Die acht Gruppen der Verwirklichungen im Abhisamayalamkara

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Grundlegende Merkmale

Eines der grundlegenden Sutras des Mahayana-Buddhismus, das von allen Traditionen des tibetischen Buddhismus studiert wird, ist die Schrift „Filigranschmuck der Verwirklichungen“ (tib. mNgon-rtogs rgyan, Skt. Abhisamayalamkara), ein Kommentar von Maitreya zu den „Prajnaparamita-Sutras“ (tib. phar-byin mdo, Sutras über das weiterreichende unterscheidende Gewahrsein, Sutras über die Vollkommenheit der Weisheit). Es wird in der tibetischen Tradition möglicherweise deshalb so betont – und in den indischen oder ostasiatischen Traditionen des Mahayana-Buddhismus nicht so – weil Haribhadra, der Autor des Hauptkommentars zu diesem Sutra, ein Schüler des in der Mitte des achten Jahrhunderts lebenden indischen Meister Shantarakshita war. Shantarakshita war der erste indische Meister, der nach Tibet gereist ist.

In diesem Text erläutert Maitreya die Stufen der Verwirklichungen (tib. rtogs-pa), die man bei den fünf Arten von Pfadgeist (tib. lam-lnga, fünf Pfade) erlangt, die zu den drei gereinigten Zuständen (tib. byang-chub, Skt. bodhi) führen.

Die fünf Arten von Pfadgeist sind:

  1. Pfadgeist des Aufbauens (tib. tshogs-lam, Pfad der Ansammlung),
  2. Pfadgeist der Anwendung (tib. sbyor-lam, Pfad der Vorbereitung),
  3. Pfadgeist des Sehens (tib. mthong-lam, Pfad des Sehens),
  4. Pfadgeist des Sich-Gewöhnens (tib. sgom-lam, Pfad der Meditation),
  5. Pfadgeist, der keines weiteren Trainings mehr bedarf (tib. mi-slob-lam, Pfad des Nicht-mehr-Lernens).

Die drei gereinigten Zustände sind die:

  1. eines Shravaka-Arhats,
  2. eines Pratyekabuddha-Arhats,
  3. eines Bodhisattva-Arhats, was in diesem Kontext so viel heißt wie ein Buddha.

Die ersten beiden gereinigten Zustände gehören zum Hinayana; der dritte gereinigte Zustand wird zum Mahayana gerechnet.

Die Verwirklichungen beziehen sich in erster Linie auf die sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten oder auf die Leerheit, wie sie in acht Gruppen von Verwirklichungen (tib. dngos-po brgyad, acht Phänomene) organisiert werden. Jede Gruppe besteht aus vielen veranschaulichenden Themen (tib. mtshon-byed-kyi chos), siebzig Themen insgesamt, wobei jedes Thema wiederum zahlreiche Unterteilungen aufweist. Die Gruppen, Themen und Unterteilungen bilden einen sich überlappendes Netzwerk. Praktizierende entwickeln sich weiter, indem sie die fünf Arten von Pfadgeist geradlinig, eine nach der anderen, nacheinander verwirklichen, und zwar indem sie diese Netzwerke von Verwirklichungen erwerben.

Die acht Gruppen von Verwirklichungen werden in drei Abteilungen eingeteilt:

  1. Die drei Gruppen von verwirklichtem Gewahrsein der Muttertexte (tib. yum mkhyen-pa gsum). Muttertexte bezieht sich auf die Sutras „Einhunderttausend“, „Fünfundzwanzigtausend“ und das „Prajnaparamita-Sutra in Achttausend Versen“.
  2. Die vier Gruppen von angewendeten Verwirklichungen (tib. sbyor-ba bzhi, die vier Yogas).
  3. Der resultierende Dharmakaya (tib. ‘bras -bu chos-sku).

Die drei Gruppen von verwirklichtem Gewahrsein

Die drei Gruppen von verwirklichtem Gewahrsein sind Gruppierungen von Verwirklichungen, die von drei Gruppen von Aryas (tib. phags-pa, hoch verwirklichten Wesen) erlangt werden, das sind jene, die eine unbegriffliche Wahrnehmung der sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten erlangt haben. Diese drei Gruppen werden in Grundlage, Pfad und Ergebnisstufe angeordnet, und steigern sich daher auf eine komplexe Art und Weise. Sie werden jedoch in umgekehrter Reihenfolge zu ihrer Verwirklichung studiert, um auf diese Weise Interesse dafür zu entfachen, diese Zustände zu entwickeln.

  1. Das allwissende verwirklichte Gewahrsein (tib. rnam-mkhyen) umfasst die Verwirklichungen, die ausschließlich den Arya-Buddhas vorbehalten sind. Der Begriff Arya-Buddhas ist synonym mit Buddhas.
  2. Das verwirklichte Gewahrsein des Pfades (tib. lam-shes) umfasst die Verwirklichungen, die allen Bodhisattva-Aryas, einschließlich der Buddhas, gemein sind.
  3. Das grundlegende verwirklichte Gewahrsein (tib. gzhi-shes) umfasst die Verwirklichungen, die den drei Arten von Aryas gemein sind – den Shravakas, den Pratyekabuddhas und Bodhisattvas – einschließlich der Shravaka- und Pratyekabuddha-Arhats und den Buddhas.

Die vier Gruppen von angewendeten Verwirklichungen

Die vier Gruppen von angewendeten Verwirklichungen sind Gruppierungen von Verwirklichungen, die von den Bodhisattvas angewendet werden, während sie stufenweise den Mahayana-Pfadgeist erlangen, der zur Erleuchtung führt.

