Ursache und Wirkung im Überblick

Befleckte Phänomene

Um über die äußerst komplizierte buddhistische Darstellung von Ursache und Wirkung sprechen zu können, brauchen wir Einiges an Hintergrundinformationen. Dazu werden Phänomene weiter unterteilt, zum einen in befleckt (tib. zag-bcas) und unbefleckt (tib. zag-med). Ein beflecktes Phänomen ist etwas, das auf störende Emotionen oder Verhaltensweisen (tib. nyon-mongs) zurückzuführen ist und diese Dinge führen dann zu weiteren befleckten Phänomenen. Das bezieht sich auf alle nichtstatischen Phänomene, außer auf die vierte edle Wahrheit – also den wahren Pfadgeist, das wahre Verständnis der Wirklichkeit. Ein korrektes Verständnis der Wirklichkeit entsteht nicht aus einer störenden Emotion heraus und es führt nicht zu noch größerer Verwirrung. Unbefleckte Phänomene beziehen sich auf dieses korrekte Verständnis (das nicht statisch ist), sowie alle statischen Phänomene. Statische Phänomene stammen nicht von irgendetwas ab; sie werden nicht durch etwas verursacht oder erschaffen.

Befleckte Phänomene (worum es hier, in unserem Thema, gehen wird) werden in drei Arten unterteilt. Wir reden von allen nicht statischen Phänomenen, von allen Dingen, die durch Ursachen und Bedingungen jenseits eines korrekten Verständnisses der Wirklichkeit beeinflusst werden.  Sie werden, entsprechend ihrem ethischen Status, in drei Unterteilungen gegliedert. Wenn wir nun von einem ethischen Status sprechen, geht es nicht um Moralvorstellungen oder um gut und böse. Im Buddhismus gibt es dieses Konzept von Moralvorstellungen nicht. Es gibt auch keinen Richter und weil es keinen Richter gibt, gibt es auch keine Schuld.

Die dreifache Unterteilung gliedert sich in destruktive (tib. mi-dge-ba) Phänomene, konstruktive (tib. dge-ba) Phänomene und nicht näher bezeichnete (tib. lung ma-bstan) Phänomene – das sind Phänomene, die Buddha nicht als entweder konstruktiv oder destruktiv festgelegt hat und daher sind sie ethisch nicht näher bezeichnet. Hier muss man sehr vorsichtig sein, wie man das übersetzt. Es ist nicht „unbestimmt“, sondern „nicht näher bezeichnet.“  Buddha legte es nicht ausdrücklich als etwas Konstruktives oder Destruktives, also als eines von beidem fest.

Destruktive Phänomene 

Bei destruktiven Phänomenen gibt es zahlreiche Arten, aber wir haben bestimmte Dinge, die in ihrer essentiellen Natur (tib. ngo-bo-nyid-kyis mi-dge-ba) destruktiv und daher von Natur aus schädlich sind. Und „destruktiv“ wird als etwas definiert, das ein nichtstatisches Phänomen ist – etwas, das von Ursachen und Bedingungen beeinflusst wird – und das für uns zu etwas Schädlichem oder zu Leid, Unglück oder Schwierigkeiten heranreift und somit destruktiv ist. Es gibt diesen Ausdruck, zumindest im Englischen (self-destructive): selbstzerstörerisch. Dinge sind selbstzerstörerisch. Hier kann man verstehen, dass es sich nicht um eine Moralvorstellung handelt. Und das, was von Natur aus destruktiv ist, sind die so genannten drei schädliche Emotionen oder Geisteshaltungen (tib. dug-gsum).

Die erste (und da gibt es verschiedene Variationen) ist beispielsweise sehnsüchtiges Verlangen (tib. ’dod-chags) nach etwas, das man nicht hat. Es basiert darauf, die guten Eigenschaften von etwas überzubewerten. Wir sehen uns als großes, solides „Ich“ und meinen: „Ich muss es haben.“ Oder wenn wir es haben, hängen wir daran und wollen es nicht loslassen. Wenn wir dann eine bestimmte Menge haben, entsteht Gier: „Ich will noch mehr.“ Das ist sehnsüchtiges Verlangen und ein noch deutlicheres Wort wäre vielleicht „Lust.“ Wir begehren nach etwas, ob es nun eine bestimmte Art von Nahrung ist, ein bestimmter Körper, Geld oder was auch immer.

Die zweite Emotion ist Wut oder Feindseligkeit (tib. zhe-sdang), Ablehnung. Wir dramatisieren die negativen Eigenschaften von etwas und wollen es loswerden.

Und die dritte ist Naivität (tib. gti-mug). Bei Naivität geht es darum, dass wir kein Verständnis von Ursache und Wirkung in Bezug auf unser Verhalten haben; oder es einfach nicht verstehen können. Wir sind naiv. Ein ganz einfaches Beispiel: Ich schreie jemanden an, ich sage etwas wirklich Gemeines, aber ich bin naiv und denke, es würde keine Wirkung auf den anderen haben. Oder ich komme zu spät und meine, es hätte keine Auswirkungen. Ich bin mir überhaupt nicht bewusst, dass es den anderen verletzen könnte. Das ist Naivität und sie ist destruktiv. Oder ich bin naiv in Bezug auf die Realität. Ich glaube nicht, dass der andere Emotionen oder Gefühle hat und daher ziehe ich das überhaupt nicht in Betracht. Die Naivität hat diese Formen: entweder „ich weiß es nicht“ oder „ich verstehe es nicht richtig.“ Diese Emotionen sind also von Natur aus destruktiv und alles, was damit einhergeht, oder andere Geisteszustände, die damit zusammenhängen, sind ebenfalls destruktiv. Es geht um dieses ganze Paket.

