Geistige Aktivität
Im indischen Buddhismus gibt es gemäß dem Lehrsystem des Sautrantika (tib. mDo-sde-pa) sieben Arten der Wahrnehmung eines Objektes. Um diese sieben besser verstehen zu können, ist es zunächst erst einmal notwendig zu wissen, was eine Art der Wahrnehmung ist. Eine Art der Wahrnehmung ist eine Form der geistigen Aktivität, und geistige Aktivität ist das, worauf sich der Begriff „Geist“ im Buddhismus bezieht. Unsere geistige Aktivität ist individuell, hat weder Anfang noch Ende, hält ununterbrochen an und erfasst ein Objekt der Ausrichtung – ein Objekt, auf das sie ausgerichtet ist – immer kognitiv. Im Allgemeinen erfasst sie ein Objekt kognitiv, indem sie ein geistiges Hologramm erscheinen lässt, mit dem man sich zeitgleich und dementsprechend auf gewisse Weise kognitiv beschäftigt. Dies wird durch die geistige Aktivität ohne ein unabhängig existierendes „Ich“ oder einen unabhängig existierenden Geist, den das „Ich“ als Handelnden nutzt, ausgeführt. Die sieben Arten der Wahrnehmung sind also Formen der geistigen Aktivität in Bezug auf Objekte der Ausrichtung. Diese sieben sind:
- bloße Wahrnehmung (tib. mngon-sum)
- schlussfolgernde Wahrnehmung (tib.rjes-dpag)
- nachfolgende Wahrnehmung (tib. bcad-shes)
- unentschiedene Wahrnehmung (tib. snang-la ma-nges-pa)
- Vermutung (tib. yid-dpyod)
- unentschlossenes Schwanken (tib. the-tshom)
- verzerrte Wahrnehmung (tib. log-shes)
Gültige Wahrnehmung
Von den sieben Arten der Wahrnehmung können nur zwei von ihnen gültige Arten der Wahrnehmung von etwas sein: die bloße Wahrnehmung und die schlussfolgernde Wahrnehmung.
Eine gültige Wahnehmung (tib. tshad-ma) ist frisch und nicht betrügerisch.
- Frisch (tib. gsar) – eine frische Wahrnehmung ist eine Wahrnehmung, die nicht von der unmittelbar vorausgehenden Wahrnehmung des gleichen Objektes als unmittelbare Bedingung für dessen Klarheit, Korrektheit und Entschiedenheit abhängig ist.
- Nicht betrügerisch (tib. mi-bslu-ba) – eine nicht betrügerische Wahrnehmung ist eine Wahrnehmung, die sowohl korrekt als auch entschieden ist.
Die nachfolgende Wahrnehmung ist nicht gültig, weil sie nicht frisch ist. Die unentschiedene Wahrnehmung, die Vermutung und das unentschlossene Schwanken sind keine gültigen Formen der Wahrnehmung, weil sie nicht entschieden sind. Und die verzerrte Wahrnehmung ist nicht gültig, weil sie nicht korrekt ist.
Erfassende Wahrnehmung
Eine Wahrnehmung erfasst das beteiligte Objekt, wenn sie sowohl korrekt als auch entschieden, also mit anderen Worten nicht betrügerisch ist. Das beteiligte Objekt (tib. ‘jug-yul) einer Wahrnehmung ist das eigentliche Objekt, mit dem sich eine bestimmte Wahrnehmung befasst. Ob wir beispielsweise jemanden sehen oder an jemanden denken, das beteiligte Objekt ist immer die farbige Form eines physischen Phänomens; ein allgemein bekanntes Objekt, das sich auf andere sensorische Daten, wie Klang, Geruch, körperliche Empfindungen und einen Zeitraum erstreckt. Außerdem sehen wir, um welche Art von Objekt es sich handelt (ein Körper), und wir sehen eine Person als eine beeinflusste Variable, die dem Körper zugeschrieben ist.
Die Wahrnehmung muss nicht frisch sein, um das beteiligte Objekt begreifen zu können. Aus diesem Grund sind sowohl die bloße Wahrnehmung, als auch die schlussfolgernde Wahrnehmung und die nachfolgende Wahrnehmung, Arten der begreifenden Wahrnehmung (tib. rtogs-pa). Es gibt zwei Arten des Begreifens: explizit und implizit.
