Indische Quellen für das Studium der vier Lehrsysteme

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Gemäß der traditionellen Sicht der indo-tibetischen Form des Mahayana-Buddhismus verbreitete Buddha vier große Lehrsysteme (grub-mtha’, Skt. siddhanta), um den Veranlagungen und Fähigkeiten verschiedener Schüler entgegenzukommen. Im Hinayana-Buddhismus gab es achtzehn Schulen. Innerhalb einer dieser achtzehn, dem Sarvastivada (Thams-cad yod-par smra-ba) entstanden zwei der Lehrsysteme: das Vaibhashika- (Bye-brag smra-ba) und das Sautrantika-System (mDo-sde-pa). Die anderen beiden Lehrsysteme entstanden innerhalb des Mahayana: das Chittamatra- (Sems-tsam-pa) und das Madhyamaka-System (dBu-ma-pa). Andere Namen für Chittamatra sind „Yogachara“ (rNal-‘byor spyod-pa) und „Vijnanavada“ (rNam-par shes-pa tsam-du smra-ba). Obwohl andere Hinayana-Schulen wie etwa das Theravada (gNas-brtan smra-ba, Skt. Sthaviravada) ihr eigenes charakteristisches System von Aussagen haben, werden sie nicht unter den Lehrsystemen aufgeführt.

Verschiedene tibetische Meister haben auf unterschiedliche Weise Unterteilungen eines jeden dieser vier traditionellen indischen Lehrsysteme identifiziert und benannt. Es gibt allerdings wenig Anhaltspunkte dafür, dass diese Unterteilungen bereits in Indien existierten. Die wichtigste davon ist die Unterteilung des Madhyamaka in Svatantrika-Madhyamaka (dBu-ma rang-rgyud-pa) und Prasangika-Madhyamaka (dBu-ma thal-‘gyur-pa). Aus der Sicht der Gelug-Tradition spielt ferner innerhalb des Svatantrika-Madhyamaka die Unterscheidung zwischen Yogachara-Svatantrika (rNal-byor spyod-pa’i dbu-ma rang-rgyud-pa) und Sautrantika-Svatantrika (mDo-sde-pa’i dbu-ma rang-rgyud-pa) eine wichtige Rolle.

Historisch gesehen spezialisierten sich verschiedene indische Meister auf bestimmte dieser Systeme und lehrten sie als unterschiedliche buddhistische Traditionen. Die Tatsache, dass einige von ihnen als einzelne philosophische Schulen nach China überliefert wurden, bestätigt dies.

In den indischen Klöstern des indischen Mahayana-Buddhismus, wie etwa in Nalanda, studierten die Mönche alle vier Traditionen. Die Tibeter folgten diesem Brauch, wobei weiterhin verschiedene Themen und Texte aus der Sicht verschiedener Lehrsysteme gelehrt werden.

Die vier hauptsächlichen Lehrsysteme

Die Tibeter studieren das Vaibhashika-System im Zusammenhang mit „Besonderen Themen des Wissens“ (chos mgon-pa, Skt. abhidharma), insbesondere das untere Abhidharma-System (mngon-pa ‘og-ma), wie es von Vasubandhu (dByigs-gnyen) formuliert wurde.

  • Vasubandhu schrieb das Werk „Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“ (Chos mngon-pa’i mdzod, Skt. Abhidharma-kosha).

Sie studieren das Sautrantika-System im Zusammenhang mit dem Thema „Gültige Wahrnehmung“ (tshad-ma, Skt. pramana), wie diese von Dignaga (Phyogs-kyi glangs-pa) und Dharmakirti (Chos-kyi grags-pa) formuliert wurde.

  • Dignaga schrieb „Ein Kompendium von gültig wahrnehmenden Arten von Geist“ (Tshad-ma kun-las btus-pa, Skt. Pramana-samuccaya).

  • Dharmakirti schrieb „Kommentar zu (Dignagas ‚Kompendium von) gültig wahrnehmenden Arten von Geist’“ (Tshad-ma rnam-‘grel, Skt. Pramana-varttika).

