Wie geistige Kontinua sich endlos fortsetzen

Kontinua bleiben in derselben Kategorie von Phänomen

Lassen Sie uns an dieser Stelle die Natur der Kontinua untersuchen, da ein Verständnis dieser Natur entscheidend für das Verständnis der buddhistischen Lehre der Wiedergeburt ist.

Eine der grundlegenden Qualitäten eines Kontinuums ist Folgende: ganz unabhängig davon, welcher Kategorie das Phänomen angehört, von dem es eine Abfolge von Momenten gibt, ein Kontinuum verbleibt die gesamte Abfolge von Momenten hindurch stets in derselben Kategorie von Phänomen. Was bedeutet das? Ich möchte dafür ein Beispiel geben. Wir könnten über das Kontinuum eines physischen Phänomens sprechen mit anderen Worten, über ein Kontinuum aus Materie und Energie. Ein Same kann sich in einen Baum verwandeln, zu einem späteren Zeitpunkt kann er zu Schnittholz werden, dann zu einem Tisch, dann zu Feuer und Hitze, dann zu Rauch und Asche. Auf diese Weise verbleibt das Kontinuum immer in derselben Kategorie von Phänomen: Das Kontinuum bleibt stets eine Abfolge von Momenten irgendeiner Form von Materie/Energie.

Wir müssen hier jedoch vorsichtig sein. Die Worte, die wir gebrauchen, „sich verwandeln“ und „transformieren“, bedeuten nicht, dass es dort eine Art wahrhaft existenten „Materie/Energie-Klumpen“ gibt, der sich in verschiedene Zustände verwandelt, aber unterhalb der Ebene dieser Transformationen dasselbe statische Substrat bleibt. Es handelt sich hier nicht um einen Tonklumpen, der wieder und wieder in unterschiedliche Formen geknetet wird. Es ist auch nicht so, dass es dort einige unwandelbare Atome gibt oder gleichbleibende, unwandelbare subatomare Partikel, die lediglich neu angeordnet werden, um dann jeweils den Samen, den Baum, das Schnittholz, den Tisch, das Feuer und die Asche hervorzubringen. Es ist auch nicht so, dass all diese unterschiedlichen Materie/Energie-Formen Transformationen einer größeren statischen Einheit wären: Die unwandelbare Gesamtsumme aller Energie des Universums. Erinnern wir uns an das Bild der sich wandelnden Augenblicke des Kinofilms, den wir betrachten. Wir reden stets über eine Abfolge von etwas, aber ohne dass dieses „etwas“ eine statische Entität ist, die fortdauert. Bitte denken Sie darüber nach. Das ist ein äußerst wichtiger Punkt.

Dieselbe Analyse lässt sich auf eine Abfolge von Momenten eines subjektiven, individuellen Erlebens von etwas anwenden. Diese Art des Erlebens ändert sich von Moment zu Moment, verwandelt sich in verschiedene Arten, aber sie bleibt dennoch im Wesentlichen in derselben Kategorie von Phänomen: eine Art des Erlebens von etwas. Ich möchte ein Beispiel geben: Das Interesse an einer Sache, wie beispielsweise an einem Fernsehprogramm, kann sich dahingehend verwandeln, dass man dem Fernsehprogramm Aufmerksamkeit schenkt. Die Aufmerksamkeit kann sich wiederum in Ärger verwandeln und der Ärger in Langeweile und der wiederum in Müdigkeit, in Schläfrigkeit, in den Zustand des Schlafens, dann in den Zustand des Träumens und so weiter. Die Art des Erlebens verändert sich von Moment zu Moment, bleibt aber stets in derselben Kategorie von Phänomen. Es bleibt immer ein Erleben; obwohl, wie im Falle der Abfolge von Momenten der Materie/Energie, es kein statisches, zu Grunde liegendes „Ding“ gibt, wie einen „Geist“ oder ein „Bewusstsein“; das jeden Augenblick eine andere Form annimmt. Rufen wir uns hierfür nochmals die Analogie des Kinofilms in Erinnerung.

Der wichtigste Punkt hier ist allerdings, dass dieses „Etwas“ in den Momenten der Abfolge von etwas, nicht die Kategorie wechselt und auch nicht wechseln kann, egal um welche allgemeine Art von Phänomen es sich hier handelt. Ärger kann sich nicht in einen Tisch verwandeln und Holz kann sich nicht in Ärger verwandeln. Der nächste Moment des Holzes kann nicht Ärger sein. Wir sprechen über zwei sehr unterschiedliche Kategorien von Phänomenen: Materie/Energie auf der einen Seite und subjektives Erleben von etwas auf der anderen Seite.

Dieser Punkt ist in der Tat sehr tiefgründig. Er unterstreicht die Tatsache, dass, wenn wir über den Geist sprechen, wir über etwas reden, das sich sehr von physischen Dingen unterscheidet. Das heißt, dass Materie und Energie sich nicht in ein Erleben von etwas transformieren können. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die meisten Wissenschaftler glauben, dass mit Sperma verbundene Eizellen oder verschiedene biochemische Komponenten sich in Leben verwandeln können. Der Buddhismus sagt ausdrücklich, dass sie sich nicht in Leben verwandeln. Wir können uns das auf einer Makro-Ebene oder einer Mikro-Ebene anschauen.

Ein Vergleich der wissenschaftlichen mit den buddhistischen Aussagen in Bezug auf die Makro- und Mikro-Ebenen von Kontinua

Der Wissenschaft zufolge hat sich zunächst das Universum entwickelt und dann ist das Leben entstanden. Materie/Energie hat sich also in ein Erleben von etwas verwandelt. Der Buddhismus nimmt auf der anderen Seite einen sehr viel weiteren Blickwinkel ein als die Wissenschaft. Im Buddhismus wird erläutert, dass sowohl Materie/Energie, als auch das Erleben von etwas, beide keinen Anfang besitzen. In einem bestimmten Universum entwickelt sich die materielle Umgebung zuerst, ähnlich wie bei der wissenschaftlichen Erklärung, und wenn diese Umgebungen sich dann genügend entwickelt hat, so dass sie Leben tragen kann, beginnen individuelle Wesen in dieser Umgebung Wiedergeburt anzunehmen. Gleichfalls in Übereinstimmung mit den Wissenschaften können die in einem bestimmten Universum oder auf einen bestimmten Planeten in diesem Universum zur Verfügung stehenden Lebensformen Darwins Gesetzmäßigkeiten der Evolution folgen. Aber im Buddhismus wird behauptet, dass es zahllose Universen gibt, die generell keinen Anfang besitzen, und dass jedes Universum durch Zyklen der Evolution und Zerstörung geht, wobei diese Zyklen aber jeweils in Phasen verschoben verlaufen. In Bezug auf anfangslose Zeiten können wir nicht behaupten, dass das materielle Universum zuerst da war und sich dann in das Erleben von etwas transformiert hat.

Auf der Mikro-Ebene, der individuellen Ebene, behaupten viele Wissenschaftler, dass die chemischen und elektrischen Prozesse in einem Embryo sich in das Erleben von etwas verwandeln, und dabei die physischen Grundlage zuerst kommt. Aber auch dieser Ansicht widerspricht der Buddhismus: Die elektrochemische Verwandlung in ein Netzwerk von Neuronen bringt kein individuelles, subjektives Erleben von etwas hervor und verwandelt sich auch nicht ein solches Erleben. Eine Abfolge von Momenten elektrochemischer Prozesse und eine Abfolge von Momenten des Erlebens von etwas stellen unterschiedliche Kontinua dar, weil sie Kontinua verschiedener Kategorien von Phänomenen sind. Nichtsdestotrotz haben die zwei Kontinua eine Beziehung miteinander.

Die Beziehung zwischen physischen und geistigen Kontinua

Im Buddhismus wird behauptet, dass ein geistiges Kontinuum stets eine physische Grundlage besitzen muss; das geistige Kontinuum benötigt eine Stütze. Auf der gröbsten Ebene benötigt das geistige Kontinuum einen physischen Körper als Stütze. Die Stütze erschafft jedoch nicht das, was von ihr unterstützt wird. Der Erdboden trägt die Menschen, die auf ihm stehen, aber der Erdboden erschafft die Menschen nicht, die auf ihm stehen und verwandelt sich auch nicht in die Menschen, die auf ihm stehen, oder tut er das?

Vielleicht können wir die Beziehungen zwischen Körper und Geist anhand eines Beispiels verstehen, das zwar nicht besonders präzise ist, aber das dafür sehr gutes Beispiel ist: Ein Glas Wasser. Das Glas stellt den Körper dar und das Wasser repräsentiert den Geist. Nun, das Glas ist als ein Behältnis für ein Glas Wasser notwendig, aber das Glas erschafft das Wasser nicht, oder tut es das? Das Glas entsteht aus seinem eigenen Kontinuum; das Wasser entsteht aus seinem eigenen Kontinuum. Aber man benötigt das Glas, um das Wasser darin zu halten, damit man schließlich ein Glas Wasser erhält, richtig? Und selbst wenn das Wasser nicht im Glas ist, besitzt das Wasser grundsätzlich immer noch eine Art Form, eine Art Gestalt. Das kommt daher, weil es sich immer noch um Materie handelt und daher von den Gravitationskräften und anderen physikalischen Kräften geformt wird.

Wir sprechen also über das „Erleben von etwas.“ Das Erleben von etwas benötigt immer eine Stütze, und diese Stütze ist gewöhnlicherweise die grobe Materie und die Energie eines Körpers, wie wir ihn beispielsweise in der Lebenszeit als Mensch oder als Tier annehmen. Aber es könnte auch einfach irgendeine subtilere Energieform sein, wie wir sie zwischen den Geburten annehmen oder dann, wenn wir als Geist wiedergeboren werden.

Wenn sie ein wenig Wasser nehmen und dieses von einem Glas ins andere gießen, besitzt es eine gewisse Form und Unterstützung in diesem Glas; und besitzt eine gewisse Form und Unterstützung in jenem Glas. Aber Sie würden nicht behaupten, dass das Wasser in der Zeit, in der sie es von einem Glas ins andere Glas gießen, nicht existieren würde, oder? Das Wasser besitzt in der Zeit des Übergangs eine Art subtiler Gestalt, die von den Kräften der Gravitation geformt wird. Dasselbe geschieht auch im Falle eines individuellen Kontinuums des Erlebens von etwas, wenn es von einem Körper zum nächsten übergeht. Man kann nicht sagen, dass es in der Zeit des Übergangs nicht existiert, bloß weil ihm der Behälter eines soliden Körpers fehlt. Der Buddhismus erklärt, dass während der Zeitdauer des Bardos zwischen einem Leben und dem nächsten das individuelle Kontinuum des Erlebens von etwas durch die Kräfte seines individuellen Karmas geformt wird.