4. Die Verwirklichungen, die durch die gesamte Gruppe von Arten von Mahayana-Pfadgeist angewendet werden (tib. rnam-rdzogs sbyor-ba) umfassen die Faktoren aus den drei Gruppen verwirklichten Gewahrseins, an denen man gemeinsam arbeitet, während man die vier Arten von Mahayana-Pfadgeist besitzt, mit denen man bis zu Buddhaschaft gelangt, bei einem Pfadgeist des Aufbauens beginnend, bis hin zur letzten Phase eines Pfadgeistes des Sich-Gewöhnens. Diese Arten von Pfadgeist umfassen beispielsweise das Verstehen der zwei Wahrheiten (tib. bden-gnyis), und das Arbeiten mit Shamatha (tib. zhi-gnas, ein still gewordener und zur Ruhe gekommener Geisteszustand) und Vipashyana (tib. lhag-mthong, ein Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit).

5. Die immer schärfer werdenden angewandten Verwirklichungen (tib. rtse-sbyor) umfassen die zunehmend spezifischer werdenden Verwirklichungen, die man auf den jeweiligen Stufen des Mahayana-Pfadgeistes erlangt, bei einem Pfadgeist des Aufbauens beginnend, bis hin zur letzten Phase eines Pfadgeistes des Sich-Gewöhnens.

6. Die sich anhäufenden angewandten Verwirklichungen (tib. mthar-gyi sbyor-ba) umfassen die Verwirklichungen, die man, eine nach der anderen, entwickelt, bei der anfänglichen Errungenschaft eines Mahayana-Pfadgeistes des Aufbauens beginnend, bis hin zu der Phase, die der letzten Phase eines Pfadgeistes des Sich-Gewöhnens unmittelbar vorausgeht und die einem Vertrauen in die drei Gruppen von verwirklichten Gewahrsein gibt. Diese umfassen beispielsweise die sechs weitreichenden Geisteshaltungen (Vollkommenheiten), die aufeinander aufbauen.

7. Die Verwirklichungen, die in der letzten Phase angewandt werden (tib. skad-cig-ma’i sbyor-ba) umfassen die abschließenden Verwirklichungen, die in der letzten Phase (das heißt im letzten Augenblick) auf der zehnten Ebene von Bhumi-Geist erlangt werden. Das geschieht im Bereich des Pfadgeistes des Sich-Gewöhnens und bringt (schließlich) die Erleuchtung hervor.

Der resultierende Dharmakaya

Der resultierende Dharmakaya ist der Körper der allwissenden Verwirklichungen, die alles umfassen, und der mit der Buddhaschaft erlangt wird. Diese Gruppe umfasst alle vier Körper eines Buddha.

Die Verflechtung der acht Gruppen von Verwirklichungen zu Netzwerken

Die acht Gruppen von Verwirklichungen verflechten sich miteinander zu Netzwerken, um den Pfad und das Ergebnis zu beschreiben.

  • Die zweite bis zur siebten Gruppe verflechten sich miteinander als ein Netzwerk, um den Pfad zu beschreiben.

  • Die ersten drei rund die achte Gruppe verflechten sich miteinander, um das Ergebnis zu beschreiben.

Darüberhinaus sind die Verwirklichungen der Praktizierenden auf jeder Stufe des Pfades Netzwerke, die aus unterschiedlichen Kombinationen der acht Gruppen bestehen:

  • Bodhisattvas mit einem Mahayana-Pfadgeist des Aufbauens haben die vierte und die sechste Gruppe von Verwirklichungen erlangt. Anhänger des Hinayana (Shravakas und Pratyekabuddhas) mit einem Hinayana-Pfadgeist des Aufbauens haben keine der acht Gruppen von Verwirklichungen.

  • Bodhisattvas mit einem Mahayana-Pfadgeist der Anwendung haben die vierte bis zur sechsten Gruppe von Verwirklichungen erlangt. Anhänger des Hinayana mit einem Hinayana-Pfadgeist der Anwendungen haben keine hiervon.

  • Arya-Bodhisattvas mit einem Mahayana-Pfadgeist des Sehens haben die zweite bis zur sechsten Gruppe von Verwirklichungen erlangt. Arya-Hinayanisten mit einem Hinayana-Pfadgeist des Sehens haben lediglich die dritte Gruppe erlangt.

  • Arya-Bodhisattvas mit einem Mahayana-Pfadgeist des Sich-Gewöhnens erlangen, bis zu der Phase, die unmittelbaren der Phase vorangeht, die vor der Buddhaschaft kommt, die zweite bis zur sechsten Gruppe. Arya-Hinayanisten mit einem Hinayana-Pfadgeist des Sich-Gewöhnens haben bis zu der Phase, die unmittelbar der Phase vorangeht, die vor der Hinayana-Arhatschaft kommt, zu dem Zeitpunkt lediglich die dritte Gruppe.

  • Arya-Bodhisattvas, die sich in der letzten Phase eines Mahayana-Pfadgeist des Sich-Gewöhnens unmittelbar vor der Buddhaschaft befinden, haben die zweite bis zur siebenten Gruppe erlangt. Arya-Hinayanisten mit einem Hinayana-Pfadgeist des Gewöhnens haben unmittelbar vor der Hinayana-Arhatschaft lediglich nur die dritte Gruppe erlangt.

  • Arya-Arhat-Buddhas (gleichbedeutend mit Buddhas) haben die ersten drei Gruppen von verwriklichungen und den achten Faktor verlangt. Hinayana-Arya-Arhats haben lediglich nur die dritte Gruppe erlangt.

Pfadgeist: des Aufbauens der Anwendung des Sehens des Gewöhnens bis hin zur letzten Phase die letzte Phase der keines weiteren Trainings mehr bedarf
Mahayana 4, 6 4 bis 6 2 bis 6 2 bis 6 2 bis 7 1 bis 3, 8
Hinayana 3 3 3 3
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