Rechte Rede, rechtes Verhalten und rechter Lebensunterhalt

Rückblick

Die drei Schulungen in ethischer Disziplin, Konzentration und unterscheidendem Gewahrsein sind immer darauf ausgerichtet, uns bei der Bewältigung der Probleme und Leiden zu helfen, die wir erleben. Die Methode dafür besteht darin, die Ursachen unserer Schwierigkeiten zu identizieren und die drei Schulungen dafür einzusetzen, diese Ursachen zu beseitigen.

Es ist auch äußerst hilfreich, die drei Schulungen im täglichen Leben weiterzuentwickeln, wenn wir mit anderen Menschen zu tun haben.

  • Ethische Disziplin – wichtig ist, zu beobachten, wie wir uns anderen gegenüber verhalten und wie wir mit ihnen reden. Wir brauchen ethische Selbstdisziplin, um uns davon zurückzuhalten, irgendetwas zu tun, was verletzend oder schädlich wäre.
  • Konzentration – es ist unerlässlich, dass wir uns konzentrieren können, wenn wir mit anderen zu tun haben, damit wir merken, was mit ihnen los ist und was sie brauchen. Wenn wir zerstreut sind und unser Geist ständig hin- und herspringt, wenn wir dauernd auf unser Mobiltelefon blicken, erschwert das die Kommunikation mit anderen erheblich.
  • Unterscheidung – wenn wir jemand anderem gut zugehört haben, werden wir imstande sein, unterscheidendes Gewahrsein einzusetzen, um zu entscheiden, welche Reaktion angebracht ist. Das wiederum führt dazu, dass wir im Hinblick auf andere in angemessener Weise denken, handeln und reden.

Die drei Schulungen gehen Hand in Hand und verstärken sich gegenseitig und deshalb ist es erforderlich, sie alle gleichzeitig zum Einsatz zu bringen. Auch wenn wir nicht mit anderen Menschen zusammen sind, sind diese drei Schulungen ebenso für uns selbst von Vorteil:

  • Sie verhindern, dass wir uns auf eine Art und Weise verhalten, die uns selbst schadet.
  • Unser Geist ist fokussiert, sodass wir zustande bringen, was wir uns vorgenommen haben.
  • Wir benutzen unsere grundlegende Intelligenz, um zu unterscheiden, was angemessen und was unangemessen ist.

Somit stellen sie ganz grundlegende Prinzipien dar, die wir im täglichen Leben sowohl auf unsere persönliche Situation als auch auf soziale Interaktionen anwenden können.

Der achtfache Pfad

Eine Darstellung, wie man sich in diesen drei Schulungen üben kann, ist die Beschreibung des so genannten „achtfachen Pfades“. Das sind einfach acht Arten von Übungen, in denen wir uns schulen und die bewirken, dass diese drei Aspekte entwickelt werden.

Zur Schulung ethischer Disziplin werden drei Übungsbereiche aufgeführt:

  • Rechte Rede – unsere Art und Weise zu kommunizieren
  • Rechte Begrenzung des Handelns – die Art, wie wir uns verhalten
  • Rechter Lebenserwerb – die Art, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen.

Auch für die Schulung der Konzentration gibt es drei Übungsbereiche:

  • rechte Bemühung
  • rechte Vergegenwärtigung
  • rechte Konzentration.

Und für die Schulung des unterscheidenden Gewahrseins gibt es zwei Bereiche:

  • Rechte Ansicht – das, was wir für wahr halten, beruhend darauf, dass wir korrekt unterscheiden, was richtig und was falsch ist bzw. was schädlich und was von Nutzen ist.
  • Rechte Absicht (rechter motivierender Gedanke) – der konstruktive Geisteszustand, zu dem die rechte Ansicht führt.

In der ausführlicheren Darstellung wird für jeden dieser acht Übungsbereiche eine verkehrte Art des Einsatzes aufgeführt, die wir ablegen möchten, und eine richtige Art des Einsatzes, die wir übernehmen möchten.

Sprache

Die Art, wie wir mit anderen reden, spiegelt unseren eigenen Geisteszustand wieder. Sie beeinflusst, wie sich andere fühlen, und wie sie uns in Reaktion auf unsere Redeweise betrachten und behandeln.

