Buddhistische Prinzipien im Zeitalter von Sozialen Medien anwenden

Das Zeitalter der Information hat sich mit dem Internet, mit sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook, Twitter und dem allgegenwärtigen Versenden von Kurzmitteilungen (SMS) per Mobiltelefon usw. zu einem Zeitalter sozialer Medien entwickelt. Das hat die Art und Weise verändert, wie die Menschen miteinander umgehen. Dazu kommt der zunehmende Gebrauch von iPods, die Tatsache, dass viele Menschen den ganzen Tag lang Musik hören, und die Fülle von Video-Spielen – so stehen die Menschen nun Tag und Nacht, wo immer sie sind, in Verbindung mit Musik, Spielen, Texten und sozialen Netzwerken. Jede dieser Entwicklungen hat sowohl Vorteile als auch nachteilige Nebenwirkungen mit sich gebracht. Jedenfalls haben diese Entwicklungen tief greifende Wirkung auf die Menschen. Ich möchte untersuchen, wie der Buddhismus uns helfen kann, die Vorteile zu verstärken und die schädlichen Auswirkungen zu mindern, die aus dieser sozialen Veränderung hervorgehen. Lassen Sie mich darum ein paar Punkte aufzeigen, die zu den Vorteile dieser sozialen Medien gehören, und dann einige Nachteile, die es gibt, und was der Buddhismus angesichts dieser Entwicklungen anbieten kann.

Video: Dr. Chönyi Taylor — „Soziale Medien und Narzissmus“ 
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Das Gefühl, dass das, was wir denken, Bedeutung hat

Angesichts der erschreckenden Aussichten, mit denen Terrorismus, Klimawandel, die Verbreitung nuklearer Waffen, globale Konjunkturschwäche, Arbeitslosigkeit usw. uns konfrontieren, fühlen die Menschen sich oft unbedeutend, machtlos und allein. Soziale Netzwerke wie Facebook können dazu beitragen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass das, was sie tun und denken, tatsächlich von Bedeutung ist – für eine Gruppe von Freunden, die darauf reagieren können, was jemand über sein tägliches Leben und seine Gedanken versendet, indem sie zu erkennen geben, dass es ihnen gefällt. Auf diese Weise scheint das Vielen ihre Existenz zu bestätigen, ihre Bedeutung in dieser Welt, in der sie sich so machtlos fühlen.

Der Nachteil dieser Besonderheit – die Nachricht „das gefällt mir“ zu erhalten – besteht darin, dass sie auch ein falsches Gefühl von Selbstgefälligkeit vermittelt und den Narzissmus fördern kann. Auch können die „Gefällt-mir“-Nachrichten recht oberflächlich und eigentlich ohne Bedeutung sein. Zudem können die Leute das Gefühl bekommen, dass die Anzahl der Freunde und der „Gefällt-mir“ -Signale, die sie auf ihrer Facebook-Seite erhalten, wichtiger sind als die Qualität und die Aufrichtigkeit der Freunde. Und wenn sie kein „Gefällt mir“ erhalten, sind sie am Boden zerstört. Nachrichten über die banalsten Dinge zu versenden, die einem passieren, etwa was man gerade zu Mittag gegessen hat und dass es einem geschmeckt hat, kann auch dazu führen, dass man immer mehr von seiner eigenen Zeit und der der anderen mit sinnlosem Geschwätz vergeudet. Und müßiges Geschwätz ist natürlich eine der vier zerstörerischen sprachlichen Handlungen, die in den buddhistischen Lehren erwähnt werden: nämlich etwas, das bedeutungslos ist, für bedeutungsvoll zu halten.

Was hat nun der Buddhismus in Bezug darauf anzubieten? Eine der buddhistischen Meditationen über Mitgefühl hebt hervor, dass wir völlig von der Güte anderer Lebewesen abhängig sind. Alles, was wir essen und genießen, ist aus der Arbeit anderer Lebewesen hervorgegangen. Wir sind also miteinander verbunden. Das ist eine Tatsache. Und was jede Person tut, uns selbst eingeschlossen, zählt und trägt zum Leben anderer bei. Die Menschen, die unsere Nahrungsmittel anbauen, die Menschen, die sie transportieren, diejenigen, die die Straßen bauen, auf denen diese Nahrungsmittel transportiert werden, sowie auch die Fahrzeuge, und diejenigen, die diese verkaufen, usw. – all das ist miteinander verbunden. Wir sind nicht auf Freunde angewiesen, die sagen „gefällt mir“, dass uns das Mittagessen geschmeckt hat, um uns besser zu fühlen und um uns irgendwie unsere Existenz zu bestätigen oder zu beweisen. Wir existieren ja tatsächlich und wir sind miteinander verbunden.

