Konzeptuelle Wahrnehmung
Zudem ist eine konzeptuelle Wahrnehmung ein konzeptuell implizierendes Gewahrsein, das eine Hörkategorie oder eine Bedeutungs/Objekt-Kategorie als etwas wahrnimmt, das (mit dem anderen) verbunden werden kann.
Eine Hörkategorie (tib. sgra-spyi) ist die Kategorie des Klanges eines bestimmten Wortes, wie „Mango“ und als eine metaphysische Entität ist sie ein beständiges Phänomen. Alle Instanzen der Äußerung des Wortes „Mango“, mit allen Stimmen, allen Lautstärken, allen Aussprachen und anderen Akzenten sind Mitglieder der Hörkategorie „Mango“. Durch solche Kategorien verstehen wir die Rede. Egal wer ein bestimmtes Wort sagt und egal wie er oder sie es sagt, kann man den Klang als das gleiche Wort verstehen, wenn man es konzeptuell durch die Hörkategorie des Wortes wahrnimmt.
Objekt-Kategorien (tib. don-spyi) beziehen sich auf dasselbe wie Bedeutungs-Kategorien und sie sind ebenfalls metaphysische Entitäten. Alle Mangos, welche die Objekte sind, auf die sich die Hörkategorie „Mango“ bezieht oder was sie bedeutet, sind Mitglieder der Objekt-Kategorie „Mango“. Durch solche Kategorien kann man verstehen, dass mehrere Dinge, die man in einem Geschäft sieht, Mangos sind.
Hörkategorien und Bedeutungs/Objekt-Kategorien „können miteinander verbunden werden“, weil sie eigenständig wahrgenommen werden können. Man hört vielleicht viele Leute, die in Indien waren, über Mangos reden, hat aber keine Vorstellung davon, was das Wort bedeutet, oder man hat vielleicht mehrere von ihnen im Geschäft gesehen, hat aber keine Ahnung, wie sie heißen.
In der konzeptuellen Wahrnehmung ist beispielsweise der Gedanke an eine Mango, entweder an die Hörkategorie, die Objekt-Kategorie „Mango“ oder an beides, das erscheinende Objekt. Da sie metaphysische Entitäten, beständige Phänomene, sind, haben Kategorien keine Form. Um an eine Mango zu denken, benötigt man etwas mit einer Form, die sie repräsentiert – entweder ein geistiges Bild einer Mango oder den geistigen Klang des Wortes „Mango“. Solch eine geistige Repräsentation, das geistige Hologramm einer sichtbaren Form oder eines Klanges, muss festgelegt werden.
Möchte man etwas genau festlegen, damit es mit nichts anderem verwechselt wird, würde man sagen, dass es das ist, was nach dem konzeptuellen Ausschluss von allem anderen, was es nicht ist, übrig bleibt. Eine Mango ist keine Orange, kein Pfirsich, keine Aprikose, keine Melone und so weiter. Das sind alles Nicht-Mangos. Nach dem Ausschluss von allem, was keine Mango ist, bleibt das Gegenteil einer Nicht-Mango übrig oder wird isoliert. Es ist nichts anderes als eine Mango, was gleichbedeutend mit einer Mango ist. Der Ausschluss ist allerdings kein aktiver Vorgang, in dem man alle Nicht-Mangos, eine nach der anderen, ausschließt; er ist konzeptuell. Will man in ähnlicher Weise eine bestimmte Mango festlegen, so ist sie das, was nach dem konzeptuellen Ausschluss aller anderen Mangos übrig bleibt. Jedes beständige und unbeständige Phänomen kann individuell als ein konzeptuelles Isolat (tib. ldog-pa), ein „Nichts-anderes-als“ festgelegt werden.