Falsche Redeweise

Eine falsche Redeweise ist eine solche, die zu Problemen und Unglücklichsein führt:

  • Lügen – etwas sagen, das nicht wahr ist, und andere betrügen. Wenn man uns als jemanden kennt, der lügt oder andere mit seinen Aussagen hinters Licht führt, wird uns bald niemand mehr glauben, vertrauen oder auch nur zuhören. Das schafft eine sehr missliche Situation.
  • Entzweiende Rede – schlecht über jemanden reden gegenüber dessen Freunden oder Partnern, in dem Versuch, die Beziehung kaputtzumachen. Das veranlasst die Leute zu überlegen, was wir wohl hinter ihrem Rücken über sie erzählen, und zerstört unsere eigenen Beziehungen.
  • Grobe Redeweise – gemein und herzlos reden oder andere anschreien und beschimpfen. Wenn wir andere sprachlich beleidigen, werden sie anfangen, in ähnlichem Ton mit uns zu reden, und wenn sie nicht gerade Masochisten sind, werden sie keine Lust haben, mit so jemandem, der sie dauernd anschreit, zusammen zu sein.
  • Sinnloses Geschwätz – immerzu belangloses Zeug reden, andere unterbrechen und über nichtige Dinge reden oder tratschen. Das Ergebnis davon ist, dass niemand uns mehr ernst nehmen wird und die Menschen empfinden es als eine Zumutung, mit uns zusammen zu sein. Wir vergeuden unsere Zeit und rauben auch anderen die Zeit.

Rechte Rede

Konstruktive Redeweise ist das, was uns hilft, von den obigen vier Arten falscher Redeweise Abstand zu nehmen. Die erste Stufe der Disziplin besteht darin, wenn uns danach ist, etwas zu sagen, was nicht wahr ist, jemanden anzuschreien oder einfach loszuplappern, zu erkennen, dass das schädlich ist, zu Unglücklichsein führen wird, und sich große Mühe zu geben, es zu unterlassen.

Das ist keineswegs einfach, denn man muss den Moment erwischen, in dem man diese Anwandlung hat, und bevor man einfach zwanghaft zu reden anfängt. Es ist ähnlich wie wenn man beispielsweise ein Stück Kuchen will. Manchmal bietet uns jemand ein zweites Stück Kuchen an und bevor wir unwillkürlich danach greifen, können wir den Gedanken einschalten: „Obwohl ich das möchte, brauche ich nicht danach zu handeln. Ich brauche nicht noch ein Stück, ich werde davon bloß dicker, und es täte mir gut, etwas abzunehmen.“ So ähnlich ist das, wovon hier im Zusammenhang mit Disziplin die Rede ist.

Shantideva, ein großer indischer buddhistischer Meister, rät: Wenn man derartige Anwandlungen hat, empfiehlt es sich, einfach wie ein Stück Holz zu verharren. Es mag sein, dass mir danach ist, jemanden anzuschreien oder etwas Hässliches zu sagen, aber ich erkenne, dass das mich und die andere Person nur aufregen würde, also lasse ich es. Ich verharre einfach wie ein Stück Holz. Ich möchte einen dummen Witz erzählen oder einen blöden Kommentar machen und erkenne, dass es nur Geschwätz ist, und sage nichts. Um diese Art von Situationen geht es.

Die zweite Stufe der Disziplin besteht darin, stattdessen tatsächlich etwas Konstruktives zu tun – in diesem Fall auf eine Art zu sprechen, die von Nutzen ist. Sie beruht darauf, dass man erkennt, dass dies zu Glück und zur Harmonisierung der Situation beiträgt. Erforderlich dafür ist, an Ursache und Wirkung zu denken.

Rechte Redeweise zu entwickeln erfordert sehr bewusste Anstrengung und starke Entschlossenheit, wahrheitsgemäß zu reden, behutsam, freundlich, zur rechten Zeit und in angemessenem Ausmaß zu reden und nur zu sagen, was sinnvoll ist:

  • Dazu gehört, sich zu bemühen, andere nicht dauernd zu unterbrechen oder ständig anzurufen oder SMS zu schicken, insbesondere um Belanglosigkeiten mitzuteilen, etwa, was es zum Frühstück gab oder Klatsch über andere. Das ist bedeutungsloses Geschwätz, das andere bloß unterbricht.
  • Ein angemessenes Ausmaß besteht darin, dass wir im Gespräch mit anderen nicht allzuviel reden oder jemanden unablässig von etwas zu überzeugen versuchen, insbesondere, wenn er schon zugestimmt hat.

Wir müssen dabei natürlich unser Unterscheidungsvermögen einsetzen. Im Zusammenhang mit wahrheitsgemäßer Rede bedeutet das z.B.: Wenn jemand ein hässliches Hemd anhat und etwas empfindlich ist, sagen wir nicht einfach: „Das sieht aber wirklich hässlich aus.“ Manchmal muss man etwas vorsichtig sein, das hängt von der jeweiligen Person ab. Ich hatte gerade Besuch von meiner Schwester. Wir wollten ausgehen und sie hatte eine Bluse angezogen, die ein bisschen eng war und nicht gut saß, aber sie ist ja meine Schwester, und so konnte ich ihr einfach sagen, dass das schrecklich aussah. Bei anderen Leuten, denen man nicht so eng vertraut ist, ist das nicht so einfach! Zu einer neuen Freundin würde man nicht sagen: „Die Bluse, die du da anhast, sieht furchtbar aus. Zieh dir etwas anderes an!“, auch wenn es die Wahrheit wäre.