Dadurch, dass in der buddhistischen Philosophie der Unterschied zwischen dem, was wir das konventionelle „Ich“ nennen, und dem falschen „Ich“ aufgezeigt wird, können wir die Verbindung mit anderen einfach als Tatsache empfinden. Das konventionelle „Ich“ besteht einfach darin, dass ich hier bin, dass ich sitze, rede, esse, schlafe usw. Und das falsche „Ich“ ist dieses aufgeblasene „ Ich“, das wir als so wichtig empfinden, und von dem jeder unbedingt wissen muss, was es zu Mittag gegessen hat, diese Art von Selbstgefälligkeit, ein großes, festes Ego: „Ich“. Im Buddhismus wird aufgezeigt, dass das konventionelle „Ich“ existiert – natürlich existieren wir -, dass aber jenes aufgeblasene „Ich“, das wir wahrnehmen, eine Illusion ist. Das ist nur etwas, das wir darüberstülpen. Wenn wir also von dieser narzisstischen Überbetonung, dass „alles, was ich tue, ungemein wichtig ist und jeden interessiert“, zurücktreten und bloß bestätigen: „Natürlich existiere ich“, dann können wir ein Gefühl dafür bekommen, dass es einfach eine Tatsache ist, miteinander verbunden zu sein, und zudem wissen, dass diese Tatsache uns nicht zu einem auf feststehende Weise existierenden großen „Ego“ – einem massiven „Ich“ – macht, welches das Zentrum von Selbstgefälligkeit und Narzissmus ist. Je sicherer wir uns in Bezug auf unser konventionelles „Ich“ fühlen, von dem wir wissen, dass es existiert, und das keine Zustimmung braucht, um das zu beweisen, umso mehr können wir aufhören, nach Zustimmung von anderen zu suchen.

Buddhismus lehrt uns auch, aufrichtiger zu sein. Anstelle von bloß oberflächlichem, bedeutungslosem „Gefällt mir“ können wir anderen etwas Sinnvolleres und Tiefergehendes schreiben, das ihnen so hilft, wie es gerade erforderlich ist. Ich denke, das ist sehr wichtig im Hinblick darauf, wie wir tatsächlich miteinander kommunizieren. Ein bedeutungsloses „Ja ja, das ist großartig“ – Sie kennen das, man drückt einfach eine Taste, die signalisiert „Gefällt mir“ – stellt nicht tatsächlich eine Verbindung zu jemandem her. Allmählich merkt man, dass es ziemlich sinnentleert und flach ist, zu meinen, das wäre so wichtig, und sich besser zu fühlen, weil man zehn solche Reaktionen auf die Meldung „Was ich heute zu Mittag gegessen habe“ erhalten hat.

Ein Gefühl von Verbundenheit

Ein weiterer Vorteil der sozialen Medien besteht für Menschen, die ein isoliertes Leben führen - nur zur Arbeit gehen, nach Hause kommen und alleine leben. Soziale Netzwerke können dazu beitragen, dass sie sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Es gibt ihnen das Gefühl, dazuzugehören, und fördert das Wohlbefinden. Als Menschen sind wir schließlich soziale Wesen, und es ist sehr wichtig, dass wir uns als Teil einer Gemeinschaft empfinden. Der Nachteil ist hingegen, dass wir möglicherweise keinen bedeutsamen Kontakt mit einer Gruppe von Freunden haben, denen wir uns zugehörig fühlen, und dass die Gruppe im digitalen Netzwerk vielleicht von etwas zusammengehalten wird, das ziemlich trivial ist.

Im Buddhismus wird die Bedeutung spiritueller Freunde betont. Es ist hilfreich, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen. In Klöstern ist das natürlich der Fall. Und es ist in Dharma-Zentren überall auf der Welt der Fall. Aber es muss nicht unbedingt eine buddhistische Gruppe oder eine spirituelle Gruppe sein, der wir uns zugehörig fühlen, es kann auch eine sein, die durch positive Werte zusammenfindet und in dem Bemühen, anderen zu helfen. Mit anderen Worten: Wenn wir zu einem sozialen Netzwerk gehören wollen, ist es von wesentlich größerem Nutzen, wenn dieses soziale Netzwerk seinen Zusammenhalt durch etwas Positives, Aufbauendes findet, das man miteinander teilen kann.

Ein Vorteil sozialer Netzwerke ist auch, dass sie Familien helfen, miteinander in Verbindung zu bleiben und zu wissen, was jedes Familienmitglied so macht. Besonders hilfreich ist das für asiatische Familien, in denen die Identität der Menschen oft auf der ganzen Familie basiert anstatt auf sich selbst als Einzelperson, und in denen die älteren Familienmitglieder häufig das Gefühl haben, dass die jüngeren Familienmitglieder fast so etwas wie eine Fortsetzung ihrer selbst sind. Mit Facebook oder Ähnlichem kann die Familie das Gefühl haben, dass jeder von den anderen weiß, was sie tun. Das ist sehr nützlich. Der Nachteil davon ist jedoch, dass leicht jegliche Privatsphäre verlorengeht. Wir können zwar über Facebook oder E-Mail mit einer bestimmten Person kommunizieren, aber selbst wenn wir angeben, dass es sich um etwas Persönliches handelt, wird das, was wir schreiben, manchmal – das bezieht sich hier hauptsächlich auf Facebook – von jemandem, der die Nachricht erhalten hat, ohne unsere Zustimmung öffentlich gemacht. Für private Nachrichten sind Kurzmitteilungen und E-Mails besser geeignet, aber Kurzmitteilungen können auch wiederum schnell zu müßigen Geschwätz verkommen: Man schreibt völlig sinnloses Zeug.

Buddhismus lehrt uns, unterscheidendes Gewahrsein zu entwickeln. In diesem Fall, zu unterscheiden zwischen dem, was öffentlich, und dem was privat ist. Im Tantra lernen wir z.B., bestimmte Lehren privat oder geheim zu halten, da andere das, was wir sagen missverstehen oder zweckentfremden könnten. Dieses unterscheidende Gewahrsein kann auf alle Bereiche unseres Lebens ausgeweitet werden, wenn wir nicht wollen, dass alles über uns öffentlich bekannt wird. Es ist lediglich eine Sache der Selbstbeherrschung. Wenn man etwas auf Facebook mitteilt, muss man damit rechnen, dass es öffentlich bekannt wird; andernfalls ist es besser, eine persönliche Kurzmitteilung oder E-Mail zu schreiben.

