Den Pfad ernst nehmen

Ist ein gewöhnliches Leben zufriedenstellend? 

Wenn wir dem Stufenpfad des Lam-rim folgen, ist es ausgesprochen wichtig, ihn wirklich ernst zu nehmen. Etwas ernst zu nehmen, heißt nicht, eine grimmige oder unglückliche Haltung demgegenüber zu haben und im Laufe des Lernens nicht auch mal einen Witz darüber zu machen. Das bedeutet es nicht. Wenn wir diesem spirituellen Pfad folgen, geht es dabei vielmehr darum, nicht nur gegenüber dem Pfad und jenen, die ihn erlangt haben, respektvoll zu sein, sondern auch gegenüber uns selbst.

Wir sollten ihn auch nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern denken: „Wenn ich an mir arbeite und diesem Pfad folge, will ich es korrekt und wirklich so gut machen, wie möglich.“ Das gründet darauf, wirklich die Wichtigkeit dessen zu verstehen und diese Wichtigkeit bezieht sich nicht nur auf etwas sehr Heiliges oder den heiligen Lama. 

Es handelt sich auch nicht um eine Übung in reiner Hingabe. Vielmehr werfen wir einen Blick auf unser Leben und das Leben der Menschen um uns herum, auf jeden, den wir kennen, und sogar auf die Leute, die wir nicht kennen, die armen Menschen, die wir auf der Straße treffen, und auch die Straßenhunde. Wir denken an die Menschen, die einfach immer nur arbeiten, mehr und mehr Probleme bekommen und schließlich sterben. Bei allen die wir kennen, können wir, wenn wir sie besser kennenlernen, sehen, dass sie ihre eigene Art von Samsara, ihr eigenes Leid haben, wie reich sie auch sein mögen und wie oberflächlich glücklich sie ständig zu sein scheinen. Die Probleme sind unterschiedlich, aber es gibt einige ganz normale Probleme, wie Schmerzen und Wehwehchen, die mit dem Älterwerden kommen. All das ist furchtbar.

Ist das aber alles, worum es im Leben geht? Es wäre furchtbar, wenn es nichts anderes gäbe, oder? Würde es allerdings möglich sein, tatsächlich etwas dagegen zu unternehmen und sich aus diesem Zustand der Existenz zu befreien, wäre das schlicht und ergreifend wunderbar. Darüber hinaus wäre es noch besser, wenn sich alle daraus befreien könnten. Wir müssen herausfinden, ob es einen Weg gibt, dem zu entkommen. Wir sollten uns nicht einfach damit zufriedengeben, ein Schaf in der Herde zu sein, das irgendwann geschlachtet werden wird. Wir sollten darüber nachdenken, ob es einen Weg gibt, dem zu entkommen und ob es wirklich möglich ist.

Zunächst nehmen wir unsere Situation ernst: Wir werden uns bewusst darüber, was da genau passiert und fragen uns, ob wir einfach so weitermachen oder versuchen wollen, uns daraus zu befreien. Das ist der erste der drei Pfade, um die es geht: die Entsagung. Was bedeutet es aber, wenn von einem Pfad die Rede ist? Es geht dabei nicht um Steine auf einer Straße, auf der wir laufen, sondern um einen Geisteszustand und eine Art der Kommunikation und des Handelns, die aus diesem Geisteszustand folgt und die als Pfad dient, um ein Ziel zu erreichen. Unser erstes Ziel besteht hier darin, aus all dem herauszufinden.

Wie gesagt müssen wir es ernst nehmen und denken: „Wenn ich das tun und in diese Richtung gehen kann, wird das meinem Leben einen Sinn geben. Ich tue etwas mit meinem Leben, drehe mich nicht nur immer wieder im Kreis und warte darauf, dass ich sterbe, und versuche nicht nur ein paar kleine glückliche Erfahrungen zu haben, die anfangs zwar schön, aber nicht wirklich zufriedenstellend sind.“ Wären sie zufriedenstellend, würden wir sie nicht ständig wiederholen. Auch ist es so, dass jegliche Freude, die wir haben, abklingt; wir haben keine Gewissheit darüber, was wir als nächstes empfinden werden oder was als nächstes kommen wird. Das ist noch sehr zufriedenstellend; es ist nicht gerade sicher.

