Die acht weltlichen Dharmas und der begriffliche Rahmen

Die acht vergänglichen Angelegenheiten des Lebens

Außer den Erfahrungen und Gefühlen in unserem Geist gibt es auch noch das, was sich in unserem Leben abspielt. Dafür gilt das Gleiche: Am besten ist, es zu versuchen, keine große Sache daraus zu machen. In den buddhistischen Lehren wird eine Liste von acht vergänglichen Angelegenheiten des Lebens angeführt, die alle demselben Prinzip folgen, nämlich dass alles stets in Bewegung ist und auf und ab geht.

Gewinn und Verlust

Manchmal gewinnen wir etwas, manchmal müssen wir Verluste einstecken. In finanzieller Hinsicht bedeutet das, dass wir mal Geld verdienen, mal Geld loswerden. Manchmal kaufen wir etwas und es stellt sich als sehr gut heraus (dann ist es ein Gewinn). Auch an alldem ist nichts Besonderes. Es ist wie beim Spiel von Kindern oder beim Kartenspiel: Mal gewinnen wir, mal verlieren wir. Was soll’s. Nichts Besonderes.

Im Grunde müssen wir uns daran erinnern, uns nicht wie ein kleines Kind zu benehmen, das weint, wenn es verliert, und ruft: „Ich will aber gewinnen!“ Warum sollten wir immer gewinnen? Eine solche Erwartung ist ähnlich wie die Hoffnung, dass alle uns mögen sollten. Im Buddhismus gibt es ein passendes Sprichwort: „Nicht jeder mochte den Buddha – was erwarten wir denn für uns? Dass jeder uns mag?“ Das ist natürlich nicht der Fall. Nicht jeder wird auf unserer Facebook-Seite den „Gefällt mir“-Knopf drücken. Manche mögen uns eben nicht. Was soll man da machen? Das ist völlig normal.

Gewinn und Verlust gibt es überall. Wenn wir eine Beziehung mit jemandem aufnehmen, wird sie irgendwann einmal zu Ende gehen. Wir haben schon die Analogie eines wilden Vogels an unserem Fenster gehört, der dort einen Moment verweilt; aber weil er frei ist, wird er wieder fortfliegen. Das Gleiche gilt für Beziehungen. Auch wenn wir sagen: „Verlass mich nie, ich kann ohne dich nicht leben“ und selbst wenn wir das ganze Leben lang zusammenbleiben, wird unweigerlich einer früher sterben als der andere. Wir gewinnen einen Freund, wir verlieren einen Freund; das ist nichts Außergewöhnliches. Es entspricht einfach der Art und Weise, wie das Leben ist. Das heißt nicht, dass wir nicht glücklich sein können, wenn wir diesen Freund haben, oder traurig, wenn wir ihn verlieren. Aber wir treiben es nicht ins Extrem und machen ein Riesentheater daraus.

Video: Dr. Chönyi Taylor — „Was Ist Gelassenheit?“ 
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Es ist interessant, sich selbst zu beobachten, wie man auf Gewinn und Verlust reagiert. Ich beobachte mich beispielsweise oft selbst: Ich bin ziemlich fixiert auf meine Website; fast den ganzen Tag bin ich in meinen Gedanken und Aktivitäten damit beschäftigt. Natürlich haben wir ein Statistikprogramm, also weiß ich, wie viele Menschen am Tag die Website lesen. Wenn es an einem Tag einen Anstieg der Besucherzahlen gibt, ist das sehr schön, und wenn nicht die Anzahl erreicht wird, die ich mir in etwa vorgestellt hatte, ist das nicht so angenehm. Auch das ist Gewinn und Verlust.

