wie kann ich ihnen dann wünschen, dass sie Buddhas werden mögen? Und hat jemand Bodhichitta, der sich über den Erfolg und Gewinn anderer ärgert?

84) Ganz gleich ob er die Gabe von ihm erhalten hat oder ob sie im Haus des Wohltäters verbleibt, in keinem Fall wird sie dir gehören. Was macht es dann für einen Unterschied, ob ihm etwas gegeben wird oder nicht?

85) Warum sollte ich also mein positives Potenzial, das Vertrauen (anderer in mich) und meine guten Qualitäten fortwerfen? Wofür? Hältst du dich nicht an dem fest, was dir einen Vorteil verschaffen könnte? Sag mir, über wen ärgerst du dich nicht?

86) Abgesehen davon, dass du in Bezug auf die negativen Dinge, die du getan hast, keinerlei Bedauern empfindest, willst du zudem noch mit anderen in Wettstreit treten, die positive Handlungen ausgeführt haben?

87) Selbst, wenn dein Feind keine Freude erlebt, welchen Grund gibt es dann für dich, sich darüber zu freuen? Mein bloßer Wunsch, ihm zu schaden, wird keine Ursache dafür sein, dass ihm (irgendein) Leid widerfährt.

88) Und selbst wenn er leiden würde, weil ich es mir gewünscht habe, was gäbe es daran, worüber ich mich freuen könnte? Wenn ich dann sagen würde: „Weil es mich befriedigen wird!“, Welche Einstellung könnte degenerierter sein als diese?

89) Dieser Haken, der von den Fischern, den störenden Emotionen, ausgeworfen wird, ist außerordentlich scharfkantig. Von den (störenden Emotionen) wirst du, oh Geist, an die Wächter der freudlosen Bereiche verkauft, die dich gewiss in den Kesseln der Hölle kochen werden.

90) Lob und Ruhm, (diese) Zurschaustellung von Respektbezeugung, bringen weder positives Potenzial noch ein langes Leben hervor, und sie bringen auch keine körperliche Kraft oder Freiheit von Krankheiten hervor, und sie werden auch kein körperliches Wohlbefinden hervorrufen.

91) Wenn mir klar wäre, was in meinem eigenen Interesse ist, welchen Vorteil hätte ich dann durch sie? Wenn ich lediglich ein bisschen Spaß haben möchte, sollte ich meine Zeit besser mit Glücksspiel, dem Genuss von Alkohol und dergleichen verbringen.

92) Um berühmt zu werden, geben (die Menschen) ihr Vermögen hin oder lassen sich sogar töten. Aber welchen Nutzen haben Worte (des Ruhmes)? Wenn diese (Worte) vergangen sind, wem werden sie dann noch Freude bereiten?

93) Ein Kind weint verzweifelt, wenn seine Sandburg zusammenfällt. Wenn Lob und Ruhm vergehen, verhält sich mein Geist in ähnlicher Weise kindisch.

94) Da spontan gesagte Worte kein Bewusstsein haben, ist es unmöglich, dass sie die Absicht haben, mich zu loben. Wenn ich aber sagen würde: „Derjenige, der der mich (lobt),
ist erfreut über mich,“ und ich dies als einen Grund betrachten würde, (auch) erfreut zu sein;

95) Nun gut, ganz gleich ob (das Lob) jemand anderem oder mir gilt, welchen Nutzen hat die Freude eines anderen für mich? Er allein kann seine Freude genießen; ich werde davon nicht (einmal einen kleinen) Anteil bekommen.

96) Wenn ich mich über die Freude, (die er für mich empfindet), freue, so muss ich dies eigentlich in allen Fällen tun. Wie kann es sein, dass ich mich nicht mit ihm freue, wenn er es genießt, sich über andere zu freuen?

97) Freude entsteht also (einfach aus): „Ich, ich bin es, der gelobt wird!“ Aber so (zu denken) ist wirklich Unsinn, das ist nichts anderes als das Verhalten eines Kindes.

98) Gelobt zu werden und dergleichen erzeugt Ablenkungen in mir; sie bewirken, dass mein Widerwille (gegen Samsara) nun auch noch zerbröckelt. Ich werde eifersüchtig auf jene, die gute Qualitäten besitzen, und dies macht meinen Erfolg zunichte.

99) Sind daher nicht jene, die sich in meiner Nähe aufhalten, um die Lobeshymnen und dergleichen für mich abzuwehren, nicht in Wirklichkeit damit befasst, mich davon abzuhalten, in die Höllenbereiche zu fallen?

100) Für mich, dessen wichtigstes Ziel es ist, Freiheit zu erlangen, sind die Fesselung an materiellen Besitz und an Anerkennung Dinge, die ich nicht haben soll. Wie kann ich dann jenen zürnen, die bewirken, dass ich meiner Fesseln ledig werde?

101) Wie kann ich, der ich ein (Haus) des Leidens betreten würde, über jene wütend werden, die wie aus der Inspiration des Buddha in Form einer verschlossenen Tür erschienen sind, um mich am Eintreten (ins Haus des Leidens) zu hindern?