Wozu werden all die Spielzeuge und materiellen Dinge, die wir im Laufe unseres Lebens angesammelt haben, im Augenblick des Todes gut sein? Sie werden uns nicht viel weiterhelfen können. Geld ist letztlich nur mit Nummern bedrucktes Papier. Bei vielen Leuten können wir sehen, dass all ihre geschätzten Habseligkeiten unmittelbar nach ihrem Tod weggeworfen und zu Müll werden. Was war der Sinn davon? Sicher war es hübsch, aber ist das alles, worum es im Leben geht? Natürlich brauchen wir eine gute Situation und eine förderlich Umgebung, doch wenn wir die grundlegenden Bedürfnisse erfüllt haben, reicht das. Wie die Tibeter sagen, können wir unseren Magen nur bis zum Anschlag füllen; wir können nicht unbegrenzt viel essen.

Die drei Arten des Pfadgeistes entwickeln 

Um wirklich all unsere Energie zum Einsatz zu bringen, wenn wir diesem Pfad folgen, ist es notwendig, es ernsthaft zu tun. Die Vorbereitung ist natürlich ausgesprochen wichtig, damit wir einen geeigneten Geisteszustand haben, um tatsächlich daran arbeiten zu können, diese drei Arten des Pfadgeistes des Lam-rim, der aufeinanderfolgenden Stufen zur Erleuchtung, zu entwickeln. Noch grundlegender als die Vorbereitung ist, was wir ganz zu Beginn machen, nämlich die Motivation festlegen. Im Geisteszustand dieser Motivation gibt es das motivierende Gefühl oder die motivierende Emotion und das motivierende Ziel. Um jedoch das Ganze wirklich ernsthaft angehen zu können, ist es äußerst wichtig, überzeugt davon zu sein, dass es möglich ist dieses Ziel zu erreichen.

Allerdings müssen wir verstehen, was das Ziel ist – nicht nur ein schönes Wort, wie „Erleuchtung“, von dem wir keine klare Vorstellung haben, was es überhaupt bedeutet. Haben wir eine klare Vorstellung davon, was Erleuchtung ist, können wir diesen zweiten Pfadgeist, also Bodhichitta, entwickeln; er ist darauf ausgerichtet, sie zu erreichen. 

Wollen wir beispielsweise eine Reise machen und haben keine klare Vorstellung davon, wohin wir eigentlich gehen, sind unsere Chancen, tatsächlich dort anzukommen, ziemlich gering. Vielleicht gehen wir auf dem Weg nicht einmal in die richtige Richtung. Um dieses Ziel anzustreben, ist es notwendig, nicht nur ein korrektes Verständnis davon zu haben, was das Ziel ist, sondern auch überzeugt davon zu sein, dass es möglich ist, es zu erreichen, denn warum sollten wir die Reise sonst überhaupt antreten? Außerdem müssen wir nicht nur überzeugt davon sein, dass es theoretisch möglich ist, das Ziel zu erreichen, sondern dass wir auch persönlich dazu in der Lage sind, dort anzukommen. Obwohl sich viele von uns mit dem Buddhismus und der buddhistischen Praxis beschäftigen, haben wir nicht wirklich tief über Folgendes nachgedacht: „Denke ich denn tatsächlich, dass es möglich ist, Erleuchtung zu erlangen? Denn wenn es nicht möglich ist, was mache ich dann hier eigentlich? Warum setze ich mich hin, quäle meine Knie und versuche zu meditieren?“

Um zu der Überzeugung zu gelangen, dass es möglich ist, Erleuchtung zu erlangen, benötigen wir diesen dritten Pfadgeist: das Verständnis der Leerheit oder Realität. Bei diesen drei Hauptpfaden des Geistes gibt es eine Reihenfolge, in der wir sie entwickeln: zuerst Entsagung, dann Bodhichitta und schließlich das Verständnis der Leerheit. Insbesondere wenn wir etwas darüber schreiben und andere auf dem Pfad der Entwicklung anleiten, können wir immer nur über jeweils eine Form sprechen und sie praktizieren. Haben wir aber eine allgemeine Vorstellung von diesen drei, gilt es sie zusammenzufügen und wieder ganz zum Anfang zurückzukehren. Dann versuchen wir alle drei mit jeden kleinen Schritt zu entwickeln.