Es handelt sich hierbei natürlich nur um eine grobe Analogie, da sowohl das Wasser als auch das Glas Formen physischer Phänomene sind. Das Wasser kann als etwas Körperliches von etwas anderem Körperlichen umfasst werden. Die geistige Aktivität ist hingegen kein physisches Ding, das von einem anderen physischen Objekt umfasst werden kann. Die geistige Aktivität ist das, was das Gehirn und dass Nervensystem tun. Gehirn und Nervensystem mögen vielleicht der geographische Ort für die geistige Aktivität sein, aber die Aktivität selbst ist kein Ding, das im Inneren von Gehirn und Nervensystem sitzt. Erinnern wir uns daran, dass im Buddhismus nicht über einen „Geist“ gesprochen wird, der im Inneren unseres Kopfes als eine Art „Werkzeug“ sitzt, dass wir, als individuelle Wesen, dazu gebrauchen, um etwas zu erkennen. Aber in einem weiteren Sinne können wir sagen, dass der grobe physische Körper als Unterstützung dazu dient, etwas zu erleben.

Unser physischer Körper verändert sich von Augenblick zu Augenblick und bildet ein individuelles Kontinuum. Das physische Kontinuum unseres Körpers in dieser Lebenszeit stellt ein Kontinuum dar; aber das Kontinuum unseres Körpers in einem vergangenen oder in einem zukünftigen Leben, würde ein anderes Kontinuum darstellen, oder nicht? Unser Körper in einer Lebenszeit verwandelt sich nicht in den Körper einer anderen Lebenszeit, sowie das der Fall ist, wenn sich unser Körper, den wir als Kind haben, in den Körper verwandelt, den wir als Erwachsener besitzen. So ist es doch, oder? Aber wie verhält es sich mit unserem geistigen Kontinuum?

Eine Analyse des physischen Kontinuums eines Körpers

Lassen Sie uns den Unterschied zwischen dem physischen Kontinuum eines Körpers und einem geistigen Kontinuum ein bisschen näher betrachten. Als erstes betrachten wir jedes Atom und jede Energieeinheit, wenn ich die Begriffe hier etwas freier verwenden darf, aus denen der Körper in einem bestimmten Moment besteht. Der Körper besteht in jedem Augenblick aus vielen verschiedener Arten von und einer großen Anzahl von Atomen und aus vielen verschiedenen Arten von und einer großen Menge von Energie. Jedes dieser kleinen Teilchen besitzt sein eigenes individuelles, sich ständig veränderndes Kontinuum. Die Kontinua dieser Teilchen, die in einem spezifischen Augenblick im Körper gegenwärtig sind, werden im Körper nur für kurze Zeit gegenwärtig sein. Dann spaltet sich die Abfolge von Momenten jedes einzelnen Teilchens möglicherweise ab und geht seinen eigenen Weg.

Einige dieser Teilchen besitzen möglicherweise ein Kontinuum, das sich über mehrere aufeinanderfolgende Generationen erstreckt. Die miteinander verbundenen Samen- und Eizelle der Eltern verwandeln sich in den Körper eines Fetus, der Körper des Fetus verwandelt sich in den eines Babys; der Körper eines Babys verwandelt sich in den Körper eines Erwachsenen; und ein Teil des Körpers des Erwachsenen, eine Samenzelle oder eine Eizelle, die mit einer Eizelle oder Samenzelle einer anderen Person verbunden wird, verwandeln sich in den Körper eines Menschen der nachfolgenden Generation.

Aber es ist noch weitaus komplizierter. Jedes kleine Teilchen sagen wir ein Kohlenstoff-Atom oder einen Sauerstoff-Atom oder einer Energieeinheit hat vorhergehende Phasen als Teil von etwas anderem. Diese Teilchen sind möglicherweise Teile der Nahrung gewesen, die wir gegessen haben, oder sie waren Teil der Luft, die wir geatmet haben, oder sie waren Teil der Sonnenhitze, die wir auf unserer Haut gespürt haben. Diese Teilchen können auch Teil des Körpers eines anderen Wesens gewesen sein, entweder als ein Stück Fleisch oder als ein Spermium oder eine Eizelle unserer Eltern. Aber diese Teilchen wurden umgewandelt und sind jetzt Teil unseres gegenwärtigen Körpers geworden. Dann werden die Teilchen wiederum zu körperlichen Ausscheidungen oder zu der kinetischen Energie eines Balls, den wir werfen. Das Teilchen könnte auch Teil des Körpers eines anderen Lebewesens werden, d.h. es könnte ein Teil unseres Kindes werden oder eines Wurms, der unseren Leichnam frisst.

Mit anderen Worten: alle diese kleinen Teilchen, aus denen sich unser Körper in irgendeinem gegebenen Augenblick zusammensetzt, kommen von woanders her und verlassen uns wieder, um Teil von jemand oder etwas anderem zu werden. Jedes kleinste Bisschen von Materie/Energie verwandelt sich andauernd. Es kann weder geschaffen, noch zerstört werden, sondern verwandelt sich lediglich. Und jedes kleinste Teilchen hat sein eigenes individuelles Kontinuum, das, ohne einen Anfang oder ein Ende zu besitzen, ewig andauert.

Natürlich handelt es sich hierbei um eine starke Vereinfachung, weil es im Lichte der aktuellen Urknall-Theorie und der derzeitigen Ansichten darüber, wie das gegenwärtige Universum enden wird, nicht so ist, dass das Kontinuum eines bestimmten Kohlenstoff-Atoms keinen Anfang und kein Ende besitzt. Natürlich verändert sich das spezifische Kohlenstoff-Atom in der Abfolge von Momenten des Kontinuums, vor allem, wenn es sich in einer chemischen Reaktion mit anderen Atomen verbindet. Aber ich denke, Sie bekommen einen Idee davon, was ich hier zeigen möchte.

Die Individualität des physischen Kontinuums eines Körpers aufrechterhalten

Unser gegenwärtiger physischer Körper bleibt für eine begrenzte Abfolge von Momenten bestehen als eine vollständige Entität, die ein Anfang und ein Ende besitzt. Und solange er als eine vollständige Entität existiert, behält er seine Individualität bei, was recht bemerkenswert ist. Wie macht der Körper das, wenn sich jedes kleinste Teilchen in jedem Augenblick verändert? Bei den DNS-Atome einer Zelle wenn wir zehn Jahre alt sind, handelt es sich nicht um dieselben Atome, wie bei den Atomen in einer anderen Zelle, wenn wir vierzig Jahre alt sind. Und ganz gewiss sind die Atome des genetischen Codes unserer Eltern nicht dieselben Atome, wie in unserem eigenen genetischer Code.

Alle Zellen unseres Körpers werden andauernd durch neue Zellen ersetzt. Gut, Mediziner würden möglicherweise sagen, dass ein paar Zellen oder Einheiten vom Sperma und der Eizelle unserer Eltern als Teil des Knochenmarks oder etwas ähnlichem erhalten bleiben, und dass sie das ganze Leben lang überdauern. Im Buddhismus wird das sogar auch behauptet. Im Buddhismus werden diese als „weißes Bodhichitta und rotes Bodhichitta“ bezeichnet. Aber keines der anderen kleinen Teilchen des Körpers bleibt von der Empfängnis bis zum Tod vorhanden. Und wenn wir sterben, verwandelt sich sogar die kleinen Teilchen, das wir von unseren Eltern bekommen haben, in etwas anderes. Diese kleinen Teilchen wird dann Teil des Kontinuums von etwas anderem, wie zum Beispiel des Erdbodens oder irgendwelcher anderen Dinge.

Zusammengefasst wird deutlich, dass, wenn wir über unseren Körper sprechen, dieser aus allen möglichen anderen Dingen hervorgeht. Es gibt ein Kontinuum des Körpers als vollständige Entität eine recht merkwürdige Entität aber es gibt ein Kontinuum das für eine begrenzte Zeitspanne existiert nämlich für eine Lebensspanne. Aber all die kleinen Teilchen gehen aus allen möglichen anderen Dingen hervor. Was zu irgendeinem gegebenen Zeitpunkt Teil unseres Körpers ist, ist eigentlich nur für eine begrenzte Zeit Teil des Kontinuums unseres Körpers, aber eigentlich besitzet es sein eigenes Kontinuum es war zuvor Teil von etwas anderem und wird später Teil von etwas anderem sein.

Aber wie steht es mit dem Erleben von etwas, einem geistigen Kontinuum? Handelte sich dabei um eine ähnliche Art von Kontinuum? Das ist eine sehr interessante Frage. Hier kommen wir wirklich zum Thema der Wiedergeburt. Stammt ein Teil unseres geistigen Kontinuums von unseren Eltern und wird einen Teil des geistigen Kontinuums an unsere Kinder weitergegeben, wie bei einer Art genetischem Code? Oder wie funktioniert das?

Analyse eines geistigen Kontinuums

Ein Kontinuum des Erlebens besteht gleichfalls aus vielen Teilen. Ein beliebiger Augenblick kann sich beispielsweise aus folgenden Teilen zusammensetzen: das Betrachten eines Objektes, wie zum Beispiel eines Artikels in einem Kaufhaus, das Interesse an ihm, die Aufmerksamkeit, die man ihm widmet, das Gefallen, das man an ihm findet, dass man sich an dem Artikel erfreut, ihn begehrt und so weiter. All das sind Teile des Erlebens von etwas. Jede dieser Arten des Erlebens von etwas hatte möglicherweise eine Abfolge von Momenten als Teil des individuellen geistigen Kontinuums. In unserem geistigen Kontinuum können wir eine Abfolge von Momenten haben, in denen wir etwas betrachten, in denen wir einer Sache Aufmerksamkeit widmen, in denen wir uns an etwas erfreuen, oder wir etwas begehren. Dieses „Etwas“ kann sich natürlich verändern, wie sich auch der Grad von Aufmerksamkeit, Interesse, Glücksgefühl oder Begehren, das wir empfinden, sich verändern kann. Einige dieser Arten des Erlebens setzen sich selbst dann in einer ununterbrochenen Abfolge weiter fort, wenn wir schlafen, so wie sich zum Beispiel ein gewisser Grad von Glücklichsein, Unglücklichsein oder neutraler Empfindung im Schlaf weiter fortsetzt. Für andere Arten des Erlebens, wie beispielsweise das Begehren, gibt es dazwischen liegende Zeiträume, in denen das Begehren nicht länger greifbar ist. In dieser Zeit setzen sich diese Arten des Erlebens nichtsdestotrotz weiter in unserem geistigen Kontinuum fort, nur eben, so wird es im Buddhismus erläutert, in einer subtileren Form, nämlich als eine Tendenz.