102) „Aber der da verhindert, dass ich positiv handle!“ Auch hier ist es nicht angebracht, mich über diese (Person) zu ärgern. Es gibt keine Übung, die der Geduld gleicht, sollte ich mich also nicht eng an sie halten?

103) Ist es nicht eigentlich mein eigener Fehler, wenn ich mich hier nicht geduldig verhalte? Denn obwohl Ursachen für eine positive Übung nah sind, bin ich es doch selbst, der hier das Hindernis verursacht.

104) Wenn es etwas gäbe, was nicht entsteht, wenn etwas (anderes) nicht vorhanden ist, aber wenn etwas gegenwärtig wäre, würde es auch in Erscheinung treten. Diese eine Sache wäre (dann) die Ursache der anderen. Wie kann dann gesagt werden, es sei ein Hindernis für (das Entstehen) der anderen?

105) Es gibt kein Hindernis für die eigene Großzügigkeit, welches durch einen Bettel(mönch) hervorgerufen wird, der sich zur rechten Zeit (auf seinem Almosengang) befindet; und man kann auch nicht sagen, dass diejenigen, die erscheinen, um anderen die Gelübde zu geben, ein Hindernis für den Eintritt ins Kloster seien.

106) Almosen-Suchende gibt es viele in diesem Leben aber rar sind jene, die (mir) Leid zufügen, weil mir niemand Leid zufügen wird, dem ich nicht (in vorherigen Leben) geschadet habe.

107) Daher sollte ich mich über einen Feind freuen, der wie eine Kostbarkeit plötzlich in meinem Haus aufgetaucht ist, und der ohne Anstrengung in meinen Besitz gelangt ist, – denn er wird mein Helfer für mein Bodhisattva-Verhalten.

108) Dadurch, dass dieser (Mensch) da und ich (uns begegnet sind), konnte es geschehen, dass eine Frucht der Geduld (entstehen konnte); daher möchte ich ihm als erstes die (Früchte meiner Geduld) zuerkennen, da er doch die (anfängliche) Ursache für meine Geduld ist.

109) Wenn ich sagen würde: „Aber er hatte gar nicht die Absicht, dass ich Geduld entwickle? also sollte meinem Feind keine Ehre zuteilwerden!“; nun, wie kommt es dann, dass der heilige Dharma als etwas verehrt wird, das eine geeignet Ursache dafür ist, (Geduld) zu verwirklichen.

110) Wenn ich dann erwidern würde: „Aber die Absicht des Feindes war es, mir zu schaden, also kann er nicht verehrt werden“; nun, wie könnte ich mich in Geduld üben, wenn (mein Feind), wie ein Arzt, danach streben würde, mir Gutes zu tun?

111) Da meine Geduld also in Abhängigkeit von seiner bösartigen Absicht entsteht, ist dieser Mensch genauso der Ehre würdig, wie der heilige Dharma, da er eine Ursache für meine Geduld ist.

112) Daher hat der Weise (gleichermaßen) von einem Feld der begrenzten Wesen wie auch von einem Feld der Siegreichen (Buddhas) gesprochen. Beide Felder haben die Siegreichen glücklich gemacht, wodurch viele das weit-entferne Ufer der Vortrefflichkeit erlangt haben.

113) Wenn das Erlangen der Dharma-(Verwirklichungen) eines Buddhas gleichermaßen den begrenzten Wesen und den Siegreichen zu verdanken ist, warum empfinde ich dann für die begrenzten Wesen nicht die gleiche Wertschätzung wie für die Siegreichen?

114) Das Herausragende einer Motivation entsteht nicht aus sich selbst heraus, sondern vielmehr aus ihrer Wirkung. Daher sind die Früchte, welche durch die begrenzten Wesen hervorgebracht werden, tatsächlich genauso herausragend, und deshalb sind sie (die Wesen und Buddhas) gleich.

115) Was auch immer als eine liebevolle Motivation (gegenüber den Wesen) verehrt wird, entsteht in der Tat durch die Erhabenheit der begrenzten Wesen, und welche positive Kraft auch immer aus einem überzeugten Vertrauen in die Buddhas entsteht, so entsteht diese aus der Erhabenheit der Buddhas.

116) Ihnen ist gemeinsam, dass wir durch (beide) gleichermaßen die (Verwirklichungen) des Buddhadharma erlangen können, und daher werden sie als gleich betrachtet; aber natürlich gleicht kein (begrenztes Wesen) den Buddhas in deren endlosen Ozeanen ausgezeichneter Qualitäten.

117) Wenn auch nur ein kleiner Hauch dieser ausgezeichneten Eigenschaften dieser einzigartigen Verbindung äußerst ausgezeichneter Qualitäten irgendwo in Erscheinung träte, so wäre die Opfergabe der drei Ebenen der Existenz nicht angemessen, um die Verehrung (diesem gegenüber) zum Ausdruck zu bringen.