Wir beginnen mit dem Bekräftigen unserer Motivation, was, wie gesagt, damit verbunden ist, ein motivierendes Ziel und eine motivierende Motivation zu haben, die uns antreibt, dieses Ziel zu erreichen. Alle drei hauptsächlichen Formen von Pfadgeist sind hier relevant. Es ist notwendig, der leidvollen Situation zu entsagen, in der wir uns und in der alle anderen sich befinden. Das bedeutet zu denken: „Ich bin gewillt sie aufzugeben, weil sie nicht nur abstoßend und furchtbar, sondern auch wirklich ermüdend und langweilig ist.“ Wir drehen uns einfach immer nur im Kreis. Wir stoßen auf ein Problem nach dem anderen, haben eine ungesunde Beziehung nach der anderen und erleben eine Wutattacke nach der anderen. Das geht einfach immer so weiter und wiederholt sich laufend. Wie ermüdend und langweilig!

Wenden wir uns davon ab und sind bereit, es mit der Entschlossenheit aufzugeben, frei davon zu sein, so ist das Entsagung. Dann wenden wir uns der Frage zu: „Was will ich erreichen? Was strebe ich an? Was ist das Ziel?“ Das Ziel ist nicht nur, sich daraus zu befreien. Das Ziel besteht schlicht und ergreifend darin, Erleuchtung zu erlangen, um allen anderen zu helfen, dem zu entkommen; das ist Bodhichitta. 

Um das anzustreben, müssen wir überzeugt davon sein, dass es möglich ist, es tatsächlich zu erreichen. Dafür benötigen wir das Verständnis der Leerheit, dass all diese Fantasien, Projektionen und Dinge, die all unsere Probleme verursachen, nichts Realem entsprechen. Beispielsweise haben wir die Fantasie-Vorstellung eines Traumprinzen oder einer Traumprinzessin auf einem weißen Pferd, die vollkommen perfekte Partner für uns wären. Sie würden uns in jeder Hinsicht ergänzen, ihr einziges Interesse im Leben gilt uns und sie schenken uns jeden Moment ihrer Zeit und all ihre Aufmerksamkeit. Sie sind absolut perfekt.

Entweder haben wir niemanden gefunden und versuchen ständig, jemanden zu finden, der diesen Ansprüchen entspricht, oder wir haben Partner und erwarten von ihnen immer, so zu sein, und nerven uns, wenn sie anders handeln. Das ist eine Fantasie. Sie entspricht nichts Realem und ist nichts anderes, als an den Weihnachtsmann oder den Osterhasen zu glauben. Es handelt sich dabei um ein schönes Märchen für Kinder, aber leider gibt es so etwas nicht.

Aufgrund unseres mangelnden Gewahrseins, unserer Unwissenheit, glauben wir jedoch, dass es so eine Person gibt – wir wissen ganz einfach nicht, dass so eine Person nicht existiert. So eine Person entspricht nichts Realem und es gibt keine Grundlage für unseren Glauben, dass es so jemanden geben könnte. Diese Glaubensvorstellung hält keiner Überprüfung stand und daher ist unser verwirrter Glaube etwas, das beseitigt werden kann. 

Nun, das ist eine ziemlich oberflächliche Betrachtungsweise des Themas der Leerheit; ungeachtet dessen ist es aber ein guter Anfang. Irgendwo müssen wir beginnen und mit mit diesem Verständnis können wir denken: „Nun, vielleicht ist es möglich, meine Verwirrung, die für all meine Probleme verantwortlich ist, zu beseitigen. Vielleicht verstehe ich nicht wirklich tiefgreifend, welchen Einfluss das hat, von einem Leben zum nächsten zu wandern und sich auf diese Weise im Kreis zu bewegen. Aber Moment mal, glaube ich wirklich an die Wiedergeburt?