Es ist ebenfalls von Natur aus destruktiv, wenn man kein Gefühl für Werte hat (tib. ngo-tsha med-pa). Kein Gefühl für Werte zu haben heißt, keinen Respekt gegenüber positiven Eigenschaften oder Personen mit positiven Eigenschaften zu empfinden. Die andere Sache ist, keine Skrupel zu haben (tib. khrel med-pa) und diese beiden Dinge begleiten alle Arten von destruktivem Verhalten. Keine Skrupel heißt, nicht die Notwendigkeit zu sehen, von groben und negativen Handlungen abzusehen. Beispielsweise habe ich keinen Respekt gegenüber Menschen, die ehrlich sind und absolut keine Hemmungen, den anderen anzulügen. Ich tue es ohne zu zögern, weil ich denke, es wäre vollkommen in Ordnung. Ganz offensichtlich ist hier auch Naivität mit im Spiel.

In anderen Texten gibt es andere Definitionen, aber wir sollten es nicht noch komplizierter machen.

Nun haben wir eine Art Schema oder Rahmen geschaffen, um diese Diskussion über Ursache und Wirkung verstehen zu können, denn im Wesentlichen geht es dabei um unser Verhalten, also um Karma (tib. las) und nicht so sehr um physikalische Gesetze und Ursache und Wirkung hinsichtlich physikalischer Materie und Energie. Das ist nicht das, worum es eigentlich geht, sondern vielmehr um so genannte verhaltensbedingte Ursache und Wirkung. Was sind die Ursachen in unserem Verhalten, die unsere Erfahrung beeinflussen? Dieser Bereich der Kausalität ist das, worum es in dieser Thematik wirklich geht.

Karma

Um das verstehen zu können, werden wir eine kurze Abhandlung über Karma durchgehen müssen und Sie können sich sicher vorstellen, dass es sich hierbei um ein sehr umfangreiches Thema handelt. In den buddhistischen Texten gibt es in Bezug auf Karma zwei Betrachtungsweisen und ich werde über die reden, die etwas einfacher ist.

Wenn von Karma die Rede ist, stellt sich zunächst die Frage, was Karma eigentlich ist. Entsprechend diesem Schema handelt es sich beim Karma um einen Geistesfaktor (tib. sems-byung) oder darum, sich über etwas bewusst zu sein (tib. shes-pa). Von der Bedeutung her ist es das gleiche wie ein geistiger Drang (tib. sems-pa), oder ein geistiger Impuls. Es ist etwas anderes, als eine Absicht (tib. ’dun-pa). Eine Absicht ist ein Geistesfaktor, durch den wir zu einem bestimmten Zweck in die allgemeine Richtung einer Handlung gezogen werden. Ein Drang oder ein Impuls ist ein Geistesfaktor, der uns im Grunde dazu bringt, die Handlung zu begehen, sie aufrecht zu erhalten oder sie zu beenden. Können Sie dem folgen? Jetzt sitze ich hier. Ich habe die Absicht, zum Kühlschrank zu gehen und mir etwas zu essen oder ein Glas Saft zu holen. Nun könnte ich aus dieser Absicht heraus handeln oder nicht. Aber wenn ich mich tatsächlich entschließe, es zu tun, bringt mich dieser geistige Drang dazu, aufzustehen, zum Kühlschrank zu gehen und den Saft zu trinken. Hier reden wir jetzt nur darüber, den Saft zu holen. Ich gehe also, hole den Saft und habe damit diese Handlung beendet. Dieser ganze geistige Impuls, der mich zur Handlung antreibt, sie ausführt und sie beendet – das ist Karma.

Es ist nicht das gleiche, wie eine Handlung, obwohl viele es mit dem Wort „Handlung“ übersetzen. Das ist jedoch etwas zu allgemein und ziemlich irreführend, wenn wir uns einmal all die verschiedenen Systeme betrachten, wie Karma erklärt wird. Wenn wir über das Handeln oder das Verhalten reden, kann sich das entweder darauf beziehen, etwas körperlich zu tun, etwas zu sagen (zu kommunizieren) oder etwas zu denken. All diese Dinge sind Handlungen. Wir können auch auf nonverbale Weise kommunizieren und diese Zeichensprache und dergleichen wären dann körperliche Handlungen. Darüber könnte man diskutieren. Wenn wir unseren Kopf schütteln, wäre das dann eine Handlung der Rede, der Kommunikation oder eine Handlung des Körpers? Darüber sollten wir nicht diskutieren. Das sind Dinge, über die man in Tibet gern redet.

Es gibt also den Drang und es gibt die Handlung, wobei der Drang Karma ist. Und dann haben wir ein positives oder ein negatives Potenzial. Diese Dinge werden normalerweise mit „Verdienst“ und „Sünde“ übersetzt, aber diese Übersetzungen sind völlig unangemessen. Es hat nichts damit zu tun, Punkte zu sammeln und ein Spiel zu gewinnen, wenn man genug Punkte beisammen hat. Oder Sünde in Bezug auf Moralvorstellungen. Vielmehr ist es neutral, was Urteile betrifft. Es gibt also positives Potenzial (tib. bsod-nams) und negatives Potenzial (tib. sdig-pa).

Positives Potenzial ist konstruktiv und negatives Potenzial ist destruktiv. Das bezieht sich sowohl auf die Handlung selbst, als auch auf das, was danach in unserem geistigen Kontinuum davon übrig bleibt. Das geistige Kontinuum (tib. sems-rgyud) – ich glaube, da werde ich zunächst erst einmal etwas über das geistige Kontinuum sagen müssen. Gestern haben wir über eine Unterteilung nichtstatischer Phänomene (tib. mi-rtag-pa) in Formen physischer Phänomene (tib. gzugs) gesprochen, über Weisen, sich über etwas gewahr zu sein (tib. shes-pa) und über Dinge, die das, was wir erleben, verändern und beeinflussen, die jedoch zu keiner dieser zwei ersten Kategorien gehören. Um es abzukürzen, nennen wir es das „weder-noch-Phänomen“, die „weder-noch-Dinge“ (tib. ldan-min ’du-byed). Ich habe es am Beispiel der Zeit erklärt, aber diese Potenziale wären ein weiteres Beispiel. Ein Potenzial ist eine Art des „weder-noch-Phänomens.“ Es ist nichts Physisches. Es ist nichts, was wir in unserem geistigen Kontinuum sehen können. Es ist keine Weise, sich über etwas bewusst zu sein. Wir sollten also nicht versuchen, es uns als etwas Bewusstes oder als etwas Unbewusstes vorzustellen; das ist hier vollkommen irrelevant. Hier benutzen wir den Fachbegriff, den man oft im Buddhismus hört – es wird dem geistigen Phänomen „zugeschrieben“ (tib. ming ’dogs-pa). Darüber werden wir später noch etwas mehr reden.

