Karma und der Ursprung des Universums

Rückblick  

In unserer Diskussion über die Thematik des freien Willens oder Entscheidung versus Vorbestimmung haben wir gesehen, dass es zahlreiche Faktoren und viele Teile der buddhistischen Lehren gibt, die damit verbunden sind und die wir alle miteinander verbinden müssen, um zu verstehen, worum es bei dieser ganzen Sache geht. Wir haben auch gesehen, dass freier Wille bedeutet, zu meinen, es gäbe da ein „Ich“, welches wahrhaft existiert und unabhängig von allem anderen ist, was stattfindet, und das dann nur auf der Grundlage von sich selbst Entscheidungen treffen kann, anstatt all die diversen Umstände, Bedingungen und Geistesfaktoren zu berücksichtigen, die es beeinflussen. In dieser Denkweise haben wir diesen grundlegenden Irrglauben erkannt und gesehen, dass Entscheidungen trotz allem stattfinden, und zwar basierend auf den verschieden Gewohnheiten, nicht nur was unser Verhalten betrifft, sondern auch unsere Emotionen, die positiven wie die negativen. Ich benutze hier den Begriff Gewohnheiten auf recht freie Weise.

Unsere Entscheidungen können auch von anderen Faktoren beeinflusst werden, die nicht mit unserem Geisteskontinuum verbunden sind, wie diverse äußere Umstände – wie das Wetter oder Ereignisse im Universum – oder der Einfluss anderer Menschen, die wir treffen, der Einfluss der Gesellschaft im Allgemeinen, der Regierung und so weiter. In ähnlicher Weise haben auch die verschiedenen Lehren, mit denen wir vielleicht in Kontakt kommen und natürlich auch auf das Geisteskontinuum anderer Menschen zurückzuführen sind, einen Einfluss auf unsere Entscheidungen. Dazu werden unsere Entscheidungen durch unsere geistigen Faktoren des unterscheidenden Gewahrseins, des unentschlossenen Schwankens, der Absicht und unserer Emotionen beeinflusst. 

Man kann nicht abstreiten, dass wir jeden Tag subjektiv das Treffen von Entscheidungen erleben. Das Problem ist die Assoziation mit unserem westlichen Konzept der Entscheidung, das ein unabhängig existierendes „Ich“ voraussetzt, das diese Entscheidungen trifft. Um also die ganze Sache zu verstehen, ist es notwendig zu versuchen, es nicht mehr mit einem unabhängig existierenden „Ich“ anzugehen, das die Entscheidungen ganz für sich, mit freiem Willen und unabhängig von äußeren und inneren Einflüssen trifft.

Nicht nur der freie Wille wird ausgeschlossen, sondern auch diese Art der Vorbestimmung, denn es gibt niemanden, der entschieden hat, was passieren wird. Wir meinen, andere haben entschieden, was wir tun werden, bevor wir es tun. Auch wenn ein Buddha weiß, was noch nicht stattgefunden hat, was bereits stattgefunden hat und was gegenwärtig stattfindet – was sich natürlich alles ständig ändert, denn das, was gegenwärtig stattfindet, ändert sich jeden Augenblick – hat der Buddha dennoch nicht entschieden, was stattfindet. Die Allwissenheit des Buddhas ist nicht aus eigener Kraft allmächtig und fähig, Dinge unabhängig von den Prinzipien von Ursache und Wirkung stattfinden zu lassen. Das ist nicht leicht zu verstehen und erfordert ein wirklich tiefes Verständnis der Leerheit: Leerheit von Ursache und Wirkung, Leerheit der drei Zeiten und so weiter. 

Wir haben auch gesehen, dass es eine Anzahl verschiedener Impulse gibt, von denen manche karmisch und andere nicht karmisch sind, und die alle einen Einfluss darauf haben, was wir tun. Karmische Impulse umfassen die geistigen Dränge, die unseren Geist zu Handlungen antreiben, mit denen wir uns bemühen. In den Systemen des Vaibhashika und des Madhyamaka sind die physischen Impulse die Bewegungen den Körpers und Äußerungen der Rede, welche Methoden sind, um Handlungen des Körpers oder der Rede stattfinden zu lassen. 

Im Theravada-System haben wir gesehen, dass es Impulse der Energie in den Beschränkungen beim Wechsel der Jahreszeiten gibt, beim Heranwachsen von Samen zu Pflanzen, bei der Tatsache, dass Phänomene, die von Ursachen und Bedingungen beeinflusst werden, sich in jedem Augenblick ändern und der Weise, wie die Sinneswahrnehmung funktioniert. Die ersten vier sind nichtkarmische Impulse, doch sie beeinflussen die Entscheidungen, die wir treffen, wenn wir etwas tun – wie die Wetteränderungen im Winter.

Wir haben auch gesehen, dass in Vasubandhus Sautrantika-Darstellung ein klarer Unterschied zwischen bemühenden Impulsen und durchführenden Impulsen gemacht wird. Bemühende Impulse sind karmisch und umfassen die geistigen Dränge, welche das geistige Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren antreiben, das Begehen einer Handlung von Körper oder Rede zu bedenken und zu entscheiden, und das Körperbewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren, den Körper oder die Rede dazu zu bringen, die Handlung auszuführen. Diese karmischen Impulse erfordern Bemühung, mit einem Ausführenden, der etwas tun möchte, bestrebt ist und sich dafür anstrengt. Durchführende Impulse sind auf der anderen Seite geistige Dränge, welche die verschiedenen Bewusstseinsarten und deren begleitende Geistesfaktoren antreiben, Objekte wahrzunehmen, wenn man beispielsweise etwas sieht. Diese Impulse sind nicht karmisch.  