Das ist keine einfache Thematik. Wenn wir einfach nur auf diesem ersten Schritt des Bekräftigens unserer Motivation über unser motivierendes Ziel sprechen und versuchen, diese drei hauptsächlichen Pfade nur hier anzuwenden, wie ernsthaft nehmen wir dann die Darstellung dieser motivierenden Ziele? Was entsagen wir? Es sind nicht nur die Probleme dieses Lebens. Tsongkhapa macht es ganz deutlich, dass die erste Ebene der Entsagung die Meditation für eine bessere Wiedergeburt ist. „Aber ich glaube doch nicht an die Wiedergeburt. Ich verstehe es nicht, was soll ich also nun tun?“

Dann gehen wir einen Schritt weiter in den Lam-rim-Texten. In ihnen wird gesagt, dass wir danach streben sollten, uns insgesamt von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt zu befreien. Doch dann denken wir: „Nun, wie kann ich danach streben, wenn ich mir bezüglich dieser ganzen Thematik der Wiedergeburt ziemlich unsicher bin?“

Wir gehen etwas weiter, und wollen allen anderen helfen, sich aus unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt zu befreien – aus diesem Grund wollen wir ja Erleuchtung erlangen. Was streben wir also an? Wäre es nicht etwas schöner, einfach zu sagen: „Ich will nur all meine psychologischen und emotionalen Probleme in diesem Leben loswerden und in der Lage sein, allen in diesem Moment wirklich zu helfen? Können wir hier nicht einfach nur das tun, ohne diese ganze Sache mit der Wiedergeburt? Ich bin mir diesbezüglich nicht sicher und fühle mich damit nicht wohl. Lasst uns doch Entsagung, Bodhichitta und das Verständnis der Leerheit innerhalb dieser Grenzen dieses einen Lebens anwenden.“

Unterziehen wir uns selbst einer ernsthaften Prüfung. Fühlen wir uns denn wohl dabei, auch wenn wir überzeugt sind, dass wir so ein Ziel in diesem Leben erreichen können? Wenn alle hier in den Standard-Texten über die Wiedergeburt sprechen, ist es denn dann ratsam zu sagen: „Diesen Teil mag ich nicht, werfen wir ihn einfach hinaus.“ Und wenn ich diesen Teil hinauswerfen kann, weil ich ihn nicht besonders mag, was ist dann mit all den anderen Dingen? Werfen wir sie ebenfalls weg? Zu welcher Schlussfolgerung gelangen wir hier?

Die Schlussfolgerung ist, dass wir, wenn wir diese ganze Sache und auch uns selbst ernst nehmen, ebenfalls die Worte Buddhas ernst nehmen müssen. Er hat über die Wiedergeburt gesprochen; genau genommen scheint sie überall in den Lehren aufzutauchen, und so sollten wir denken: „Vielleicht ist es etwas, dass ich versuchen sollte, zu verstehen. Womöglich ist es wichtig.“ Das ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Schritt, ein wichtiger Schritt, den wir machen müssen, denn es gibt viele Dinge in den Lehren, die nicht so gut in unsere westliche Mentalität passen. Das sind Entscheidungen, die wir treffen müssen, und wir sollten denken: „Nun, ich muss es untersuchen und sollte wirklich versuchen zu verstehen, um was es hier eigentlich geht und es nicht einfach nur auf einer oberflächlichen Ebene akzeptieren.“

Dharma light im Vergleich zum echten Dharma 

Auf meiner Webseite gibt es einen Artikel, in dem mehrfach von Dharma-light im Vergleich zum echten Dharma die Rede ist, was sich auf Coca-Cola light und der echten Coca-Cola bezieht. 

[Siehe: „Dharma Light“ im Vergleich zum echten Dharma]

Dharma-light bedeutet diese Vorstellung zu haben, die Wiedergeburt und all diese Sachen einfach weglassen zu können, da sie nicht das Wesentliche sind, und den Dharma einfach in Bezug auf dieses Lebens zu praktizieren. Sind wir ehrlich, wollen wir damit im Grunde unser Samsara nur ein wenig aufpolieren. Das ist Dharma-light. 

Nun gibt es zwei Versionen von Dharma-light. In einer Version heißt es: „Die Wiedergeburt und all das Zeug über die Höllen usw. ist nur Aberglaube für asiatische Menschen, der nicht wirklich gut für uns ist. Er ist voller Koffein, Zucker und all diese Dinge. Daher ist Dharma-light das Beste.“