Ich empfinde quasi einen geringfügigen Glücksgrad dabei; es ist keine dramatische Angelegenheit. Vor ein paar Wochen erreichten wir eine Anzahl von 6000 Besuchern an einem Tag; das war wirklich erstaunlich – „Hey – 6000 – so eine Menge!“ -, aber das Glück, das daraus rührt, ist oberflächlich. Es war keine große Sache, denn eigentlich hatte es keine Auswirkungen. Das Gefühl könnte man in etwa so ausdrücken: „Nun, das ist gut. Und jetzt? Sonst noch was?“ An einem anderen Tag ging die Anzahl auf 4500 Besucher zurück und ich war etwas enttäuscht: „Ach, heute haben nicht so viele Leute etwas darauf angeschaut.“ Was allerdings auffällig ist, ist die vorherrschende Beschäftigung mit mir selbst - die ich durchaus zugebe -, indem ich mir immerzu die Statistiken ansehen will. Im Buddhismus heißt es, dass die Beschäftigung mit dem Selbst die Beschäftigung mit anderen Dingen bei weitem überwiegt, denn die Gedanken an „mich“ treten ganz unwillkürlich auf. Die Selbstbezogenheit tritt nicht unbedingt offenkundig in Form von Gedanken wie etwa „Was bin ich doch großartig!“ oder „Niemand mag mich“ auf, aber unterschwellig sind ständig Gedanken an einen selbst im Gange.

Sie alle können Ihre eigenen Beispiele anführen – vielleicht haben Sie mit Facebook oder Kurztext- Mitteilungen zu tun? „Wie viele Kurzmitteilungen habe ich heute bekommen?“ „Wem haben meine Einträge gestern gefallen?“ Wie oft überprüfen wir unsere Facebook-Seite oder ziehen das Mobiltelefon aus der Tasche und sehen nach, ob irgendetwas angekommen ist? Früher gab es noch kein Internet, aber die Menschen reagierten ganz ähnlich auf den Postboten. „Haben Sie heute etwas für mich?“ Nein, nichts dabei – „Ooh, niemand mag mich.“ Oder es sind nur Reklamesendungen für uns dabei und die wollen wir nicht. Die Einstellung „Nichts Besonderes“ kann helfen, die gefühlsmäßigen Höhen und Tiefen weniger extrem zu machen, weil wir dann emotional ausgeglichener und gelassener gegenüber dem sind, was geschieht. Viel schwieriger ist es, mit der Besessenheit umzugehen, dauernd nachgucken zu wollen, ob etwas Neues eingetroffen ist.

Unsere geistige Haltung zu verändern ist ein langsamer und langwieriger Prozess. So etwas ändert sich nicht schnell, sondern ganz allmählich. Es ist interessant, wenn man beginnt, sich selbst realistischer zu sehen, und feststellt: „Ich bin ein Sklave meines Computers und meines Smartphones geworden, weil ich dauernd darauf nachschauen muss. Ständig muss ich überprüfen, wer mir alles geantwortet hat. Warum bin ich zum Sklaven geworden?“ Schauen Sie sich all die Menschen in der U-Bahn an, wie sie immerzu ihre Mobiltelefone in der Hand haben. Warum? Das ist Selbstbezogenheit und Unsicherheit, verbunden mit der Einstellung „Ich will nichts verpassen.“ Warum? Was ist eigentlich so wichtig? Manches mag wichtig sein; ich will nicht sagen, dass es darunter nichts Wichtiges gibt, aber wir übertreiben bei weitem die Wichtigkeit, ständig erreichbar, ständig online zu sein. Es ist nützlich, das einmal im Hinblick auf unsere eigenes emotionales Gleichgewicht zu untersuchen.

Dinge laufen gut und Dinge laufen schlecht

Das zweite Gegensatzpaar besteht darin, dass die Dinge mal gut laufen und mal schlecht. Auch das können wir auf vielerlei Ebenen verstehen, und auch hier lautet die Devise „Nichts Besonderes“. An einem Tag läuft alles wirklich bestens, und am nächsten treten lauter Hindernisse auf, die Menschen machen es uns schwer und alles scheint schiefzugehen. Das ist normal. Es kann sein, dass unser Energiepegel am Morgen hoch ist und am Nachmittag ganz niedrig. Mal sind wir gesund, mal haben wir eine Erkältung. Nichts Besonderes.