Asangas Chittamatra-Darstellung ist vollständiger und umfasst fünf Arten von Impulsen. Beobachtende Impulse sind geistige Dränge, die mit Wahrnehmung zu tun haben. Durchführende Impulse beziehen sich in diesem System auf die Impulse, die mit Elementen einhergehen, den ihre Funktion erfüllenden, wie die Erde, die als Stütze für etwas dient und Sinnesobjekten, die als Objekte der Sinneswahrnehmung agieren. Um transformierende Impulse geht es, wenn Objekte sich zu etwas anderem umwandeln, wie Gold zu einem Schmuckstück oder Wasser zu Eis. Die erlangenden Impulse sind jene, die mit dem Erlangen eines Arya-Pfadgeistes verbunden sind. Keine von diesen sind karmische Impulse. Die einzigen karmischen Impulse sind bemühende Impulse, die in diesem System die gleichen wie im Sautrantika sind – es sind die geistigen Dränge, die das Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren in Handlungen von Körper, Rede und Geist antreiben. Ihnen allen geht ein beabsichtigtes Ziel voran und sie erfordern Bemühung. Wenn wir in den Systemen des Sautrantika und des Chittamatra von Karma reden, sind es ausschließlich diese geistigen Dränge, um die es geht. 

Wir haben auch gesehen, dass ein Buddha, der allwissend ist, all die äußeren und inneren Variablen kennt, die einen Einfluss darauf haben, was wir denken, sagen und tun. Buddha sieht, dass alles, was uns passiert und unser Verhalten beeinflusst, nicht ausschließlich auf unser Karma zurückzuführen ist. Die Tatsache, dass wir auf äußere Situationen treffen und die Weise, wie wir sie erfahren, basiert auf unserem Karma, doch was im Universum passiert, ist nicht nur auf unser individuelles Karma zurückzuführen. Es gibt zahlreiche andere Faktoren, um die es geht, wie die nicht-karmischen Reihenfolgen, wie sie im Theravada erklärt werden, und die von Vasubandhu und Asanga aufgeführten nicht-karmischen Impulse.

Die Rolle der Energiewinde 

Ein weiterer Faktor, der unser Verhalten und das, was wir erfahren, beeinflusst, sind die verschiedenen Arten des Energiewindes, die wir auch einfach als „Winde“ bezeichnen können. Es gibt mehrere Darstellungen der Rolle von Winden. In einem seiner Sautrantika-Werke spricht Vasubandhu von der Rolle des Windes als einem der vier Elemente – Erde, Wasser, Feuer und Wind. Er bemerkt, dass die geistigen Dränge, die mit karmischen Handlungen des Körpers oder der Rede einhergehen, das Wind-Element des Körpers dazu bringen, die Bewegung des Körpers oder die Äußerung der Rede zu realisieren. Es ist das Wind-Element, das dies bewirkt, da die Natur des Energiewindes Bewegung ist. 

Ich glaube, dies ist eine gültige Aussage, auch wenn diese geistigen Dränge, wie in den Vaibhashika- und Madhyamaka-Systemen nicht als karmisch betrachtet werden. Dort wird behauptet, dass die Bewegungen des Körpers und die Äußerungen der Rede die karmischen Impulse des Körpers und der Rede sind. In keinem dieser indischen Lehrsysteme werden die Winde selbst als Arten von Karma angesehen. 

Was das buddhistische medizinische System und dessen Darstellung der fünf subtilen Winde betrifft, so ist der Wind, der mit der Bewegung des Körpers verbunden ist, der sich ausbreitende Energiewind, und der Wind, der mit den Äußerungen der Rede einhergeht, der aufsteigende Energiewind. Die Kraft dieser Winde hat ganz klar einen Einfluss auf die Intensität unseres Verhaltens. Außerdem wird ein Ungleichgewicht der Winde im buddhistischen System der Medizin als eine der Ursachen von Unwohlsein und Krankheit beschrieben, und unsere Gesundheit ist eine weitere Variable, die unser Verhalten beeinflusst.

Was die Anuttarayoga-Tantra-Systeme betrifft, sind die subtilen Winde in der konzeptuellen Wahrnehmung die Träger des subtilen geistigen Bewusstseins und dessen begleitender Geistesfaktoren, einschließlich der geistigen Dränge. Eine weitere Reihe gröberer Winde sind die Träger der verschiedenen Arten des Sinnesbewusstseins und dessen begleitender Geistesfaktoren, die ein geistiger Drang in der Sinneswahrnehmung antreibt. Somit sind diese Winde mit dem verbunden, was Vasubandhu als „durchführende Impulse“ bezeichnet. Es gibt eine Verbindung zwischen dem Agieren dieser Winde mit den geistigen Drängen, die sie tragen, und den geistigen Drängen, welche die karmischen Handlungen unseres Körpers und unserer Rede antreiben. Während ein geistiger Drang – der karmische bemühende – der von einem ausbreitenden oder aufsteigenden Wind getragen wird, das Körperbewusstsein antreibt, den Körper oder die Rede dazu zu bringen, die karmische Handlung auszuführen, treibt ein anderer geistiger Drang – nämlich ein durchführender, nichtkarmischer – der von einem der fünf sensorischen Winde getragen wird, das Sehbewusstsein an, zum Beispiel die Grundlage wahrzunehmen, auf die die Handlung gerichtet ist. 