Die andere Dharma-light-Version, die ich viel akzeptabler finde, besagt: „Ich räume ein, dass die Wiedergeburt und diese Themen wirklich wichtig im Dharma sind. Ich gebe auch zu, dass ich sie nicht so richtig verstehe, und erkenne, dass ich mir bewusst darüber werden muss, worum es bei der Wiedergeburt und den Lehren über die Leerheit des Selbst sowie all diesen anderen Dingen geht, die damit zu tun haben. Denn wenn ich all das nicht verstehe, kann ich, auch wenn ich davon ausgehe, dass es so etwas wie die Wiedergeburt gibt, nicht ernsthaft daran glauben. Ich muss also wirklich verstehen, wovon im Buddhismus die Rede ist, wenn es um die Wiedergeburt geht. Zweifellos geht es nicht um eine Seele, die von einem Körper zu einem anderen fliegt – darum geht es ganz bestimmt nicht. Ich folge also dem Dharma-light als Ausgangspunkt oder einer Stufe auf dem Weg. Mit anderen Worten nehme ich mich selbst ernst, und auf dieser Stufe meiner Entwicklung kann ich lediglich ernsthaft versuchen, im Rahmen dieses Lebens zu agieren; das ist das Einzige, dem ich aus vollem Herzen meine Energie und meine Gefühle widmen kann.“

Weiter geht es um Folgendes: „Zu sagen, ich strebe Befreiung von der Wiedergeburt an und möchte allen helfen, der Wiedergeburt zu entkommen, sind momentan nur leere Worte für mich. Momentan kann ich das nicht wirklich fühlen und möchte nicht nur so tun, als würde ich es empfinden. Ich verstehe es nicht und werde somit auf dieser Ebene im Rahmen dessen tätig sein, was ich emotional und intellektuell bewältigen kann, denn ich will aufrichtig mit dem sein, was ich tue. Ich nehme diese ganze Sache ernst, doch ich gestehe ein, dass es sich hierbei nur um eine Stufe handelt, und nicht um die endgültige Art der Praxis.“

Dann: „Ich werde wirklich versuchen, einige dieser schwierigeren Aspekte, angefangen mit der Wiedergeburt, zu verstehen, denn sie sind tatsächlich sehr zentral – das kostbare menschliche Leben, anfangslose Leben und die Tatsache, dass wir sterben und dann wiedergeboren werden – und man kann sie überall in den Lehren finden. Im Rahmen anfangsloser Leben macht die Tatsache, dass wir mir mit diesem kostbaren menschlichen Leben jetzt eine seltene Möglichkeit haben, ohne die Wiedergeburt keinen Sinn; all das beruht auf der Wiedergeburt. Ich werde wirklich versuchen, das zu verstehen.“

„Sogar wenn ich diese drei hauptsächlichen Pfade studiert habe, muss ich zurückgehen, um mich mit diesen wichtigen Themen, wie der Wiedergeburt, zu befassen, denn wie viel habe ich sonst verstanden? Ich nehme es wirklich ernst, dass es ein stufenweiser spiritueller Pfad sein wird. Ich werfe einen Blick auf die nächsten Schritte, die ich nehmen möchte und nehmen muss. Auf diese Weise praktiziere ich im Moment Dharma-light, da es das ist, was ich momentan bewältigen kann und werfe einen Blick auf den Rest.“ Das ist völlig in Ordnung. Mit dieser Geisteshaltung ist Dharma-light angebracht; es ist ein angemessenes Getränk.

Darüber wollte ich heute Abend in unserem ersten Treffen sprechen, denn dadurch begründet sich, wie gesagt, die folgende Denkweise: „Auf dieser Ebene befinde ich mich gerade. Entweder bin ich ein Neuling oder habe mich schon eine Weile damit befasst, aber ich nehme es ernst und sehe mich momentan mit dem, was ich tue und wo ich bin, in diesem Kontext.“ Denn wenn wir versuchen, all diese Dinge auf unser tägliches Leben zu übertragen, müssen wir eine aufrichtige Einstellung haben. Es muss etwas sein, das wir wirklich empfinden und auf einer stabilen Basis so fühlen.

Wir sollten nicht vorgeben, so wunderbar und erhaben zu sein, und damit herumprahlen, daran zu arbeiten, alle fühlenden Wesen zu befreien.“ Wir überprüfen: „Geht es mir tatsächlich darum, jede Kakerlake im Universum von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt zu befreien? Ist es wirklich das, was ich aufrichtig im Innern meines Herzens empfinde?“ Wir beginnen, diese Vorstellung zu hinterfragen, ob unsere Motivation wirklich von der Überzeugung kommt, dass jede Kakerlake in einem früheren Leben unsere Mutter gewesen ist. Wie ehrlich gehen wir an diese Sache heran? Wollen wir sie alle befreien, weil sie in früheren Leben unsere Mütter gewesen sind?