Lob und Kritik

Das nächste Gegensatzpaar hat mit Lob und Kritik zu tun. Manche Menschen loben uns, andere kritisieren uns. Wie gehen wir damit um? Nicht jeder hat den Buddha gepriesen; einige Menschen, vor allem sein Cousin, haben ihn heftig kritisiert. Warum sollten wir also erwarten, dass jeder uns lobt?

Ich werde wieder mich selbst als Beispiel anführen. Ich bekomme zahlreiche E-Mails bezüglich meiner Website, und obwohl die Mehrheit zum Ausdruck bringt, wie hilfreich jemand meine Website fand, gibt es ab und zu auch Kritik. Natürlich ist es leichter, Lob entgegenzunehmen. Kritik kann unseren Geist viel mehr verstören.

Im Falle von Lob sollten wir nicht so weit gehen zu denken, dass wir überaus großartig sind, oder aber das Gegenteil anzunehmen: „Ach, das habe ich nicht verdient. Wenn die mein wahres Ich kennen würden, würden sie mich nicht mögen.“ Mit Lob fällt es uns allerdings viel leichter, weiterzumachen. Warum ist es so schwierig, Kritik hinzunehmen? Weil wir so sehr an uns selbst kleben. Mit Geistestraining (Geistesschulung) versuchen wir, das Anliegen der anderen zu betrachten, statt immer nur unser eigenes. Wir überlegen also, was wir getan haben, das jemanden veranlasst haben mag, uns seine Kritik zu senden, und ob wir etwas Hilfreiches tun können, und sei es nur, sich zu entschuldigen: „Ich verstehe, dass Ihnen dies Schwierigkeiten bereitet hat. Es tut mir wirklich leid, das war nicht meine Absicht.“ Allmählich können wir den Brennpunkt unserer Aufmerksamkeit von der Selbstbezogenheit zur Wertschätzung anderer verschieben.

Wir können das in unserem normalen, alltäglichen Umgang mit anderen tun. Manchmal ist jemand mit uns zufrieden und manchmal nicht. Wenn andere mit uns zufrieden sind, ist es einfach, aber es gibt immer ein paar Leute in unserem Leben, mit denen wir einfach schwer auskommen und die uns dauernd kritisieren oder uns gegenüber Negatives zum Ausdruck bringen. Wie sieht unsere Einstellung ihnen gegenüber aus? Sehen wir so jemanden bloß als äußerst schwierige, unangenehme Person an? Oder erkennen wir, dass es sich um einen unglücklichen Menschen handelt? Sie kennen bestimmt alle solche Menschen. Sie rufen einen an oder wollen sich mit einem verabreden, zusammen essen gehen, und man weiß, sie werden die ganze Zeit nur über sich selbst reden und sich beklagen. Vielleicht denkt man: „O nein, nicht der schon wieder.“ Aber man kann ja nicht schon wieder sagen, dass man keine Zeit hat!

Wenn meine Reaktion darin besteht, zu denken, wie unangenehm es für mich ist, mich mit ihm oder ihr zu treffen und das Gejammer anzuhören, kann ich meine Sichtweise ändern: Dieser Mensch beklagt sich dauernd, weil er tatsächlich sehr unglücklich ist und vermutlich auch einsam. Menschen, die jammern, tun das normalerweise, weil niemand mit ihnen zusammen sein will. Wenn wir ein wenig Zeit mit ihnen verbringen, können wir ihnen etwas mehr Sympathie entgegenbringen, und es wird nicht so eine schreckliche Erfahrung sein, weil wir an sie denken und nicht an uns.

Gute Nachrichten und schlechte Nachrichten erfahren

Das vierte Gegensatzpaar bezieht sich auf das Hören guter und schlechter Nachrichten. Auch in Bezug darauf gilt, was zuvor gesagt wurde: Es geht immer auf und ab. Natürlich überschneiden sich die vier Gegensatzpaare und das Prinzip „nichts Besonderes“ trifft auf alle acht Aspekte zu. Es ist nichts Besonderes daran, dass man gute oder schlechte Nachrichten erfährt; das geschieht jedem im Leben.