Was bedeutet das? Es gibt eine Ursache und es gibt eine Wirkung. Oder wir betrachten es anhand unseres Beispiels, dem Ereignis von Angst Nummer eins und Angst Nummer zwei. Was verbindet diese zwei Vorfälle in diesen Zeitraum miteinander? Es gibt ein Potenzial oder eine „Tendenz“ (tib. sa-bon) Angst zu haben. Diese Tendenz oder das Potenzial – Tendenz ist hier eine andere Kategorie – die Tendenz oder das Potenzial wird geistig diesen zwei Phänomenen zugeschrieben (Angst Nummer eins und Angst Nummer zwei), um die Verbindung zu verdeutlichen. Sie existieren, die Potenziale und Tendenzen gibt es wirklich. Da ich gern Kaffee trinke, führe ich oft dieses Beispiel an: Ich habe gestern Kaffee getrunken; ich habe heute Morgen Kaffee getrunken; ich trank am Abend vor dem Vortrag Kaffee; und ich werde sehr wahrscheinlich während der Pause eine Tasse Kaffee trinken. Wie gehen wir mit diesen Phänomenen um, oder wie setzen wir uns mit ihnen auseinander.  Haben sie rein gar nichts miteinander zu tun? Um es schematisch zu erklären und es geistig diesem Phänomen zuzuschreiben, würde man sagen müssen, ich habe eine Tendenz, Kaffee zu trinken. Ich habe die Gewohnheit Kaffee zu trinken und das Potenzial ist dafür da, dass ich noch eine Tasse Kaffee trinken werde.

Existieren diese Potenziale, Gewohnheiten und Tendenzen? Natürlich. Kann ich es wissen? Natürlich. Auf gültige Weise? Ja. Aber es ist nichts Physisches, das sich in meinem Kopf oder sonst irgendwo befindet. In mir gibt es nicht irgendwo eine Tasse Kaffee, die erscheint und die ich dann trinken werde. Und es ist nicht eine Weise, sich über etwas bewusst zu sein: Ich denke nicht ständig in mir nur „Kaffee, Kaffee, Kaffee.“ Es ist so etwas wie eine Abstraktion. Für jene von Ihnen, die sich mit Mathematik befassen (vielleicht gibt es hier einige von Ihnen) ist es wie die erste mathematische Größe, oder vielleicht auch wie eine Reihe von Punkten und dann gibt es die Linie, welche die Punkte verbindet. Was ist eine Linie? Im Grunde ist es eine Ansammlung von Punkten, die als Linie bezeichnet wird. Gibt es da eine Linie? Ja, die gibt es, aber im Grunde handelt es sich um eine Reihe von Punkten.

Wir haben also diese Potenziale, karmische Potenziale, positive und negative Potenziale. Sie umfassen die Handlung und das Vermächtnis – das, was danach übrig bleibt. Und es gibt auch Tendenzen. Tendenzen gibt es erst nach der Handlung; sie beziehen nicht die Handlung mit ein. Tendenzen sind unspezifisch: sie sind weder destruktiv, noch konstruktiv. Was übrig bleibt und was ein erneutes Auftreten von etwas bewirken wird, sind diese positiven oder negativen Potenziale, die destruktiv oder konstruktiv sind und Tendenzen, die neutral (also unspezifisch) sind. Wenn sie heranreifen – es muss bestimmte Umstände dafür geben, damit etwas heranreifen oder zu einem Ergebnis führen kann. „Heranreifen“ heißt, ein Resultat hervorzubringen. Es geht hier nicht darum, dass etwas wie eine Frucht an einem Baum heranreift, immer reifer wird und dann schließlich abfällt, wenn es ausgereift ist. Es geht nicht um das Reifen in diesem Sinne, sondern mehr um das tatsächliche Abfallen vom Baum. Wenn die Umstände zusammenkommen, werden das Potenzial und die Tendenz heranreifen und zu einem Resultat führen.

Für mich sind die Umstände hier reichlich vorhanden, die nächste Tasse Kaffee zu trinken: Die Tatsache, dass der Plan so gewählt wurde, dass wir eine Pause haben werden; die Tatsache, das es eine Kaffeemaschine in der Halle gibt; es gibt Kaffee; die Wasserleitung funktioniert, also gibt es Wasser; und Strom gibt es auch. Viele Umstände sind zusammengekommen, so dass ich die nächste Tasse Kaffee trinken kann. Wenn alle Umstände zusammengekommen sind, reift als Erstes das Gefühl heran, gern noch eine Tasse Kaffee zu haben. Es ist ein Wunsch. Nur weil ich eine Gewohnheit und eine Tendenz habe, möchte ich gern noch eine Tasse Kaffee. Aber tatsächlich könnte ich mir eine Tasse Kaffee wünschen, noch bevor die Umstände vollständig zusammengekommen sind. Aber es geht darum, was unmittelbar zu diesem Drang, dem Impuls, führen wird, der mich dort hinüber, zu der Kaffeemaschine, treibt.

Wie Sie sehen können, gibt es verschiedene Schritte, die stattfinden und man kann den Ablauf an mehreren dieser Punkte stoppen. Ich hätte gern noch eine Tasse Kaffee. Ich hätte gern eine Million Euro. Es gibt viele Dinge, die ich gern hätte; aber das bedeutet nicht, ich werde sie auch bekommen, oder daran arbeiten, um sie zu bekommen, nicht wahr? Ich bin auf Diät, aber ich hätte gern ein großes Stück Schokolade. Wir können natürlich auch darauf verzichten. Vielleicht denken wir: „Ich könnte jetzt ein Stück Schokolade essen“ und würden es wirklich gern tun, aber das heißt nicht, dass wir losgehen, uns eine große Tafel Schokolade besorgen und sie in uns hineinstopfen.