Erkennen wir den ganzen Zusammenhang dessen, was wir tun, und fragen uns aufrichtig und ehrlich, auf welcher Ebene wir uns gerade befinden, beginnt all das eine Auswirkung und einen Einfluss auf unser tägliches Leben zu haben. Es ist äußerst wichtig, realistisch in Bezug darauf zu sein. Eine der grundlegendsten Eigenschaften Samsaras ist die, dass es immer auf und ab geht, und das wird sich immer weiter fortsetzen, bis wir als ein Arhat Befreiung erlangen, was eine lange Zeit brauchen wird. Manchmal haben wir Lust zu praktizieren und dann wieder nicht. Gelegentlich läuft es gut, ein anderes Mal nicht so gut. Was erwarten wir von Samsara?

Es ist nicht so, dass wir die Praxis ausführen und Samsara mit jedem Mantra, das wir aussprechen, immer besser und besser wird. Auf so eine geradlinige Weise wird es garantiert nicht geschehen. Sind wir, was das betrifft, realistisch, machen wir einfach weiter, auch wenn die Dinge nicht so gut laufen, was erwartungsgemäß passieren wird. Es ist egal. Das ist jedoch nicht der Punkt. Wir sollten denken: „Ich will mich beständig weiter bemühen“, was viel stabiler ist. Das können wir jedoch nur tun, wenn wir wirklich aufrichtig und ehrlich in Bezug darauf sind, was wir tun.

Wie Seine Heiligkeit der Dalai Lama stets sagt, sollten wir unseren Fortschritt nicht anhand einer kurzen Zeit messen, sondern mehrere Jahre in Betracht ziehen. Hat sich der generelle Trend unserer Verhaltensweise gegenüber dem verbessert, wie wir vor drei oder fünf Jahren waren, wissen wir, dass etwas eine Auswirkung auf uns hatte, auch wenn es im Alltag ständig Höhen und Tiefen gibt. Wir sollten nie Wunder erwarten.

Vielleicht haben wir etwas Zeit für ein paar Fragen.

Fragen  

Ich bin ein Neuling und wollte Sie fragen, was Sie damit gemeint haben, als Sie sagten: „Erwartet keine Wunder“.

Ein Wunder wäre, wenn wir die magischen Worte oder das magische Mantra aussprechen oder die magische Praxis ausführen und plötzlich all unsere Probleme damit gelöst sind. Wir wären in der Lage, all unsere sich wiederholenden Probleme loszuwerden und es wäre ganz leicht, ohne große Anstrengung und Bemühung. Oder zu glauben, eine äußere Kraft würde uns retten, ohne dass wir selbst etwas dazu beitragen müssten; das sind Wunder. Normalerweise geschehen sie nicht. Im Buddhismus ist das ein ganz zentrales Thema: Dinge geschehen nicht ohne eine Ursache.

Gab es zur Zeit des Buddhas all diese Lehren und Aspekte des Pfades zur Erleuchtung, die ihm für seine eigene Erleuchtung hilfreich waren?

Das ist eine Frage, die man nicht auf eine leicht verständliche Weise beantworten kann. Ich kann eine Antwort geben, aber sie ist vielleicht nicht wirklich zufriedenstellend. Im Buddhismus beziehen wir uns auf geistige Kontinua, die keinen Anfang haben. Um das zu verstehen, müssen wir uns mit dem ganzen Thema von Ursache und Wirkung befassen. Wie können Kontinuitäten einen absoluten Anfang haben? Darüber hinaus können Kontinuitäten, die sich von einem Augenblick zum nächsten ändern, nicht aus dem Nichts heraus anfangen oder einen absoluten Anfang haben. Denn wenn wir davon ausgehen, dass jemand, eine größere Kraft, sie erschaffen hat, stellt sich doch die Frage, ob diese größere Kraft einen Anfang hatte. Gab es für diese größere Kraft keinen Anfang, bleibt uns wieder etwas Anfangsloses. Gab es vorher nichts, müssen wir uns fragen, ob das Nichts einen Anfang hatte. Nein, es war immer schon da. Ganz egal wie wir versuchen, das Puzzle zu lösen: es führt kein Weg drumherum, sich letztendlich der Thematik der Anfangslosigkeit zu stellen. Von diesem Standpunkt aus gab es keinen ersten Buddha und daher waren die Lehren und die Methode immer verfügbar.