Aber, anders als die Atome unseres Körpers, wird keiner dieser geistigen Bruchstücke jemals eine vorausgehende oder nachfolgende Phase besitzen, in der es Teil des geistigen Kontinuums einer anderen Person ist. Es ist hier nicht so wie bei einem Kohlenstoff-Atom, das zunächst ein Bestandteil unserer Nahrung ist, dann ein Teil unseres Körpers, um dann ein Teil unserer körperlichen Ausscheidung und schließlich Bestandteil des Erdbodens zu werden. Es ist nicht so, dass das Glücksgefühl, das wir empfinden, wenn wir uns einen Kinofilm anschauen, zuvor ein Bestandteil des Kontinuums des Glücksgefühls einer anderen Person war, bevor wir dieses Glücksgefühl empfunden haben und, dass dieses Glücksgefühl dann später ein Teil des Kontinuums des Glücksgefühls eines weiteren Menschen wird. Es ist nicht so, dass das Glücksgefühl eines anderen Menschen irgendwann aufhört, sein Glücksgefühl zu sein, dann in uns eindringt und sich in uns für eine Zeit lang als unser Glücksgefühl fortsetzt, um uns dann schließlich wieder zu verlassen und das Glücksgefühl einer anderen Person zu werden. Das Glücksgefühl unterscheidet sich also sehr deutlich von der physischen Materie, aus der unser Körper besteht, nicht wahr? Eine Art und Weise des Erlebens von etwas stammt also nicht von unseren Eltern oder irgendwelchen anderen Menschen.

Wir könnten sagen, dass unsere Fähigkeit, etwas individuell zu erleben, aus der Tatsache folgt, dass unsere Eltern ebenfalls dazu in der Lage waren, etwas individuell zu erleben. Das könnten wir sagen. Aber, dass wäre so als würden wir sagen, dass wir, nur weil unsere Eltern es erfahren haben am Leben zu sein, wir es auch erfahren können zu leben. Es ist zwar wahr, dass wir, wenn unsere Eltern es nicht erlebt hätten zu leben und ein Körper zu besitzen, wir es auch nicht erleben könnten, am Leben zu sein und ein Körper zu haben. Aber das ist eine bedeutungslose Binsenweisheit. Das ist nicht das, worüber wir reden, wenn wir geistige Kontinua analysieren.

Das Glücksgefühl, das wir erleben, während wir uns einen Kinofilm anschauen das subjektive, individuelle Glücksgefühl, das erlebt wird ist lediglich der nachfolgende Zeitabschnitt eines vorausgehenden Zeitabschnitts des Erlebens von Glücklichsein innerhalb desselben geistigen Kontinuums. Das Glücksgefühl kann lediglich ein Teil der Abfolge von Momenten innerhalb eines Kontinuums sein! Es stammt nicht aus dem geistigen Kontinuum unserer Eltern und wird auch nicht an das geistige Kontinuum unseres Kindes weitergegeben. Es kann sich lediglich so verhalten, dass das Glücksgefühl innerhalb eines individuellen geistigen Kontinuums sein eigenes Kontinuum besitzt genau dieser Punkt ist hier wirklich wichtig.

Zudem ist unser Erleben des Glücklichseins individuell und subjektiv, genauso wie es beim Erleben der Dinge im Allgemeinen der Fall ist. Wir können aus der Erfahrung eines anderen Menschen lernen, aber unser individuelles, subjektives Erleben des Wetters wird nicht zum individuellen, subjektiven Erleben des Wetters einer anderen Person. Es handelt sich hierbei lediglich um einen anderen Augenblick unseres eigenen individuellen, subjektiven Erlebens des Wetters.

Aus diesem Grund ist es so, dass, wenn wir über das „individuelle geistige Kontinuum“ sprechen, dieses sich nicht aus einem Körper entwickelt hat mit anderen Worten von Materie und Energie stammt. Jeder Moment unseres individuellen geistigen Kontinuums muss aus einem vorhergehenden Moment des individuellen, subjektiven Erlebens v stammen. Es kann auch nicht aus dem individuellen, subjektiven Erleben eines anderen Menschen kommen, wie beispielsweise aus dem Erleben unserer Eltern. Es kann lediglich Teil des Kontinuums unseres eigenen individuellen, subjektiven Erlebens sein.

Kann ein geistiges Kontinuum einen absoluten Anfang und ein absolutes Ende besitzen?

Wir haben begründet, dass ein individuelles geistiges Kontinuum lediglich aus etwas entstehen kann, was zu der gleichen Kategorie von Phänomen gehört. Obwohl ein geistiges Kontinuum das physische Kontinuum eines Körpers zu seiner Unterstützung benötigt, so ist doch das physische Kontinuum eines Körpers lediglich eine Bedingung für ein geistiges Kontinuum wenn auch eine notwendige Bedingung. Das physische Kontinuum ist nicht die unmittelbar vorhergehende Ursache, die sich in ein geistiges Kontinuum verwandelt. Auch haben wir begründet, dass ein individuelles geistiges Kontinuum nicht aus dem individuellen geistigen Kontinuums von jemand anderem stammen kann. Es muss aus sich selbst heraus stammen und muss sich aus sich selbst heraus fortsetzen.

Die wesentliche Frage, die jetzt noch offen bleibt, ist, ob ein individuelles geistiges Kontinuum einen absoluten Anfang haben kann oder nicht unabhängig davon, ob dieser absolute Anfang in dem Augenblick der Empfängnis zu setzen ist oder zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich der Embryo ausreichend entwickelt hat, um die geistige Aktivität unterstützen zu können und ob das individuelle geistige Kontinuum ein absolutes Ende besitzen kann oder nicht. Wegen dieser beiden Fragen ist die Erörterungen über das Konzept der Wiedergeburt eng mit der Diskussion über Ursache und Wirkung und Leerheit verbunden. Kann der erste Moment eines geistigen Kontinuums, der ursächlich den zweiten Moment entstehen lässt, aus überhaupt keiner Ursache heraus entstehen? Und kann der letzte Moment eines geistigen Kontinuums, der als Ergebnis des vorhergehenden Moments entstanden als, keinen nächsten Moment entstehen lassen? Kann es eine Ursache geben, die nicht die Wirkung einer vorhergehenden Ursache ist, und kann es eine Wirkung geben, die nicht die Ursache einer späteren Wirkung ist? Diese Fragen müssen wir logisch analysieren, um Wiedergeburt verstehen zu können.

Außerdem, wenn eine physische Grundlage nicht die Ursache eines geistigen Kontinuums sein kann und wenn jeder Moment des geistigen Kontinuums nicht aus dem vorhergehenden Moment desselben Kontinuums entsteht und jeder Moment des geistigen Kontinuums den nächsten Moment entstehen lässt, was wäre dann in die Alternative? Wäre die Alternative, dass sich ein absolutes „Nichts“ an einem absoluten Anfang in einen absolutes „Etwas“ verwandelt? Und dass sich ein absolutes „Etwas“ bei einem absoluten Ende in ein absolutes „Nichts“ verwandelt? Mit anderen Worten: Verwandelt sich ein nichtexistentes geistiges Kontinuum an einem absoluten Anfang in ein existentes geistiges Kontinuum, und verwandelt sich ein existierendes geistiges Kontinuum an einem absoluten Endpunkt in ein nichtexistentes geistiges Kontinuum? Das sind wichtige Fragen, die wir beantworten müssen, wenn wir über die ethischen Implikationen von Themen wie Abtreibung, Selbstmord und Euthanasie nachdenken wollen.

Der Buddhismus beantwortet all diese Fragen, indem er aussagt, dass es keinen absoluten Anfang und kein absoluten Endpunkt eines geistigen Kontinuums geben kann. In gleicher Weise wie die Wissenschaft behauptet, dass Materie und Energie weder geschaffen noch zerstört werden können, sondern lediglich transformiert werden können, so wird im Buddhismus behauptet, dass die individuelle geistige Aktivität weder geschaffen noch zerstört werden kann, sondern lediglich transformiert werden kann.

Erinnern wir uns daran, dass das physische Kontinuum eines Körpers oder eine gewisse subtile Energie, wie wir sie im Zustand zwischen zwei Lebzeiten finden lediglich eine notwendige unterstützende Bedingung für ein geistiges Kontinuum ist, und nichts weiter. Nun mögen die Funktionen eines spezifischen Körpers ein geistiges Kontinuum für eine gewisse Zeit unterstützen. Aber wenn dieser spezifische Körper aufhört zu funktionieren und das bestimmte geistige Kontinuum nicht mehr genügend unterstützen kann, dann, so wird es im Buddhismus erklärt, wird sich dieses geistige Kontinuum mit einer anderen physischen Grundlage fortsetzen zuerst mit einem subtiler Körper und später dann mit einem anderen groben Körper. Das geistige Kontinuum hört nicht einfach auf, wenn seine gegenwärtige physische Grundlage aufgehört hat zu funktionieren, weil diese physische Stütze eines geistigen Kontinuums nicht die Ursache dafür ist, dass sich das geistige Kontinuum fortsetzt. Als eine Form von Materie/Energie, ist die physische Unterstützung des geistigen Kontinuums lediglich die unterstützende Bedingung, wie wir gerade dargelegt haben. Die Ursache dafür, dass ein geistiges Kontinuum einen anderen Moment seiner selbst erzeugt, muss eine Art des Erlebens von etwas sein, die Teil desselben Kontinuums ist. Eine andere Erklärung ergibt keinen Sinn.