- Explizites Begreifen (tib. dngos-su rtogs-pa) – das beteiligte Objekt erscheint in der Wahrnehmung, woraus wir zum Beispiel ableiten können, dass die Person, die wir sehen, Mary ist.
- Implizites Begreifen (tib. shugs-la rtogs-pa) – das beteiligte Objekt erscheint nicht, woraus wir zum Beispiel ableiten können, dass die Person, die wir sehen, nicht Susan ist.
Durch jede Instanz dieser drei Arten der Wahrnehmung begreifen wir das beteiligte Objekt auf explizite Weise und nur in einigen Fällen begreifen wir es sowohl auf explizite als auch auf implizite Weise. Das implizite Begreifen eines Objektes kann nicht ohne das gleichzeitige explizite Begreifen von etwas stattfinden. Bei jeder Art der Wahrnehmung ist es notwendig, dass ein geistiges Hologramm erscheint.
Konzeptuelle und nichtkonzeptuelle Wahrnehmung
Die konzeptuelle Wahrnehmung (tib. rtog-bcas shes-pa) ist die Wahrnehmung einer Sache durch eine geistige Kategorie als erscheinendes Objekt. Das erscheinende Objekt (tib. snang-yul) einer Wahrnehmung ist das direkte Objekt, das in der Wahrnehmung auftaucht, als würde es sich direkt vor dem Bewusstsein befinden. Im Falle, dass es sich bei dem erscheinenden Objekt um eine geistige Kategorie handelt, ist die Kategorie ein statisches, metaphysisches Phänomen (tib. spyi-mtshan), wie eine Idee, ein oberflächliches wahres Phänomen (tib. kun-rdzob bden-pa), und hat selbst keine Erscheinung. Es ist halb-transparent, wie ein dünner Schleier, durch den dann ein geistiges Hologramm (tib. rnam-pa, geistiger Aspekt) einer Sache erscheint, das diese Kategorie in der Wahrnehmung repräsentiert. Die geistige Form, die in der konzeptuellen Wahrnehmung erscheint, ist die eines geistigen Hologramms; aber das erscheinende Objekt ist die geistige Kategorie, da es das Objekt ist, das in der Wahrnehmung zuerst wahrgenommen wurde. Die eigentliche Sache, die wir begrifflich erfassen, mag tatsächlich anwesend sein, wenn wir sie begrifflich wahrnehmen, oder nicht.
- Sie ist da, wenn wir etwas sehen und es dann einer Kategorie mit anderen ähnlichen Dingen zuordnen.
- Und sie ist nicht da, wenn wir lediglich an die Sache denken, es sich jedoch trotzdem um das beteiligte Objekt der begrifflichen Wahrnehmung handelt, weil wir darüber nachdenken.
Die geistige Kategorie kann eine Hörkategorie oder eine Objekt-Kategorie sein. Eine Hörkategorie (tib. sgra-spyi) ist die geistige Kategorie, der wir alle Klänge zuordnen, mit denen ein bestimmtes Wort ausgesprochen wird. Egal mit welcher Stimme, Lautstärke oder Betonung das Wort „Mango“ ausgesprochen wird, wir ordnen es mit begrifflicher Wahrnehmung der gleichen Hörkategorie zu; es sind alles Instanzen des gleichen Wortes. Diese Kategorie wird mit dem Wort „Mango“ bezeichnet und so erkennen wir all diese Klänge als Klänge des gleichen Wortes an.
Ähnlich ist es, wenn wir einen Korb voller Mangos sehen. Egal welche Größe, Farbe oder Form jede von ihnen hat, wir ordnen sie begrifflich der gleichen Objekt-Kategorie (tib. don-spyi) zu; es sind alles Formen der gleichen Frucht. Obwohl es sich bei allen objektiv um Mangos handelt, wissen wir vielleicht nicht, was für Früchte es sind oder wie sie heißen; aber wenn wir wissen, dass es Mangos sind und sie mit dem Wort „Mango“ bezeichnet werden, ist die Objekt-Kategorie, der wir sie zuordnen, auch eine Bedeutungs-Kategorie (tib. don-spyi). All diese Früchte sind das, was die Klänge bedeuten, die der Hörkategorie mit dem Namen „Mango“ zugeordnet werden.