In der konzeptuellen Wahrnehmung, wie zum Beispiel der konzeptuellen Wahrnehmung, sich eine Mango vorzustellen, ist das erscheinende Objekt, welches entsteht, die statische Objekt-Kategorie „Mango“, die gleichbedeutend mit dem statischen konzeptuellen Isolat „nichts anderes als eine Mango“ ist. Indem man alles andere als eine Mango ausschließt, wird durch das konzeptuelle Isolat eine geistige Repräsentation (tib. snang-ba) einer allgemeinen Mango, die alle Mangos repräsentiert, übriggelassen. Diese Repräsentation ist ebenfalls ein statisches Phänomen. Sie ist kein Produkt von Ursachen und Bedingungen; sie ist nicht auf einem Baum gewachsen. Statische Phänomene haben keine Form. Daher entsteht in der konzeptuellen Wahrnehmung ein nicht-statisches geistiges Hologramm, das zeigt, wie eine Mango aussieht. Dieses geistige Hologramm wird als das konzeptuell implizierte Objekt (tib. zhen-yul) der Wahrnehmung – kurzum als „impliziertes Objekt“ – bezeichnet. Es ist das beteiligte Objekt der Wahrnehmung. Die konzeptuelle Wahrnehmung ist trügerisch, weil sie die Kategorie „Mango“ mit diesem geistigen Hologramm einer allgemeinen Mango vermischt oder verschmelzt und verwechselt, als würden alle Mangos so aussehen.
Buddhas haben keine konzeptuelle Wahrnehmung. Sie wissen, was Dinge konventionell sind und was die Klänge von Worten bedeuten, ohne sie durch Kategorien wahrnehmen zu müssen. Buddhas erkennen alles nicht-konzeptuell mit bloßer Wahrnehmung.
Wird sie unterteilt, gibt es zwei (Arten): (1) konzeptuelle Wahrnehmung, die der Tatsache entspricht und (2) konzeptuelle Wahrnehmung, die nicht der Tatsache entspricht
Sich gedanklich auf einen Tonkrug der Kategorie „Tonkrug“ zu beziehen, ist nicht verzerrt. Es handelt sich dabei um eine konzeptuelle Wahrnehmung, die der Tatsache entspricht (tib. rtog-pa don-mthun). Das gilt auch für unsere konzeptuelle Wahrnehmung der Selbstlosigkeit der Person, die durch schlussfolgernde Wahrnehmung entsteht. Sich ein Hasenhorn, einen beständigen Klang oder ein beständiges, teileloses, unabhängig existierendes Selbst einer Person vorzustellen, ist andererseits jedoch verzerrt. Dabei handelt es sich um eine konzeptuelle Wahrnehmung, die nicht der Tatsache entspricht (tib. rtog-pa don mi-mthun).
(Es gibt auch) die zwei (Arten): (1) konzeptuelle Wahrnehmung, die einen Namen nutzt und (2) (konzeptuelle Wahrnehmung, die) eine Tatsache nutzt.
In einer konzeptuellen Wahrnehmung, die einen Namen nutzt (tib. ming-sbyor rtog-pa), wird ein Name oder Wort der Objekt-Kategorie zugewiesen, die das erscheinende Objekt ist, und durch diese Kategorie auch dem geistigen Hologramm eines Objektes, das diese Kategorie repräsentiert und die definierenden Eigenschaften dieser Kategorie hat. Durch solch eine konzeptuelle Wahrnehmung kann der Name oder das Wort auch einem äußeren Objekt zugewiesen werden, das diese gleiche definierende Eigenschaft hat. Sieht man beispielsweise ein bauchiges Objekt mit einer flachen Basis, aus dem Wasser gegossen werden kann, denkt man an den Namen „Krug“.
In einer konzeptuellen Wahrnehmung, die eine Tatsache nutzt (tib. don-sbyor rtog-pa), sind die erscheinenden Objekte die Objekt-Kategorie einer Eigenschaft (tib. khyad-par, Charakteristik) – zum Beispiel die Objekt-Kategorie „zerbrechliche Objekte“ – und etwas, das eine Eigenschaft hat (tib. khyad-par-can) – zum Beispiel „Krüge“. Hier werden diesen Kategorien jedoch keine Worte zugewiesen. Das geistige Hologramm, das in der konzeptuellen Wahrnehmung erscheint, ist die geistige Repräsentation eines allgemeinen Kruges. Durch die zwei Objekt-Kategorien weist man die Eigenschaft, ein zerbrechliches Objekt zu sein, Krügen zu, wie sie durch dieses allgemeine Bild repräsentiert werden. Sieht man einen Krug, mag man mit solch einer konzeptuellen Wahrnehmung denken, dass dieser Krug etwas ist, das zerbrechen kann, doch ohne den Gedanken im Geist zu formulieren. Ein anderes Beispiel ist, sich gedanklich auf jemanden, dem ein Haus gehört, nicht-verbal als einem Hausbesitzer zu beziehen.