Einige Menschen erheben Einwände gegen diese Art von Geistestraining und sagen, dass sie gerne emotionale Achterbahnfahrten erleben, denn wenn man diese Höhen und Tiefen nicht habe, sei man auch nicht richtig lebendig. Lassen Sie uns untersuchen, ob diese Einstellung hilfreich ist.

Zuerst einmal lässt sich sagen: Ob wir nun emotional Achterbahn fahren oder nicht – wir sind trotzdem am Leben. Insofern ist der Einwand etwas kindisch. Was geschieht, wenn wir emotional Achterbahn fahren? Wir denken dann nicht rational, sondern wir werden von unseren Emotionen überwältigt. Wenn wir ruhiger sind, ist unser Leben nicht so dramatisch, und wir sind erheblich besser in der Lage, mit Situationen umzugehen. Wenn man nicht klar denken kann und wütend wird, sagt man Dinge, die man später bereut. Emotional ausgeglichen zu sein bedeutet, dass solche Verhaltensweisen nicht sein müssen. Im Hinblick darauf, dass jeder glücklich sein möchte, ist diese ruhige, friedliche Art von Glück wesentlich stabiler als ein juchzender, spektakulärer Enthusiasmus.

Der begriffliche Rahmen für die Devise „nichts Besonderes“

Lassen Sie uns nun die Grundlage bzw. den begrifflichen Rahmen der Einstellung betrachten, von der bisher die Rede war. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, über begrifflichen Gedanken Bescheid zu wissen. Was ist ein begrifflicher Gedanke? Mit begrifflichen Gedanken werden Dinge mittels einer Kategorie betrachtet oder erfahren, welche z.B. heißen kann: „etwas Besonderes“. Das ist gleichsam eine Art geistige Schublade, und wenn wir etwas erleben, packen wir es in die geistige Schublade „etwas Besonderes“.

Wir alle tun das ständig, denn das ist die Art und Weise, wie wir etwas verstehen und verarbeiten können. Es gibt z.B. die geistige Schublade „Frau“. Ich sehe eine Person und ordne sie der geistigen Schublade „Frau“ zu. Genauso können wir lauter verschiedene Dinge, die wir erfahren, zusammen in bestimmte geistige Schubladen stecken. Dieselbe Person, die wir entweder als „Mann“ oder „Frau“ einordnen, könnte auch in die Kategorie „junger Mensch“ oder „älterer Mensch“, „blond“ oder schwarzhaarig“ eingeordnet werden. Es gibt überaus viele Schubladen.

In Wirklichkeit existiert jedoch nichts auf diese Weise: in Schubladen. Das mag selbstverständlich klingen, doch es ist nicht leicht, diese Tatsache wirklich zu verstehen und geistig zu verarbeiten. Es mag beispielsweise sein, dass wir jemanden in die Schublade „schrecklicher Mensch“ einordnen; aber niemand existiert nur als schrecklicher Mensch, denn wenn jemand wahrhaft so existieren würde, würde jeder ihn so sehen und er hätte schon als Baby so sein müssen.

Die geistigen Schubladen helfen uns, die Dinge zu verstehen, und unsere Einstellung anderen gegenüber ist oft sehr von der jeweiligen Schublade bestimmt, in die wir etwas einordnen. Wir müssen im Sinn behalten, dass diese geistigen Schubladen einfach nur geistige Konstrukte sind und nicht der Realität entsprechen – da draußen existieren keine solchen Schubladen, nicht wahr?

Wie erschaffen wir diese geistigen Schubladen?

Lassen Sie uns nun die Art und Weise untersuchen, wie wir Dinge identifizieren und sie in dieser Schublade unterbringen und nicht in jener. Wir tun das aufgrund bestimmter Eigenarten des jeweiligen Gegenstands, von denen wir meinen, sie würden ihn tatsächlich von anderen Dingen unterscheiden. Diese Eigenarten können als „definierende charakteristische Merkmale“ bezeichnet werden; so lautet der Fachbegriff dafür. Ein einfaches Beispiel ist, zu betrachten, was die definierenden charakteristischen Merkmale dafür sind, etwas in die geistige Schublade „quadratisch“ zu stecken. Es muss vier gleich lange Seiten haben – Dinge, die diese Eigenschaft haben, ordnen wir in die geistige Schublade „quadratisch“ ein.