Das Sich-Fortsetzen eines individuellen geistigen Kontinuums

Gemäß der buddhistischen Erläuterung, veranlassen drei Arten des Erlebens von etwas ein individuelles geistiges Kontinuum dazu, den nächsten Moment seiner samsarischen Phase zu erzeugen; und zwar geschieht das entweder ganz allgemein oder zum Zeitpunkt des Todes im Besonderen. Diese sind (1) Begierde, (2) ein herbeiführende störende Emotion oder Geisteshaltung und (3) ein karmischer Impuls oder Drang, aus der sich die weitere Existenz ergibt normalerweise übersetzt als „Begierde“, „Greifen“ und „Werden“. Hierbei handelt es sich um drei der zwölf Glieder des abhängen Entstehens, einem tiefgründigen Thema, das den Mechanismus von Samsara erklärt, d. h. die sich unkontrollierbar wiederholende Wiedergeburt.

Zunächst einmal gibt es die störende Emotion der Begierde, die sich auf der Empfindung eines gewissen Grades an Glücklichsein gründet. Begierde heißt hier entweder: (1) Begierde danach, nicht von dem gewöhnlichen Glück, das wir gegenwärtig erleben, getrennt sein zu wollen, oder (2) Begierde darnach, vom Schmerz oder der Unzufriedenheit, die wir gegenwärtig erleben, getrennt sein zu wollen oder (3) Begierde danach, dass eine neutrale Empfindung, die wir gegenwärtig erleben, überdauert und nicht nachlässt. Wie schon zuvor bei unserer allgemein Erörterungen des Erlebens von etwas erläutert, muss die Begierde nicht bewusst sein. Wenn wir schlafen oder selbst wenn wir uns im Koma befinden, erfahren wir möglicherweise immer noch die unbewusste Begierde danach, dass die neutrale Empfindung, die wir gegenwärtig erleben, nicht nachlassen möge.

Auf Grundlage des Erlebens von Begierde folgen darauf hin eine oder mehrere unterschiedliche Arten herbeiführender störender Emotionen und Geisteshaltungen. Sie werden als „Herbeiführer“ oder „herbeiführend“ bezeichnet, weil sie für uns eine weitere Existenz herbeiführen, in der wir mit einem Körper und einem Geist ausgestattet sind, die befleckt sind von der Unwissenheit über die Wirklichkeit. Der grundlegendste „Herbeiführer“ ist eine verblendete Auffassung über unseren Körper und Geist, mit der wir ein scheinbar solides „Ich“ identifizieren, und zwar mit einem Aspekt oder mehreren Aspekten der beiden, oder indem wir sie als wahrhaftig „mein“ betrachten. So identifizieren wir uns zum Beispiel möglicherweise mit unserem Körper oder unseren Verwandten und wollen, darauf basierend, niemals von ihnen getrennt sein.

Begierde und eine herbeiführende störende Emotion oder Geisteshaltung erzeugen einen karmischen Impuls oder Drang, der eine weitere Existenz erschafft. Das ist ein bisschen so wie ein Überlebensdrang: Dieser karmische Drang erzeugt ein weiteres Leben, indem er die karmischen Hinterlassenschaft unserer zuvor ausgeübten karmischen Handlungen aktiviert. „Karmische Hinterlassenschaft“ bezieht sich auf die karmischen Potenziale, Tendenzen und ständigen Gewohnheiten, die unserem geistigen Kontinuum zurechenbar sind. Konsequenterweise erzeugt unser geistiges Kontinuum einen nachfolgenden Moment von sich selbst, zum Beispiel den ersten Moment des nächsten Lebens. Der Kürze halber wollen wir diesen „Drang nach weiterer Existenz“ als „Überlebensdrang“ bezeichnen.

Wir können einmal darüber nachdenken, dass es äußerst schwierig ist, sich selbst dadurch zu ertränken, indem wir unseren Kopf in ein mit Wasser gefülltes Waschbecken tauchen. Warum ist das so? Das ist deshalb so, weil wir automatisch instinktiv unseren Kopf wieder aus dem Wasser herausnehmen. Im Westen wird das möglicherweise vermittels des Überlebensinstinktes oder des Überlebensreflexes erklärt. Im Buddhismus wird das an Hand der drei Arten des Erlebens der Dinge erläutert der Begierde, einer herbeiführen Emotion oder Geisteshaltung und einem Überlebensdrang.

In der samsarischen Phase eines geistigen Kontinuums bedingen dann gewisse störende Emotionen und Geisteshaltungen und karmische Dränge die Fortsetzung des Kontinuums. In der nirvanischen Phase des geistigen Kontinuums, wenn das Kontinuum aller störenden Emotionen und Geisteshaltungen, wie auch der karmischen Dränge, die Teile des geistigen Kontinuums waren, zu einem Ende gekommen sind, verursachen zwei andere Aspekte des Erlebens der Dinge, die Teil der geistigen Ursachen des Kontinuums sind, ein fortgesetztes Erzeugen weiterer Momente. Bei diesen beiden Aspekten handelt es sich, insbesondere Bezug nehmend auf die erleuchteten Phase eines geistigen Kontinuums, um (1) unbeflecktes großes Mitgefühl, das darauf ausgerichtet ist, allen Wesen dabei zu helfen, sich von ihren Leiden zu befreien und (2) um den erleuchtenden Einfluss, den ein Buddha ausübt, um den Wesen zu helfen, ihre Befreiung zu erlangen dieser Aspekt wird manchmal auch mit „Buddha-Aktivität“ übersetzt.

Zusammenfassung der Logik, die hinter der Selbst-Aufrechterhaltung eines geistigen Kontinuums steht

Lassen Sie uns die sich hinter diesen Punkten befindliche Logik zusammenfassen, welche die Aufrechterhaltung eines geistigen Kontinuums, zum Beispiel in Bezug auf die samsarischen Phase, betrifft. Wenn der Moment eins eines geistigen Kontinuums den Moment zwei erzeugt, und der Moment zwei den Moment drei erzeugt, weil Moment eins und zwei beide Begierde, einen „Herbeiführer“ und einen Überlebensdrang besitzen warum sollte dann nicht der Moment drei den Moment vier erzeugen? Der Moment drei muss den Moment vier im Kontinuum erzeugen, weil der Moment drei ebenfalls Begierde, einen „Herbeiführer“ und einen Überlebensdrang beinhaltet. Das muss selbst dann der Fall sein, wenn Moment drei der Augenblick des Todes ist. Es ergibt logisch überhaupt keinen Sinn, wieso Ursache und Wirkung über die gesamte Abfolge von Momenten eines Kontinuums hindurch ihre Wirkung zeigen sollten, aber im ersten und letzten Moment keine Wirkung haben sollten.

Gleichermaßen endet das Mitgefühl eines Buddha niemals. Denn wenn jeder Moment eines geistigen Kontinuums während seiner erleuchteten Phase großes Mitgefühl für alle Wesen besitzt, dann gibt es keinen Grund dafür, warum jeder einzelne Moment nicht einen nächsten Moment erzeugen sollte.

Erinnern wir uns daran, dass wir hier nicht über das physisches Kontinuum des Körpers sprechen. Selbst nach dem Tod wird sich das physische Kontinuum der Atome des Körpers fortsetzen, obwohl der Körper nicht länger als Stütze des geistigen Kontinuums dienen kann. Aber ebenso wie das physische Kontinuum eines Spermiums und einer Eizelle sich nicht in ein geistiges Kontinuum verwandeln können oder auch kein geistiges Kontinuum erzeugen können, so kann sich auch ein geistiges Kontinuum nicht in das physische Kontinuum eines Leichnams verwandeln oder dieses entstehen lassen. Wie wir bereits diskutiert haben, muss ein geistiges Kontinuum ein Kontinuum derselben Kategorie von Phänomen bleiben.

Die Individualität eines geistigen Kontinuums

Wenn wir sagen, dass wir einen individuelles geistiges Kontinuum besitzen eine Abfolge von Momenten des Erlebens und dieses Kontinuum subjektiv ist, was meinen wir damit? Gibt es auf Seiten des geistigen Kontinuums oder auf Seiten des unterstützenden physischen Kontinuums etwas das auffindbar ist? Etwas, das dem Kontinuum seine individuelle Identität gibt oder ihm seine Identität durch seine eigene Kraft verleiht? Kann es die Persönlichkeit sein, ein Fingerabdruck oder eine DNS sein, die als eine individuell definierende charakteristische Eigenschaften das Kontinuum zu „mir“ macht?

Nun, all die Atome und Fingerabdrücke verändern sich das ganze Leben hindurch, ebenso wie all die Atome der DNS in den Zellen. Wir können eine medizinische Operation durchführen lassen, bei der unsere Fingerabdrücke verändert werden; wir können eine Gen-Therapie machen, die unsere DNS abwandelt; wir können unsere Persönlichkeit durch eine intensive Therapie oder ein intensives Meditations-Training verändern; oder unserer Persönlichkeit wird durch eine Demenz-Krankheit verändert. Was könnte dann diese auffindbare, definierende charakteristische Eigenschaft sein? Für den Buddha war das ein äußerst wichtiger Punkt: Es gibt auf Seiten des Geistes oder des Körpers nichts Auffindbares, das solide und substantiell ist, sich niemals verändert, unabhängig von allem anderen ist, und das aus seiner eigenen Kraft heraus, durch sich selbst, unsere individuelle Identität begründen könnte. Und doch: Sie sind nicht ich, und ich bin nicht Sie. Jedes Lebewesen ist ein Individuum. Wie kann das sein?

Es gibt zwei Modelle dafür, wie ein zeitliches Kontinuum existieren könnte und seine Identität weiterhin beibehalten kann: das Förderband-Modell und das Kinofilm-Modell. Der Buddhismus weist das Förderband-Modell zurück, in dem das zeitliches Kontinuum eines soliden, substantiellen, unveränderlichen, beständigen „Ichs“, das von einem Moment zum nächsten wandert von einem Moment des Erlebens zum nächsten Moment des Erlebens geht wie ein Gepäckstück, das sich auf dem Gepäckförderband eines Flughafens befindet. Es ist nicht so, dass dasselbe identische „Ich“ jetzt diese Erfahrung macht und im nächsten Augenblick wiederum jene Erfahrung: „Hier ist ein Bild von ‚mir’ in Rom; hier ist ein Bild von ‚mir’ in Indien“, wie ein Koffer, der das zeitliche Förderband des Lebens entlang wandert. So ist es nicht, trotz der Tatsache, dass die meisten von uns denken, dass es sich so verhält und es sich ja auch so anfühlt, als wäre es so. Daher glauben wir bedauerlicherweise, in Verbindung mit der Unwissenheit über die Wirklichkeit, dass dieses Arbeitsmodell wahr sei.