Die konzeptuelle Wahrnehmung, durch die der Name „Krug“ etwas zugewiesen wird, das bauchig ist, eine flache Basis hat und aus dem Wasser gegossen werden kann, ist eine, die sowohl einen Namen als auch eine Tatsache nutzt, denn den Namen „Krug“ zu haben, bedeutet auch die Eigenschaft eines bauchigen Objektes mit einer flachen Basis zu haben, aus dem Wasser gegossen werden kann. Sieht man also ein Objekt mit diesen definierenden Eigenschaften und denkt an das Wort „Krug“, nutzt man sowohl ein Wort als auch eine Tatsache dafür.
Eine konzeptuelle Wahrnehmung, die einen Namen wie „Tonkrug“ für etwas nutzt, das lediglich die Eigenschaft eines Tonkruges hat, wie ein Töpfer-Objekt zu sein, jedoch nicht die definierende Eigenschaft, ist kein gültiges Nutzen eines Namens, auch wenn man sich gedanklich auf „Tonkrug“ bezieht. Es handelt sich dabei um eine vermutende Wahrnehmung, denn etwas mit der Eigenschaft eines Töpfer-Objektes kann auch ein Tonteller oder eine Tonfigur sein.
Es gibt auch die drei (Arten): (1) konzeptuelle Wahrnehmungen, die sich auf eine Kennzeichnung stützen, (2) jene, die etwas Unwesentliches einer anderen Sache hinzufügen und (3) konzeptuelle Wahrnehmungen von etwas mit einer verschleierten Tatsache. Es gibt viele Weisen, sie zu unterteilen.
[1] In konzeptuellen Wahrnehmungen, die sich auf eine Kennzeichnung stützen (tib. brda-rten-can-gyi rtog-pa), erkennt man etwas durch eine Kennzeichnung. Eine Kennzeichnung (tib. brda, Bezeichnung) ist eine Reihe von Lauten, auf die man sich konventionell geeinigt hat, dass sie ein Name oder Wort für etwas sind, und die man dann konzeptuell einem Objekt zuweist, welches die definierende Eigenschaft des Wortes hat. So kennen wir beispielsweise dieses vierbeinige Tier mit einem großen Buckel im Nacken durch die Bezeichnung „Buckelrind“ oder unsere fünf Aggregate durch die Bezeichnung „Ich“. Wenn unser Magen leer ist, denken wir: „ich habe Hunger“ und schreiben die Kennzeichnung „ich“ dem Körperbewusstsein der körperlichen Empfindung des Hungers als dessen Grundlage zu. Ein modernes Beispiel ist das Kennzeichnen eines bestimmten Exoplaneten mit dem Namen HD 20868 b.
[2] Das Tibetische Wort für Hinzufügung (tib. sgro-’dogs) bedeutet wörtlich, eine Feder an einen Bambus-Pfeil anbringen. Somit bindet man in einer hinzufügenden konzeptuellen Wahrnehmung, die etwas Unwesentliches einer anderen Sache hinzufügt (tib. don gzhan-la sgro-’dogs-kyi rtog-pa), die Objekt-Kategorie einer zusätzlichen Eigenschaft an ein Objekt, das nicht durch sie gekennzeichnet ist. Wir halten beispielsweise den Klang oder unser konventionelles „Ich“ für etwas Beständiges. Da Beständigkeit nicht auf das zutrifft, dem wir es zuschreiben, sind solche Gedanken ebenfalls konzeptuelle verzerrte Wahrnehmungen.
Das Gegenteil einer Hinzufügung ist eine Zurückweisung (tib. skur-’debs). Mit ihr leugnen wir die Eigenschaften eines Objektes, die sich darauf beziehen. Anstatt also Klang für beständig zu halten, würden wir leugnen, dass er unbeständig ist. Hinzufügung und Zurückweisung halten uns davon ab, einen mittleren Weg dessen wahrzunehmen, wie die Dinge tatsächlich sind.