Was grobe Redeweise betrifft – nun, manchmal muss man einen scharfen Tonfall anschlagen. Wenn Ihr Kind mit Streichhölzern oder einem Feuerzeug oder so etwas spielt, muss man nachdrücklich reden. Aber das würde eigentlich nicht als grobe Rede gelten, denn die Motivation dahinter ist nicht Ärger. Die Motivation spielt also wirklich eine entscheidende Rolle.

Andere Beispiele falscher Redeweise

Wir können die schädlichen Redeweisen auch im weiteren Sinne verstehen, sodass sie nicht nur umfasst, wie wir mit anderen reden, sondern auch wie wir (innerlich) mit uns selbst reden, sei es in Worten oder Gedanken. Wir können solche destruktiven Redeweisen also in wesentlich umfassenderem Sinne verstehen.

Zu Lügen kann es auch gehören, wenn man anderen über seine Gefühle oder Absichten etwas vormacht. Wir sind vielleicht sehr nett zu jemandem und reden von Liebe – und machen vielleicht sogar uns selbst etwas vor –, während wir in Wirklichkeit vor allem an dessen Geld oder irgendetwas anderem interessiert sind. Das soll nicht heißen, dass wir nun stattdessen hingehen und sagen: „Eigentlich liebe ich dich gar nicht. Ich will nur dein Geld.“ Das wäre recht unpassend. Es geht eher darum, dass wir uns selbst fragen, ob wir aufrichtig waren hinsichtlich unserer Gefühle und Absichten.

Entzweiende Rede könnte auch darin bestehen, dass wir so unausstehlich reden, dass unsere Freunde sich von uns abwenden. Es gibt Menschen, die sich ständig beklagen, immer nur darüber reden, wie schlecht alles ist, und damit andere vertreiben. Wer will schon mit so jemandem zusammen sein? Oder wenn man ununterbrochen redet, so dass man der anderen Person nicht einmal die Möglichkeit gibt, etwas zu sagen, - auch das treibt andere in die Flucht. Wir alle kennen solche Menschen, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass wir uns besonders oft mit ihnen treffen möchten. Besser ist es, etwas Nettes über andere zu sagen und möglichst Positives zum Ausdruck zu bringen.

Grobe Rede spielt auch eine Rolle, wenn wir nicht nur andere beschimpfen, sondern auch uns selbst. Wenn wir anderen sagen, sie seien dumm oder abscheulich, dann ist das natürlich herzlos. Herzlos ist es aber auch, wenn wir solche Ausdrücke an uns selbst richten. Das macht uns gewiss nicht glücklicher. Es ist wichtig, sich selbst gegenüber eine gute Einstellung zu haben, und es spielt durchaus auch eine Rolle, wie wir mit uns selbst umgehen.

Was sinnloses Gerede betrifft, so ist es in diesem Zusammenhang auch ratsam, dass wir nicht wahllos anderen von unseren privaten Angelegenheiten, Zweifeln, Sorgen usw. zu erzählen. Manche Dinge sollte man einfach nicht weitererzählen. Wenn uns z.B. jemand anvertraut, dass er schwul ist oder Krebs hat und uns bittet, das für uns zu behalten, sollten wir uns daran halten. Das Vertrauen von jemandem durch Gerede zu missbrauchen gilt normalerweise auch als sinnloses Geschwätz.

Bei der rechten Redeweise geht es also darum, auf angemessene Weise, zur rechten Zeit, in passenden Situationen zu sprechen. Manchmal ist es erforderlich, sich ziemlich formell auszudrücken, manchmal ist eine eher ungezwungene Ausdrucksweise angebracht. Es ist wichtig, so zu sprechen, dass die anderen sich dabei wohl fühlen. Wenn man einem Kind etwas erklärt, muss man es so erklären, dass das das Kind es verstehen kann, und das gilt im weiteren Sinne auch für Erwachsene, Menschen aus anderen Kulturkreisen usw.

Begrenzung des Handelns (des Verhaltens)

Beim zweiten Bereich des achtfachen Pfades geht es um rechte Begrenzung des Handelns – so lautet der Fachbegriff dafür. Wenn hier von Begrenzung die Rede ist, so geht es um bestimmte Grenzen wie z.B. in der Aussage: „Bis zu dieser Grenze werde ich in meinem Handeln gehen, aber nicht darüber hinaus.“

Falsches Verhalten

Die Überschreitung dieser Grenzen hat mit drei Arten von destruktiven Handlungen zu tun:

  • jemandem das Leben nehmen – ein Lebewesen töten
  • etwas nehmen, was uns nicht gegeben wurde – d.h. etwas nehmen, das uns nicht gehört, mit anderen Worten: stehlen
  • unangemessenes sexuelles Verhalten.

