Den Übergang vom Nomadenleben zu einem Leben in der Stadt erleichtern

Frage: Wir Kalmüken haben über sehr lange Zeiträume ein nomadisches Leben geführt. Wir lebten in Kibitkas und wussten nie, was Städte sind. Und jetzt hat sich das Leben plötzlich verändert: wir sind hier, in normale Wohnungen gezogen. Und wir sehen, dass wir den Kontakt zur Natur verloren haben und das hat sich auf unser Bewusstsein, auf unsere Wahrnehmung, unsere Emotionen ausgewirkt, denn wir merken, dass die Beziehungen innerhalb der Familie schwächer geworden sind – plötzlich verstehen wir einander nicht mehr, denn nun haben wir Fernsehen und viele andere solche Ablenkungen bekommen. Kann der Buddhismus diese Frage beantworten?

Bei den Nomaden, die sich auf der Steppe, dem Grasland, von einer Weide zur nächsten bewegten und in diesen Kibitkas, diesen Zelten auf Ochsenkarren, lebten, gab es, wie Sie erwähnt haben, in der Familie und der Gemeinschaft, die gemeinsam unterwegs war, eine sehr enge Beziehung – sowohl untereinander, als auch zur Natur und zu den Tieren. Und so waren die Werte, die für diese Art von Leben notwendig waren, auf Harmonie ausgerichtet, da alle zusammenarbeiten und die Pflichten verstehen mussten, die für das Leben notwendig waren. Und nun, in unserem sesshaften Leben, ist das natürlich ganz anders.

Aber im Buddhismus gibt es verschiedene Möglichkeiten, die dazu beitragen können, die Unzulänglichkeiten zu überwinden, die durch die Art unserer heutigen Lebensführung auftreten können. Große Betonung wird darauf gelegt, die Wechselbeziehung, die wir miteinander haben, wahrzunehmen. Das mag vielleicht nicht so offensichtlich sein, wie bei den Nomaden in der Steppe. Aber eine unserer Übungen besteht darin, die Dinge in unserem Haus zu betrachten und an all die Arbeit zu denken, die für die Herstellung notwendig war und all die Menschen, die an der Herstellung beteiligt waren und dabei verfolgen wir die Entstehung zurück bis zu den Naturelementen. Sogar was die Nahrung betrifft – nicht nur, wer sie angebaut, sondern auch wer sie transportiert hat. Wer hat die Straßen gebaut? Wer hat die LKWs gebaut, die Dinge transportieren? Woher kam das Metall für die LKWs? Woher kam das Gummi und woher das Erdöl? Wenn wir mit Gas oder Strom kochen, fragen wir uns, wo es herkam. Wir denken an alle Menschen, die beteiligt waren. Und auf diese Weise können wir die Tatsache erkennen, dass wir vollkommen von der Arbeit einer unglaublich großen Anzahl anderer Menschen abhängig sind.

Und auch unsere Handlungsweise wirkt sich auf die Umwelt aus. Das wird mit der globalen Erwärmung zunehmend deutlicher. Es wirkt sich auf die Tierwelt aus, Fische werden immer seltener. Der einzige Unterschied im Verständnis zwischen einer Gruppe von Menschen, die als Nomaden unterwegs sind und der Menschen, die ein geregeltes Leben hier in der Stadt führen, besteht darin, dass diese gegenseitige Abhängigkeit in der Steppe viel offensichtlicher, viel unmittelbarer und so leichter verständlich ist. Diese Abhängigkeit ist jedoch… die Tatsache ist immer noch zutreffend; es ist nur so, dass es nicht so offensichtlich ist. Wir müssen es wirklich analysieren und darüber nachdenken. Auf Grundlage der Analyse, der Gedanken, können wir dann dieses Gefühl von Verantwortung entwickeln, das für das harmonische Überleben der ganzen Erde notwendig ist, nicht nur für eine kleine Gruppe, die auf der Steppe unterwegs ist.

Meiner Meinung nach ist es wirklich wunderbar und hilfreich, dass es hier in Kalmückien die Tradition der Steppen-Nomaden gibt. Und die Tatsache, dass Sie tatsächlich als Menschen über solch einen langen Zeitraum während einer schwierigen Vergangenheit überlebt haben, zeigt, dass Sie Menschen sind, die wirklich wissen, wie man zusammen arbeitet und zugunsten der gesamten Gemeinschaft zusammen lebt. Auf diese Weise entsteht für eine ganze Gesellschaft und für die Mitglieder dieser Gesellschaftsform und dieser Herkunft ein gewisses Selbstwertgefühl.

Das bringt mich zu einem anderen Aspekt der ethischen Selbstdisziplin, den ich nicht erwähnt habe: die Betrachtung der Wirkung unseres Verhaltens auf diejenige, die wir respektieren. Mit anderen Worten, wenn wir beispielsweise ein Mitglied der kalmückischen Gesellschaft sind und auf kriminelle Weise, auf sehr egoistische und furchtbare Weise handeln, welches Licht wird das auf die kalmückischen Menschen im Allgemeinen werfen? Es wird ein sehr schlechter Eindruck von den Kalmücken entstehen. Und weil ich das vermeiden möchte und weil ich so ein wunderbares Gefühl und so einen Stolz (im positiven Sinn) in Bezug auf meine Herkunft habe, möchte ich natürlich nichts tun, was bei den Menschen einen schlechten Eindruck hinterlässt. Das kann uns dann dabei behilflich sein, in größerer Harmonie zusammenzuarbeiten und zu versuchen, in der modernen Welt erfolgreich gemeinsam zu arbeiten.

Und natürlich können wir das über Kalmückien hinaus erweitern. Ich bin ein großer Science Fiction-Fan und so denke ich in Bezug auf andere Lebensformen, auf intelligente Lebensformen und auf andere Planeten im Universum. Und was würden sie von Menschen, von dieser Lebensform, denken, wenn wir unseren Planeten wegen unserer Selbstsucht zerstören würden? Sie würden denken, dass wir wirklich eine niedrige Lebensform wären. Und so müssen wir zeigen, dass wir es als menschliche Wesen schaffen, unsere Welt nicht zu zerstören, sondern unsere Meinungsverschiedenheiten beizulegen und in Harmonie zu leben. Obwohl es sich um Science-Fiction handelt, kann es trotzdem eine hilfreiche Denkweise sein.

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