Als Nächstes würde eine Absicht folgen. Ich habe also die Absicht aufzustehen und mir die Tasse Kaffee zu holen. Dann kommt Karma mit ins Spiel, der eigentliche Impuls, der mich bewegt aufzustehen, dorthin zu gehen und mir den Kaffee zu nehmen. Wenn der Impuls erst einmal da ist, wird es schwer, ihn zu stoppen; aber sogar mit der Absicht habe ich immer noch die Möglichkeit, nicht dementsprechend zu handeln. Können Sie dem folgen? In Bezug auf unser Verhalten ist das von großer Wichtigkeit. Jemand sagt etwas Hässliches zu mir und ich meine, auch etwas Hässliches erwidern zu müssen. Ich habe die Absicht dem anderen etwas zu sagen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, aber vielleicht tue ich es dann gar nicht. Aber sogar der Gedanke, der Plan, was ich ihm sagen werde, ist eine schädliche geistige Handlung. Wenn ich den anderen dann tatsächlich treffe, ist der Impuls, mit dem ich die Worte wähle, die ich sagen möchte und dann auch wirklich sage, Karma. Verstehen Sie?

Der Nutzen und die Notwendigkeit, Ursache und Wirkung zu untersuchen

Nun bleibt uns nur eine halbe Stunde für das eigentliche Thema, Ursache und Wirkung. Aber ohne diesen Rahmen ist es schwer, all das richtig verstehen zu können.

In dem Text ging es um die Abhidharma-Schriften (tib. chos mngon-pa) von Asanga und Vasubandhu über besondere Wissensthemen. Es gibt also zwei Versionen und dies ist die einfachere von Vasubandhu mit den sechs grundlegenden Arten von Ursachen. In der Version von Asanga wird die Erste in zwanzig Arten unterteilt.

Bevor ich mit der Analyse beginne, stellt sich die Frage: Was ist das Wichtigste, das man durch so eine komplexe Analyse lernt? Es handelt sich um eine sehr buddhistische Methode. Bevor man etwas lernt, muss man die Motivation dazu haben, es zu lernen und daher ist es wichtig zu wissen, was der Nutzen davon ist. Wenn wir verstehen, worin der Nutzen liegt, werden wir ein größeres Interesse dafür haben, es zu lernen. Das ist eine didaktische Methode des Buddhismus – sie ist sehr intelligent und ganz offensichtlich könnten wir sie auch anwenden, um andere Dinge zu lernen – wenn wir versuchen, jemandem etwas beizubringen, oder einfach um selbst etwas zu lernen.

Der entscheidende Punkt ist, dass Dinge in unserer Erfahrung aus einer Vielzahl von Gründen geschehen und dabei geht es darum, was wir erfahren. Es ist nicht so, dass es nur eine Ursache gibt. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich dieses Beispiel hier angeführt, oder nur persönlich mit jemandem darüber gesprochen habe: Einer meiner Schüler kam zu mir und erzählte mir von einem großen Streit zwischen seinen Eltern. Er sagte etwas zu seiner Mutter, um ihr in der Situation zu helfen, woraufhin seine Mutter Bluthochdruck bekam und ziemlich krank wurde. Dieser Schüler dachte daraufhin, es wäre seine Schuld, er wäre die Ursache dieses Problems mit seiner Mutter und fühlte sich schuldig. Aber ich erklärte ihm, dass es unzählig viele Ursachen gab, warum seine Mutter plötzlich hohen Blutdruck bekam. Zunächst die Situation zwischen Mutter und Vater, dann der Gesundheitszustand der Mutter, ihr emotionaler Zustand usw., so viele Ursachen und Bedingungen. Er hat zu dieser Situation mit dem Bluthochdruck vielleicht nur etwas beigetragen, aber tatsächlich sind so viele andere Faktoren damit verbunden. Es ist völlig absurd und irrational zu denken, er wäre der einzige Grund und deswegen an allem schuld. Er hat etwas beigetragen, war aber nicht der einzige Grund. Tatsächlich ist es äußerst nützlich zu verstehen, warum uns oder anderen Dinge passieren und was all die ursächlichen Faktoren sind. Es ist wichtig, um unsere Erfahrung zu dekonstruieren und nicht die Verantwortung und Schuld an falscher Stelle suchen, andere fälschlich anklagen und somit ein hohes Maß an Leid und Problemen zu verursachen. Verstehen Sie? Das ist also der Nutzen.

Arten von Ursachen

Kommen wir zu den Arten von Ursachen. Da haben wir zunächst die „wirkenden Ursachen“ (tib. byed-rgyu). Die wirkenden Ursachen beziehen sich auf alle Phänomene, außer dem Resultat selbst, die das Hervorbringen des Resultats nicht verhindern. Ich weiß nicht, ob meine Definitionen denen in ihrem Informationsmaterial entsprechen, denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten, diese Dinge zu definieren. Hier jedoch geht es um alles, außer dem Resultat. Worauf deutet das hin? Es deutet darauf hin, dass wirklich alles miteinander verbunden ist. Was sind die wirkenden Ursachen, die es mir erlauben, diese Tasse Kaffee während der Pause zu trinken? Es bezieht sich auf alles, was jemals passiert ist und was es seit dem Urknall in unserem Universum gegeben hat, nicht wahr? Wenn sich unser Sonnensystem nicht geformt hätte, könnte ich keine Tasse Kaffee haben. Wenn sich auf diesem Planeten kein Leben entwickelt hätte, gäbe es diese Tasse Kaffee für mich nicht. Denken wir einmal darüber nach: Wenn all diese Dinge in der Geschichte nicht passiert wären, dass Menschen aus Europa nach Arabien oder Südamerika gegangen sind und dort auf Menschen trafen, die Kaffee tranken. Oder betrachten wir einmal die Menschen, die einst das Kaffeetrinken entdeckten: diese Bohne, die irgendwie im Feuer geröstet wurde und woraus man ein Getränk herstellen konnte. All das sind Ursachen, wirkende Ursachen, die es ermöglichen, eine Tasse Kaffee zu haben, nicht wahr? Und denken wir an die Menschen, die die Schiffe, LKWs und Straßen gebaut haben, um den Kaffee hierher, in die Geschäfte, zu bringen, und die Menschen, die das Geschäft betreiben, einfach alles.