Diese Kategorien sind statische Phänomene und gemäß den Behauptungen des Sautrantika sind es metaphysische Entitäten. Sie können keine Funktionen ausführen und wir können nicht nachweisen, dass es solche Dinge gibt, die tatsächlich etwas tun können. Wir können sie nur durch die Tatsache eines Konzeptes von Kategorien begründen, das wir haben und sie als das sehen, worauf sich das Konzept bezieht. Wie wären wir in der Lage, verschiedene Objekte als Instanzen der gleichen Art von Objekten zu betrachten, oder verschiedene Klänge als Klänge des gleichen Wortes, wenn es so etwas wie Kategorien nicht geben, würde?
Die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung (tib. rtog-med shes-pa) ist eine Wahrnehmung, die ohne eine dazwischenliegende Kategorie stattfindet. Sehen wir im Geschäft eine Mango, ist dieses Sehen nichtkonzeptuell. Was wir sehen, ist tatsächlich eine Mango. Es ist kein Nichts, aber wenn wir sie anfangs sehen, ordnen wir sie nicht der geistigen Kategorie von Mangos zu. Mit anderen Worten sind wir nur in der Lage zu wissen, dass es sich um eine Mango handelt, indem wir sie der Kategorie „Mango“ zuordnen.
Gemäß dem Sautrantika-System sind die Objekte, die gültig erkannt werden können, allesamt objektive Entitäten (tib. rang-mtshan), die tiefsten wahren Phänomene (tib. don-dam bden-pa). Sie sind nicht statisch und das bedeutet, sie werden von Ursachen und Bedingungen beeinflusst und ändern sich daher von einem Augenblick zum nächsten und rufen Wirkungen hervor. Wir können objektive Objekte durch die Tatsache nachweisen, dass sie Wirkungen erzeugen. Nicht-statische Phänomene umfassen alle Formen physischer Objekte, wie Formen und Klänge, alle Arten des Erkennens von Dingen, wie visuelles oder geistiges Bewusstsein, Liebe, Glück und Wut, sowie alle nicht-statischen Phänomene, bei denen es sich, wie bei Personen, weder um Bewegung noch um das Alter handelt.
Bloße Wahrnehmung
Bloße Wahrnehmung wird als nicht-trügerische, nichtkonzeptuelle Wahrnehmung definiert, in der das erscheinende Objekt eine objektive Entität, nämlich ein nicht-statisches Phänomen ist. Genau genommen ist das erscheinende Objekt der Wahrnehmung, das tatsächlich in Erscheinung tritt, ein geistiges Hologramm des nicht-statischen Objektes.
Die bloße Wahrnehmung ist also frei von den vier Ursachen der Täuschung:
1. Stütze – wenn sich die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung auf ein fehlerhaftes Sinnesorgan stützt und wir beispielsweise schielen, werden wir Dinge wie den Mond doppelt sehen. Das ist eine Täuschung.
2. Objekt – wenn sich das Objekt der nichtkonzeptuellen Wahrnehmung sehr schnell bewegt und wir beispielsweise eine Taschenlampe im Dunkeln schnell kreisen lassen, werden wir der Täuschung erliegen und glauben einen Ring aus Licht zu sehen.
3. Situation – in einem fahrenden Zug sehen wir die Bäume auf nichtkonzeptuelle Weise, wie sie sich schnell nähern und dann wieder entfernen, als würden sie sich rückwärts bewegen.
4. Unmittelbare Voraussetzung – wenn unser Geist, unmittelbar bevor wir jemanden ansehen, beispielsweise durch Angst aufgewühlt ist, sehen wir vielleicht Dinge, die es gar nicht gibt.
Obwohl es sich in allen vier Fällen um nichtkonzeptuelle Wahrnehmungen handelt, sind es keine Instanzen bloßer Wahrnehmung.