[3] In einer konzeptuellen Wahrnehmung von etwas mit einer verschleierten Tatsache (tib. lkog-du gyur-ba’i don-can-gyi rtog-pa), vermischt man ein Objekt mit einer seiner verschleierten Eigenschaften, die man nicht explizit durch bloße Wahrnehmung erfasst hat. Gibt es zum Beispiel einen Mann, der sich hinter einem Haus versteckt und den wir nicht sehen, und jemand sagt uns, dass er dort ist, erfahren wir etwas, das nicht offensichtlich ist, wenn wir das Haus betrachten. Erlangen wir in ähnlicher Weise ein konzeptuelles Verständnis durch die schlussfolgernde Wahrnehmung, dass Klang unbeständig ist oder dass unser konventionelles „Ich“ frei davon ist, als eine beständige, teilelose, unabhängig existierende Seele zu existieren, erkennen wir auch etwas, das unserer bloßen Wahrnehmung nicht offensichtlich ist. In solch einer konzeptuellen Wahrnehmung vermischen wir die Objekt-Kategorie einer verschleierten Eigenschaft, wie Unbeständigkeit, mit einem dadurch gekennzeichneten Objekt, wie Klang.
Zusätzlich gibt es drei (Arten der) konzeptuellen Wahrnehmung von (1) dem, was gehört wurde, (2) dem, (worüber) nachgedacht wurde und (3) dem, (worüber) meditiert wurde. Die Bedeutung von jeweils jeder ist das konzeptuell implizierende Gewahrsein, (1) das (sein Objekt) lediglich durch eine Hörkategorie erfasst, (2) das Gewissheit (darüber) durch Nachdenken über dessen Bedeutung erlangt hat und (3) das ein höherer Zustand (der samsarischen Existenz) ist, indem man sich immer mehr mit einer durch das Nachdenken entstandenen Bedeutung vertraut gemacht hat.
Unser Lehrer belehrt uns über die Selbstlosigkeit der Person. Durch das bloße Hören des Klanges des Wortes „Selbstlosigkeit“ können wir uns nun an den Begriff durch die Hörkategorie „Selbstlosigkeit der Person“ an ihn erinnern, jedoch ohne eine Objekt/Bedeutungs-Kategorie der Bedeutung des Wortes. Sind wir uns konzeptuell des Begriffes „Selbstlosigkeit der Person“ nur hinsichtlich einer Hörkategorie bewusst, verfügen wir über die konzeptuelle Wahrnehmung dessen, die durch Hören entsteht (tib. thos-byung rtog-pa). Dies ist auch ein Beispiel einer vermutenden Wahrnehmung von etwas, das aus einem korrekten Grund wahr ist, jedoch ohne zu wissen warum.
Haben wir über die Bedeutung der Worte nachgedacht, die wir durch das Nutzen gültiger logischer Argumente, wie schlussfolgernde Wahrnehmung, gehört haben, werden wir ein überzeugtes konzeptuelles oder intellektuelles Verständnis dessen erlangen, was die „Selbstlosigkeit der Person“ bedeutet. Dann werden wir die konzeptuelle Wahrnehmung dessen haben, die durch das Denken entsteht (tib. bsam-byung rtog-pa). Sie wird durch das Medium einer Objekt/Bedeutungs-Kategorie (tib. don-spyi) beruhend auf Verständnis stattfinden.
Durch wiederholte schlussfolgernde Wahrnehmung wird man gründlich mit der korrekten Bedeutung der Selbstlosigkeit der Person vertraut werden. Hat man auf diese Weise einen still geworden und zur Ruhe gekommen Zustand von Shamatha erlangt, verfügt man über einen Geist auf der Ebene der ätherischen Formen (Bereich der Form) – eine der höheren Ebenen der samsarischen Existenz (tib. gong-sa) – und über eine konzeptuelle Wahrnehmung, die aus Meditation entsteht (tib. sgom-byung rtog-pa).
Sobald man einen Zustand von Shamatha erlangt hat, der auf diese Weise auf die Selbstlosigkeit der Person gerichtet ist, muss man ihn mit einem außergewöhnlich wahrnehmungsfähigen Zustand von Vipashyana verbinden, der sich auf das gleiche Objekt richtet. Hat man zusätzlich zum Netzwerk tiefen Gewahrseins (tib. ye-shes-kyi tshogs, Ansammlung von Weisheit), das man durch solch eine Meditationspraxis wie diese aufgebaut hat, auch ein weitreichendes Netzwerk positiver Kraft (tib. bsod-nams-kyi tshogs, Ansammlung von Verdienst) geschaffen, indem man über einen langen Zeitraum zahlreiche konstruktive Handlungen ausgeführt hat, wird man aufgrund dessen yogische bloße Wahrnehmung erlangen, die sich nicht-konzeptuell auf die Selbstlosigkeit der Person richtet. Dies geschieht nicht auf mystische Weise durch ein Wagnis des Glaubens, sondern durch einen Prozess von Ursache und Wirkung. Unser verbundenes Paar von konzeptuellem Shamatha und Vipashyana wird ganz von selbst als eine yogische bloße Wahrnehmung nicht-konzeptuell werden. Haben wir das erreicht, werden wir zu einem Arya, einem „Edlen“.