Inspiration erhalten

Lassen Sie uns nun „Twitter“ ins Auge fassen – wo man sehr kurze Meldungen verschickt. Ein Vorteil davon ist, dass es Menschen, die ein isoliertes Leben führen, eine Art menschlichen Kontakt ermöglicht, wenn sie jeden Tag Twitter-Eingaben von Leuten empfangen, die sie als anregend empfinden, ohne dass sie dabei tatsächlich mit den anderen zu tun haben. Der Nachteil ist, dass man diese Funktion benutzen kann, um sich einfach nur wohl zufühlen, ohne dass es einen jedoch dazu bringt, dem Vorbild oder Rat der Person zu folgen, die man inspirierend findet. Manche Leute lesen jeden Tag die Twitter-Eingabe seiner Heiligkeit des Dalai Lama oder anderer bedeutender Persönlichkeiten.

Im Buddhismus gibt es eine Übung, die Guru-Yoga genannt wird, mit der man die Inspiration stärkt, die man von seinem spirituellen Lehrer gewinnt. Der Zweck des Ganzen besteht darin, dass der eigene Körper, die eigene Sprache und das eigene Bewusstsein und diejenigen des spirituellen Meisters miteinander in Einklang gebracht werden. Das bedeutet, tatsächlich zu versuchen, so zu handeln, zu sprechen und zu denken wie der eigene spirituelle Meister, und zwar nicht nur theoretisch, sondern im praktischen Leben. Diese Vorgehensweise kann auch auf Eingaben inspirierender Persönlichkeiten erweitert werden, die man über die Twitter-Einspeisung erhält, und ist nicht auf spirituelle Persönlichkeiten beschränkt. Mit anderen Worten: Wenn man jeden Tag solche Twitter-Nachrichten erhält, die einem helfen, sich ein bisschen mehr mit etwas verbunden zu fühlen, was von Bedeutung ist, ist es hilfreich zu versuchen, es tatsächlich in sein eigenes Leben einzubringen und nicht nur dazu zu benutzen, dass man sich wohlfühlt.

Schüchternheit überwinden

Noch ein Vorteil besteht darin, dass die digitalen Netzwerke es schüchternen Menschen ermöglichen, offener miteinander zu kommunizieren, als sie es im persönlichen Kontakt könnten, insbesondere, wenn Freunde in fremden Ländern leben oder man in einer Sprache schreiben muss, die nicht die eigene Muttersprache ist. Oft können sich Menschen schriftlich viel besser ausdrücken als mündlich. Der Nachteil davon ist, dass es unsere Fähigkeit zur Kommunikation in direktem persönlichen Kontakt einschränken kann. Wir können die Sensitivität für andere, die im persönlichen Gespräch Teil der Situation ist, verlieren. Das gilt insbesondere dann, wenn man, wie es manche Leute tun, in digitalen Plauder-Foren eine falsche Identität annimmt und dazu neigt, den Apparat abzuschalten oder nicht zu antworten, wenn man eine unbequeme Mitteilung erhält oder einfach keine Lust dazu hat. Das ist tatsächlich ein großes Problem.

Im Buddhismus wird hingegen gelehrt, nicht vorzugeben, wir hätten Qualitäten, die wir nicht besitzen, und nicht zu versuchen, Mängel, die wir haben, zu verbergen. Wenn wir durch diese sozialen Medien Selbstvertrauen gewinnen – allerdings auf der Grundlage, dass wir ehrlich über uns sind -, dann müssen wir anschließend beginnen, dies auf Situationen im wirklichen Leben zu anzuwenden. Das ist also tatsächlich hilfreich in diesen sozialen Medien: Wenn es uns ermöglicht, mehr Selbstvertrauen in der Kommunikation zu gewinnen, dann auch hinauszugehen und wirklich von Angesicht zu Angesicht miteinander zu reden, und es nicht dabei zu belassen, sich hinter dem Computerbildschirm zu verstecken.

Wirksam kommunizieren

Zudem ist es ein Vorteil, dass Twitter und kurze Textmitteilungen uns die Möglichkeit geben, unsere Gedanken schnell und in knapper Form auszudrücken, so dass wir sie effektiv übermitteln können. Wir brauchen sie nicht per Telefon oder in einem Video-Skype-Gespräch mitzuteilen, was unvermeidlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Das ist besonders nützlich, wenn man auf Reisen ist oder sich in einer dringlichen Situation befindet. Und wir können auch dringende Mitteilungen von anderen empfangen. Das ist überaus hilfreich. Aber der Nachteil davon, sich lediglich in wenigen Worten auszudrücken und sie noch nicht einmal auszuschreiben, besteht darin, dass wir die Fähigkeit verlieren können, uns vollständig auszudrücken, oder sogar, uns gut auszudrücken oder auch nur ein Gespräch zu führen. Unsere Konzentrationsspanne und die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, kann dadurch ziemlich verkürzt werden – wenn wir alles nur sehr sehr schnell tun und bloß wenige Augenblicke lang.