118) Da in den begrenzten Wesen ein Anteil existiert, der die (Errungenschaften) des unvergleichlichen Dharma eines Buddha hervorbringt, so ist es äußerst angemessen, dass die begrenzten Wesen auf der Grundlage dieses Anteils verehrt werden.

119) Abgesehen davon, die begrenzten Wesen glücklich zu machen – wie könnte man (die Güte jener besser) erwidern, die sich mit ihnen ohne Anspruch anfreunden und ihnen jenseits aller Maßen Hilfe gewähren.

120) Da es ihre (Güte) erwidern würde, jenen zu nutzen, zu deren Wohl sie ihre Körper opfern und in die freudlosen Bereiche unermesslicher Schmerzen eintauchen, sollte, selbst wenn diese (begrenzten Wesen) viel Leid verursachen würden, alles Heilsame getan werden (um ihnen zu helfen).

121) Warum handle ich, verwirrt wie ich bin, mit Stolz und nicht wie ein Diener gegenüber jenen Meistern, denen zuliebe meine Meister nicht einmal Rücksicht auf ihre eigenen Körper nehmen?

122) Die Weisen erfreuen sich an ihrem Glück und ihr Leiden betrübt sie; wenn ich ihnen daher Freude bereite, wird das die Weisen entzücken, und wenn ich ihnen Leid zufüge, wird es ihnen weh tun.

123) Begehrenswerte Sinnesobjekte können demjenigen keine Freude bereiten, dessen Körper vollständig in Flammen steht, ebenso gibt es keinerlei Möglichkeit, die Umfassend Mitfühlenden zu erfreuen, wenn begrenzten Wesen ein Leid zugefügt wird.

124) Daher: jeglichen Verdruss, den ich den Umfassend Mitfühlenden bereitet habe, indem ich den begrenzten Wesen Leid zugefügte habe, – diese unheilsame Handlung, lege ich heute offen, und bitte die Weisen um Nachsicht für diesen Verdruss.

125) Von heute an werde ich, um die So-Gegangenen (Buddhas) zu erfreuen, mit entschlossener Selbstbeherrschung als Diener der Welt handeln. Mag eine aufgebrachte Menschenmenge mir mit den Füßen gegen den Kopf treten oder mich gar zu Tode prügeln, ich werde nichts unternehmen (um es zu vergelten). Möge (es) die Beschützer der Welt erfreuen!

126) Es gibt keinen Zweifel daran, dass diejenigen, die eine mitfühlende Selbstnatur haben, all die wandernden Wesen (als gleich) mit sich selbst betrachten. Eben jene Natur, die sie als die essentielle Natur der begrenzten Wesen erkannt haben, ist genau diese Selbstnatur der Beschützer, warum also erweise ich (ihnen nicht denselben) Respekt.

127) Eben dies erfreut die So-Gegangenen (Buddhas); eben dies trägt in vollkommener Weise dazu bei, dass ich auch meine eigenen Ziele erreiche; eben dies beseitigt auch die Leiden in der Welt; daher will ich mich stets einfach hierin üben.

128) Wenn beispielsweise ein Mitglied des Königlichen Hofs, dem Volk Schaden zufügt, werden weitsichtige Menschen nicht zurückschlagen, selbst wenn sie dazu in der Lage wären,

129) Weil sie erkennen, dass diese (Angehörigen des Königshofs) nicht alleine dastehen. Im Gegenteil: die Macht des Königs liegt in seinen Streitkräften. Ebenso sollte ich einen einfachen Menschen nicht herabsetzen, der Leiden verursacht,

130) Da seine bewaffneten Streitkräfte die Wärter der freudlosen Bereiche sowie alle Umfassend Mitfühlende sind. Gleich einem Untertan gegenüber einem gewalttätigen König, sollte ich alle begrenzten Wesen erfreuen.

131) Selbst, wenn so ein König über mich erzürnt sein sollte: könnte er mir die Qualen der freudlosen Bereiche auferlegen, die ich in dem Fall erleiden würde, wenn ich den begrenzten Wesen Verdruss bereiten würde?

132) Und selbst wenn ein solcher König zufrieden (mit mir) wäre, könnte er mir dennoch nicht die Buddhaschaft verleihen, die ich (allein) dadurch erlangen werde, dass ich den begrenzten Wesen Freude bereite.

133) (Abgesehen davon) zu verstehen, dass das zukünftige Erlangen der Buddhaschaft dadurch hervorgebracht wird, dass ich den begrenzten Wesen Freude bereite; kannst du nicht erkennen, dass dadurch zumindest in diesem Leben, großer Wohlstand, Ruhm und Glück erlangt werden können?

134) (Darüber hinaus) wird jemand, der sich in Geduld (übt), auch dann, wenn er noch im Daseinskreislauf ist, Schönheit, Gesundheit und hohes Ansehen, ein äußerst langes Leben und die zahlreichen Vergnügungen eines universalen Chakra-Königs erlangen.

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