Man kann also sehen, dass diese Kategorie in zwanzig verschiedene Arten von wirkenden Ursachen unterteilt werden kann, aber im Grunde bekommt man dadurch einen Eindruck davon, wie alles voneinander abhängig ist und das ist eine sehr grundlegende buddhistische Sichtweise. Alles ist miteinander verbunden und das findet insbesondere in der Entwicklung der Wertschätzung anderer Anwendung. Wenn wir darüber nachdenken, wie viele Menschen und Tiere daran beteiligt waren und etwas für mich getan haben, damit ich diesen Kaffee trinken kann: die Menschen haben den Kaffee gepflanzt, geerntet, ihn transportiert, verpackt und verkauft, sie haben die Straßen gebaut, damit er transportiert werden kann usw. Alles, was wir haben und nutzen, ist das Resultat einer unfassbaren Menge an Arbeit von unglaublich vielen Wesen. Auf dieser Grundlage können wir die Arbeit, die sie getan haben, wertschätzen. Ob sie es nun gezielt getan haben, um anderen zu nutzen oder nicht, ist irrelevant.  Aus diesem Grund ist es angemessen, dass ich mich um sie kümmere und ihnen helfe.

Sehen wir uns das an einem Beispiel an, in dem diese sechs Arten von Ursachen veranschaulicht werden und das wird hoffentlich etwas mehr Klarheit bringen. Ich habe jemanden angeschrien, habe furchtbare Dinge gesagt und habe eine Tendenz, dies zu tun. Was ich daraufhin erfahren werde ist, es wieder tun zu wollen und nicht nur das, sondern ich werde auch erleben, dass andere mich im Gegenzug ebenfalls anschreien werden. Hier gibt es zahlreiche wirkende Ursachen. Da ist meine Tendenz zu schreien; da ist die Tatsache, dass wir uns getroffen haben – und wie wir uns getroffen haben, wer die Straße gebaut hat usw. Da gibt es so viele kleine Dinge, die hier als wirkende Ursachen dafür stehen, dass ich die Erfahrung sammle, von der Person angeschrien zu werden, selbst zurück zu schreien und einen Streit anzufangen.

Dann gibt es gleichzeitig auftretende Ursachen (tib. lhan-cig ’byung-ba’i rgyu). Das sind Ursachen, die zusammen mit ihren Resultaten auftreten. Ich schreie also diese Person an. Ich habe einen Körper, der Körper macht verschiedene Gesten und produziert Klänge; die gleichzeitig entstehenden Ursachen wären die Elemente meines Körpers. Wenn ich keine Kehle, keinen Mund, keine Stimmbänder und keine Herz hätte, das schlägt, könnte ich diese Person nicht anschreien. Dieser Körper und all seine Teile treten zusammen mit meinem Schreien in Erscheinung. Sie sind eine Ursache meines Schreiens, nicht wahr? Sie sind eine gleichzeitig entstehende Ursache. Und das ich den anderen sehe und höre, was er sagt, passiert zur gleichen Zeit. Würde ich den anderen nicht sehen oder hören, was er gesagt hat, wäre es schwierig, ihn anzuschreien; aber es geschieht zur gleichen Zeit. Beginnt man das zu analysieren, kann man sehen, dass dies Dinge sind, die man im Grunde nie als ursächliche Faktoren betrachtet hat, aber ohne sie könnte diese Erfahrung, jemanden anzuschreien und angeschrien zu werden, nicht stattfinden.

Dann gibt es „Ursachen vom gleichen Status“ (tib. skal-mnyam-gyi rgyu). Hier handelt es sich um Ursachen, deren Resultate spätere Momente in derselben Kategorie von Phänomenen sind, wie die Ursachen selbst. Ich sage etwas Hässliches und die ersten Worte, die ich sage, sind die Ursache vom gleichen Status der nächsten Worte in dem Satz, den ich sage. Da gibt es einen Zusammenhang, eine Verbindung und beides befindet sich im gleichen Status, der hier destruktiv und hässlich ist. Wenn ich jemanden anschreie, bringe ich eine Reihe von Worten hervor und das erste hässliche Wort in dem Satz, ist die Ursache, für das nächste Wort, das wiederum zum nächsten Wort in diesem Satz führt. Die Definition ist: eine Ursache, deren Resultate spätere Momente in derselben Kategorie von Phänomenen sind wie die Ursache selbst. Sie formen einen Satz und es findet immer nur ein Moment statt.

Wir können auch die Abfolge schädlichen Verhaltens betrachten. In der Vergangenheit habe ich jemanden angeschrien; das führte zu dem negativen Potenzial, das selbst auch schädlich ist; und das führt dann dazu, dass ich den anderen anschreien will und sowohl die Absicht, als auch die Tat selbst, sind destruktiv. Das ist eine weitere Abfolge von Ursachen des gleichen Status. Ursachen vom gleichen Status sind die Abfolge, die dazu führt, dass ich den anderen anschreie.

Dann gibt es „übereinstimmende Ursachen“ (tib. mtshungs-ldan-gyi rgyu). „Übereinstimmend“ bedeutet, dass sie bestimmte Dinge mit dem Resultat gemeinsam haben. Es ist eine Ursache, die Dinge mit dem Resultat teilt. Hier geht es beispielsweise darum, dass ich den anderen sehe, während ich ihn anschreie – das ist eine gleichzeitig auftretende Ursache. Ist die Rede von verschiedenen Dingen als Ursache, könnte etwas auch mehrere verschiedene Arten von Ursachen haben. Hier sehe ich den anderen, während ich mit ihm rede; aber den anderen zu sehen, heißt auch, ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn ich dem anderen keine Aufmerksamkeit schenken würde... Das passiert also gleichzeitig.