Im Buddhismus wird betont, dass es wichtig ist, sinnvoll und gut mit anderen kommunizieren zu können, um ihnen zu helfen. Abläufe wie bei Twitter, in denen die Anzahl der Zeichen, die eine Nachricht haben darf, begrenzt ist, kann uns darin schulen, unwesentliches Geschwafel auszumerzen, wenn wir in einer tatsächlichen Begegnung einen bedeutsamen Punkt zu vermitteln versuchen: einfach ohne alles unwesentliche Drumherum auf den Punkt zu kommen. Wir müssen jedoch aufpassen – auch bei Twitter -, dass wir zum wesentlichen Punkt kommen, aber nicht so weit gehen, dass wir nicht mehr wirklich kommunizieren.

Der Buddhismus ist also reich an Methoden, die uns helfen, fokussierter zu werden, zu erkennen, was der wesentliche Punkt von etwas ist, und natürlich an überaus zahlreichen Meditationsmethoden, die uns helfen, Konzentration zu entwickeln. Das wird, so meine ich, eine sehr wichtige Angelegenheit sein, für die Buddhismus in Zukunft nützlich sein wird. Selbst wenn wir z.B. die Nachrichten anschauen, geschieht es häufig, dass der Berichterstatter etwas sagt, während unten ein Nachrichtenband läuft, dass etwas anderes meldet. Manchmal laufen zwei oder drei Dinge gleichzeitig auf dem Schirm ab, und das macht es sehr schwierig, sich zu konzentrieren. Die Aufmerksamkeit wird ein bisschen hierhin, ein bisschen dorthin gelenkt, und die eingeblendeten Bilder und Dinge ändern sich sehr schnell. Das wirkt sich verheerend auf die Konzentration aus. Aber wie gesagt, wenn die Menschen sich wirklich weiter entwickeln wollen, dann wird Buddhismus besonders hilfreich dabei sein, Konzentration zu entwickeln. Tatsächlich ist es wahrscheinlich, dass die Menschen auf eine Menge Probleme stoßen werden aufgrund des Einflusses der Medien, der ihre Aufmerksamkeitsspanne verkürzt. Aber das muss ich noch ausarbeiten.

Ständig verbunden sein

Ein anderer Punkt ist, dass wir mit einem Mobiltelefon, das Internet-Verbindung hat, überall und jederzeit kommunizieren können und überall jederzeit erreichbar sind. Der Nachteil davon ist, dass diese elektronischen Geräte, indem sie dauernd Lichter auf einem Schirm aufblitzen lassen, unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sie an sich fesseln, und eine Neigung besteht, süchtig danach zu werden. Das ist schon etwas faszinierend. Es ist interessant, dass in der Berliner U-Bahn in jedem Wagen ein Bildschirm (genauer gesagt, sogar zwei Bildschirme) installiert wurde, auf dem Nachrichten, Werbung, Wettervorhersage und dergleichen mehr gezeigt werden. Es ist erstaunlich, wie diese, selbst wenn man gar nicht hinschauen will, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, fast so, als wären wir ein Insekt oder ein Tier oder so – aufblitzende Lichter, und schon fällt es uns ganz schwer, nicht hinzuschauen.

So sind also Mobiltelefone und Bildschirme überaus anziehend für uns, und es entsteht eine Art Sucht. Und weil sie so süchtig machen, haben wir das Gefühl, dass wir dauernd unsere eingehenden Meldungen checken müssen, damit wir bloß nichts verpassen. Dazu kommt, dass wir uns stets etwas unsicher fühlen und es uns ein falsches Sicherheitsgefühl gibt, den ganzen Tag über das Mobiltelefon in der Hand zu haben. Das erinnert mich immer an diese Sadhus in Indien, die mit einem kleinen lota herumlaufen, einem kleinen Eimer mit Ganges-Wasser – die Art, wie die Leute die ganze Zeit so etwas in der Hand halten müssen, ist ähnlich. Den ganzen Tag über nach diesen Kurzmitteilungen und Facebook-Nachrichten zu schauen und darauf zu antworten veranlasst einen, ein enormes Ausmaß an Zeit zu verschwenden, da es sich meistens um Trivialitäten handelt.

Mit einem falschen Gefühl der eigenen Wichtigkeit können wir auch meinen, dass wir jeden jederzeit mit unserer Mitteilung oder einem Telefonanruf behelligen können. Wir können auch dazu neigen, ziemlich unhöflich und unsozial zu werden, denn selbst wenn wir mit jemandem zusammen sind, können wir Mitteilungen schreiben oder mit jemand anderem über Mobiltelefon sprechen. Unter Teenagern ist das durchaus üblich.

Der Buddhismus wiederum lehrt uns, unsere Anhaftung zu verringern. Was ist Anhaftung? Anhaftung bedeutet, die guten Qualitäten, die nützlichen Eigenschaften von etwas zu übertreiben, manchmal noch zusätzlich welche darauf zu projizieren, die es gar nicht hat, und die negativen Eigenschaften völlig zu ignorieren. Und dann will man nicht davon lassen. Das ist Anhaftung. Wenn wir etwas objektiver hinsichtlich der Vorteile dieser sozialen Medien sein können – und es gibt eindeutig Vorteile davon -, und auch die Nachteile eingestehen, dann hilft uns das, unsere Anhaftung und das ziemlich hirnlose Verhalten, das wir mit diesem Spielzeugen an den Tag legen, etwas zu überwinden.