Wie gesagt ist das keine Antwort, die so leicht zu verstehen oder akzeptieren ist, aber das ist die Frage. Es war nicht so, dass Buddha zu irgendeinem anderen Buddha ging, der zu der Zeit gerade da war, und es lernte. Buddha hatte natürlich Lehrer, doch in erster Linie fand er die Belehrungen, die er von den Lehrern bekam, bei denen er lernte, nicht tief genug, und daher setzte er sich nieder und fand es selbst heraus. Hat er es sich aber alles nur ausgedacht? Das ist von einer buddhistischen Sichtweise keine zufriedenstellende Antwort, obwohl wir es als Westler so sehen und sagen könnten: „Er hat es selbst herausgefunden. Er war ein Genie.“

Vom buddhistischen Standpunkt aus würden wir sagen: „Nun, in früheren Leben lernte Buddha diese Dinge bei Lehrern, die damals zur Verfügung standen. Diese Vorstellung, dieses Verständnis, kam zu ihm aufgrund einer Ursache – er hatte diese Dinge vorher gelernt – und nun ergab es endlich einen Sinn für ihn.“

Beginnen wir es einmal genauer zu betrachten, so können wir auf alle Fragen im Buddhismus oberflächliche Antworten finden. Erforschen wir es dann aber eingehender, fängt alles an, immer mehr Tiefe zu bekommen. Gab es schon immer elektrische Glühbirnen? Hat die Person, die elektrische Glühbirnen erfunden hat, in irgendeinem früheren Leben etwas darüber gelernt? Geht es hier darum?

Wir untersuchen es und stimmen nicht einfach nur einer Erklärung zu. Wir versuchen zu erkennen, ob es einen Sinn ergibt. Wie gesagt, kann diese Frage immer tiefer in die Thematik des Wissens und wie wir irgendetwas kennen können hineinführen. Ist es auf eine Ursache zurückzuführen oder nicht? Das ist die eigentliche Frage.

Ich beantworte diese Frage mit Absicht auf diese Weise, denn ich möchte zeigen, dass eine Antwort zuweilen recht einfach klingen kann: „Oh ja, Buddha hat es herausgefunden. Er war schlau, hat wirklich hart daran gearbeitet und es ergründet.“ Allerdings sind wir nie zufrieden mit dieser Art von Antworten. Genauso verhält es sich mit Dharma-light. Wir denken: „Gut, ich kann mit diesem Teil klarkommen; diese Antwort kann ich akzeptieren. Damit bin ich einverstanden.“ Wir sollten uns jedoch bewusst darüber sein, dass es viel tiefere Erklärungen gibt, die weitaus komplexer sind und so viel mehr Dinge in Bezug auf jeden einzelnen Punkt umfassen.

Es ist jedoch wichtig zu denken: „Wenn ich eine andere Ebene des Verständnisses darüber erreiche, kann ich die Frage erneut stellen und sie auf einer tieferen Ebene betrachten.“ Das ist der Punkt, den ich machen wollte. Im Dharma ist es äußerst wichtig, niemals mit unserer Ebene des Verstehens zufrieden zu sein, bis wir eine unglaublich hohe Ebene der Verwirklichung erreicht haben. Es gibt immer eine noch tiefere Ebene des Verstehens. Betrachten wir einmal die größten buddhistischen Lehrer unter den Tibetern, so gehen sie stets zu noch größeren Meistern, auch wenn sie schon sehr alt sind. Sie lernen immer mehr und mehr, wollen sich weiter entwickeln und immer tiefer gehen.

Hier ein letztes Wort, ein letztes Beispiel: Trijang Rinpoche, der verstorbene Junior Tutor Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, pflegte als alter Mann in Bezug auf Tsongkhapas „Große Darstellung des Stufenpfades zur Erleuchtung“ zu sagen: „Ich habe das Buch bereits hunderte Male gelesen und jedes Mal ein tieferes Verständnis erlangt.“ Er hat es in seinem Leben mehrere hundert Male gelesen. So sollte man den Dharma studieren.

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