Dieses Schenken der Aufmerksamkeit hat fünf Dinge mit dem Sehen des anderen gemeinsam, während ich ihn anschreie. Den anderen zu sehen und ihm Aufmerksamkeit zu schenken, heißt, sie haben (1) dasselbe Objekt der Ausrichtung: beide sind auf den Körper des anderen gerichtet. Oder wenn es darum geht zu hören und Aufmerksamkeit zu schenken, dann sind beide Dinge auf den Klang der Stimme des anderen gerichtet. Sie teilen (2) denselben geistigen Aspekt; anders ausgedrückt bezieht sich „geistiger Aspekt“ (tib. rnam-pa) auf ein geistiges Hologramm. Vielleicht erinnern Sie sich, wir haben über all die elektrischen Impulse gesprochen, wenn wir etwas sehen und das ist in gewissem Sinn das nächste in dieser Abfolge – es ist ein geistiges Hologramm. Sie teilen also das gleiche geistige Hologramm. Sie stützen sich beide auf (3) denselben Sensor der Wahrnehmung, die lichtempfindlichen Zellen der Augen zum Sehen. Sie beide treten (4) zur gleichen Zeit auf. Den anderen zu sehen und ihm Aufmerksamkeit zu schenken geschieht gleichzeitig. Wir können die Aufmerksamkeit, die wir schenken, erhöhen, aber beide Dinge geschehen gleichzeitig: das Schenken der Aufmerksamkeit (zumindest zu einem gewissen Grad) und das Sehen. Außerdem sie sind beide (5) in dem Sinne gleich, dass sie aus ihrer eigenen Ursprungsquelle (tib. rdzas), ihrer eigenen Tendenz, hervorgehen.

Als nächstes haben wir die „allgegenwärtige Ursache“ (tib. kun-’gro’i rgyu). Das ist „Kundro“ und bedeutet Ursachen, die überall auf den drei Existenzebenen vorhanden sind. Das sind die störenden Emotionen und Geisteshaltungen, die andere, darauf folgende, störende Emotionen und Geisteshaltungen hervorrufen. Während ich den anderen anschreie, gibt es da eine störende Emotion der Wut, zumindest in den meisten Fällen. Es ist eine störende Emotion und eine Ursache dafür sind meine vorangegangenen Momente der Wut und dann das Potenzial und die Tendenz, wütend zu werden. Die Wut ist auch eine übereinstimmende Ursache. Was die Wut begleitet und worauf sie ausgerichtet ist, ist das gleiche Objekt, das gleiche geistige Hologramm und es geschieht zur gleichen Zeit.

Dann haben wir die „reifende Ursache“ (tib. rnam-smin-gyi rgyu). Das ist eine schwierige Definition. Es bezieht sich auf ein destruktives oder beflecktes, konstruktives Phänomen, das zusammen mit dem Verlangen die Kraft hat, das unspezifische Phänomen unserer Erfahrung hervorzubringen, das unsere Erfahrung ausmacht. Etwas, das wir in diesem Moment, in dem wir jemanden anschreien, neben dem Sehen, dem Schenken von Aufmerksamkeit und den Elementen unseres Körpers erfahren, ist auch das Gefühl unglücklich zu sein. Die reifende Ursache für dieses Unglücklichsein ist schädliches Verhalten. Dieses Gefühl nur für sich selbst betrachtet ist neutral. Destruktives Verhalten führt dazu, dass wir uns unglücklich fühlen. Sind wir unglücklich, ist es eindeutig, dass es sich dabei um das Resultat destruktiven Verhaltens handelt – und das zu besprechen, warum das so ist, würde mindestens fünf oder sechs Stunden dauern, aber dafür haben wir keine Zeit. Es ist eine der grundlegenden Prinzipien von Karma.

Es ist wichtig, diese Erfahrung, die wir haben wenn wir jemanden anschreien, zu dekonstruieren, sowie die Umstände, aus denen sich die Fähigkeit dazu ergibt – also alles, angefangen mit dem Urknall. Und auch all die Dinge, die sich auf die andere Person beziehen, durch die sie zu mir gekommen ist und woraufhin wir einen Streit angefangen haben – was im Grunde nicht in meiner Verantwortung liegt. Ich könnte Umstände dafür liefern, die dazu führen, dass sie wütend wird, aber ich bin nicht die Ursache ihrer Wut. Das geht weit zurück, im Sinne ihres Kontinuums, wie ihre Eltern sie behandelt haben usw. Auch meine Gesundheit ist ein Teil dessen, indem bestimmte Ursachen und Dinge geschehen, die einen Einfluss darauf haben und die es ermöglichen, mit dieser Person zusammen zu sein und zu schreien. Die Tendenz zu schreien ergibt sich aus einer bestimmten Ursache. Die Wut, die ich habe, ergibt sich aus einer anderen Art von Ursache und das Unglücklichsein, das ich erfahre, rührt wiederum aus einer anderen Art von Ursache her. Wir beginnen es also zu dekonstruieren und da gibt es so viele Dinge, die in diesem kausalen Prozess stattfinden. Es ist wirklich außerordentlich hilfreich das zu tun, anstatt so eine solide und furchtbare Sache daraus zu machen. Es geht auch um Dinge, die unmittelbar vorher passiert sind – vielleicht ist mein Essen angebrannt und Ähnliches, wodurch ich solch schlechte Laune bekommen habe – und das beeinflusst diese Handlung, die andere Person anzuschreien. Es gibt so viele Ursachen.