Töten

Das bedeutet einfach, jemand anderem das Leben zu nehmen. Es bezieht sich also nicht nur auf Menschen, sondern auf alle Arten von Tieren - auch auf Fische, Insekten usw.

Ich nehme an, dass es für die meisten von uns nicht so schwierig ist, das Jagen und das Fischen aufzugeben. Im Hinblick auf Insekten wird es für einige schon schwieriger. Es gibt viele Möglichkeiten, auf dieses Thema einzugehen, ohne dabei frühere oder künftige Leben mit ins Spiel zu bringen, etwa in Überlegungen wie: „Diese Fliege war in einem früheren Leben meine Mutter“ usw. befassen zu müssen. Der eigentliche Schwerpunkt hier liegt darin: Wir wollen, dass unsere erste, instinktive Reaktion, wenn uns etwas belästigt, nicht darin besteht, es zu töten. Denn dadurch entwickelt sich die Gewohnheit, alles, was uns nicht passt, gewaltsam vernichten zu wollen, und diese wird sich nicht nur auf die Fliege beschränken, die uns ums Gesicht schwirrt, sondern sich auch darüber hinaus auswirken. Besser ist es, zu versuchen, im Umgang mit etwas, das uns auf die Nerven geht, friedliche Methoden zu finden. Wenn sich z.B. eine Fliege oder Mücke an der Wand niederlässt, können wir einfach ein Glas darüberstülpen, ein Stück Papier darunterschieben und sie nach draußen bringen. In zahlreichen Situationen lassen sich durchaus friedlichere Möglichkeiten finden, mit etwas umzugehen, das uns nicht gefällt.

Wenn man, wie ich, in Indien lebt, lernt man, mit den Insekten zu leben. Es ist schlichtweg unmöglich, alle Insekten in Indien loszuwerden. Ich habe mir immer eine Werbekampagne für Reiseagenturen vorgestellt, die für Indien werben: „Wenn Sie Insekten mögen, werden Sie Indien lieben.“ Als ich nach Indien zog, war ich von meiner Vergangenheit her ganz und gar nicht begeistert von Insekten, aber ich war ein großer Science-Fiction Fan. Ich stellte mir also vor: wenn ich auf einen anderen Planeten käme und die Lebensform dort die Form von Insekten hätte, wäre es ziemlich furchtbar, wenn meine Reaktion auf jeden, den ich dort antreffe, nur darin bestünde, ihn zu zerquetschen. Wenn man einmal versucht, sich in die Lage eines Insekts zu versetzen – es tut ja nur, was es für ganz natürlich hält -, dann kann man beginnen, es als Lebensform zu respektieren.

Natürlich gibt es schädliche Insekten – genauso wie es auch schädliche Menschen gibt -, und manchmal ist es ratsam, starke Maßnahmen zu ergreifen, um sie unter Kontrolle zu bringen. Aber am besten ist es, zuerst friedliche Methoden zum Einsatz zu bringen, ganz gleich, ob es sich um zwischenmenschliche Konflikte oder um ein Haus geht, in dem sich Ameisen oder Kakerlaken befinden.

Doch stellen wir uns einmal den Fall vor, dass Heuschrecken unsere Ernte verzehren würden. Eine große Rolle spielt unsere Motivation. Ein Beispiel dafür wird in der Beschreibung eines früheren Lebens des Buddha gegeben: Er war Seemann auf einem Schiff, und an Bord befand sich jemand, der vorhatte, alle anderen umzubringen. Buddha erkannte, dass es keine Möglichkeit gab, den Massenmord auf friedliche Weise zu verhindern; die einzige Möglichkeit bestand darin, den künftigen Massenmörder selbst umzubringen. Buddha tötete also diesen Menschen, aber seine Motivation war Mitgefühl – nämlich, das Leben der Passagiere zu retten und zu verhindern, dass jene Person ein enormes Ausmaß von negativen Karma auf sich lud -, nicht Ärger oder Furcht. Doch Buddha war sich darüber im Klaren, dass er dafür jemanden töten würde, und dass dies ungeachtet der Motivation nichtsdestotrotz eine destruktive Handlung war, und er beschloss: „Ich bin bereit, die karmischen Konsequenzen davon selbst zu tragen, um die anderen zu retten.“

Wenn es also nötig ist, eine Art Raubtier – wie etwa die Heuschrecken -, zu töten, um die Ernte zu retten, und zwar nicht aus Ärger oder Furcht oder dem Wunsch nach Profit durch den Verkauf der Ernte, sondern aus Mitgefühl, dann werden die Folgen dieser Handlung wesentlich geringer ausfallen als wenn man sie aus Ärger heraus begangen hatte. Wie im Falle des Buddha ist es jedoch wichtig, sich klarzumachen, dass es dennoch eine negative Handlung ist, und bereit zu sein, die Folgen zu tragen, die daraus erwachsen.