Das Kalachakra-System spricht von den karmischen Winden. Die karmischen Winde bewegen sich durch die subtilen Energiekanäle des Körpers und zu bestimmten Anlässen durchströmen sie einen der vier kreativen Energietropfen – die Energietropfen des Wachseins, des Träumens, des Tiefschlafes und der so genannten „vierten“ Anlässe. Wenn sie das tun, bringen sie Erscheinungen, wie geistige Hologramme, hervor, und diese nehmen wir jeweils im Wachzustand, beim Träumen, im Tiefschlaf und beim Erfahren von Glückseligkeit wahr. Diese karmischen Winde sind mit den emotionalen, kognitiven und karmischen Schleiern bedeckt. Die karmischen Schleier umfassen all die karmische Hinterlassenschaft der karmischen Impulse, also die karmischen Potenziale, karmischen Tendenzen und ständigen karmischen Gewohnheiten. Alle drei sind laut dem Prasangika Zuschreibungsphänomene auf der Grundlage des konventionellen „Ichs“ und das konventionelle „Ich“ ist ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage eines individuellen Kontinuums der fünf Aggregate. 

Während die karmischen Winde, die mit diesen karmischen Schleiern bedeckt sind, jeden der vier kreativen Energietropfen durchströmen, durchdringen sie sie, wie Öl, das von einem Tuch aufgesogen wird, und bringen die Erscheinungen hervor, die wir jeweils im Wachzustand, beim Träumen, im Tiefschlaf und beim Erfahren von Glückseligkeit wahrnehmen. Die karmischen Potenziale und Tendenzen sind für die konventionellen Erfahrungen der geistigen Hologramme der Objekte, die wir wahrnehmen, verantwortlich, und diese Erscheinungen entstehen aus den subtilen Elementen dieser Energietropfen. Die ständigen karmischen Gewohnheiten sind verantwortlich dafür, dass die Erscheinung dieser Objekte eine wahre, selbst-begründete Existenz hat. Zweifellos haben die Erscheinungen, die wir wahrnehmen, einen Einfluss darauf, wie wir uns daraufhin verhalten.    

Im Kalachakra wird auch von Winden gesprochen, die für die Bewegung der Himmelskörper, wie der Sonne, des Mondes und der Planeten, verantwortlich sind. Der Bewegung der Himmelskörper markiert den Lauf der Zeit und unser Zeitalter hat einen Einfluss darauf, was wir denken, sagen und tun. Im Kalachakra gibt es auch ausführliche Lehren über Astrologie. Die Positionen der Himmelskörper zu unserer Geburt und ihre Positionen, die im Lauf unseres Lebens von diesen himmlischen Winden angetrieben werden, spiegeln die Art des Körpers und der Umstände wieder, in denen wir geboren werden, sowie das, was uns während unseres Lebens passiert und was wir tun. 

Wie all diese nicht-karmischen Einflüsse der verschiedenen Winde mit unseren karmischen Impulsen zusammenpassen, ist natürlich äußerst komplex uns kann nur mit der Allwissenheit eines Buddhas vollkommen verstanden werden. Es ist allerdings klar, dass sie alle eine Rolle dabei spielen, einen Einfluss auf die Entscheidungen auszuüben, die wir bezüglich unserer Handlungen treffen.

Die Rolle des Geistes klaren Lichts

Ein weiterer Faktor, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Rolle des Geistes klaren Lichts, der im Anuttarayoga-Tantra, im Mahamudra und im Dzogchen behandelt wird. Was ist die Beziehung zwischen dem Geist des klaren Lichts und Rigpa, oder Geist im Allgemeinen, und Materie und Energie? Beispielsweise kann man sagen, dass unsere Erfahrung von Materie und Energie eine Erscheinung des Geistes, des Geistes klaren Lichts, ist. Das ist eine Ausdrucksweise, denn gemäß diesen Tantra-Lehren ist der subtile Wind, der die Erscheinung von Formen physischer Objekte ausmacht – diese Erscheinung als geistiges Hologramm – der subtilste Wind des Geistes klaren Lichts, der durch die Verbindung mit den subtilen Elementen eines subtilen Körpers gröber geworden ist. 

Es ist natürlich möglich, diese Sicht, mit der man alles auf den Geist des klaren Lichts zurückführt, mit der Chittamatra-Erklärung zu interpretieren. Im Chittamatra geht man davon aus, dass Formen physischer Objekte und das Bewusstsein mit den begleitenden Geistesfaktoren, welches diese Formen wahrnimmt, alle aus der gleichen Ursprungsquelle (tib. rdzas) stammen. Sie alle stammen aus einem einzigen Samen des Karma – was wir als eine karmische Tendenz bezeichnet haben – der ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des Alayavijnana, des grundlegenden Bewusstseins, ist. Auch wenn manche Nicht-Gelug-Systeme des Anuttarayoga-Tantra für den Geist des klaren Lichts Fachausdrücke des Chittamatra benutzen, wie alaya und alayavijnana, haben der Geist des klaren Lichts und die Erscheinungen, die sich aus ihm ergeben, nicht die gleichen Eigenschaften wie das alayavijnana und die Erscheinungen im Chittamatra-System. Im Sutra-Kontext spricht man im Chittamatra nicht über den Geist des klaren Lichts.