Arten von Bedingungen

Es gibt auch viele Arten von Bedingungen, die ein Resultat beeinflussen. Da gibt es die „ursächlichen Bedingungen“ (tib. rgyu’i rkyen). Das bezieht sich auf die fünf Arten von Ursachen außer den wirkenden Ursachen. Es gibt sechs Arten von Ursachen; die so genannten ursächlichen Bedingungen sind fünf davon.

Dann haben wir die „unmittelbar vorausgehenden Bedingungen“ (tib. de-ma-thag rkyen). Dabei handelt es sich um den unmittelbar vorausgehenden Gewahrseinsmoment, der die Bedingung für den nächsten Gewahrseinsmoment ist.

Es gibt die „fokale Bedingung“ (tib. dmigs-rkyen). Die fokale Bedingung ist das, worauf wir uns fokussieren, was sich selbst darstellt, um dorthin zu führen – um ein geistiges Hologramm zu erschaffen. Das wäre beispielsweise der Körper der Person, wenn wir sie sehen, oder der Klang ihrer Stimme, wenn wir sie hören. Das ist die Bedingung dafür, sie anzuschreien.

Und dann haben wir die „dominante Bedingung“ (tib. bdag-rken). Wenn wir die Person sehen oder sie anschreien, würde sich die dominante Bedingung auf die Augensensoren beziehen. Da wir uns auf diese lichtempfindlichen Zellen der Augen stützen, dominieren sie unsere Erfahrung. Hier haben wir die Erfahrung, die Person zu sehen oder zu hören und das wären dann die geräuschempfindlichen Zellen der Ohren. Die Tatsache, das unser Geist in dem Moment funktioniert hat, bevor wir geschrien haben, ist eine Bedingung für den Moment des Schreiens. Und wir sehen sie, während wir sie anschreien. Was das Sehen dominiert, sind die Augensensoren.

Als nächstes kommen die „herbeiführenden Ursachen“ (tib. nyer-len-gyi rgyu). Hier gibt es noch eine Reihe von Dingen. Eine herbeiführende Ursache ist das, woraus wir das Resultat erlangen und was aufhört zu existieren, wenn das Resultat erscheint. Also ein Same, aus dem ein Spross entsteht. Aus dem Samen entsteht der Spross und wenn der Spross da ist, gibt es den Samen nicht mehr. Manchmal wird es als „materielle Ursache“ übersetzt, aber das ist vollkommen falsch. Es geht nicht um die Substanz, woraus etwas besteht – das wäre die gleichzeitig auftretende Ursache. Aber darum geht es hier nicht, sondern um die Tendenz zu schreien oder angeschrien zu werden. Daraus entsteht dann die nächste Situation, in der wir jemanden anschreien usw. Ein bestimmter Teil dieser Tendenz ist damit erledigt. Man mag noch mehr Tendenzen haben, aber ein bestimmter Teil ist damit abgeschlossen, wenn wir schreien. Er hört auf zu existieren. Man könnte auch sagen, der ungebackene Brotlaib ist die herbeiführende Ursache für den gebackenen Laib Brot. Hier gibt es oft Missverständnisse, denn viele Menschen denken, es ginge um die Substanz. Die Rede ist jedoch nicht von der Substanz. In dem Moment, in dem der gebackene Brotlaib existiert, gibt es den ungebackenen Teig nicht mehr.

Dann haben wir die „simultan wirkenden beitragenden Bedingungen“ (lhan-cig byed-pa’i rkyen). Das sind Dinge, die vor dem Entstehen von etwas existieren müssen und die dazu beitragen, dass etwas entstehen kann, die sich jedoch nicht in das verwandeln, was entsteht. Das klassische Beispiel ist das Wasser, die Erde und die Wärme für den Spross. Diese Dinge müssen vor dem Spross vorhanden sein, verwandeln sich jedoch nicht in den Spross, sondern helfen ihm, in Erscheinung zu treten. Da gäbe es zahlreiche Beispiele, die wir in Bezug auf unsere Situation anführen könnten, in der wir jemanden anschreien. Die Person erscheint vor uns, bevor wir sie anschreien, aber dieser Umstand verwandelt sich nicht zur eigentlichen Handlung des Schreiens. Es muss jedoch passiert sein und es trägt dazu bei.

Dann gibt es die „Gleiche-Familie-Ursachen“ (tib. rigs-’dra’i rgyu). Hierbei handelt es sich um Dinge, die als Modell für das Resultat dienen. Wir wollen hässliche Worte von uns geben und es gibt eine ganze Reihe hässlicher Worte und Dinge, die wir sagen könnten und bereits einmal gehört haben und so werden wir etwas davon auswählen. Das ist eine Gleiche-Familie-Ursache und ein Modell für das, was wir sagen werden.

Und schließlich haben wir eine „Geburtsquelle“ (tib. rdzas). Eine Geburtsquelle ist das, was etwas entstehen oder in Erscheinung treten lässt, oder aus dem etwas hervorgeht, wie beispielsweise der Ofen für den Brotlaib oder der Mutterleib für das Baby. In diesem Beispiel könnte es sich auf die Stimmbänder beziehen, durch die der Klang meiner Stimme hervorgerufen wird, mit der ich die Person anschreie. Wenn man einmal darüber nachdenkt, gibt es wirklich viele Dinge, die dieses Schreien prägen. Hätte ich eine raue Stimme, wäre heiser, oder hätte ein Problem mit den Stimmbändern, könnte ich den anderen nicht anschreien. Das ist nur ein einfaches Beispiel.