Stehlen

Die meisten Menschen hängen weit mehr an ihrem Leben als an ihren Besitztümern, aber auch wenn man jemandem sein Eigentum wegnimmt, wird das auf beiden Seiten eine Menge Unglücklichsein nach sich ziehen. Insbesondere der Dieb wird die nagende Sorge nicht loswerden, ob man ihn nicht vielleicht doch erwischt.

Was wir zunächst einmal wollen, ist, Probleme für uns selber zu vermeiden. Für das Insekt oder den Fisch ist es natürlich schlimm, wenn man sie tötet. Aber auch wir haben ein Problem, wenn wir uns von Insekten sehr gestört fühlen; dauernd sind wir besorgt, dass Mücken in unseren Raum eindringen, stehen mitten in der Nacht auf und machen Jagd auf sie usw. Das ist ein sehr unbehaglicher Geisteszustand. Wenn wir allgemein friedliche Methoden anwenden, um mit so etwas umzugehen, ist unser Geist entspannter.

Das Gleiche gilt für Stehlen. Man muss dabei hinterlistig vorgehen, und man hat Angst, erwischt zu werden. Das Vorgehen ist bedingt durch starkes Begehren, wobei man nicht genügend Geduld aufbringt, die Arbeit zu leisten, die notwendig wäre, um das Gewünschte zu bekommen, und so stiehlt man es jemand anderem.

Es gibt es auch Fälle, in denen jemand aus entgegengesetzten Motiven stiehlt oder tötet:

  • Man kann auch aus Anhaftung oder Gier töten, etwa weil man unbedingt eine bestimmte Art Fisch oder Tier essen will. Wenn es partout nichts anderes zu essen gibt, ist das etwas anderes, aber wenn es Alternativen gibt, ist Anhaftung oder Gier der Beweggrund für so etwas.
  • Und man kann auch aus Wut etwas stehlen, weil man jemanden verletzen möchte und ihm deshalb etwas wegnimmt, das ihm gehört.

Unangemessenes sexuelles Verhalten

Das ist ein schwieriges Thema, denn für die meisten von uns besteht der starke Antrieb für sexuelles Verhalten in sehnsüchtigem Verlangen. Im Buddhismus werden grundlegende Richtlinien dafür erklärt, was zu vermeiden ist, nämlich:

  • Durch unser sexuelles Verhalten jemandem Schaden zuzufügen; dazu gehören auch Vergewaltigung und andere Arten, jemandem Gewalt anzutun.
  • Jemanden zu bedrängen, mit uns Sex zu haben, wenn er oder sie es nicht möchte – auch nicht unseren eigenen Partner.
  • Mit dem Partner von jemand anderem Sex zu haben, oder, wenn wir selbst in einer festen Beziehung sind, mit jemand anderem Sex zu haben. Ganz gleich, wie sehr wir uns vorsehen, es führt immer zu Problemen, nicht wahr?

Es gibt noch viele weitere Aspekte unangemessenen sexuellen Verhaltens, aber der Sinn dieser Richtlinie ist, dass wir uns nicht einfach wie ein Tier benehmen. Ein Tier bespringt einfach jedes andere Tier, wann immer es den Drang dazu verspürt, ganz egal, wer dabei anwesend ist usw. Tiere stehen völlig unter der Macht von Trieben und Begierden. Das ist es, was wir vermeiden möchten.

Deshalb setzen wir uns bestimmte Grenzen und entschließen uns, unser sexuelles Verhalten auf diesen Rahmen zu beschränken und ihn nicht zu überschreiten. Die Grenzen, die wir setzen, können sich auf die Häufigkeit, bestimmte Arten sexueller Handlungen, Positionen oder was auch immer beziehen. Es geht in erster Linie darum, bestimmte Richtlinien aufzustellen, wie wir unser Sexualleben gestalten wollen, und nicht einfach alles, zu jeder Zeit und mit wem auch immer zu tun. Das ist wirklich wichtig im Zusammenhang mit ethischer Selbstdisziplin. Selbstdisziplin bedeutet, nicht über die Grenzen hinauszugehen, die wir uns gesetzt haben, weil wir verstehen, dass deren Überschreitung nur auf Lust basiert und dies die Ursache für zahllose Probleme ist.

Drogen nehmen

Drogen nehmen zählt zwar nicht zu diesen schädlichen Handlungen, aber sie aufzugeben ist von Bedeutung für unsere Entwicklung.