Das ist eine einfache Kategorie, aber wie steht es z.B. mit der Kategorie: „lästige Person“? Was sind die Eigenarten auf Seiten der Person, die bewirken, dass wir sie in dieser Schublade sehen: „Sie sind eine lästige Person“? Es ist interessant zu versuchen herauszufinden, was genau es eigentlich ist, das uns als „lästig“ gilt. Was haben die Fliege, die uns um den Kopf schwirrt, und diese Person gemeinsam, das uns veranlasst, beide in die Schublade „lästig“ einzuordnen?

Ich würde sagen, dass beide etwas tun, das bewirkt, dass ich meine emotionale Ausgeglichenheit und meinen inneren Frieden, meinen ruhigen Geisteszustand verliere. Eigentlich definieren wir die geistige Schublade also in Bezug auf uns selbst und nicht entsprechend den jeweils anderen. Und was die Dinge betrifft, die bewirken, dass ich meinen inneren Frieden verliere, so könnte es auch etwas sein, zu dem ich mich in hohem Maße hingezogen fühle, sodass es mich ganz verrückt macht. Das Interessante ist hier, dass die Art und Weise, wie wir etwas definieren und in geistige Schubladen einordnen, ganz und gar mit uns selbst zu tun hat.

Außerdem haben wir alle möglichen Gefühle. Nun wird es interessant (falls es das nicht schon war). Wir haben eine geistige Schublade namens „glücklich“. Wie ordnen wir etwas dieser Schublade zu? Das ist schwer zu sagen. Jemand fragt uns: „Sind Sie glücklich?“, und wir wissen gar nicht recht, was wir antworten sollen. Fragen wir uns selbst: „Bin ich glücklich?“ – nun, ich weiß nicht einmal genau, was das bedeutet. Was ist das definierende Charakteristikum von Glücklichsein? Wir möchten so gern glücklich sein, wissen aber nicht einmal, was „glücklich“ eigentlich ist. Seltsam, nicht wahr? Die Definition besagt, dass es etwas ist, von dem man, wenn man es erlebt, nicht mehr getrennt sein möchte; man möchte, dass es weitergeht. Das ist die Definition, die in der buddhistischen Literatur gegeben wird, und sie hilft uns schon einmal etwas weiter.

Wie sieht es mit Facebook aus? Wie definieren wir etwas, dass uns „gefällt“? Es kann etwas sein, das uns zum Lächeln bringt und bewirkt, dass wir uns gut fühlen. Aber stellen Sie sich vor, Sie müssten es den ganzen Tag betrachten und nichts anderes anschauen – dann würde Ihnen das nicht mehr so gefallen, oder? Auch das ist merkwürdig, nicht wahr?

Wenn wir begriffliche Gedanken haben, ist immer ein geistiges Bild dessen vorhanden, was die Kategorie repräsentiert. Wenn sie „Hund“ denken, haben Sie eine Art geistiges Bild von einem Hund im Sinn, das sicherlich bei jedem anders ist. Das gleiche ist der Fall bei dem geistigen Bild, welches eine attraktive Person oder eine lästige Person repräsentiert.

Was repräsentiert also etwas, das mir gefällt? Das ist schwieriger herauszufinden. Wir reden oft davon – „Mir gefällt dieser Stil. Ich mag solches Essen. Ich mag solche Filme. Dieses Mädchen, dieser Junge ist nicht mein Typ.“ Was repräsentiert das, was mir gefällt? Vergleichen wir ein Bild auf Facebook mit unserer Erfahrung davon, was uns gefällt, und ordnen es dann unserer Kategorie „Gefällt mir“ zu? Wir müssen im Sinn behalten, dass all dies von Seiten unseres Geistes ausgeht, nicht von dem Objekt selbst. Wenn es etwas wäre, das von dem Objekt ausgeht, etwa eine wahre „Gefälligkeitskomponente“, die in dem Objekt selbst vorhanden wäre, dann müsste es jeder mögen. Das alles ist also subjektiv.