Resultate

Es gibt „gereifte Resultate“ (tib. rnam-smin-gyi ’bras-bu). Hierbei handelt es sich um unspezifische Phänomene (es sind neutrale Phänomene), die unsere Befreiung oder Erleuchtung nicht behindern, die mit unserem geistigen Kontinuum (wie unserem Körper, unserem Bewusstsein, Gefühlen usw.) in Verbindung stehen und die aus einer reifenden Ursache entstehen, die auch mit unserem geistigen Kontinuum verbunden ist. Das bezieht sich also auf destruktive und konstruktive Dinge in unserem geistigen Kontinuum, die als Ursache gelten. Und das, was heranreift, das gereifte Resultat, wäre beispielsweise meine Krankheit, mein Unglücklichsein oder einfach nur mein Körper, als ich geboren wurde. Das sind neutrale Phänomene, die daraus hervorgehen. Es gibt bestimmte Dinge, wir handeln auf destruktive Weise (auch konstruktiv, aber in diesem Beispiel geht es um die destruktive Handlung). Wir handeln auf destruktive Weise und gewisse neutrale Dinge reifen entweder in diesem oder in einem zukünftigen Leben daraus heran. Das klassische Beispiel wäre unser Körper, all die Aspekte unseres Körpers, sich über Dinge gewahr zu sein, unsere Gefühle, glücklich und unglücklich zu sein.

Als nächstes haben wir „Resultate, die ihrer Ursache entsprechen“ (tib. rgyu-mthun-gyi ’bras-bu). Es gibt zwei verschiedene Arten: in unserem Verhalten (tib. byed-pa rgyu-mthun-gyi ’bras-bu) oder in unserer Erfahrung (tib. myong-ba rgyu-mthun-gyi ’bras-bu). In unserem Verhalten würde sich darauf beziehen, andere anzuschreien und durch das Schaffen eines Potenzials oder einer Tendenz, würde das dann in etwas, das der Ursache ähnlich ist, heranreifen. Wir haben das Gefühl, wieder schreien zu müssen und dann tun wir es auch wieder. Resultate, die ihrer Ursache in unserer Erfahrung entsprechen, wären die Erfahrungen, dass andere uns anschreien und das geschieht durch Karma. Es ist nicht so, dass sie uns als Resultat unseres Karmas anschreien. Vielmehr ergibt es sich aus all den verschiedenen Ursachen in ihnen. Was in uns heranreift ist, dass wir erfahren, wie sie uns anschreien – es ist unsere Erfahrung, die heranreift. Und die Tatsache, dass wir uns in ihre Gegenwart begeben haben und Ähnliches, all das ergibt sich aus all den verschiedenen Ursachen.

Dann gibt es „dominante Resultate“ (tib. bdag-’bras), die wir manchmal auch als „vorherrschende Resultate“ übersetzen können. Es ist die Art des Umfelds oder die Art der Gesellschaft, in die wir geboren werden oder eintreten und die Art und Weise, wie behandelt werden. Es könnte sich auch auf Objekte, wie unsere Besitztümer, beziehen und darauf, was mit ihnen geschieht. Sie haben verschiedene Arten von Ursachen. Und es geht um Umstände, in denen wir uns in diesem Leben befinden. Wir werden beispielsweise in einer Gesellschaft geboren, in der die Menschen sich gegenseitig anschreien und in der es ständig Streit und Disharmonie gibt. Oder wir neigen dazu, an solche Orte zu gehen oder dorthin zu ziehen. Oder die Dinge, die wir haben, gehen ständig kaputt und das nervt uns und daher schreien wir. Das ist ein dominantes Resultat und es beeinflusst nicht nur uns, sondern auch andere Menschen.

Dann gibt es „von Menschenhand geschaffene Resultate“ (tib. skyes-bu byed-pa’i ’bras-bu). Von Menschenhand geschaffene Resultate sind das, was wir normalerweise mit körperlicher Ursache und Wirkung verbinden. Ich habe meinen Fuß an einem Stuhl gestoßen und das Resultat davon ist, dass ich Schmerz empfinde. Es gibt eine karmische Ursache, warum ich unglücklich bin und warum ich diese Erfahrung sammeln muss und mir den Fuß stoße, aber die eigentliche Verbindung, im Sinne von Ursache und Wirkung, zwischen dem Stoßen des Fußes und den Schmerzen, ist ein von Menschenhand geschaffenes Resultat.

Und schließlich haben wir noch „Resultate, die Zustände der Trennung sind“ (tib. bral-’bras), die also von etwas getrennt sind. Es ist ein statisches Phänomen, also nicht wirklich ein Resultat, aber es wird als ein solches eingeordnet. Es geht um diesen Zustand, in dem wir unsere Verwirrung oder störenden Emotionen losgeworden sind – uns also von ihnen getrennt haben – so dass sie nie wieder auftreten werden. Dieser Zustand selbst ist das Resultat und es ist statisch. Das Erreichen dessen, was durch die Ursachen geschieht, ist nichtstatisch, jedoch nicht der Zustand selbst.

Zusammenfassung

Um es noch einmal zusammenzufassen, haben wir gesehen, dass all die verschiedenen Komponenten in jedem spezifischen Ereignis, das wir erleben – wie beispielsweise sich mit jemandem zu streiten – verschiedene Ursachen haben, die zu verschiedenen Zeiten auftreten. Und in Bezug auf den „echten“ Dharma, fanden die meisten davon in verschiedenen Leben statt.  Es gibt also Ursachen, aufgrund derer die ich diese Tendenz habe, zu schreien. Es gibt andere Potenziale, auf Menschen zu treffen, die mich anschreien, mit denen ich in Streit gerate und es gibt Ursachen auf der Seite der anderen, aufgrund derer sie zu uns kommen und uns treffen. Es gibt weitere Ursachen für unsere Wut, für unser Unglücklichsein, die all das begleiten. Es gibt die Ursache, Stimmbänder zu haben, die es uns ermöglichen, zu schreien. Es gibt weitere Arten hässlicher Worte, die man sagen könnte und die gesellschaftlich als akzeptabel gelten. Man schreit beispielsweise niemanden an und beschimpft ihn als ein „Kaninchen.“ Es gibt so viele verschiedene Ursachen und sie alle stammen aus den verschiedensten Bereichen. Das hilft uns zu erkennen, woran wir arbeiten und was wir korrigieren müssen und dass es nicht notwendig ist, so ein großes Ding aus der Situation oder der Sache zu machen. Auf diese Weise sind wir dann viel gelöster im Umgang mit den schwierigen Erfahrungen, die wir sammeln. Wir sind ganz einfach entspannter.

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