Wir möchten Konzentration entwickeln, wir möchten Disziplin entwickeln. Wenn man betrunken ist, verliert man jegliche Disziplin, nicht wahr? Psychodelische Drogen oder Marihuana führen zu Konzentrationsverlust. Der Geist schweift ab und ist von regen Vorstellungen erfüllt. Wenn man die Auswirkungen von verschiedenen Drogen oder von Alkohol betrachtet und sie mit dem vergleicht, was wir in unserer persönlichen Entwicklung erreichen wollen, wird klar, dass Betrunkenheit oder Drogenrausch dazu im Widerspruch stehen. Drogen zu nehmen schafft Hindernisse, die nicht nur für die Dauer des Rauschs anhalten, sondern Nachwirkungen haben – man denke nur an den Kater nach dem Alkoholrausch! Es ist also eindeutig von Vorteil, sich gewisse Grenzen zu setzen, und am besten ist es, Rauschmittel ganz aufzugeben.

Rechte Begrenzung des Handelns (Rechtes Verhalten)

Ein Aspekt der ethischen Selbstdisziplin besteht darin, schädliche Formen des Verhaltens zu unterlassen. Der andere Aspekt besteht darin, konstruktive Arten von Handlungen auszuüben, und das ist es, was als „rechtes Handeln“ bezeichnet wird.

Anstatt anderen das Leben zu nehmen, hilft man aktiv dabei, Leben zu bewahren. Im weiteren Sinne kann dazu auch gehören, die Umwelt nicht zu zerstören, sondern zu schützen, sodass Tiere, auch Fische in Freiheit leben können. Schweine, falls man welche hat, nicht zu dem Zweck zu füttern, sie zu mästen und zu verzehren, sondern damit es ihnen gut geht – das kann Schutz von Leben sein. Auch Ihren Hund zu füttern kann eine Art sein, Leben bewahren zu helfen. Sich um kranke Menschen zu kümmern oder Verletzten zu helfen, gehört ebenfalls zu dieser Art von Handeln.

Stellen Sie sich eine Fliege oder eine Biene vor, die in Ihr Zimmer geflogen kommt. Sie möchte eigentlich gar nicht dort sein; sie möchte nach draußen, aber sie weiß nicht, wie, und wenn Sie sie umbringen, weil sie den Fehler gemacht hat, in Ihr Zimmer zu fliegen, ist das nicht sehr nett, oder? Man kann ihr helfen, wieder hinaus zu gelangen, indem man das Fenster öffnet und sie hinaus scheucht - man hilft, ihr Leben zu erhalten. Sie möchte leben. Wenn ein Vogel versehentlich ins Zimmer fliegen würde, würde man ja auch nicht ein Gewehr holen und ihn abschießen, oder? Der Unterschied zwischen der Biene und dem Vogel besteht lediglich in der Größe, der Erscheinungsform und dem Geräusch, das sie machen. Wenn Sie keine Fliegen in Ihrem Zimmer wollen, lassen Sie das Fenster zu oder bringen Sie ein Fliegengitter an.

Im Gegensatz zu Stehlen besteht die entsprechende rechte Handlung darin, das Eigentum anderer Menschen zu beschützen. Wenn Ihnen jemand etwas ausleiht, versuchen Sie es möglichst nicht zu beschädigen. Man versucht, anderen dabei zu helfen, dass sie schöne Dinge haben.

Anstelle von unangemessenem sexuellen Verhalten – nicht nur in Bezug auf andere, sondern auch in Bezug auf sich selbst – ist es wichtig, sanft und aufmerksam zu sein, nicht bloß wie ein begieriger Hund.

Andere Beispiele für rechtes und falsches Verhalten

Wenn wir diese Erläuterungen erweitern, können wir sehen, dass es noch viele andere Aspekte gibt, die mit diesen drei Arten von Verhalten zu tun haben.

Eine Erweiterung der Richtlinie, nicht zu töten, ist beispielsweise, damit aufzuhören, andere körperlich grob zu behandeln. Dabei geht es nicht nur darum, dass man andere nicht schlägt, sondern auch, sie nicht zu überfordern oder zu veranlassen, sich zu überarbeiten, oder zu drängen, etwas zu tun, das ihnen körperlich schaden würde. Auch das können wir ebenso auf uns selbst anwenden – wir sollten nicht schlecht mit uns selbst umgehen, indem wir uns überarbeiten, nicht gut essen und uns zu wenig Schlaf gönnen. Wir denken zwar oft an unser Verhalten gegenüber anderen, aber wichtig ist, das auch auf uns selbst zu beziehen.