Buddhismus lehrt uns auch, Rücksicht auf andere zu nehmen, sie nicht zu unterbrechen und ihre Zeit nicht mit sinnlosem Geschwätz zu vergeuden. Schauen wir uns die zerstörerische Handlung des überflüssigen Geschwätzes an: Warum ist sie zerstörerisch? Es ist nicht bloß so, dass wir meinen, etwas Bedeutungsloses habe große Bedeutung, sondern wir stören andere. Wir verschwenden unsere Zeit und wir verschwenden die Zeit anderer Menschen. Insbesondere jemanden, der mit etwas Wichtigem und Förderlichen beschäftigt ist, mit unserem sinnlosem Geschwätz aufzuhalten, ist etwas sehr Negatives und überaus schädlich. Im Hinblick darauf ist es also von großem Nutzen, wenn wir etwas vom Buddhismus lernen.

Das Angebot eines sicheren Ortes jenseits der stressigen Welt

Im Allgemeinen ist es noch ein Vorteil, dass die sozialen Medien, iPods, Videospiele usw. es den Menschen ermöglichen, angesichts der überwältigenden, riesigen, komplexen Probleme in der Welt ihre Aufmerksamkeit einzuschränken und sich in einen konzentrierten Bereich von Reizen und Aktivitäten zu vertiefen. Auf diese Weise bieten sie Schutz vor der Verzweiflung, die mit dem Nachdenken über die Weltsituation und die eigenen persönlichen Probleme einhergeht. Sie ist so kompliziert, diese Welt, und so schwierig, und die eigenen Probleme mit Arbeitslosigkeit oder was immer es sein mag - finanzielle Schwierigkeiten – sind so überwältigend, dass man sich bloß noch mit Freunden in die kleine geschützte Welt auf dem Bildschirm vertiefen und damit spielen möchte. Oder was immer es sonst sein mag: Musikhören und dergleichen mehr. Auf diese Weise hat man ein bisschen das Gefühl, in einer Art geschütztem Raum zu sein.

Was ist nun der Nachteil davon? Der Nachteil ist, dass man sich nicht wirklich mit seinen Problemen auseinandersetzt. Das ist Realitätsflucht. Und im Hinblick darauf bietet der Buddhismus natürlich die vier edlen Wahrheiten an. Das ist schließlich die wesentliche Lehre des Buddha. Der zentrale Kern der buddhistischen Lehre besteht darin, uns mit unseren Problemen auseinanderzusetzen, unsere Schwierigkeiten einzugestehen, ihre Realität anzuerkennen, zuzugeben, dass es sie gibt, und sich damit zu beschäftigen, nicht einfach so zu tun, als wären sie nicht da. Und wie machen wir das? Wir schauen uns ihre Ursachen an. Wir müssen also tatsächlich darüber nachdenken, Untersuchungen anstellen usw., und dabei so weit gehen, dass wir ihre tiefste Ursache finden, nicht bloß oberflächliche Ursachen. Nicht bloß einer Ursache die Schuld geben, sondern sehen, dass die Probleme aus einer umfassenden Wechselwirkung vieler vieler Ursachen und Bedingungen entstehen. Und dann erkennen, dass es möglich ist, diese Probleme wirklich zum Aufhören zu bringen, sie loszuwerden, so dass sie nie wieder auftreten.

Das ist etwas wirklich Tiefgreifendes, ein ganz wichtiger Punkt, in Bezug auf den wir Überzeugung gewinnen müssen, wenn wir uns mit buddhistischer Praxis beschäftigen wollen: dass es tatsächlich möglich ist, diese Probleme loszuwerden, so dass sie nie wieder auftreten. Dass wir nicht eine geglättete Leicht-Version von Buddhismus praktizieren – unsere Probleme bloß zu verkleinern versuchen, dabei aber zu denken: „Naja, aber sie werden unweigerlich wiederkommen, und ich mache eben das Beste aus der Situation.“ Das ist nicht die Vollversion des Buddhismus. Wir arbeiten darauf hin, zu verstehen, dass es möglich ist, die wahre Beendigung dieser Probleme zu erreichen, so dass sie nie wieder in Erscheinung treten. Und dann schauen wir, wodurch das bewerkstelligt wird. Das, was dazu führt, wird für gewöhnlich „der wahre Pfad“ genannt. „Pfad“ heißt hier: ein Weg, eine Art und Weise zu denken, zu handeln, zu sprechen, vor allem aber eine Art von Verständnis, die das genaue Gegenteil unseres falschen Verständnisses, unserer Verwirrung ist. Anstatt uns mit Verwirrung immer mehr Probleme zu schaffen, setzen wir Verständnis an ihre Stelle. Wenn wir dieses Verständnis durchgehend haben, werden jene Probleme nicht mehr auftreten.

Statt zu versuchen, den Problemen nur auszuweichen, indem wir uns in ein Videospiel oder eine Facebook-Plauderei vertiefen, versuchen wir, ihnen gegenüberzutreten. Das heißt nicht, dass wir nicht zeitweilig ein bisschen Ablenkung in diesen Dingen finden könnten. Interessanterweise heißt es in den buddhistischen Lehren: Wenn man zu anderen Dingen Zuflucht nimmt – nun gut, aber das ist etwas Vorübergehendes, nur eine oberflächliche Angelegenheit. Zuflucht bezieht sich hier darauf, welche Richtung wir in unserem Leben einschlagen und was wir tun, um fähig zu werden, die Schwierigkeiten zu bewältigen, denen wir uns gegenübersehen.