Wie dem auch sei, im Chittamatra sagt man, dass die Erscheinung der Form eines physischen Phänomens, wie ein Tisch, und das Bewusstsein und dessen begleitende Geistesfaktoren, die den Tisch wahrnehmen, alle aus der gleichen karmischen Tendenz oder dem gleichen Samen stammen, wie deren Ursprungsquelle. Eine Ursprungsquelle ist wie der Ofen, aus dem der Brotlaib hervorgeht. Wie im Vaibhashika und Sautrantika, geht man im Chittamatra davon aus, dass sowohl ein Tisch als auch ein visuelles Bewusstsein, das diesen Tisch wahrnimmt, eine wahrhaft begründete nichtzugeschriebene Existenz besitzen. Im Vaibhashika und Sautrantika sagt man, dass der Tisch eine objektive Existenz außerhalb eines Geistes hat, der ihn wahrnimmt, die begründet werden kann, bevor er wahrgenommen wird. Dessen objektive Existenz wird durch die Tatsache begründet, dass er eine Funktion ausübt. Im Chittamatra wird das widerlegt und dort behauptet man, dass man die Existenz eines objektiven Tisches nicht getrennt von dessen Erscheinung als ein geistiges Hologramm begründen kann, welches in einer Wahrnehmung dessen auftritt. Es ist nicht so, dass die Erscheinung des Tisches und des Bewusstsein, welches ihn wahrnimmt, jeweils von ihrer eigenen Ursprungsquelle stammen, während sich die Ursprungsquelle der Erscheinung des Tisches außerhalb oder getrennt von dem Bewusstsein befindet, das ihn wahrnimmt. 

Das unterscheidet sich erheblich von der Prasangika-Sichtweise, wie sie im Gelug-System erklärt wird. Laut dem Prasangika hat nichts eine wahrhaft begründete nicht-zugeschriebene Existenz und daher stellt sich nicht die Frage, ob eine wahrhaft begründete, nicht-zugeschriebene Existenz des Tisches begründet werden kann, die vor dessen Wahrnehmung oder nur in Verbindung mit dessen Wahrnehmung existiert. Die Existent eines Tisches kann lediglich als das zugeschrieben begründet werden, worauf sich ein Konzept und ein Wort dafür beziehen. Aus einer Sutra-Sicht besteht die Ursprungsquelle der Erscheinung des Tisches aus den Elementen, die den Tisch ausmachen. Das Bewusstsein und jedes seiner begleitenden Geistesfaktoren sind auf ihre Tendenzen als dessen Ursprungsquelle zurückzuführen. Aus einer Tantra-Sicht ist der subtile Wind, der das geistige Hologramm ausmacht, das die Erscheinung ist, die wir wahrnehmen, wenn wir den Tisch sehen, das subtile Wind-Element unseres subtilen Körpers, mit dem sich der subtilste Wind, welcher der Träger unseres Geistes klaren Lichts ist, verbindet. Das ist eine Weise, auf die im Prasangika behauptet wird, dass alle Erscheinungen das Spiel des Geistes klaren Lichts sind. Man vertritt dort nicht, dass der Geist des klaren Lichts materielle Objekte erschafft. 

Um dies mit unserer Diskussion über Karma zu verbinden, so ist unser zwanghaftes Verhalten, ob es nun durch geistige karmische Impulse angetrieben wird oder aus physischen karmischen Impulsen besteht, eine Erwiderung auf die Erscheinungen, die wir wahrnehmen und diese Erscheinungen sind auch mit bestimmten Arten von Winden verbunden. 

Kollektives Karma und die Entstehung des Universums 

In der Regel haben die Struktur des Universums, dessen physikalische Gesetze und so weiter ebenfalls einen Einfluss darauf, was wir tun. Lasst uns zu unserer Diskussion über Kalachakra zurückkehren, um dies zu untersuchen. Im Kalachakra spricht man von den Parallelen zwischen der äußeren und der inneren Welt. So wie es äußerlich die Bewegung der Himmelskörper gibt, die von Winden angetrieben werden, gibt es auch die Bewegung der subtilen Winde im Körper, die Erscheinungen hervorbringen. In ähnlicher Weise gibt es eine Parallele zwischen den anfangslosen Zyklen von Geburt, Leben und Sterben eines Universums und der Geburt, dem Leben und Sterben eines individuellen Wesens. Im Fall des Universums werden dessen Zyklen durch das kollektive Karma der Wesen beeinflusst, die in ihm geboren werden und was die individuellen Wesen betrifft, so stehen deren Zyklen unter dem Einfluss ihres eigenen individuellen Karmas. 

In Bezug auf die äußere Welt, das Universum, spricht man im Kalachakra von Raumpartikeln. Raumpartikel findet man in vielen verschiedenen Zusammenhängen. Sie umfassen den Raum zwischen Dingen oder sind die kleinste Komponente materieller Objekte, da sie der Raum zwischen den gröberen Partikeln sind. Ein einziges Raumpartikel, vielleicht wie eine Quantensingularität, ist das, was zwischen dem Zusammenbruch eines Universums und dem Entstehen eines anderen Universums übrig bleibt. Dieses Raumpartikel beinhaltet Spuren – wörtlich „Samen“ – der Elemente, doch die Kräfte der Physik, welche die Partikel dieser Elemente verbinden und zusammenhalten, sind in diesem Zustand nicht aktiv. Sie fangen lediglich an, sich durch die Auswirkung des kollektiven karmischen Potenzials der Wesen zu verbinden, die in dem Universum wiedergeboren werden, das aus ihnen entsteht. 

Auf der Ebene eines individuellen Wesens gibt es, analog zu einem Raumpartikel, einen subtilsten kreativen Energietropfen, oder kurz gesagt einen subtilsten Tropfen. Zur Zeit der Todes-Existenz, zwischen dem Ende eines Lebens und dem Entstehen des nächsten, besteht das Kontinuum einer Person nur aus einem Geist des klaren Lichts, dem subtilsten Wind und einem subtilsten Tropfen. Wie im Fall eines Raumpartikels, beinhaltet dieser subtilste Tropfen auch Spuren der Elemente in ungebundener Form. Sie beginnen sich nur zu verbinden, um die subtilen Elemente des subtilen Körpers des nächsten Lebens durch die Auswirkungen des individuellen karmischen Potenzials der Person zu bilden. Die groben Elemente ihres Wiedergeburtskörpers entwickeln sich natürlich aus den groben Elementen von Same und Eizelle der Eltern, wenn es eine Wiedergeburt als Mensch oder Tier gibt. 