Auch uns gegenüber – wir sollten damit aufhören, uns selbst körperlich zu misshandeln, indem wir zu viel arbeiten, schlecht essen, nicht genug schlafen usw. Normalerweise denken wir hierbei an unser Verhalten gegenüber anderen, aber tatsächlich verhalten auch wir uns auf eine sehr selbstzerstörerische Weise – indem wir uns zum Beispiel nicht genug bewegen.

Was das Stehlen betrifft – hier geht es nicht nur darum, anderen etwas wegzunehmen, sondern auch darum, die Dinge anderer zu benutzen, ohne vorher zu fragen z.B. einfach von jemandes Telefon ein teures Ferngespräch zu führen oder an ihren Kühlschrank zu gehen und sich zu bedienen, ohne um Erlaubnis zu fragen. Oder sich ins Kino zu schleichen, ohne Eintritt zu bezahlen, oder – das hören viele nicht gerne - seine Steuern nicht zu bezahlen. Auch das ist Stehlen. Natürlich könnte man argumentieren: „Ich möchte meine Steuern nicht zahlen, weil davon Kriege finanziert und Waffen gekauft werden.“ Aber es werden auch Straßen, Krankenhäuser und Schulen davon gebaut usw. Wenn man all das haben möchte, dann muss man eben auch gewisse Steuern zahlen.

Und wie steht es mit Raubkopien von Software oder Videos bzw. dem Herunterladen ohne Lizenz – ist das Stehlen? Ich meine, ja, insbesondere, wenn ausdrücklich dabeisteht, dass etwas nicht ohne Bezahlung heruntergeladen werden soll – in dem Fall ist das ganz eindeutig und man kann keineswegs sagen, das wäre kein Diebstahl. Im Grunde geht es jedoch darum, Grenzen zu setzen. Zwischen beliebigem Tun, wonach einem gerade ist, und Unterlassen jeglicher Handlungen gibt es ein gewisses Spektrum, nicht wahr? In Bezug auf Stehlen könnten wir z.B. sagen: „Ich werde keine Bank ausrauben oder Ladendiebstahl begehen, aber etwas herunterladen ohne zu bezahlen – das kann ich momentan nicht vermeiden.“ Damit setzen wir uns zumindest überhaupt eine Grenze, und es ist immerhin wichtig anzuerkennen, dass Herunterladen ohne zu bezahlen eine Art Stehlen ist. Außerdem besteht ein ziemlicher Unterschied darin, ob man etwas ohne zu bezahlen herunterlädt, obwohl man es sich eigentlich leisten könnte, oder weil man bitter arm ist. Die Handlung wiegt schwerer, wenn man eigentlich bezahlen könnte und es nicht tut, weil man knauserig ist oder Freude daran hat, dreist zu sein. So etwas sollte vermieden werden.

Das Thema Stehlen können wir auch in Bezug auf uns selbst betrachten – wir können aufhören, unser Geld für belanglose Dinge zu verschwenden. Dadurch missbrauchen wir unser Eigentum. Auch Glücksspiel gehört dazu. Und wir sollten auch nicht geizig in Bezug auf uns selbst sein – etwa wenn wir genügend Geld haben, uns gesund zu ernähren und gute Lebensmittel zu kaufen, aber zu geizig dazu sind und immer die billigsten Lebensmittel schlechtester Qualität kaufen. Das ist fast, als würden wir uns selbst guter Nahrung berauben!

Was unangemessenes sexuelles Verhalten angeht, so besteht es nicht nur darin, sich anderen aufzudrängen. Es geht auch darum, sexuelle Handlungen zu unterlassen, die eine Gefahr für unsere eigene körperliche oder emotionale Gesundheit bedeuten könnten. Ein einfaches Beispiel: Sie lernen jemanden kennen und fühlen sich zu dieser Person hingezogen. Einerseits würden Sie gern mit dieser Person Sex haben, aber sie hat enorm viele emotionale Probleme und andere Schwierigkeiten und Sie wissen, wenn Sie sich mit dieser Person einlassen, wird es massenweise Probleme geben. Der eigenen persönlichen Gesundheit zuliebe tut man es nicht und hält Abstand. Es ist zuträglicher, sich nicht einfach von der eigenen Lust verleiten zu lassen, bloß weil jemand hübsch ist.

Was zu tun ist, wenn wir die Grenzen überschritten haben, die wir uns gesetzt haben

Ab und zu wird es unvermeidlich dazu kommen, dass wir die Grenzen, die wir uns für unser Verhalten gesetzt haben, überschreiten, und deshalb werden im Buddhismus eine Reihe von Gegenkräften beschrieben, um mit solchen Situationen umzugehen:

  • Zugeben, was man getan hat. Seien Sie ehrlich zu sich selbst.
  • Die Handlung bereuen - wünschen, dass man, was immer es war, nie getan hätte. Das ist etwas anderes als Schuldgefühle, mit denen man sich selbst als schrecklichen Menschen betrachtet und nicht loslassen kann, was geschehen ist.
  • Den Entschluss fassen, zu versuchen, nie wieder so zu handeln.
  • Die eigene Motivation bekräftigen, diese Grenze nicht mehr zu überschreiten, weil das dazu führt, dass man unglücklich ist, und Probleme schafft.
  • Ein Gegenmittel anwenden. Wenn man z.B. jemanden angeschrien hat, kann man sich aufrichtig bei ihm entschuldigen und erklären, dass man in schlechter Stimmung war oder was auch immer.