Informationsaustauch

Wenn wir noch weitere Vorteile aufzählen wollen: Auch wenn diese sozialen Medien einerseits den Umfang dessen, womit wir uns beschäftigen, einschränken, so ermöglichen Facebook und Twitter uns andererseits, Informationen leicht einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie geben uns die Möglichkeit, Links zu Webseiten weiterzugeben, die Freunde und auch andere Leute allgemein hilfreich finden könnten. Diese Möglichkeiten können also genutzt werden, unseren Geist zu öffnen, und dazu beizutragen, dass auch andere Menschen ihren Horizont erweitern. Der Nachteil ist, dass sie auch genutzt werden können um Propaganda zu verbreiten und Hass zu schüren. Das ist wirklich eine ernste Angelegenheit, nicht nur im Zusammenhang mit Twitter und diesen sozialen Netzwerken, sondern mit dem Internet überhaupt.

Ich denke, dass wohl eine der größten Herausforderungen des Internets darin besteht, dass so viel Information verfügbar ist. Wie unterscheiden wir sie? Jeder, der eine Website hat und ein paar Nachforschungen angestellt hat, weiß, dass es Tricks gibt, die bewirken, dass die eigene Website an oberster Stelle der Suchliste von Google erscheint, wenn jemand dort einen bestimmten Suchbegriff eingibt. Das sind Tricks, die eingesetzt werden – und dass etwas dort auf der ersten Seite erscheint, heißt also nicht, dass das die beste Information in Bezug auf diesen speziellen Inhalt bieten würde. Das ist ein ernsthaftes Problem. Wenn man das Wort „Buddhismus“ in eine Suchmaschine, beispielsweise Google, eingibt – auch du liebe Güte, wie viele Tausende von möglichen Artikeln und Internetseiten tauchen dann auf? Wie unterscheiden wir unter all dem, da doch eine Menge davon nur Mist sein kann? Einiges davon ist durchaus vertrauenswürdig, anderes nicht.

Zuerst einmal wird im Hinblick darauf, was man bei Twitter, Facebook usw. eingibt und absendet, im Buddhismus natürlich die richtige Motivation betont. Worin besteht unsere Motivation? Motivation ist im Buddhismus eine interessante Angelegenheit, denn sie hat zwei Facetten. Die eine ist: Was ist unser Ziel? Zielen wir, im Sinne der klassischen Darstellung des Lam-Rim (des Stufenweges), auf eine bessere Wiedergeburt ab, zielen wir auf Befreiung, zielen wir auf Erleuchtung ab? Die zweite Facette der Motivation ist: Warum? Welches Gefühl steckt dahinter, das uns antreibt, dieses Ziel zu erreichen? Ist es Entsagung: dass wir einfach genug haben von Leiden und Wiedergeburt und deshalb Befreiung wünschen? Ist es Mitleid, Liebe, Bodhichitta, was uns antreibt, Erleuchtung zu wünschen? Ist es Furcht vor den niederen Bereichen und die Erkenntnis, dass es einen Ausweg gibt, welche uns dazu bringt, auf eine bessere Wiedergeburt hinzuarbeiten? Etwas in dieser Art. Diese beiden Facetten gibt es also. Und was auch ganz interessant ist (es wird normalerweise in diesem Zusammenhang nicht erwähnt), ist die Frage: Was werden wir tun, wenn wir dieses Ziel erreichen? Das ist, denke ich, ebenfalls Teil der Motivation. Wir werden anderen so viel wie möglich nutzen bzw. zu nutzen versuchen, wenn wir das Ziel des Erleuchtungsgeistes (Bodhichitta) erlangen. Und, mit dem Ziel Erleuchtung im Sinn, bringt Bodhichitta uns dahin.

Wenn wir etwas im Internet verbreiten, sei es über Twitter, über eine Website oder was auch immer – oder einfach nur auf Facebook in unserem Freundeskreis -, ist also die Motivation sehr wichtig, denke ich. Warum möchte ich einen bestimmten Inhalt dort eingeben? Was bringt es, wenn ich jedem erzähle, was ich heute zu Mittag gegessen habe und dass es mir geschmeckt hat? Oder dass ich etwas im Fernsehen gesehen habe und es mir nicht gefallen hat? Was bezwecke ich damit? Und warum? Warum stelle ich diese Meldung ins Internet? Wenn ich sie versende: Was wird es irgendjemandem nützen, das zu wissen? Ich denke, es ist wichtig, sich das zu überlegen. Wenn jemand in dieser Hinsicht im Sinne des Buddhismus geschult ist, kann er diese sozialen Medien mit sehr viel mehr Nutzen und auf erheblich sinnvollere Weise verwenden, als bloß öffentlich zu verbreiten, was es zum Mittagessen gab.

Seine Meinung ausdrücken

Ein zusätzlicher Aspekt bzw. Nutzen besteht hier, z.B. im Falle von Twitter, darin, dass Menschen zum Ausdruck bringen können, was sie denken, ohne sich darum zu kümmern, ob es anderen gefällt oder nicht. Bei Facebook sagen die anderen „Gefällt mir“ oder nicht. Bei Twitter antwortet niemand auf das, was wir sagen. Das ist vor allem dann von Vorteil, wenn jemand über etwas frustriert oder wütend ist und einfach seinen angestauten Gefühlen Luft machen will, ohne sich eigentlich damit befassen zu wollen, was irgendjemand über das denkt, was er da zum Ausdruck gebracht hat. Der Nachteil davon ist, dass es Leuten auch ermöglicht, Beschimpfungen freien Lauf zu lassen und wiederum Hass anzustacheln und Gewalt anzuzetteln.