Es gibt vier Arten der bloßen Wahrnehmung:
1. Die sinnliche bloße Wahrnehmung tritt durch eine der fünf Arten des Sinnesbewusstseins (Form, Klang, Geruch, Geschmack und Tastsinn) auf, indem es sich auf eine der fünf körperlichen Sensoren der Wahrnehmung als beherrschende Bedingung stützt. Eine beherrschende Bedingung (tib. bdag-rkyen) einer Wahrnehmung bezieht sich auf das, wodurch bestimmt wird, um welche Art der Wahrnehmung es sich handelt, also ob sie visuell, akustisch usw. ist. Die fünf körperlichen Sensoren der Wahrnehmung sind die lichtempfindlichen Zellen der Augen, die geräuschempfindlichen der Ohren, die geruchsempfindlichen der Nase, die geschmacksempfindlichen der Zunge und die berührungsempfindlichen des Körpers. Hier gilt es zu beachten, dass das Sinnesbewusstsein Objekte ausschließlich nichtkonzeptuell, während das geistige Bewusstsein Objekte entweder nichtkonzeptuell oder konzeptuell wahrnehmen kann.
2. Geistige bloße Wahrnehmung durch das geistige Bewusstsein kann mit jedem nicht-statischen Objekt erfolgen. Sie tritt auf, indem sie sich auf einen geistigen Sensor der Wahrnehmung als beherrschende Bedingung stützt. Der geistige Sensor einer Wahrnehmung bezieht sich auf den unmittelbar vorangehenden Moment des Bewusstseins. Ist an der Wahrnehmung kein körperlicher Sensor der Wahrnehmung beteiligt, bestimmt das Bewusstsein des vorangegangenen Momentes, dass die Wahrnehmung im nächsten Moment rein geistig ist. Da das Gehirn an allen Arten der Wahrnehmung beteiligt ist, gehört es im buddhistischen System nicht zu den Sensoren der Wahrnehmung. Geistige bloße Wahrnehmung findet mit außersinnlicher Wahrnehmung statt, wenn wir beispielsweise wissen, was der Andere denkt, und sie findet auch nur für einen Augenblick am Ende eines Stromes der sinnlichen bloßen Wahrnehmung statt.
3. Bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein – gemäß den Sautrantika-, Chittamatra und Yogachara Svatantrika-Lehrsystemen umfassen die Arten des Erkennens nicht nur eine Art des Primärbewusstseins und einige Geistesfaktoren, sondern auch das reflexive Gewahrsein (tib. rang-rig). Das reflexive Gewahrsein begleitet jeden Moment der nichtkonzeptuellen und konzeptuellen Wahrnehmung eines Objektes, obwohl es selbst immer nichtkonzeptuell bleibt. Es richtet sich lediglich auf die anderen Arten des Gewahrseins, die an der Wahrnehmung beteiligt sind und nimmt sie war – nämlich das Primärbewusstsein und die Geistesfaktoren. Es nimmt nicht die Objekte des Primärbewusstseins und die Geistesfaktoren wahr, auf die es gerichtet ist. Es hinterlässt die nichtkongruente beeinflussende Variable eines geistigen Eindrucks oder einer Gewohnheit der Wahrnehmung, die wahrgenommen wird, was dann dazu führt, dass die Wahrnehmung nachfolgend mit Vergegenwärtigung abgerufen werden kann. Das Abrufen findet durch die konzeptuelle Wahrnehmung eines geistigen Hologramms statt, das einem bereits vorher wahrgenommenen Objekt ähnelt, sowie einer Objekt-Kategorie, die geistig von dem Objekt abgeleitet werden kann und der alle geistigen Hologramme zugeordnet werden können, die dem Objekt ähneln. Die bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein bestimmt auch, ob die durch sie begleitete Wahrnehmung eine gültige Wahrnehmung ist oder nicht.
4. Die yogische bloße Wahrnehmung findet mit geistigem Bewusstsein statt und stützt sich auf das verbundene Paar eines Zustandes von Shamatha (einem still gewordenen und zur Ruhe gekommen Geisteszustand) und eines Zustandes von Vipashyana (einem Geisteszustand von außergewöhnlicher Wahrnehmungsfähigkeit), um in Erscheinung treten zu können. Sie nimmt die subtile Unbeständigkeit (Vergänglichkeit) oder den Mangel einer groben oder subtilen unmöglichen Seele einer Person als Objekt an und tritt nur bei Aryas und, außer im Falle eines Buddhas, ausschließlich während der völligen meditativen Vertiefung auf.