Das wirklichkeitsgetreuere Modell ist das eines Kinofilms. Erinnern wir uns daran, dass wir bei der Analogie des Kinofilms darüber sprechen, was auf der Leinwand gezeigt wird, also über das, was wir sehen. Wir sprechen nicht über den Plastikstreifen. In dem, was wir sehen, gibt es nichts Festes; alles ändert sich von Moment zu Moment. Wir können den Film bezeichnen, wir können ihm einen Namen geben und ihn „Krieg der Sterne“ nennen. Aber der Kinofilm ist nicht der Titel des Films, und doch existiert der Kinofilm konventionell. Der konventionell existierende Kinofilm ist das, worauf sich der Titel bezieht. Auf Seiten des konventionell existierenden Kinofilms gibt es nichts Auffindbares, das seine individuelle Identität als „Krieg der Sterne“ aufrechterhält. Der Titel erscheint nicht mit jedem Bild, das gezeigt wird. Der Kinofilm behält seine individuelle Identität als „Krieg der Sterne“ bei, einfach auf Grund seiner Bezeichnung als „Krieg der Sterne“, die ihm in gültiger Weise zugeschrieben werden kann. Und er behält diese Identität bei, unabhängig davon wo oder wann er auf eine Filmleinwand projiziert wird und welche Kopie verwendet wird. Das ist ziemlich bemerkenswert, oder nicht?

Ebenso können wir dieses geistige Kontinuum des subjektiven Erlebens als „Ich“ bezeichnen, aber es gibt kein solides, auffindbares „Ich“ innerhalb dieses geistigen Kontinuums, oder innerhalb des Kontinuums seines ihn unterstützenden Körpers, das dieses Kontinuum zu einem „Ich“ macht. Alles was vorhanden ist, ist ein individuelles, subjektives Erleben , das als „Ich“ bezeichnet werden kann. Dieses „Ich“ bezieht sich auf das konventionell existierende „Ich“. Und dieses individuell existierende „Ich“ behält seine individuelle Identität bei, unabhängig davon, an welchem Ort es handelt, was es tut, und wann es etwas tut, und sogar unabhängig von dem jeweiligen Körper mit dem das konventionelle „Ich“ etwas tut. Es sei nochmals gesagt: Das konventionelle „Ich“ behält seine individuelle Identität als „Ich“ einfach durch die Kraft der Bezeichnung als „Ich“ bei, die ihm gültiger Weise zugeschrieben werden kann. Aber um das tiefergehend zu verstehen, müssen wir den Unterschied zwischen einem konventionellen „Ich“ und einem falschen „Ich“ abklären.

Das konventionelle „Ich“ und das falsche „Ich“

Wir existieren konventionell. Es ist mit Sicherheit wahr, dass ich hier sitze; ich schreibe diese Seite hier; ich lese diese Seite. Das macht nicht irgendjemand anderes, der nicht „Ich“ ist; und es ist auch nicht so, dass es dort niemanden gibt, der das tut. Wie auch immer, für die Zeitdauer der unerleuchteten Phrase eines Kontinuums des individuellen und subjektiven Erlebens, tritt das geistige Kontinuum jedoch automatisch mit einem Gefühl oder einer Wahrnehmung eines soliden, unwandelbaren, beständigen „Ichs“ auf, das von der Handlung des Erlebens von etwas getrennt ist und als dasjenige existiert, dass die Dinge erlebt. Instinktiv fühlt es sich so an als ob „Ich etwas erlebe.“ „Ich habe gerade eine schreckliche Zeit hinter mir.“ „Ich habe gerade eine wunderbare Mahlzeit genossen.“ Es fühlt sich wirklich so an, nicht wahr? Es fühlt sich so an, als ob wir ein Gepäckstück wären, das sich auf dem Förderband der Zeit entlang bewegt.

Aber obwohl es sich so anfühlt, als ob es ein solides „Ich“ in uns drinnen gäbe wenn wir hier dieses recht merkwürdige Bild benutzen wollen gibt es dergleichen dort in Wirklichkeit überhaupt nicht. Was wir empfinden, ist lediglich eine verwirrende Empfindung. Basierend auf der Empfindung, dass ich ein solides „Ich“ bin, glauben wir jedoch, bevor wir die Erleuchtung erlangen, dass das, was wir fühlen, mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Mit weiterer Unwissenheit und Verwirrung entsteht dann das Gefühl, dass “Ich“, um dieses „Ich“ abzusichern, um dieses „Ich“ herum Dinge sammeln und besitzen muss, die dieses „Ich“ mag, und dass „Ich“ die Dinge loswerden muss, die „Ich“ nicht mag. Infolgedessen erleben wir sehnsüchtiges Verlangen, Gier, Feindseligkeit und Ärger als Teil unseres geistigen Kontinuums des Erlebens von etwas. Auf Grundlage dieser störenden Emotionen agieren wir diese zwanghaft aus und „Bums“ – was bekommen wir dann? Wir erleben das ganze Elend von Samsara, d.h. das ganze Elend der mit Problemen gefüllten sich unkontrolliert wiederholenden Wiedergeburt.

Solch ein „Ich“ ein solides, auffindbares „Ich“ bezieht sich jedoch nicht auf etwas wirklich Existierendes. Das Gefühl, dass wir als ein solides, auffindbares „Ich“ existieren, ist bekannt als „dualistische Erscheinung“. Die Erscheinung ist in dem Sinne dualistische, dass sie nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, weil es so etwas wie einen auffindbares „Ich“ nicht gibt. Das auffindbare „Ich“ ist als „falsches ‚Ich’“ bekannt, und in Bezug auf ein konventionell existierendes „Ich“ gilt: Dessen vollständiges Nichtvorhandensein der Existenz als ein falsches „Ich“, ist als „Leerheit“ (Leere) des konventionellen „Ich“ bekannt.

Dem konventionellen „Ich“ fehlt jegliche solide Identität

Es ist nicht nur so, dass es auf Seiten des geistigen oder physischen Kontinuums so etwas wie ein auffindbares „Ich“ gar nicht gibt, das auffindbare, definierende Eigenschaften besitzt, die aus ihrer eigenen Kraft heraus unsere Identität als ein individuelles „Ich“ begründen. Sondern es ist sogar so, dass dem konventionellen „Ich“ jegliche feste, dauerhafte, unveränderliche Identität fehlt. Das konventionellen „Ich“ hat keine festgelegte, dauerhafte, unveränderliche Identität als ein Mensch, als ein Mann, als eine Frau, als ein Insekt oder ein Fisch, als ein Mexikaner, als ein Deutscher oder als ein Inder. Es gibt auf Seiten des konventionellen „Ich“ keine auffindbaren, definierenden Eigenschaften, die das „Ich“ dazu bringt, eine feste Identität als Mensch und so weiter zu besitzen.

Dennoch gibt es ein konventionelles „Ich“ und dieses „Ich“ ist individuell. Es unterhält eine individuelle konventionelle Identität durch eine vernünftige Abfolge von Bilderrahmen des Erlebens von etwas. Ein Kinofilm behält seine konventionelle Identität durch die Tatsache bei, dass es eine geordnete Handlung gibt. Die Abfolge der Bilder und Szenen ergibt einen Sinn. Genauso ist es bei dem individuellen subjektiven Erleben von etwas. Die geordnete Kontinuität seiner „Szenen“ wird durch sein individuelles Karma beibehalten wobei es natürlich Wechselwirkungen mit dem Karma aller anderen Wesen und den physischen Dynamiken des Universums gibt. Aber auch das Karma ist nicht auf Seiten des geistigen Kontinuums und auch nicht auf Seiten der dieses Kontinuum unterstützenden physischen Grundlage auffindbar ebenso wie die Geschichte eines Kinofilms nicht in jedem einzelnen Bild des Kinofilms auffindbar ist.

Also, was ist das für eine Sache, die dieses „Ich“ als ein individuelles „Ich“ etabliert? Alles, was wir darüber sagen können, ist dann, dass das, was das „Ich“ als ein individuelles „Ich“ begründet, lediglich die Tatsache ist, dass die Bezeichnung „Ich“ sich auf das individuelle „Ich“ bezieht, und zwar auf Grundlage seiner gültigen Zuschreibung auf eine individuelle geordnete Abfolge von Momenten des subjektiven Erlebens von etwas. Das ist trotz der Tatsache der Fall, dass es auf Seiten des Kontinuums der Momente oder auf Seiten der geordneten Abfolge, die das „Ich“ zum „Ich“ macht, nichts Auffindbares gibt. Mit anderen Worten, abgesehen von einem „Ich“, was das ist, worauf sich eine gültig zugeschriebene geistige Etikettierung bezieht, gibt es nichts Auffindbares, von dem wir sagen könnten, dass es unsere individuelle Identität als „Ich“ begründet. Das ist ebenso, wie auf Seiten des Kontinuums der Momente eines Kinofilms oder auf Seiten der Handlung, die den Kinofilmen als „Krieg der Sterne“ etabliert, nichts Auffindbares zu finden ist. Was den Kinofilm „Krieg der Sterne“ begründet, ist lediglich die Tatsache, dass die Bezeichnung „Krieg der Sterne“ sich auf den Kinofilm „Krieg der Sterne“ bezieht, und zwar auf Grundlage einer auf ihn bezogenen gültigen Zuschreibung auf seine individuelle geordnete Abfolge von Filmszenen.

Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, wenn man das individuelle „Ich“ im Sinne einer bloßen geistigen Bezeichnung versteht

All das ist zugegebenermaßen extrem schwer zu verstehen. Aber es ist äußerst tiefgründig, denn selbst wenn wir diese Punkte nur ein bisschen verstehen, können wir damit beginnen, individuelle Wesen sowohl hinsichtlich dessen zu betrachten, was sie zurzeit konventionell sind, als auch hinsichtlich dessen, was sie als geistige Kontinua sind. Wir betrachten ein Wesen nicht mehr einfach als „Mensch“ oder „Insekt“, oder als „meinen Onkel Fred“ oder „Fifi den Pudel“, oder als „männlich“ oder „weiblich“, oder als ein Wesen diesen oder jenen Alters. Wir sehen sie auch als ein individuelles „Ich“, das gültig auf ein individuelles geistiges Kontinuum zugeschrieben ist, das, aufgrund der Funktionsweise des Karma, gegenwärtig mit einem Bündel von Atomen in dieser körperlichen Form verbunden ist. Es ist von zentraler Bedeutung diesen Punkt zu verstehen, um die buddhistische Erklärung der Wiedergeburt begreifen zu können.