Also nochmals: Alles hängt von der Motivation ab. Der Buddhismus lehrt uns, stets unsere Motivation zu überprüfen, bevor wir irgendetwas tun oder sagen. Im Zusammenhang mit Kommunikationsfähigkeiten lehrt er uns auch zu versuchen, unsere Zuhörer zu kennen und Geschicklichkeit walten zu lassen in der Art, wie wir sie ansprechen. Genau darum geht es in der Geschicklichkeit bezüglich der Methoden. Was das bedeutet, ist eigentlich: Geschick in den Methoden der Kommunikation, den Methoden, anderen zu helfen. Und dabei ist wiederum die Zuhörerschaft von großer Bedeutung. Was bewirken unsere Worte für andere wenn ich bloß „Argh, ich bin so frustriert vom Leben; es ist einfach entsetzlich“ und solches Zeug von mir gebe? Welche Wirkung hat es auf andere, wenn ich das ausposaune? Es mag uns vielleicht ein wenig Erleichterung verschaffen, dass wir dieser Frustration und unserem Ärger tatsächlich Ausdruck verleihen, aber es wird anderen sicher nicht helfen. Mit buddhistisch geschultem Geist liegt uns daran, wie andere reagieren werden, und denken nicht nur an uns selbst und unser Bedürfnis, unsere Meinung kundzutun, ganz egal ob es irgendjemanden interessiert oder nicht und ob es irgendjemandem nützt oder nicht.

Sofortige Nachrichtenübermittlung

Ein weiterer Vorteil: Twitter ermöglicht es uns, Informationen über berichtenswerte Ereignisse, deren Zeuge wir geworden sind und die in anderen Medien vielleicht nicht geschildert werden, sofort bekanntzumachen. Über die Kamerafunktion von Mobiltelefonen und Facebook kann man Bilder und Videos von Ereignissen versenden, die gerade stattfinden. Das ist sehr nützlich, vor allem in Bereichen, wo Kriege, Protestaktionen und dergleichen stattfinden. Oder man kann einfach Dinge öffentlich machen, die nie in die Nachrichten gelangen – oft eher erfreuliche als schreckliche Meldungen.

Der Nachteil ist, dass man diese Medien auch benutzen kann, um Trivialitäten zu veröffentlichen. Die Leute versenden die dämlichsten Sachen, das kann bis in Richtung Pornographie, Grobheiten usw. gehen. Buddhismus lehrt uns unterscheidendes Gewahrsein, ich denke das ist ein überaus wichtiger Aspekt buddhistischer Schulung. Unterscheidendes Gewahrsein bezieht sich nicht nur auf die tiefste Ebene der Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Fantasie, nämlich die Art und Weise, wie die Situation der Welt tatsächlich ist, die Art und Weise, wie wir existieren, von dem zu unterscheiden, was wir in unserer Verwirrung darauf projizieren. Unterscheidendes Gewahrsein beinhaltet jedoch auch, auf der konventionellen Ebene zu unterscheiden. was sinnvoll ist und was nicht, was nützlich und was schädlich ist. Das ist eine sehr wichtige Fähigkeit, die es zu entwickeln gilt.

Sich mit Musik beruhigen oder anregen

Der letzte Vorteil, den ich erwähnen möchte, bezieht sich auf die iPods – all die Musik. Es ist wirklich auffällig: Wenn ich zu Hause in Berlin U-Bahn fahre, haben gut und gern 80% der Leute Kopfhörer im Ohr und hören Musik. Wo immer sie hingehen, auf der Straße und überall hören sie Musik. Einen großen Teil des Tages über einen iPod Musik zu hören, kann – je nachdem, was für eine Art von Musik man hört – Leuten, die unter großem Druck stehen, helfen, gelassen zu bleiben. Oder wenn sie diese Techno-Musik hören, sehr kraftvolle Musik, kann es ihnen helfen, Energie zu tanken, wenn sie erschöpft sind. Das ist eindeutig ein Vorteil, der vorhanden ist. Aber der wesentliche Nachteil ist, dass es einen davon abhält zu denken; und außerdem kann es auch ziemlich hinderlich dafür sein, den Geist zur Ruhe kommen zu lassen.

Viele kennen das, was wir im Deutschen einen Ohrwurm nennen – wenn wir eine Melodie oder ein Lied im Ohr haben, das uns einfach nicht aus dem Kopf geht und sich die ganze Zeit immerzu wiederholt. Ständig Musik zu hören hält einen natürlich davon ab, nachzudenken. Es ist wiederum so, dass die Menschen das Gefühl haben: „Wenn ich nachdenke, deprimiert mich das bloß, da denke ich lieber gar nicht“. Das trägt sicher nicht zu irgendeiner Art spiritueller Weiterentwicklung bzw. Wachstum bei. Der Geist dieser Menschen kommt nie zur Ruhe. Um wirklich weiterzukommen in unserer Entwicklung, müssen wir den Lärm in unserem Kopf verringern und uns an etwas halten, das ein wenig sinnvoller ist.