Sprechen wir von kollektivem Karma, sollten wir es nicht als ein Zuschreibungsphänomen auf der Basis eines kollektiven Unterbewusstseins betrachten, das wir alle miteinander teilen. Kollektives Karma bezieht sich auf karmische Potenziale, die Zuschreibungsphänomene des konventionellen „Ichs“ einer riesigen Anzahl von Wesen sind, die alle das Potenzial haben, in einem einzigen Satz von Merkmalen eines Universums heranzureifen, in dem sie alle irgendwann geboren und daran teilhaben werden. In diesem Universum wird es Winde geben, welche die Bewegung der Himmelskörper antreiben und steuern, und somit festlegen, wie lange ein Tag und ein Jahr sein werden, dass es Jahreszeiten sowie Tag und Nacht und all diese Dinge geben wird. Die Formation und Struktur all dessen wird vom kollektiven Karma all der Wesen beeinflusst, die in diesem Universum geboren werden, doch die physischen Substanzen, aus denen dieses Universum besteht, werden aus den Spuren der Elemente im Raumatom stammen, aus dem sich das Universum durch den Einfluss der kollektiven karmischen Potenziale dieser Wesen erweitert. Die Existenz dieser Spuren kann nur als das begründet werden, worauf sich die Konzepte und Namen dafür beziehen. Ihre Existenz kann nicht aus sich selbst heraus begründet werden. Das Universum existiert nicht bereits in einem Raumpartikel; es ist nicht so, dass es schon festgelegt ist, wie es erscheinen wird und nur darauf wartet herauszukommen, wenn es durch kollektives Karma beeinflusst wird. Es gibt eine enge Verbindung zwischen Materie, Energie und Geist, doch sie ist nicht so direkt. 

Seine Heiligkeit erklärt, dass man auch sagen könnte, das kollektive Karma des Geistes klaren Lichts – und nicht irgendein universaler Geist des klaren Lichts, sondern der individuelle Geist des klaren Lichts von allen gemeinsam – hilft gewissermaßen, das Universum zu formen. Es ist nicht so, dass das kollektive Karma das Universum aus nichts heraus oder aus einem Raumpartikel erschafft, doch das kollektive Karma beeinflusst die Form des Universums. Wenn allerdings ein Universum einen Kreislauf des Entstehens, Andauerns und Zerfalls beginnt, übernehmen laut dem Theravada und gemäß den Erklärungen von Asanga nicht-karmische Ordnungen und Impulse, um zu agieren.  Seine Heiligkeit nutzt immer das Beispiel von Blättern, die im Herbst von einem Baum fallen. Zu welchem Zeitpunkt jedes Blatt herunterfällt, die Reihenfolge, in der sie fallen und wo sie auf dem Boden landen, wird durch die Prinzipien der Physik, der Botanik, des Wetters und all solcher Dinge bestimmt. Es handelt sich dabei nicht um karmische Faktoren.

Natürlich existieren wir nicht unabhängig von diesen äußeren Faktoren. Wir erfahren das Wetter, aber wir erschaffen es nicht im grundlegendsten Sinn. Allerdings haben wir einen Einfluss auf das Wetter – den Treibhaus-Effekt und solche Dinge – und sind also nicht unabhängig davon. Die kausale Beziehung ist hier ziemlich komplex, aber es gibt Gesetze der Physik und Naturgesetze, welche die Macht haben, wobei die Gesetze der Physik und die Naturgesetze gewissermaßen von den Wesen geformt werden, die unter ihrem Einfluss stehen. Dann übernehmen sie jedoch auf eine unpersönliche Weise die Macht, um beispielsweise das Fallen der Blätter von einem Baum zu erklären. Auf diese Weise versucht Seine Heiligkeit dieses echte Dilemma in Bezug auf eine Erklärung unserer Erfahrung zu lösen, ohne dabei nur um die Tatsache zu kreisen, dass alles durch unseren Geist oder durch unsere karmischen Potenziale erschaffen wird. 

Fragen 

Haben die Menschen, die in der Endphase des Universums kommen, einen Einfluss auf den Anfang? 

Nicht unbedingt. Es wäre dasselbe, zu sagen, dass all die Menschen, die in Tibet geboren wurden und unter der chinesischen Besatzung litten, in ihren früheren Leben ebenfalls Tibeter waren und ihnen dies nun aufgrund all der Dinge widerfuhr, die sie in der Vergangenheit zu Zeiten des tibetischen Herrschers Songtsen Gampo den Chinesen angetan hatten. Nein. Sie könnten an irgendeinem anderen Ort, in einer anderen Lebensform gelebt haben und dann in Tibet zur Zeit der chinesischen Machtergreifung geboren worden sein. Das schließt die geschichtlichen Ursachen nicht aus, die zu dem führten, was passiert ist. Es gibt verschiedene Arten von Ursachen. Das gleiche gilt in Bezug auf das Universum. 