Wenn wir hier von Wiedergeburt sprechen, reden wir nicht über ein solides „Ich“ mit einer festgelegten, soliden Identität, die eine Wiedergeburt annimmt. Es ist nicht so, dass „Alex“ jetzt als „Fifi der Pudel“ wiedergeboren wird. Wir sprechen hier eher über einer Abfolge von Momenten des Erlebens, die auf der Grundlage von Karma der Handlung einer Geschichte folgt, und die sich über zahllose Lebzeiten erstreckt. Während dieser bestimmten Anzahl an Szenen setzt sich die Abfolge von Momenten dadurch fort, dass sie vom physischen Kontinuum dieses einen bestimmten menschlichen Körpers unterstützt wird. Und dieses physische Kontinuum wird natürlich durch das individuelle physische Kontinuum all der Atome und Energien, die ein und austreten, aufrechterhalten.

Das konventionelle „Ich“ wird zeitweise mit dem Namen „Alex“ bezeichnet, und „Alex“ bezieht sich gültig auf das konventionelle „Ich“, solange dieses gültig auf das Kontinuum der physischen Grundlage zugeschrieben werden kann. Der Buddhismus hat das nie geleugnet. Aber nach einiger Zeit wird das geistige Kontinuum möglicherweise von der Grundlage des physischen Kontinuums eines Hundekörpers unterstützt. Für die Zeitdauer dieser Phase des individuellen geistigen Kontinuums, könnte das konventionelle „Ich“ gültig als „Fifi“ bezeichnet werden. Und „Fifi“ wird dann die konventionell richtige Bezeichnung sein, die sich auf das konventionelle „Ich“ bezieht, mit dem dieses individuelle geistige Kontinuum dann bezeichnet sein wird.

Der folgende Punkt ist noch tiefgründiger: Das individuelle geistige Kontinuum kann, unabhängig von irgendeiner spezifischen Wiedergeburt, und unabhängig davon, mit welchem Namen man diese Wiedergeburt zeitweilig bezeichnet, gültig als ein individuelles „Ich“ bezeichnet werden, das weder einen Anfang hat, noch ein Ende.

Das ist es, worüber im Buddhismus gesprochen wird, wenn es um das Thema Wiedergeburt geht: Es gibt nichts Festes, das sich von Lebenszeit zu Lebenszeit weiter fortsetzt. Nichtsdestoweniger existieren trotz dieser Tatsache konventionell individuelle Kontinua des subjektiven Erlebens. Meine Erfahrung von etwas ist nicht Ihre Erfahrung derselben Sache; und „Ich“ bin nicht „Du“.

Zusammenfassung

Es gibt hier also einen sehr wichtigen Unterschied dazwischen, ob man eine dauerhafte Identität hat und ob man individuell ist. Ich bin nicht Du. Mein Erleben von etwas entspricht nicht dem, wie meine Eltern etwas erleben. Ein geistiges Kontinuum des Erlebens ist individuell und subjektiv, und es erstreckt sich über unzählige Lebzeiten hinweg, ohne dabei einen Anfang oder ein Ende zu besitzen. Darüber hinaus ist ein Kontinuum des Erlebens nicht darauf fixiert, dass man ein Mensch ist, oder dass man eine Frau ist, oder eine Kakerlake. Dennoch ist das geistige Kontinuum individuell, und das physische Kontinuum einer spezifischen Art von Körper, welche das geistige Kontinuum in irgendeiner spezifischen Lebensspanne unterstützt, ist das Ergebnis von Karma das Ergebnis davon, wie wir als Antwort darauf, was wir erleben, handeln.

Wenn wir also über die Wiedergeburt sprechen, wie wir sie hier erläutert haben, stellt sich die Frage, was es eigentlich ist, das sich von Lebenszeit zu Lebenszeit fortsetzt? Es handelt sich dabei um das individuelle subjektive Erleben, mit einem individuellen, konventionellen „Ich“, als das, was darauf zugeschrieben werden kann, um das konventionelle „Ich“ organisieren zu können und um sich darauf beziehen zu können. Es handelt sich hier nicht so sehr um die Bezeichnung „Ich“ selbst, sondern vielmehr darum, worauf sich die Bezeichnung „Ich“ bezieht.

Zusätzliche Details aus der Darstellung des Themas Wiedergeburt im Anuttarayoga-Tantra

Wenn wir uns die Erläuterungen der höchsten Tantra-Klasse anschauen, dem Anuttarayoga-Tantra, so wird dort über verschiedene Ebenen des Erlebens von etwas gesprochen. Und in diesem Kontext wird über die subtilsten Ebenen des Erlebens gesprochen. Die subtilste Ebene des Geistes wird gewöhnlicherweise als der „Geist des klaren Lichts“ bezeichnet. Zudem gibt es dort die subtilste lebensunterstützende Energie, welche das subtilste physische Kontinuum ist, die das Erleben von etwas unterstützt. Der subtilste Geist und die subtilste Energie sind untrennbar miteinander verbunden. Es handelt sich dabei in Wirklichkeit um zweierlei Arten, dasselbe Phänomen zu beschreiben aber das ist vielleicht ein bisschen zu kompliziert, um darauf jetzt einzugehen.

Letztendlich handelt es sich bei dem, was sich ohne Anfang und ohne Ende weiter fortsetzt, um Folgendes: Ein individuelles Kontinuum der subtilsten Ebene des Erlebens von etwas, untrennbar von einem individuellen Kontinuum der subtilsten lebensunterstützenden Energie und einem individuellen Kontinuum eines konventionell „Ichs“, das auf dessen Abfolge von Augenblicken zugeschrieben ist.

Obwohl die Kontinua dieser drei sich ohne Anfang und ohne Ende fortsetzen, gibt es Kontinua von einigen anderen Dingen, die auch ohne einen Anfang sind. Aber diese Kontinua können ein Ende besitzen. Es handelt sich dabei um ein individuelles Kontinuum der Unwissenheit oder Verwirrung über die Wirklichkeit und ein individuelles Kontinuum der karmischen Hinterlassenschaften, die von den vollzogenen Handlungen stammen, welche von störenden Emotionen und Geisteshaltungen motiviert gewesen sind, die wiederum aus der Verwirrung heraus entstanden sind. Das Kontinuum der Verwirrung ist ein Kontinuum einer Art die Dinge zu erleben; wohingegen ein Kontinuum karmischen Hinterlassenschaften nämlich die karmischen Potenziale, Tendenzen und die dauerhaften Gewohnheiten ein Kontinuum von etwas ist, das auf ein geistiges Kontinuum zugeschrieben ist, so wie es bei einem Kontinuum eines konventionellen „Ichs“ der Fall ist.

Die Kontinua der Verwirrung und der karmischen Hinterlassenschaften können zu einem Ende kommen, weil es für das Erleben möglich ist, dass dieses kontinuierlich von einem korrekten Verständnis der Wirklichkeit begleitet wird. Ein richtiges Verständnis und einen falsches Verständnis der Realität schließen sich gegenseitig aus. Sie können nicht zur selben Zeit in einem Moment des geistigen Kontinuums existieren. Und da ein richtiges Verständnis die Rückenstärkung der Logik besitzt, kann das ungebrochene Kontinuum eines richtigen Verständnisses ein anfangsloses Kontinuum der Verwirrung ersetzen, und zwar in der Weise, dass die Verwirrung niemals wieder auftaucht.

Weil die sich unkontrolliert wiederholende Wiedergeburt oder Samsara dann erscheint, wenn ein geistiges Kontinuum mit einem Kontinuum der Verwirrung und der karmischen Hinterlassenschaft befleckt ist, dann kommt, wenn diese beiden befleckten Kontinua zu einem Ende kommen, auch die samsarischer Phase des Kontinuums zu einem Ende. Sobald das Kontinuum der karmischen dauerhaften Gewohnheiten innerhalb der nirvanischen Phase zu einem Ende gekommen ist, fängt der erleuchtete Zeitabschnitt an und setzt sich endlos weiter fort. Was durch die samsarischen und nirvanischen Phasen hindurch erhalten bleibt, ist die Verbindung der Kontinua eines individuellen Geistes des klaren Lichts, der individuellen subtilen lebensunterstützenden Energie, und eines individuellen konventionellen „Ichs“, das auf diese zugeschrieben wird.

Schlussfolgerungen

Wenn wir damit beginnen, über uns selbst in Hinblick auf ein anfangsloses und endloses Kontinuum des individuellen, subjektiven Erlebens nachzudenken, folgt: wenn wir unser geistiges Kontinuum in dieser jetzigen kurzen Lebenszeit nicht von Verwirrung befreien, dann werden wir uns natürlicherweise wünschen, dass wir auch in zukünftigen Lebzeiten daran weiter arbeiten können.. Das liegt daran, dass wir erkennen, dass unser individuelles geistiges Kontinuum sich definitiv in weiteren Lebzeiten fortsetzen wird. Folglich wünschen wir uns ganz natürlicherweise, dass wir in zukünftigen Leben in die denkbar besten Umstände hineingeboren werden, so dass wir unsere Arbeit daran fortsetzen können, unser Kontinuum von Verwirrung zu befreien.

Wenn wir zudem in der Lage sind, unser gesamtes Kontinuum über anfangslose Lebzeiten hinweg konzeptuell zu erfassen, dann beginnen die Unterweisungen über Karma nach und nach mehr Sinn zu ergeben. Wir verstehen dann, dass der Zustand der Wiedergeburt, in dem wir uns jetzt befinden, und all die Dinge, die wir subjektiv in dieser Wiedergeburt erleben, auf unsere vorhergehenden karmischen Handlung, die wir für viele, viele Lebzeiten ausgeführt haben, beruhen, wie auch auf dem kontinuierlichen Reifen des Kontinuums der karmischen Hinterlassenschaften dieser Handlungen, die auf unser geistiges Kontinuum zugeschrieben werden können.