Bei der bloßen Wahrnehmung gibt es drei Unterteilungen: gültig, nachfolgend und unentschieden. Die sinnliche, geistige und die bloße Wahrnehmung des reflexiven Gewahrseins wird in diese drei unterteilt, während die yogische bloße Wahrnehmung nur in gültig und nachfolgend unterteilt wird. Sie ist niemals unentschieden.
Nur die erste Mikrosekunde der sinnlichen bloßen Wahrnehmung eines Objektes ist gültig und wird gefolgt von einer Reihe nachfolgender sinnlicher bloßer Wahrnehmung, während derer die Wahrnehmung des Objektes nicht mehr frisch wahrgenommen wird. Nach dieser Phase gibt es eine unentschiedene sinnliche bloße Wahrnehmung des Objektes, während der das Objekt nicht länger entschieden wahrgenommen wird, obwohl es immer noch korrekt erscheint. Darauf folgt eine kurze Phase der geistigen bloßen Wahrnehmung, aber sie ist so kurz, dass sie und die sie begleitende bloße Wahrnehmung des reflexiven Gewahrseins keine Entschiedenheit gegenüber dem Objekt aufbauen kann. Daher handelt es sich hierbei im Grunde um eine unentschiedene bloße Wahrnehmung. Diese vorübergehende Phase der unentschiedenen geistigen bloßen Wahrnehmung ist notwendig, um die geistige Wahrnehmung des beteiligten Objektes vor seiner konzeptuellen geistigen Wahrnehmung eintreten zu lassen.
Ob sie nun nach einer Abfolge sinnlicher bloßer Wahrnehmung oder nach einer Abfolge bloßer und dann nachfolgender außersinnlicher geistiger Wahrnehmung erfolgt: die unentschiedene geistige bloße Wahrnehmung wird von der konzeptuellen Wahrnehmung des Objektes gefolgt, während der das Objekt durch den Filter einer geistigen Kategorie wahrgenommen wird.
Die yogische bloße Wahrnehmung ist frei von subtiler geistiger Trägheit und ist daher stets lebendig. Aber nur ihr erster Augenblick ist in dem Sinne frisch, dass er nicht von den unmittelbar darauffolgenden Momenten des gleichen Objektes als unmittelbare Bedingung für dessen Klarheit und Verständlichkeit abhängig ist. Außer bei Buddhas, wird die gültige yogische bloße Wahrnehmung der Aryas also von einer Phase nachfolgender yogischer bloßer Wahrnehmung gefolgt. Aber auch für Aryas gibt es keine unentschiedene yogische bloße Wahrnehmung.
Schlussfolgernde Wahrnehmung
Die schlussfolgernde Wahrnehmung ist eine gültige konzeptuelle Wahrnehmung einer verschleierten oder extrem verschleierten Tatsache, die sich auf eine korrekte Argumentationskette als Grundlage stützt.
Es gibt drei Arten von Objekten, die gültig erkannt werden können:
1. Offensichtliche Objekte (tib. mngon-gyur) – wie die körperliche Empfindung, sich schlecht zu fühlen. Sie können nichtkonzeptuell durch bloße Wahrnehmung erkannt werden, indem wir uns lediglich auf unsere Sensoren der Wahrnehmung stützen. Durch unser Körperbewusstsein können wir erkennen, dass es uns nicht gut geht. Natürlich müssen wir in der Lage sein, ein tatsächliches Krankheitsgefühl von dem eines Hypochonders zu unterscheiden.
2. Verschleierte Objekte (tib. lkog-gyur) – wie die Krankheit, die wir haben, durch die wir uns so fühlen, wie wir uns fühlen. Solche Dinge können wir nur erkennen, indem wir uns auf eine Kette von Argumenten stützen, wie ein Arzt, der seine Diagnose einer Krankheit auf der Grundlage von Informationen stellt, die er durch gründliche Untersuchung gewonnen hat: „Wenn es diese und jene Symptome gibt, ist das auf diese oder jene Krankheit zurückzuführen.“ Allerdings ist nicht jede Diagnose korrekt.