Die Anzahl gültiger Arten der Wahrnehmung
Die Arten der verzerrten konzeptuellen Wahrnehmungen, die in Bezug darauf entstanden sind, wie viele (unterschiedliche Weisen) die Anzahl (der Arten) der gültigen Wahrnehmung (ausmachen), sind folgende. Die Charvakas und Jains vertreten nur eine gültige Art der Wahrnehmung, nämlich (1) bloße Wahrnehmung.
Indem sie nur bloße Wahrnehmung, nicht aber schlussfolgernde Wahrnehmung als gültig annehmen, gehen die Charvakas und Jains davon aus, dass man nur Dinge kennen kann, die offensichtlich (tib. mngon-gyur) sind. Sie sagen, dass man etwas nicht kennen kann, wenn man es nicht direkt sieht, hört usw.
Die Samkhyas behaupten, dass es drei (Arten der) gültigen Wahrnehmung gibt: (1) bloße Wahrnehmung, (2) schlussfolgernde Wahrnehmung und (3) etwas durch verbales Andeuten erkennen.
Wenn man versteht, was jemand meint, wenn er etwas sagt oder wenn man etwas lernt, was wahr ist, indem man es in einem Text schriftlicher Autoritäten liest oder eine Erklärung dessen von jemandem hört, der vertrauenswürdig ist, hat man etwas gültig durch verbales Andeuten (tib. sgra-byung tshad-ma) erkannt Die Sautrantikas klassifizieren solches Wissen als schlussfolgernde Wahrnehmung, doch die Samkhyas (tib. grangs-can-pa) und viele andere nicht-buddhistischen Schulen ordnen es als eine separate gültige Art der Wahrnehmung ein.
Zu dieser Kategorie gehört nicht nur die Kenntnis darüber, was jemand meint, wenn man die Person im Nebenzimmer reden hört, sondern auch das Wissen, dass die Person dort ist. Laut der buddhistischen Erklärung der Sautrantikas begreift man jedoch solches Wissen implizit, wenn man eine bloße akustische Wahrnehmung ihrer Stimme hat.
Die Nyayas gehen von vier (Arten) aus: zusätzlich zu diesen dreien, (4) das Verständnis eines analogen Beispiels.
[4] Wir haben noch nie ein Zebra gesehen. Dann gehen wir in einen Zoo und sehen ein Tier, das wie ein Esel mit schwarzen und weißen Streifen aussieht. Wir wissen, was ein Esel ist, und wenn wir ihn mit diesem fremden Tier vergleichen, erkennen wir, dass es kein Esel ist. Das ist die Wahrnehmung von etwas durch das Verstehen eines analogen Beispiels (tib. dpe-nyer ’jal-ba), welches durch die Schule des Nyaya (tib. rigs-can-pa) als gültige Art der Wahrnehmung anerkannt wird. Wir wissen nicht genau, was das Objekt ist, doch verglichen mit anderen Objekten, die wir kennen, können wir bestimmen, was es nicht ist.
Die (Bhatta) Mimansakas behaupten, dass die Anzahl ganz klar nur sechs ist: diese vier, plus (5) gültige Wahrnehmung durch Schlussfolgerung und (6) gültige Wahrnehmung der Nicht-Existenz.
Die Anhänger des Mimamsaka-Meisters Kumarila Bhatta vertreten zwei weitere gültige Arten der Wahrnehmung.
[5] Der übergewichtige Devadatta isst nicht während des Tages. Weil Devadatta dick ist und Menschen etwas essen müssen, um dick zu sein und dies tagsüber oder nachts tun können, weiß man gültig durch Schlussfolgerung (tib. don-gyis go-ba’i tshad-ma) oder disjunktives logisches Denken, dass Devadatta nachts essen muss. Ein weiteres Beispiel ist Folgendes: Man weiß, dass sich jemand im Haus befindet, in dem es nur zwei Zimmer gibt, aber man sieht ihn nicht im vorderen. Durch Schlussfolgerung oder einem Vorgang des Eliminierens weiß man, dass er sich im hinteren Zimmer befinden muss.