Lebenserwerb

Dieser Punkt bezieht sich darauf, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Einige Arten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sind ethisch einwandfrei, andere nicht.

Falscher Lebenserwerb

Es geht darum zu vermeiden, sein Geld durch irgendein schädliches Gewerbe zu verdienen oder auf eine Art und Weise zu verdienen, die für uns selbst und andere schädlich ist. Dazu gehört z.B.:

  • Herstellung oder Vertrieb von Waffen,
  • Schlachten von Tieren, Jagen, Fischen oder Insektenvernichtung,
  • Herstellen, Verkaufen oder Anbieten von Alkohol oder Drogen,
  • Betreiben eines Spielkasinos,
  • Herausgeben oder Verbreiten von Pornografie.

Diese Arten von Lebenserwerb schaden oder, wie im Falle von Pornografie, bewirken, dass Lüste und Begierden zunehmen. Und selbst wenn wir keiner regulären Arbeit nachgehen, ist es wichtig, ehrlich zu sein und jede Form von Unaufrichtigkeit zu vermeiden, etwa:

  • von Kunden oder Klienten überhöhte Kosten zu fordern, um ihnen so viel Geld wie möglich abzunehmen
  • Veruntreuung: Geschäftsgelder für den eigenen Gebrauch zu verwenden
  • Erpressung: andere zu bedrohen, um Geld von ihnen zu bekommen.
  • Bestechung
  • andere auszubeuten
  • falsche Werbung
  • Manipulieren von Nahrung oder Produkten, um mehr Geld herauszuschlagen.

Es gibt sehr viele Arten, auf unaufrichtige Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen! Wir brauchen ethische Selbstdisziplin, um diese Art von Lebenserwerb zu vermeiden.

Rechter Lebenserwerb

Am besten ist es, seinen Lebensunterhalt auf eine Weise zu verdienen, die aufrichtig ist und der Gesellschaft von Nutzen sein kann, z.B. in den Bereichen:

  • Medizin,
  • Sozialarbeit,
  • fairer Handel,
  • Herstellung oder Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen, die für andere hilfreich sind.

Alles, was zum gesunden Funktionieren der Gesellschaft und zum Wohl der anderen beiträgt, ist bestens geeignet. Und es ist wichtig:

  • andere nicht zu betrügen, keine überhöhen Preise zu verlangen
  • einen fairen Preis anzugeben, sodass wir zwar Gewinn machen, aber in einem vernünftigen Rahmen
  • Angestellte und Mitarbeiter gut zu bezahlen, sodass wir sie nicht ausbeuten.

Eine Frage, die in diesem Zusammenhang oft aufkommt, hat mit den jeweiligen Notwendigkeiten zu tun. Ich habe einmal den Vortrag eines tibetischen Lehrers in Australien übersetzt, wo es enorm viel Schafe gibt, und jemand fragte: „Dort, wo ich lebe, besteht die einzige Möglichkeit zu arbeiten darin, Schafe zu züchten, die dann für Wolle und Fleisch verwendet werden. Was soll ich tun? Ich kann nicht einfach woandershin und versuchen, andere Arbeit zu finden.“ Der tibetische Lehrer antwortete: „Das Wichtigste ist, bei Ihrer Arbeit aufrichtig zu sein, niemanden zu betrügen und, in Ihrem Fall, die Schafe nicht schlecht zu behandeln, sondern gut zu ihnen zu sein, sie gut zu füttern und sich gut um sie zu kümmern.“ Der Schwerpunkt liegt also darauf, gütig und aufrichtig zu sein.

Video: Geshe Tashi Tsering — „Was ist rechter Lebensunterhalt?“ 
Um die Untertitel einzublenden, klicken Sie auf das Untertitel-Symbol unten rechts im Video-Bild. Die Sprache der Untertitel kann unter „Einstellungen“ geändert werden.

Zusammenfassung

Wenn wir uns mit den Ratschlägen beschäftigen, die wir der Darstellung des achtfachen Pfades entnehmen können, ist es hilfreich, sie nicht als irgendwelche Regeln zu betrachten, die uns einschränken, sondern als Markierungslinien, um uns von negativem Handlungen zu befreien, welche letztlich bloß Schaden für uns selbst und andere bewirken.

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