Und wenn wir zudem verstehen, dass die Kontinua des individuellen, subjektiven Erlebens, wobei wir sowohl unser eigenes Kontinuum, wie auch das Kontinuum jedes anderen Wesens meinen, keine solide, unwandelbare Identität als Mensch, Kakerlake oder irgendeines anderen Wesen besitzt, dann werden wir verstehen, wenn wir eine Kakerlake sehen, dass sie als individuelles Wesen bereits in vielen verschiedenen Lebensformen Wiedergeburt angenommen hatte. Wir begreifen dann auch, dass wir in früheren Leben ebenfalls unzählige Lebensformen angenommen hatten. Ganz offensichtlich muss dieses Wesen, das auf dem Boden unseres Badezimmers herumkrabbelt, irgendwann einmal meine Mutter gewesen sein. Aufgrund des Reifens des individuellen Karmas dieses Lebewesens, ist es nun in dieser Lebenszeit geradeso, dass dieses individuelle Wesen von dem physischen Kontinuum eines Kakerlakenkörpers unterstützt wird. Aber auch unser geistiges Kontinuum ganz sicherlich ist irgendwann einmal von dem physischen Kontinuum eines Kakerlakenkörpers unterstützt worden. Diese Einsicht gestattet es uns, dass wir uns in das Leiden einer Kakerlaken einfühlen können, keine Angst vor ihr haben und sie auch nicht töten. Wir können zu ihr eine Beziehung als ein individuelles Wesen zu einem anderen entwickeln und, aufgrund dessen, Mitgefühl statt Hass entwickeln. Wir werden uns die Kakerlake vielleicht nicht als Haustier halten, aber zumindest werden wir nicht auf sie treten!

Von Wiedergeburt überzeugt werden

Wir können also Folgendes sehen: Wenn wir beginnen, ein Verständnis davon zu entwickeln, was Wiedergeburt im Buddhismus tatsächlich bedeutet, wird unser Verständnis einer der grundlegenden Schlüssel dafür sein, zahlreiche weitere Einsichten zu entwickeln. Fast alles im Buddhismus baut auf diesem Verständnis der Wiedergeburt auf. Als erstes müssen wir also die Bedeutung der Wiedergeburt anerkennen und dann müssen wir uns dem Verständnis der Wiedergeburt öffnen und sie auch begreifen wollen. Als nächstes, nachdem wir uns die richtigen Erläuterungen angehört haben oder darüber gelesen haben, und sorgfältig über sie nachgedacht haben, erlangen wir ein intellektuelles Verständnis der Wiedergeburt und eine Überzeugung in sie. Aber dabei wollen wir es nicht belassen; wir möchten ein tiefgründiges Verständnis der Wiedergeburt und eine tiefgründiges Überzeugung von der Wiedergeburt entwickeln, die uns in Fleisch und Blut übergeht.

Was ist der Unterschied zwischen einem intellektuellen Verstehen und einem Verständnis, das einem in Fleisch und Blut übergangen ist, bzw. einem Bauchgefühl? Hierbei handelt es sich um westliche Kategorien. Der Buddhismus kennt solche Kategorien nicht. Ich denke, das kommt daher, weil es in der westlichen Gedankenwelt eine große Dichotomie zwischen Geist und Herz gibt, eine Dichotomie zwischen Intellekt und Emotion. Im Buddhismus wird lediglich darüber gesprochen, dass es unterschiedlicher Arten des Erlebens gibt, die beide westlichen Kategorien umfassen. Aber wenn wir von dieser Art des westlichen Denkens beeinflusst worden ist, dann glauben wir mit Sicherheit daran, dass es diese Dichotomie zwischen Geist und Emotion gibt und so auch eine Dichotomie zwischen intellektuellem Verstehen und Überzeugung und Verstehen und Überzeugung „aus dem Bauch heraus“ (engl.: visceral level of understanding and conviction). Und weil wir daran glauben, dass diese Dichotomie real ist, erleben wir die Dinge auch als zweigeteilt. Wir erleben tatsächlich einen Unterschied zwischen einem intellektuellen und einem emotionalen Verstehen, bzw. einem Verstehen von etwas „aus dem Bauch heraus“ und der Überzeugung von einer Sache. Aber wie wird dann im Buddhismus der Prozess analysiert, der zu einer tiefgründigeren Ebene des Verständnisses und der Überzeugung führt? Eine solche Analyse kann möglicherweise Aufschluss darüber geben, wie man von einer intellektuellen Ebene zu einer emotionalen Ebene gelangen kann.

Die westliche Unterscheidung zwischen einem intellektuellen Verständnis und einem Verständnis „aus dem Bauch heraus“ ist zunächst einmal nicht dasselbe wie die buddhistische Unterscheidung zwischen einem konzeptuellen und einem nichtkonzeptuellen Verständnis. Konzeptuelle Wahrnehmung ist immer geistig und nicht sinnlich. Es beinhaltet die Wahrnehmung von etwas durch eine Kategorie, in die wir für das Objekt einsetzen, wie wenn wir beispielsweise ein hölzernes Objekt mit vier Beinen und einem flachen Oberteil sehen, und dieses Objekt dann als einen Tisch wahrnehmen. Obwohl wir möglicherweise einige Objekte als einen Tisch erkennen, indem wir mit dem Objekt ein Konzept oder eine Idee damit verbinden, was ein Tisch ist, muss doch der konzeptuelle Gedanke nicht verbal sein das bedeutet, dass der konzeptuelle Gedanke nicht notwendigerweise zur Folge hat, dass wir in unserem Kopf das Wort Tisch aussprechen. Im Gegensatz dazu vermischt die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung von etwas das Objekt nicht mit einer feststehenden Kategorie. Dennoch kann die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung einer Sache auch ein Verständnis der konventionellen Wahrheit darüber, was das Objekt ist, besitzen

Ich muss zugeben, dass es in der Tat sehr schwierig ist zu wissen, was das nichtkonzeptuelle Wahrnehmen und Verstehen von etwas tatsächlich bedeutet. Aber auf alle Fälle hat die buddhistische Unterscheidung zwischen einem konzeptuellen und einem nichtkonzeptuelle Verständnis sicherlich nichts mit der abendländischen Unterscheidung zwischen einem intellektuellem und einem emotionalen Verstehen zu tun. Ganz offensichtlich können wir ein Verständnis der Wiedergeburt „aus dem Bauch heraus“ besitzen, während wir an die Wiedergeburt vermittels der Kategorie Wiedergeburt denken oder während wir mittels einer Idee davon, was diese Kategorie Wiedergeburt bedeutet, daran denken.

Im Buddhismus wird eine weitere Unterscheidung getroffen, die der Unterscheidung des abendländischen Denkens, wie ich meine, näher kommt. Das ist die Unterscheidung zwischen einem erarbeiteten und einem mühelosen Verständnis und Überzeugung von etwas. Auf Grundlage dieser Unterscheidung der Art und Weise, wie uns die Dinge erscheinen, folgen weitere Unterscheidungen dieser Art. Lassen Sie uns diese Punkte näher untersuchen.

Erarbeitetes und müheloses Verständnis und Überzeugung von etwas

Wenn wir etwas mit erarbeiteten Verständnis und erarbeiteter Überzeugung wahrnehmen, müssen wir diese Wahrnehmung dadurch aufbauen, dass wir eine Argumentationskette von Schlussfolgerungen durchgehen. Wenn wir uns zum Beispiel unseren Computer angucken, dann können wir dann die Argumentationskette durchlaufen, dass der Computer ein Objekt ist, das abhängig von Ursachen und Bedingungen entstanden ist und das von weiteren Ursachen und Bedingungen beeinflusst wird. Deshalb verändert er sich von Augenblick zu Augenblick und ist unbeständig: Er wird unweigerlich irgendwann kaputt gehen, und jeden Augenblick kommt er seinem Ende näher. Wenn wir uns dann auf die Unbeständigkeit des Computers konzentrieren, wobei wir einen Verständnis und Überzeugung von der Unbeständigkeit des Computers besitzen, ist unsere Wahrnehmung des Computers als etwas Unbeständigkeit eine erarbeitete Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung ist zudem auch eine konzeptuelle Wahrnehmung, welche die tatsächliche Unbeständigkeit des Computers mit der Kategorie unbeständiges Phänomen vermischt.

Wenn wir uns über längere Zeit hinweg gründlich mit der Argumentationskette vertraut gemacht haben, dass alle bedingten Phänomene unbeständig sind, werden wir irgendwann einmal dazu in der Lage sein, die Unbeständigkeit unseres Computers automatisch wahrzunehmen, wann immer wir unseren Computer sehen oder über ihn nachdenken, ohne dass wir dann noch die Argumentationskette durchgehen müssen. Unsere mühelose (nicht erarbeitete) Wahrnehmung der Unbeständigkeit des Computers wird mit einem Verständnis der und einer Überzeugung von der Unbeständigkeit einhergehen. Trotzdem wird diese Wahrnehmung weiterhin eine konzeptuelle Wahrnehmung sein, bei der die tatsächliche Unbeständigkeit mit der Kategorie unbeständig vermischt sein wird. Ich denke, dass diese Unterscheidung zwischen erarbeiteten und mühelosen Verständnis und Überzeugung wichtig ist, aber immer noch nicht genau der Unterscheidung zwischen intellektuellen Verständnis und Verständnis „aus dem Bauch heraus“ und Überzeugung entspricht.

Nach wie vor ist es wichtig, von einer erarbeiteten zu einer mühelosen Wahrnehmung voranzuschreiten, um letztendlich zu Verständnis „aus dem Bauch heraus“ und Überzeugung von einer Sache zu gelangen. Um in Bezug auf das Thema Wiedergeburt zu einer mühelosen Wahrnehmung zu gelangen, müssen wir uns mit den buddhistischen Erläuterungen zum Thema Wiedergeburt gut vertraut machen, indem wir wiederholt die Argumentationskette von Schlussfolgerungen und Punkten durchgehen, die wir hier diskutiert haben. Das machen wir hauptsächlich in Meditationssitzungen. Dann müssen uns darin üben, uns selbst und andere wieder und wieder mittels dieser Kategorie Wiedergeburt zu betrachten, und zwar auf Grundlage eines erarbeiteten Verständnisses der und Überzeugung von der Wiedergeburt. Das können wir in unserer Meditation machen, während wir an uns oder an andere Menschen denken, die wir kennen. Aber wir können die Argumentationsketten auch in unseren Alltag anwenden, wenn wir anderen begegnen selbst wenn wir einige Augenblicke dazu benötigen, uns selbst daran zu erinnern, welche Argumente die These der Wiedergeburt unterstützen. Wenn wir uns gründlich mit der Wiedergeburt vertraut gemacht haben, indem wir die Argumentationskette wiederholt durchgegangen sind und wir uns darin geübt haben, uns selbst und andere in dieser Weise zu betrachten, dann wird diese Art und Weise, die Menschen und Tiere betrachten, automatisch und spontan entstehen. Die Sichtweise wird sich zu einer mühelosen Sichtweise verwandeln, obwohl diese natürlich immer noch konzeptuell sein wird.