[6] Es gibt vier Arten der Nicht-Existenz (tib. med-pa): vorangehende Nicht-Existenz (tib. snga-na med-pa), vergangene Nicht-Existenz (tib. zhig-nas med-pa), gegenseitige Nicht-Existenz (tib. phan-tshun med-pa) und absolute Nicht-Existenz (tib. gtan-nas med-pa). Die Mimamsakas (tib. rgyal dpog-pa) sagen, dass es eine separate Weise der Wahrnehmung gibt, um solche Nicht-Existenzen gültig zu kennen (tib. dngos-po med-pa’i tshad-ma). Sieht man beispielsweise Milch, kann man die vorangehende Nicht-Existenz von Joghurt in ihr kennen, also dass der Joghurt noch nicht in der Milch ist, bevor sie gerinnt. Später, wenn man den Joghurt sieht, kennt man die vergangene Nicht-Existenz der Milch in ihm, denn sobald er heranreift, ist die Milch nicht mehr da. Kennt man die gegenseitige Nicht-Existenz eines Pferdes in einem Bullen, sieht man, dass ein Bulle kein Pferd und ein Pferd kein Bulle ist, denn diese beiden schließen sich gegenseitig aus. Sieht man den Kopf eines Hasen und kennt die absolute Nicht-Existenz eines Hasenhorns, ist man sich der Nicht-Existenz von etwas bewusst, das nie existierte, momentan nicht existiert und nie existieren kann. Obgleich man sich einbilden könnte, das geistige Bild eines Ziegenhorns auf einem Hasenkopf zu sehen, kann man sich nicht wirklich ein Hasenhorn dort vorstellen, denn so etwas gibt es nicht.
Die Anhänger der Charaka (Samhita) behaupten, dass die Anzahl zweifelsohne 11 beträgt. Zu den oben genannten sechs fügen sie gültige Wahrnehmung durch (7) verbindende Logik, (8) Nicht-Wahrnehmung, (9) Tradition, (10) Einbeziehung und (11) Intuition hinzu.
In der Charaka Samhita (Charaka-Sammlung), einer der zwei klassischen Quellen der Ayurvedischen Medizin, die etwa um 200 v. u. Z. verfasst wurde, werden fünf zusätzliche Arten der gültigen Wahrnehmung in Verbindung mit der Diagnose von Krankheiten angeführt.
(7) Mit gültiger schlussfolgernder Wahrnehmung nutzt man analytische Logik, um die Ursache von einer Auswirkung abzuleiten, wie: wo es Rauch gibt, muss auch Feuer sein. Das Gegenteil davon, ist, etwas durch verbindende Logik (tib. rigs-pa) zu kennen, die darin besteht, die Auswirkung aus der Verbindung mehrerer Ursachen zu folgern. Ein Beispiel wäre: wo es Feuer und Brennholz gibt, muss auch Rauch sein. Mit analytischer Logik folgert man daher rückwärts, von der Auswirkung zur ihrer Ursache hin; mit Letzterem folgert man vorwärts, von einer Ursache zu ihrer Auswirkung, beruhend auf der Erfahrung in der Welt.
(8) Nimmt man etwas nicht so wahr, wie man es tun würde, wenn es da wäre, kennt man es durch die Nicht-Wahrnehmung (tib. mi-dmigs-pa), dass es nicht da ist. So kann man zum Beispiel die Abwesenheit von Hörnern auf einem Hasenkopf durch die Nicht-Wahrnehmung kennen, denn wenn sie da wären, würde man sie zweifelsohne sehen. Das unterscheidet sich von dem einfachen Kennen der absoluten Nicht-Existenz von Hasenhörnern, mit dem man etwas durch die Abwesenheit eines Objektes kennt. Hier kennt man etwas durch die Abwesenheit einer gültigen Art, es wahrzunehmen.
(9) Kennt man etwas durch eine Tradition (tib. zhes-grags-pa), glaubt man, etwas sei wahr, weil alle anderen es auch tun. Ein Beispiel ist zu wissen, dass es in einem bestimmten Baum einen Geist gibt, denn alle Vorfahren und jeder in der Gemeinschaft glaubt daran. Auch weiß man traditionell, dass man sich mit rechts die Hände schütteln sollte und Fieber bekommt, wenn man sich erkältet.