„Besonderes“ definieren

Der nächste Schritt besteht darin, zu untersuchen, was etwas zu etwas „Besonderem“ macht. Ist es etwas auf Seiten des Objekts oder lediglich eine geistige Schublade, „etwas Besonderes“, dass wir selbst definiert haben? Mit der Untersuchung, was etwas zu etwas „Besonderem“ macht, beginnen wir die theoretische Grundlage für die Devise „nichts Besonderes“ zu verstehen. Es gibt absolut nichts Besonderes auf Seiten des Objekts selbst. Jeder Begriff von „besonders“ entstammt ganz und gar unseren eigenen Vorstellungen, entspricht unserer eigenen geistigen Schublade, der Kategorie „besonders“. Es handelt sich um einen Filter, durch den wir Dinge wahrnehmen: Dies ist besonders und jenes nicht.

Wir können uns dann fragen: Wie definieren wir „besonders“? Manche Menschen werden sagen, etwas sei „besonders“, wenn es einzigartig ist: „Das ist wirklich ein besonderes Gemälde“ oder „Das ist ein besonderes Essen.“ Aber ist nicht alles einzigartig? Es gibt keine zwei Dinge, die genau gleich sind. Jeder Kohlkopf in einem Haufen von Kohlköpfen ist ein einzigartiger Kohlkopf.

Nun könnte man denken: „Naja, die Dinge müssen unterschiedlich sein. Um besonders zu sein, müssen sie unterschiedlich sein.“ Aber wie verschieden müssen sie sein? Wie und wo ziehen wir die Trennlinie zwischen gewöhnlich und besonders? Wie können wir das überhaupt entscheiden?

Man könnte auch meinen, etwas Besonderes müsse etwas Neues sein. Aber heißt das, dass es neu für mich oder neu für die ganze Welt ist? Normalerweise definieren wir alles in Bezug auf uns selbst, und jede Erfahrung, die wir machen, ist neu, nicht wahr? Ich erlebe nicht dasselbe, was ich gestern erlebte, als heutige Erfahrung. Heute ist nicht gestern. In gewisser Weise ist also alles besonders, was im Grunde heißt, dass nichts besonders ist. Alles ist einzigartig, alles ist unterschiedlich und alles ist individuell; es gibt also nichts, das wir als „Besonderes“ hinstellen können. Wenn wir sagen, etwas sei besonders, weil es uns gefällt – nun, wir alle wissen, dass das, was uns gefällt, sich alle Naselang ändert; wenn wir zu viel davon bekommen, gefällt es uns nicht mehr, und wenn wir etwas zu lange haben, langweilt es uns.

Das sind Zusammenhänge, die wir uns klarmachen müssen, um von unserer Sucht loszukommen, etwas in die Schublade „besonders“ zu packen. „Was ich jetzt gerade empfinde, ist soo wichtig.“ Warum? Warum ist es in der Schublade „wichtig“? Worum es geht, ist zu versuchen, Dinge nicht in unnötigen Schubladen zu sehen. Es gibt natürlich nützliche, notwendige Schubladen; ohne sie könnten wir Sprache nicht verstehen. Menschen bringen unterschiedliche Töne mit verschiedenen Akzenten und unterschiedlicher Lautstärke hervor, wenn sie dasselbe Wort sagen, und wir können es nur deshalb verstehen, weil wir eine geistige Schublade für dieses Wort haben.

Wir können also nicht alle Schubladen über Bord werfen. Doch bestimmte geistige Schubladen sind nicht von Nutzen, weil sie völlig subjektiv sind, z.B. „etwas Besonderes“. Wenn man anfängt, das zu analysieren, stellt sich heraus, dass so etwas ganz an unserer Einstellung liegt: daran, was wir für besonders halten, obwohl wir nicht einmal definieren können, was „besonders“ ist.