Ganz automatisch werden wir dann jedes Lebewesen als ein individuelles, subjektives Kontinuum des Erlebens von etwas ansehen, was gültig als ein individuelles „Ich“ bezeichnet werden kann, und nicht bloß als eine Frau oder ein Mann, oder als ein Hund oder eine Kakerlake. Wir werden uns selbst, die uns nahe stehenden Menschen und unsere Feinde ganz automatisch in dieser Weise betrachten, weil wir mit diesem Verständnis und der Überzeugung vertraut geworden sind. Aber damit dies ein richtiges Verständnis sein soll, dürfen wir dabei nicht aus den Augen verlieren, was jedes dieser Wesen gegenwärtig konventionell ist.

Wie uns die Dinge erscheinen

Und schließlich werden wir nicht nur jedes Lebewesen in dieser Weise sehen, sondern, nachdem wir mit dieser Einsicht bezüglich der Wiedergeburt gut vertraut wurden, wird uns jedes Lebewesen automatisch so erscheinen und uns dann auch so vorkommen. Jedes Lebewesen wird uns als einen individuelles „Ich“ erscheinen, das auf ein individuelles anfangsloses und endloses geistiges Kontinuum zugeschrieben ist, und nicht mehr als etwas Solides und Beständiges, wie auf einem Foto, das das Wesen lediglich im gegenwärtigen Moment zeigt. Es nicht so, dass andere uns von ihrer Seite heraus im Sinne von Wiedergeburt erscheinen, noch ist der Geist eine Art „Ding“, dass andere auf diese Weise erscheinen lässt. Diese Art von Erscheinungen stellt sich vielmehr ganz automatisch ein, als Teil unserer Erfahrung, wenn wir andere Wesen betrachten.

Was heißt das? Was beschreiben wir hier? Wir beschreiben hier ein „Gefühl“ für Wiedergeburt, was soviel heißt wie ein Verständnis der Wiedergeburt und eine Überzeugung von der Wiedergeburt, wie auch eine Erscheinung, dass es so ist alle drei entstehen automatisch als Teil unseres Erlebens eines Lebewesens hinsichtlich dessen, dass dieses Lebewesen ein individuelles subjektives Kontinuum des Erlebens von etwas ist. Das sind viele Worte, aber der entscheidende Punkt ist, dass unser Verständnis und unsere Überzeugung, wie auch die Erscheinung, automatisch als Teile unserer Erfahrung entstehen werden, wenn wir anderen begegnen; und es wird sich auch so anfühlen, dass das, was uns erscheint, was wir verstehen und was wir für wahr halten, tatsächlich wahr ist.

Wenn wir selber und andere Menschen uns nicht automatisch auf diese Weise erscheinen, dann würden wir, obwohl wir möglicherweise ein müheloses Verständnis der Wiedergeburt und Überzeugung von Wiedergeburt haben, das was wir erleben, immer noch als ein „intellektuelle Verständnis“ bezeichnen. Und wenn zusätzlich zu einem Verständnis und Überzeugung von Wiedergeburt wir selber und andere Menschen uns, in unserem Erleben bezüglich der Wiedergeburt automatisch erscheinen, dann bezeichnen wir das als ein Verstehen der Wiedergeburt „aus dem Bauch heraus“. Das kommt daher, dass es tatsächlich so ist, wie es sich anfühlt. Ob wir dieses Gefühl als eine „Emotion“ bezeichnen oder nicht, hängt davon ab, was wir als eine „Emotion“ definieren, oder nicht? Das ist der Grund, warum es so schwierig ist, zu sagen, ob es sich bei dem Unterschied zwischen einem intellektuellen Verständnis und einem Bauchgefühl um einen emotionalen Unterschied handelt oder nicht.

Es gibt keinen Grund, ein intellektuelles Verständnis der Wiedergeburt und die Überzeugung von ihr in Misskredit zu bringen

Auf jeden Fall geschieht es nicht magisch, dass man von einem intellektuellen Verständnis zu einem Verständnis „aus dem Bauch heraus“ gelangt und von einer intellektuellen Überzeugung zu einer Überzeugung „aus dem Bauch heraus“. Es geht auch nicht darum, von einem konzeptuellen Verständnis zu einem nichtkonzeptuellen Verständnis zu gelangen, da dies unglaublich schwierig ist. Und es geht sicherlich auch nicht darum, dass man von einem Zustand, in dem man etwas denkt, zu einem Zustand gelangt, indem man überhaupt nichts mehr denkt so als wenn das Denken lediglich verbal stattfinden würde und so wie das, was im Abendland als „intuitiv sein“ bezeichnet wird, womit dann gemeint ist, dass man mit dem Denken aufhört und lediglich intuitiv etwas „fühlt“. Ich denke, wenn man von einer intellektuellen Ebene zu einem Bauchgefühl gelangt, handelt es sich dabei einfach um einen Ergebnis davon, dass man sich damit vertraut macht, die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu sehen, nämlich mit einem bestimmten Verständnis und einer Überzeugung. Dieser Prozess beginnt mit der erarbeiteten Meditation und Praxis, uns selbst und andere auf diese Weise zu betrachten.

Sie brauchen sich also keine Sorgen darüber zu machen, wenn sie lediglich ein intellektuelles Verständnis und eine intellektuelle Überzeugung von Wiedergeburt haben. Es ist großartig, wenn Sie ein solches Verständnis und eine solche Überzeugung besitzen, es gibt also keinen Grund, sich unwohl damit zu fühlen. Viele Menschen beklagen sich darüber, dass ihr Verständnis und ihre Überzeugung lediglich intellektuell sei, aber ich denke es ist eine großartige Errungenschaft, ein intellektuelles Verständnis und Überzeugung von Wiedergeburt zu besitzen. Entscheidend ist, darüber zu meditieren, sich damit vertraut zu machen und sich selbst und anderer auf diese Weise zu betrachten, und dieses wieder und wieder zu tun. Und machen Sie das nicht nur, solange Sie auf Ihrem Meditationskissen sitzen, sondern üben sie sich auch darin, die Menschen, denen Sie auf der Straße begegnen, so zu betrachten und ebenso die Menschen in Ihrem Haus, und die Kakerlaken in Ihrem Badezimmer oder in ihrem Garten. Und üben Sie sich auch darin, sich selbst in dieser Weise zu betrachten, wenn Sie sich im Spiegel anschauen. Durch diese Art der wiederholten Gewöhnung wird uns jedes Lebewesen irgendwann einmal so erscheinen, dass es im Sinne von auf Wiedergeburt existiert, und es wird sich dann auch so anfühlen.

Fazit

Gewiss müssen wir uns wirklich Zeit dafür nehmen, all diese Aussagen in Bezug auf die buddhistischen Erklärungen der Wiedergeburt zu verdauen, und es wird gewiss viele Jahre brauchen, sie vollständig zu verarbeiten. Der Sinn dieses Vortrags ist einen Weg aufzuzeigen, wie man das Thema Wiedergeburten im Buddhismus analysiert, wie man über dieses Thema nachdenkt, wie wir versuchen, das Thema zu verstehen, und welche Argumente es für die These der Wiedergeburt gibt. Die ganze Diskussion hängt damit zusammen, Kontinua und die unterschiedlichen Arten von Kontinua zu verstehen, wie auch zu verstehen, wie Kontinua ihre Abfolge von Augenblicken weiter fortsetzen.

Wenn wir als Resultat dieser Präsentation das Thema der Wiedergeburt sehr viel ernster nehmen und denken: „Das Thema ist wirklich wichtig; ich verstehe es zwar nicht allein auf Grundlage dieses Vortrags, aber es ist wirklich ein Thema, an dem ich arbeiten möchte“, dann haben wir viel erreicht. Wir beginnen zu begreifen, und sei es auch nur ein Bisschen, wie tiefgründig dieses Thema wirklich ist insbesondere die Punkte, die unseren Körper betreffen. Wie behält das Kontinuum dieses Körpers seiner Individualität bei, wenn jedes Atom unseres Körpers ständig ausgetauscht wird? Wenn jedes Atom von etwas abstammt, was nicht Teil dieses Körpers ist und irgendwo anders hingeht, um ein Teil von etwas anderem zu werden? Das ist wirklich außerordentlich.

Als nächstes beginnen wir damit, darüber nachzudenken, wie ein individuelles geistiges Kontinuum des Erlebens von etwas und das physische Kontinuum des Körpers, welches unser geistiges Kontinuum unterstützt, also zwei unterschiedliche Kontinua, ihre Kontinuitäten in sehr unterschiedlicher Art aufrechterhalten. Das müssen wir dann mit der buddhistischen Erläuterungen von Karma und der Leerheit von Ursache und Wirkung zusammenbringen; dann fängt dieses ganze Thema an wirklich sehr tiefgründig zu werden. Wir fangen dann an, ein bisschen besser zu verstehen, warum das Thema der Wiedergeburt so überaus zentral für das Verständnis ist, wie die Dinge tatsächlich existieren.

Es gibt keinen Grund, warum man davor Angst haben sollte, Themen wie Genetik, Abstammung von unseren Eltern, Evolution und so weiter in die Diskussion mit einzuschließen. Tatsächlich machen diese Faktoren das Thema sogar noch interessanter und komplexer. Wir können sagen: „Oh, wie interessant“; aber es ist nicht nur interessant. Das Thema Wiedergeburt auf eine Weise zu verstehen, die mit den westlichen Wissenschaften harmonisiert, hat tiefgründige und nutzbringende Folgen in Bezug darauf, wie wir mit dem Leben und unseren alltäglichen Erfahrungen umgehen. Vielen Dank.

Top