Im Buddhismus werden Praktiken gelehrt, mit denen wir Selbstdisziplin entwickeln können. Wie entwickeln wir Selbstdisziplin? Indem wir uns wieder die Vorteile und Nachteile unserer Verhaltensweisen überlegen, so dass wir hoffentlich nur dann Musik hören, wenn es erforderlich ist, und lediglich als zusätzliche Ergänzung dazu, dass wir unseren Geist durch Meditation zur Ruhe bringen. Die Lehren über die Entwicklung von begeisterter Ausdauer – freudiger Ausdauer - beinhalten auch das Wissen darum, wann es Zeit ist, eine Pause zu machen. Wenn man sich zu hart antreibt, kann sich das ziemlich verheerend auswirken. Man weiß also, wann man Pause machen muss, aber man nutzt das nicht aus; man geht nicht mit sich um wie mit einem Kleinkind und macht immerzu Pause. Man wendet ein Gegenmittel an – etwa eine kleine Pause zu machen -, aber man weiß auch, wenn es nicht angebracht ist, dieses Gegenmittel anzuwenden.

Es ist sehr wichtig, das nicht nur auf das Musikhören zu beziehen, sondern auch auf Fernsehen, Anschauen von DVDs und dergleichen. Diese Medien machen, wie gesagt, ziemlich süchtig – die aufflackernden Lichter und all das. Wie ein Tier werden wir davon hypnotisiert, so dass es schwerfällt, das auszuschalten. Eine Strategie, die sich oft als hilfreich erweist, ist, sich eine Zeitgrenze zu setzen: Ich werde dies eine halbe Stunde anhören, oder so und so lange fernsehen, im Internet surfen oder was auch immer. Es komme nicht darauf an, wie lang die festgesetzte Zeit ist.

Die Lehren über ethische Selbstdisziplin sind eine interessante Sache. Ich kann mich erinnern, dass ich darüber mit Geshe Wangchen (dem Tutor des jungen Ling Rinpoche) gesprochen habe, und er sagte, dass es darauf ankomme, Grenzen zu setzen. Natürlich können die Grenzen für verschiedene Menschen etwas unterschiedlich sein. Wenn man sich die Erörterung von destruktivem Verhalten usw. in verschiedenen Texten, verfasst von verschiedenen Autoren, anschaut, wird es jeweils etwas unterschiedlich beschrieben; die Eingrenzung dessen, was destruktiv ist und was nicht, ist jeweils etwas anders. Wenn man z.B. die Entstehungsgeschichte der Richtlinien für unangemessenes sexuelles Verhalten betrachtet, stellt man fest, dass dies in verschiedenen Texten recht unterschiedlich erklärt wird. Und was Geshe Wangchen sagte, ist, dass das Wesentliche ist, eine Grenze zu haben, festzulegen: „So und so viel werde ich tun, aber nicht mehr als das. Diese Grenze werde ich nicht überschreiten.“

Der Punkt ist, unterscheidendes Gewahrsein zu entwickeln, welches uns sagt, dass bestimmte Situationen, bestimmte Dinge, unzuträglich sind, schädlich sind. Ich werde sie eben sein lassen, weil sie Nachteile mit sich bringen. Wir können uns solche Grenzen setzen – wo immer sie liegen mögen – und sie einhalten. Anfangs setzen wir natürlich eine angemessene Grenze, die wir auch wirklich einhalten können; und wir legen sie für einen kürzeren Zeitraum fest, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die uns besonders schwerfällt. Etwa: Ich werde eine Woche lang nicht im Internet surfen, oder was immer es sein mag. Es geht nicht darum, was es ist. Es geht darum, die Disziplin zu entwickeln, sich an bestimmte Grenzen zu halten, die man sich setzt. Nicht willkürlich - es ist nicht so, dass irgendein Gesetz oder eine Autorität sie uns aufzwingt, sondern sie beruhen auf unserer eigenen Unterscheidungsfähigkeit, dass es bestimmte Dinge gibt, die einfach schädlich sind – schädlich für mich selbst, schädlich für andere – und das will ich nicht, es schafft nur Probleme und Schwierigkeiten. Wir können bestimmte Grenzen einhalten, und dann können wir sie enger und enger ziehen, egal worum es sich handelt und was immer es sein mag, für das wir uns Grenzen setzen müssen.

Das ist also sehr wichtig, wenn wir mit etwas zu tun haben, das potentiell so süchtig macht wie iPods und Kurztext-Mitteilungen und dergleichen, die sicher auch ihre Vorteile haben – es ist nicht so, dass sie durch und durch schlecht sind -, aber wir kennen ihre Grenzen. Und wenn wir ihre Grenzen kennen, können wir ihre Benutzung einschränken, sie verwenden, wenn es tatsächlich von Nutzen ist, versuchen, sie auf sinnvolle Weise zu nutzen – auf iPods kann man z.B. auch spirituelle Lehren, Dharma-Vorträge usw. anhören, statt bloß immer wieder dieselbe Musik anzuhören und dann auf die Suche zu gehen, um andere Musik ausfindig zu machen usw. Wir versuchen, diese Dinge auf sinnvollere Weise zu nutzen.

Das sind also meine Gedanken, die ich mit Ihnen teilen wollte, über das, was in der Welt vonstattengeht. Denn wenn wir uns mit Buddhismus beschäftigen und damit, zu versuchen, die buddhistischen Lehren anderen zugänglich zu machen – so dass sie für andere relevant und von Nutzen sind -, dann müssen wir darüber nachdenken, was heutzutage in der Welt geschieht. Die Welt verändert sich überaus schnell und in bedeutendem Maße durch all diese sozialen Medien, und das ist etwas, was wir eindeutig ansprechen und anschauen müssen in Bezug darauf, wie uns der Buddhismus angesichts dieser sozialen Entwicklung eine Hilfe sein kann.

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