Im Buddhismus spricht man von unzähligen Universen; es gibt also nicht nur eins. Ein Universum ist ziemlich groß – ich meine das, was wir als ein ganzes Universum betrachten. Es gibt jedoch zahllose solcher Universen und sie alle gehen unterschiedlich schnell ihre Phasen durch. Wenn ein Universum sich erweitert, zieht ein anderes sich wieder zusammen, und so gibt es immer einen Ort, an dem geistige Kontinua wiedergeboren werden können. Es ist nicht so, dass es ein leeres Zeitalter gibt, in dem alle irgendwo in einem Bardo herumsitzen und darauf warten, dass sich das Universum entwickelt. Wir würden sagen, dass die Wesen, die das karmische Potenzial haben, in dem Universum wiedergeboren zu werden, das kollektive Karma miteinander teilen, das es formen wird – und sie werden nicht nur zu Beginn dieses Universums dort wiedergeboren werden, denn zu Beginn gibt es keine Wesen dort; es dauert ziemlich lange, bevor es dort Wesen gibt. Ein Universum muss sich erst entwickeln, bevor es Wesen in ihm geben kann und wenn es zerfällt, gibt es eine weitere lange Periode ohne Wesen. Wir würden also sagen, dass jene mit dem karmischen Potenzial, während der gesamten Zeit in diesem Universum wiedergeboren zu werden, in der es Wesen dort gibt, die Struktur dieses Universums beeinflussen würden. 

Doch das ist eine ziemlich schwierige metaphysische Frage. Wie können wir sagen, dass sie das karmische Potenzial geschaffen haben, ein noch nicht stattfindendes Universum zu strukturieren? Um auf diese Frage einzugehen, müssen wir uns mit der Realität der Zukunft beschäftigen. Das noch nicht stattfindende Universum, wie das noch nicht stattfindende Morgen, findet momentan nicht statt, doch es ist ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen und es existiert. Es existiert in dem Sinn, dass es konzeptuell gültig erkannt werden kann – wir können beispielsweise darüber nachdenken und Pläne dafür machen. „Existieren“ bedeutet nicht, dass es momentan stattfindet. Wir müssen hier zwischen dem unterscheiden, was momentan stattfindet und dem, was gültig erkennbar ist, was wir oft nicht tun. Damit etwas existiert, muss es nicht gegenwärtig stattfinden. Gemäß dem Buddhismus kann das, was existiert, gültig erkannt werden, und das heißt entweder durch gültige nicht-konzeptuelle Sinneswahrnehmung oder durch gültige schlussfolgernde konzeptuelle Wahrnehmung. 

Der nicht mehr stattfindende Zerfall des antiken Roms kann zum Beispiel gültig erkannt werden, genau wie die nicht mehr stattfindenden lebenden Dinosaurier. Das heißt nicht, dass wir momentan Dinosaurier gültig sehen können, die auf der Erde herumlaufen. Gegenwärtig stattfindende oder gegenwärtig lebende Dinosaurier gibt es nicht und können nicht gültig erkannt werden. Dinosaurier, die jedoch nicht mehr leben, kann man gültig kennen. Sie sind gültig erkennbar durch gültige schlussfolgernde Wahrnehmung beruhend auf gültiger Sinneswahrnehmung ihrer Knochen, die es als Relikte von ihnen gibt. Die gültige schlussfolgernde Wahrnehmung beruht auf der Begründung, dass, wenn es Knochen eines Wesens gibt, diese die Überreste eines nicht mehr lebenden Wesens sind. 

Das gleicht gilt für ein noch noch nicht stattfindendes Universum. Ein noch noch nicht stattfindendes Universum kann von uns gültig und konzeptuell auf der Basis gültiger schlussfolgernder Wahrnehmung erkannt werden. Ein noch nicht stattfindendes Universum existiert nicht aufgrund dessen, dass es beruhend auf der Tatsache gültig erkennbar ist, dass alle Wesen das Potenzial haben, in einem geboren zu werden. Mit gültiger konzeptueller Wahrnehmung können wir jedoch lediglich ein grobes geistiges Bild von so einem Universum haben; wir könnten es nicht in allen korrekten Einzelheiten kennen. 

Wir haben bereits ausführlich darüber gesprochen, wie ein Buddha durch gültige nicht-konzeptuelle Wahrnehmung etwas kennt, was nicht mehr stattfindet und was noch nicht stattfindet. Wir müssen es nicht alles wiederholen. Bitte erinnert euch an unsere Diskussion darüber, wie Ursache und Wirkung tatsächlich existieren und dass das Resultat zum Zeitpunkt der Ursache weder wahrhaft und auffindbar existiert, noch wahrhaft nicht existiert. Das bedeutet, dass das Resultat zum Zeitpunkt der Ursache, wenn all die beeinflussenden Variablen vollständig sind, gültig von uns abgeleitet werden kann. Dessen Existenz kann jedoch nur in Bezug darauf begründet werden, worauf sich das Wort oder Konzept „Resultat“ beruhend darauf bezieht, dass alle Ursachen und Bedingungen vollständig sind. Als solches kann das Resultat zum Zeitpunkt der Ursachen trotz der Tatsache gültig erkannt werden, dass das Resultat nicht zur Zeit der Ursache stattfindet, noch in der Ursache sitzt und darauf wartet, herauszukommen. 

Gibt es in anderen Universen andere physikalische Regeln oder Gesetze? 

Wir müssten sagen, dass es wahrscheinlich der Fall sein könnte. Betrachten wir die Ebene der begehrenswerten Sinnesobjekte, die Ebene der ätherischen Formen und die Ebene der formlosen Wesen – die so genannten Bereiche der Begierde, der Form sowie den formlosen Bereich – so gibt es in jedem von ihnen andere Eigenschaften und Gesetze, die dort aktiv sind. In den Bereichen der ätherischen Formen oder formlosen Wesen gibt es nichts Destruktives und weder Geruch noch Geschmack. Wenn es in diesem bestimmten Universum so ist, warum sollte es nicht auch Ebenen der Existenz mit unterschiedlichen Eigenschaften in anderen Universen geben? 