Das Chittamatra-Lehrsystem studieren die Tibeter im Zusammenhang mit dem höheren System des Abhidharmas (mngon-pa gong-ma), wie es von Asanga (Thogs-med) formuliert wurde. Sie ergänzen dies mit weiteren Aspekten der gültigen Wahrnehmung, die in Dharmakirtis „Kommentar zu (Dignagas ‚Kompendium von) gültig wahrnehmenden Arten von Geist’“ dargelegt sind.

  • Asanga schrieb „Eine Anthologie spezieller Themen des Wissens“ (mNgon-pa chos kun-las btus-pa, Skt. Abhidharma-samuccaya).

Sie studieren das Madhyamaka-System im Allgemeinen so, wie es in den Werken von Nagarjuna (Klu-sgrub) dargestellt wird.

  • Nagarjuna schrieb „Wurzelverse zum Mittleren Weg, genannt ‚Unterscheidendes Gewahrsein’“(dBu-ma rtsa-shes, Skt. Prajna-nama-mula-madhyamaka-karika) und zahlreiche andere Texte.

Die beiden Unterabteilungen des Madhyamaka

Die Tibeter studieren das Svatantrika-Madhyamaka im Allgemeinen im Zusammenhang mit dem Thema des weit reichenden unterscheidenden Gewahrseins (sher-phyin, Skt. prajnaparamita, Vollkommenheit der Weisheit), wie es von Maitreya (Byams-pa) formuliert wurde.

  • Maitreya schrieb „Filigranschmuck der Verwirklichungen“ (mNgon-rtogs rgyan, Skt. Abhisamaya-alamkara).

Sie studieren das Prasangika-Madhyamaka anhand der Werke von Chandrakirti (Zla-ba grags-pa), Aryadeva (‘Phags-pa lha), Shantideva (Zhi-ba lha) und Buddhapalita (Sang-rgyas bskyangs).

  • Chandrakirti schrieb „Ergänzung zu (Nagarjunas ‚Wurzelversen zum) Mittleren Weg’“ (dBu-ma-la ‘jug-pa, Skt. Madhyamaka-avatara).

  • Aryadeva schrieb „Vierhundert Verse“ (bZhi-brgya-pa, Skt. Catuhshataka).

  • Shantideva schrieb „Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas“ (sPyod-‘jug, Bodhisattvacarya-avatara).

  • Buddhapalita schrieb „Ein Kommentar zu (Nagarjunas) ‚Wurzelversen zum Mittleren Weg, genannt Unterscheidendes Gewahrsein’“ (rTsa-ba shes-rab-gyi ‘grel-ba, Skt. Mulamadhyamaka-vrtti).

Die beiden Unterabteilungen des Svatantrika-Madhyamaka

Die Tibeter studieren das Yogachara-Svatantrika anhand der Werke von Shantarakshita (Zhi-ba ‘tsho), der als erster den indischen Buddhismus nach Tibet brachte, und anhand der Schriften seiner Schüler Kamalashila (Ka-ma-la shi-la) – welcher den chinesischen Mönch Hoshang bei der Debatte von Samye besiegte – und Haribhadra (Seng-ge bzang-po).

  • Shantarakshita schrieb „Ein Filigranschmuck des Mittleren Weges“ (dBu-ma rgyan, Skt. Madhyamaka-alamkara) und „Ein Kompendium von Prinzipien“(De-kho-na-nyid-kyi bsdud-pa, Skt. Tattva-samgraha).

  • Kamalashila schrieb „Stufen der Meditation“ (sGom-rim, Skt. Bhavanakrama) und„Erhellung des Mittleren Weges“ (dBu-ma snang-ba, Skt. Madhyamaka-aloka).

  • Haribhadra schrieb „Ein Kommentar (zu Maitreyas ‚Filigranschmuck der Verwirklichungen’), der die Bedeutung klärt“(‘Grel-ba don-gsal, Skt. Sphutartha).

Sie studieren Sautrantika-Svatantrika anhand der Werke von Bhavaviveka (Bhavya) (Legs-ldan ‘byed).

  • Bhavaviveka schrieb „Herz des Mittleren Weges“ (dBu-ma’i snying-po, Skt. Madhyamaka-hrdaya) und seinen eigenen Kommentar dazu namens „Flamme der Beweisführung“(rTog-ge ‘bar-ba, Skt. Tarkajvala).

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