Geistestraining mittels Verständnis begrifflichen Denkens

Es gibt viele Ebenen, mithilfe derer wir beim Geistesschulung vorgehen können. Wir können Dinge mittels verschiedener geistiger Schubladen wahrnehmen, und wir können die Objekte, die wir wahrnehmen, von einer Schublade in eine andere verschieben. Statt jemanden in der Schublade „lästige, jammernde Person“ zu platzieren, können wir ihn der Schublade „unglücklicher, einsamer Mensch“ zuordnen, was dann unsere Umgangsweise mit dieser Person völlig verändert. Wir erkennen, dass es auf Seiten der Person nichts gibt, was ihr innewohnt und sie zu diesem oder jenem macht, sondern dass unsere Geisteshaltung, die Art wie wir sie wahrnehmen, Auswirkungen darauf hat, wie wir sie erleben und wie wir mit ihr umgehen.

Einige geistige Kategorien, z.B. „besonders“, sind überhaupt nicht von Nutzen. Es gibt besondere Menschen und besondere Anlässe und all das. Aber haben sie einmal überlegt, wie willkürlich es eigentlich ist, Geburtstage oder den Neujahrstag für etwas so Besonderes zu halten? Was macht sie besonders? Einfach, dass Leute beschlossen haben, dass sie besonders sind. Es ist nichts sonderlich Außergewöhnliches am 1. Januar, und das Datum hat nicht einmal eine astronomische Entsprechung. Die Erde kreist um die Sonne, und man kann keinen Anfangspunkt feststellen im Sinne von: „Dies ist der erste Tag des Jahres.“ Es gibt keinen solchen ersten Tag, und deswegen hat jede Kultur ihr eigenes Neujahr. Man braucht diese Konventionen nicht zu verunglimpfen oder sie für töricht zu halten, aber man braucht auch nicht so überdreht zu sein und eine große Sache daraus zu machen.

Wenn wir diese grundlegende Art und Weise verstehen, wie begriffliches Denken funktioniert, nämlich mit geistigen Schubladen bzw. Kategorien und definierenden charakteristischen Merkmalen, können wir sie einsetzen, wenn es hilfreich ist, und fallenlassen, wenn nicht.

Zu guter Letzt ist anzumerken: Wenn wir unsere Einstellungen ändern und weiter entwickeln, ist eine Motivation erforderlich und eine Menge Geduld. Je vertrauter wir durch wiederholte Übung mit der Veränderung werden, umso natürlicher wird sie in unserem Alltagsleben zustande kommen. Was es zu tun gilt, wenn wir uns unglücklich fühlen, ist, uns daran zu erinnern: „He, ich denke bloß an mich, mich, mich.“

Geistestraining ist ein langwieriger Prozess, aber ein lohnender.

Zusammenfassung

Jeden Morgen erwachen wir mit demselben Ziel: Wir möchten eine bessere, glücklichere Zukunft. In dieser Hinsicht sind wir alle gleich. Wir sind auch insofern alle gleich, als wir denken, „ich“ sei der Mittelpunkt der Welt – und das ist etwas, das uns unsägliche Probleme schafft. Aufgrund unserer Selbstbezogenheit – die so verlockend scheint, weil sie sich um „mich“ kümmert – laufen wir unserem Unglück in die Arme und entfernen uns von dem Glück, nach dem wir uns so sehnen. Wenn wir anfangen, die Wirklichkeit zu verstehen, die Art und Weise, wie die Dinge wirklich existieren, kehrt sich das alles um. Im Leben geht es auf und ab, das wird immer so sein, und das können wir nicht unter Kontrolle bringen, aber was wir in den Griff bekommen können, ist unsere eigene Einstellung: wie wir in jedem Moment auf das reagieren, was wir erleben. Mit etwas Anstrengung können wir unser Leben zu einem glücklichen Leben machen, indem wir uns wirklich um uns und andere kümmern, ganz gleich, wie die äußeren Umstände sind.

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