Sogar innerhalb dieses Universums gibt es so viele verschiedene Planeten, auf denen es zweifelsohne Lebensformen gibt, die in Umgebungen mit verschiedenen Temperaturen und Schwerkräften leben. Sogar auf diesem Planeten der Erde gibt es Wesen, die am Boden des Ozeans unter enormem Tiefendruck und in extremen heißen oder kalten Temperaturen leben. Es gibt unterschiedliche Elemente, in denen Wesen leben. Manche leben im Wasser, andere in der Luft und wieder andere auf der Erde. Wer weiß, was in anderen Welten und Universen noch alles möglich ist. 

Kann es in anderen Universen verschiedene Gesetze der Physik geben? Warum nicht, doch sie müssten geeignet sein, um Wiedergeburten in diesem Universum in Formen zu ermöglichen, die dort leben könnten. Die physikalischen Gesetze eines Universums sind nicht inhärente auffindbare „Dinge“, die in diesem Universum unabhängig von allem existieren. Physikalische Gesetze und mathematische Formeln sind lediglich konzeptuelle Konstrukte, die uns helfen, die Funktion eines Universums zu verstehen. Sogar innerhalb unseres Universums sind die Wissenschaftler damit beschäftigt, ihr konzeptuelles Verständnis des Universums ständig zu aktualisieren, zu ändern und zu verfeinern. 

Quantenmechanik und Wahrscheinlichkeit  

Ich würde gern in unsere Diskussion über Determinismus ein paar Vorstellungen einbringen, die es in der Quantenmechanik gibt. Obwohl ich mich nicht sonderlich in der Quantenmechanik auskenne und das, was ich spekuliere, wissenschaftlich nicht korrekt sein mag, könnten wir uns ein paar dieser Vorstellungen ansehen. 

Stellen wir die Frage, was etwas ist, so lautet die Antwort darauf: das, worauf sich ein Konzept oder Wort dafür bezieht. Ein Tisch ist zum Beispiel das, worauf sich das Wort „Tisch“ bezieht. Können wir sagen, dass Tische, Stühle und solche Dinge tatsächlich existieren? Gibt es Tische und Stühle? Die Gelugpas sagen, dass es Tische und Stühle gibt, die Funktionen erfüllen, wenn wir ihre oberflächlichen oder tiefsten Wahrheiten nicht analysieren. Nun, was bedeutet das? Gibt es da draußen eine undifferenzierte große Suppe, und wenn wir sie mit einem Konzept oder Wort bezeichnen, beginnen die Objekte, auf die sich diese Konzepte und Worte beziehen, wahrhaft zu existieren und in Erscheinung zu treten? Ganz gewiss nicht. 

Wie steht es damit, wenn in der Quantenmechanik über den Ort eines Partikels gesprochen wird? Es ist nicht so, dass es an einem Ort, an dem ein Partikel lokalisiert werden könnte, eine bestimmte festgesetzte Anzahl von Quantenmöglichkeiten gibt und sie tatsächlich alle wahrhaft da draußen existieren, und wenn wir den Ort wahrnehmen, führt unsere Wahrnehmung des Partikels dazu, wahrhaft an einem Ort zu existieren und zu erscheinen. 

Beide Beispiele sind so, als würde man sagen, dass Objekte, wie Tische, durch geistiges Bezeichnen erschaffen werden. Im Fall des Partikels würden sie durch Sinneswahrnehmung erschaffen werden und im Fall des Tisches durch konzeptuelles Bezeichnen, doch der Punkt ist, dass der Geist sie in beiden Fällen erschafft und sie dann wahrhaft existieren. 

Diese Vorstellung der wahren Existenz bezüglich des Ortes eines Partikels gilt es zu beseitigen. Es kann nicht sein, dass es sich wirklich nirgendwo befindet und dann, wenn wir es sehen, an einem Ort wahrhaft existiert. Es kann auch nicht sein, dass es gleichzeitig wahrhaft an mehreren Orten war, wir es jedoch einfach nicht sehen konnten, es jedoch dann, durch unser Betrachten aus eigener Kraft wahrhaft an einem Ort erschien und nicht anderswo. Ebenso ist es nicht möglich, dass es schon wahrhaft an einem Ort war und wir es erst jetzt sehen.  

Diese Analyse des Ortes eines Partikels müssen wir nun mit unserer Analyse karmischer Resultate verbinden. Ist es so, dass all die karmischen Möglichkeiten dessen, was aus unseren Potenzialen heranreifen kann, wahrhaft existieren und wenn wir in eine bestimmte Situation kommen, eine karmische Möglichkeit beginnt wahrhaft zu existieren, stattzufinden und wir sie erfahren? Und existieren all diese karmischen Möglichkeiten wirklich irgendwo und kennt Buddha sie alle? Oder ist es so, dass es im Grunde nur eine karmische Möglichkeit gibt, wie das Objekt, das wirklich nur eine Sache ist, und wenn wir in die richtige Situation kommen, die zu einem Auslöser wird, erfahren wir sie und Buddha wusste bereits vorher, was passieren wird? Das sind alles Trugschlüsse. 

Was spielt sich dann mit unserer Erfahrung des Reifens unserer karmischen Potenziale ab? Es ist nicht so leicht, doch wir müssen versuchen, diese Extreme zu vermeiden, denn es stimmt, dass unser begrenzter Geist eine Sache, die er sieht, als wahrhaft existent erscheinen lässt. 