(10) Kennt man etwas durch Einbeziehung (tib. srid-pa), weiß man über die Einzelnen einer Gruppe Bescheid, wenn man die Gruppe selbst kennt. Ein Beispiel ist: Man weiß, dass es mindestens zehn Leute im Klassenzimmer gibt, wenn man sich sicher ist, dass es fünfzig sind, oder dass eine bestimmte Person aus Japan kommt, weil man weiß, dass er Mitglied einer japanischen Delegation in einer Konferenz ist.
(11) Hat man aus unbestimmten Grund ein Gefühl, dass die Mutter zu Besuch kommen wird und sie dann tatsächlich kommt, weiß man es aus Intuition (tib. snyam-sems-pa). Obwohl solche Wahrnehmungen stattfinden, sind sie unzuverlässig und meist eine Form von Wunschdenken. Wenn wir keine höheren Zustände vertiefter Konzentration erlangt haben, sind sie nur zufällig wahr, denn in den meisten Fällen sind unsere Erwartungen oder Vorhersagen falsch.
Unsere eigene Tradition besagt, dass es definitiv nur zwei (Arten) gibt: (1) bloße Wahrnehmung und (2) schlussfolgernde Wahrnehmung.
Es gibt nur diese zwei, weil es nur zwei Arten gültig erkennbarer oder gültig wahrnehmbarer Dinge gibt – objektive Entitäten und metaphysische Entitäten. Erstere sind Objekte, die offensichtlich sind und explizit durch bloße Wahrnehmung erfasst werden können. Letztere sind entweder verschleiert, wie die Unbeständigkeit von Klang, oder extrem verschleiert, wie die Tatsache, dass Reichtum das Resultat von Großzügigkeit ist, die in früheren Leben praktiziert wurde. Solche Dinge können nicht explizit durch bloße Wahrnehmung erfasst werden, wenngleich sie von Aryas implizit wahrgenommen werden können. Gewöhnliche Menschen (tib. so-so’i skye-bo) – jene, die noch keine Aryas sind – erkennen sie durch schlussfolgernde Wahrnehmung und daher sind nur zwei verschiedene gültige Arten der Wahrnehmung nötig. Sie weiter auf verschiedene Weise zu unterteilen ist unnötig.
Diesbezüglich ist die Definition einer gültigen Wahrnehmung ein frisches, nicht betrügerisches Gewahrsein. Wird sie unterteilt, gibt es zwei (Arten): (1) gültige bloße Wahrnehmung und (2) (gültige) schlussfolgernde Wahrnehmung. Aus einer anderen (Sicht) gibt es zwei (weitere Arten): (1) gültige Wahrnehmung, bei der die Bestimmung (in Bezug darauf, was ihr Objekt ist), durch die Wahrnehmung selbst geschieht, und (2) (gültige Wahrnehmung), bei der die Bestimmung (in Bezug darauf, was ihr Objekt ist) durch eine andere (Wahrnehmung) geschehen muss. Und aus der Sicht der Etymologie gibt es drei (gültige Quellen dafür, etwas zu kennen): (1) gültige Menschen, (2) (gültige) Rede und (3) (gültige) Wahrnehmung.
Man kann etwas gültig kennen, indem man sich auf gültige Personen, gültige Rede oder gültige Wahrnehmung stützt. Eine gültige Person ist ein Buddha. Gültige Rede bezieht sich auf seine Lehren, wie jene des ersten Drehens des Dharmarades bezüglich der vier edlen Wahrheiten. Diese vier sind die Wahrheiten des Leidens, dessen Ursache, der Beendigung und der Pfade des Geistes, die dorthin führen. Sich auf solche Personen oder solche Rede zu stützen, wird zu gültigem Wissen führen. Man wird es auch durch die gültigen Wahrnehmungen der bloßen und schlussfolgernden Wahrnehmung erlangen.
Diese drei Arten, etwas wahrzunehmen, sind in dem Sinne gültig, dass sie aus gültigen Quellen stammen. Doch da unsere Wahrnehmung dessen, was Buddha sagte, vermutend oder unentschieden sein kann, gelten sie nur in einem etymologischen und nicht in einem tatsächlichen Sinne als gültig.