Wie ist es bezüglich der Quantenmöglichkeiten, dass ein Teilchen, bevor wir es sehen, gleichzeitig an mehreren Orten ist, und wenn wir es sehen, sich nur an einem Ort befindet? Der Geist hat an einem Ort eine Erscheinung, eine wahrhaft existierende Erscheinung, von ihm erschaffen, nicht wahr? Verbinden wir die ganze Erklärung der Quantenmechanik von Dingen mit den buddhistischen Lehren, passt sie in die Beschreibung darüber, wie unser Geist Erscheinungen wahrer Existenz hervorbringt, was wirklich interessant ist. Wir müssen also diese ganze Diskussion über den Ort eines Partikels auf die Diskussion über Karma, die karmischen Möglichkeiten sowie auf die ganze Diskussion über Determinismus oder freien Willen übertragen. Aus diesem Grund sage ich, dass es in unserer Diskussion über Determinismus, freien Willen, was ein Buddha sieht, was ein Buddha weiß usw. schwer für uns ist, diese Fragen in Betracht zu ziehen, denn unsere ganze Herangehensweise impliziert eine wahre Existenz des ganzen Systems. Erkennt ihr das Problem hier? 

Wenn wir über Entscheidungen sprechen, klingt das, als würden Entscheidungen wahrhaft existieren – als gäbe es wahrhaft existierende Entscheidungen, als würden sie wahrhaft als noch nicht stattfindende Entscheidungen existieren, und als würden wir eine wählen, sie dann stattfinden lassen und als wären die anderen dann nicht mehr möglich. Das ist eine falsche Betrachtungsweise von Dingen als hätten sie wahre Existenz. Doch sobald wir begreifen oder nur versuchen die Frage zu stellen: „Haben wir eine Wahl?“, deutet das darauf hin, das Entscheidungen irgendwo wahrhaft existieren. Sie finden noch nicht statt und entweder sind sie irgendwo inhärent im Universum und müssen sich einfach nur manifestieren, wie so eine Samkhya-Sache, oder die ganze Vorstellung ist hier etwas merkwürdig. Das ist die Verbindung, die wir mit der Quantenmechanik herstellen müssen. 

Es ist nicht notwendig, hier weiter ins Detail zu gehen, was die Quantenmechanik betrifft. Es ist nur so, dass es in Bezug auf Partikel eine große Wahrscheinlichkeitsfunktion gibt, wo sie sich befinden, und da wir den Ort und die Geschwindigkeit zur gleichen Zeit nicht kennen, können wir sagen, dass sie gleichzeitig überall sind. All diese Möglichkeiten sind gewissermaßen wahrhaft existent, doch wenn wir tatsächlich hinsehen, entdecken wir schließlich ein Partikel an einem bestimmten Ort und so interagiert der Beobachtende mit dem System. Doch wir sollten sehr vorsichtig sein, wie wir das verstehen. 

Beziehen wir uns aber in unserer Diskussion über die Möglichkeiten nicht auf die Partikel, sondern auf Karma. Es gibt eine begrenzte Anzahl von Auswahlmöglichkeiten angesichts der Variablen, die einen Einfluss darauf haben könnten, was wir tun. Es scheint uns, dass sie tatsächlich wahrhaft existieren und wir uns nun für eine entscheiden werden. Es ist, als gäbe es hier alle Dinge auf einem Menü und als würden wir eins auswählen und es geschehen lassen. Oder wusste Buddha, dass es ein Menü gab, kannte Buddha das Menü und wusste Buddha schon vorher, was wir auswählen würden? 

In der Tat gibt es kein Menü. Dinge existieren nicht auf diese Weise. Sogar, wenn wir von Tendenzen oder Samen sprechen, ist es nicht so, dass das Resultat bereits im Samen existiert, denn es gibt zahlreiche Faktoren, die das Heranreifen unserer karmischen Potenziale und Tendenzen beeinflussen können, nachdem wir eine Handlung ausgeführt haben – zum Beispiel die Handlung zu wiederholen oder sie niemals zu wiederholen, zu bedauern oder nicht zu bedauern, was wir getan haben, es zu reinigen und so weiter. Sogar die Gebete anderer Menschen können beispielsweise einen Einfluss darauf haben, was im Bardo bezüglich unserer nächsten Wiedergeburt passieren wird. Waren all die Möglichkeiten bereits da und wahrhaft existent, bevor das Heranreifen auftrat? Nein. 

Trotz allem ist es ausgesprochen schwierig zu wissen, was ein Buddha weiß. Leider ist die Antwort darauf, dass wir ein Buddha werden müssen, um zu wissen, was ein Buddha weiß. Das ist keine sehr tröstliche Antwort, doch wenn wir Schwierigkeiten haben, eine Frage zu beantworten – wie zum freien Willen, zum Determinismus, zur Vorbestimmung usw. – besteht das Problem oft darin, dass die Konzepte fehlerhaft sind, die mit dem Stellen der Frage einhergehen. 

Das geht zurück auf die 14 Fragen, die Buddha nicht beantwortete; er hat für sie keine Antwort festgelegt, da sie auf eine Weise formuliert waren, dass sie von den Menschen missverstanden werden würden, egal welche Antwort er gab. Zum Beispiel: Hat das Universum einen Anfang oder nicht? Nun offensichtlich gibt es Lehren, die besagen, dass es keinen Anfang hat, doch wenn wir nach einem wahrhaft existierenden Universum fragen, werden wir es missverstehen, ob wir nun sagen, es hat ein Beginn oder nicht. Sprechen wir über wahrhaft existierende Auswahlmöglichkeiten – ob wir eine Wahl oder keine Wahl haben – ist es egal, was die Antwort ist, denn wir werden es missverstehen, weil wir die Auswahlmöglichkeiten als wahrhaft existierende Auswahlmöglichkeiten sehen. Das funktioniert einfach nicht. 

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