3. Extrem verschleierte Objekte (tib. shin-tu lkog-gyur) – wie der Name einer Person, von dem das Heilmittel für unsere Krankheit stammt. Wir können ihn nur kennen, indem wir uns auf eine gültige Quelle von Informationen stützen. Beispielsweise finden wir Informationen im Internet und da die Quelle dieser Informationen autoritativ ist, leiten wir daraus ab, dass sie korrekt sind. Allerdings brauchen wir einen gültigen Grund, um schlussfolgern zu können, dass die Informationen aus einer gültigen Quelle stammen. Solch eine Einschätzung ist nicht immer einfach, wie beispielsweise in Bezug auf einen Eintrag bei Wikipedia oder in einem Blog.
Es gibt drei Arten der schlussfolgernden Wahrnehmung:
1. Schlussfolgerung auf der Grundlage von Beweisen oder deduktiver Logik (tib. dngos-stobs rje-dpag) – hier bedienen wir uns der fehlerlosen Logik, um zu einer korrekten Schlussfolgerung in Bezug auf etwas Verschleiertes zu gelangen. Nehmen wir einmal an, unser Nachbar macht großen Lärm. Wir ärgern uns darüber und verlieren unsere Geduld, weil wir uns offensichtlich nicht im Klaren sind, dass Klang vergänglich ist. Stützen wir uns jedoch auf die Kraft der Beweise, können wir uns selbst beweisen, dass dieses Geräusch ganz einfach deswegen aufhören wird, weil es von Menschenhand geschaffen wurde. Um dies zu tun, stützen wir uns auf folgende Argumentationskette: Dieses Geräusch wurde von Menschenhand geschaffen; alles von Menschenhand Geschaffene, wie historische Ereignisse, sind vergänglich; nichts was ewig währt, wie unser geistiges Kontinuum, wurde von Menschenhand geschaffen. Aus diesem Grund können wir uns sicher sein, dass auch dieses Geräusch aufhören wird, da es von Menschenhand geschaffen wurde. Mit solch einem gültigen Wissen können wir unsere Wut unter Kontrolle bringen.
2. Schlussfolgerung beruhend auf Bekanntheit (tib. grags-pa'i rje-dpag) – auf diese Weise sind wir in der Lage Sprache zu verstehen. Wenn wir ein bestimmtes Geräusch hören, das von einer Person oder einem elektronischen Gerät kommt, schlussfolgern wir auch etwas Verschleiertes: „wenn es dieses Geräusch ist, handelt es sich um den Klang dieses oder jenen Wortes“, und wir schlussfolgern weiter: „wenn es der Klang dieses oder jenen Wortes ist, hat es diese oder jene Bedeutung.“ Beim Lesen benutzen wir eine ähnliche Logik: sehen wir ein bestimmtes Muster von Linien, schließen wir daraus, dass es sich um diese und jene geschriebenen Worte handelt und sie diese und jene Bedeutung haben. Ein anderes Beispiel ist, aus dem Hören von „ein plus eins“ „zwei“ zu schlussfolgern, oder aus der deutschen Aussage: „des Menschen bester Freund“, dass es sich um einen Hund handelt.
3. Schlussfolgerung beruhend auf Überzeugung (tib. yid-ches rjes-dpag) – auf diese Weise erkennen wir etwas extrem Verschleiertes, wie beispielsweise unseren Geburtstag. Um den Tag zu kennen, an dem wir geboren wurden, müssen wir uns auf eine gültige Quelle der Information, wie unsere Mutter, stützen. Wir schlussfolgern dann, dass unsere Mutter bezüglich unseres Geburtstages eine gültige Quelle der Information ist, da sie bei unserer Geburt anwesend war. Folglich können wir uns mit Überzeugung darauf verlassen, dass das von ihr genannte Datum korrekt ist.
Nachfolgende Wahrnehmung
Die nachfolgende Wahrnehmung ist ein ungültiges Gewahrsein, das etwas erfasst, was bereits erfasst wurde. Sie ist korrekt und entschieden, jedoch ist sie keine gültige Art der Wahrnehmung, da sie nicht frisch ist. Das heißt, sie ist abhängig von der unmittelbar vorausgehenden Wahrnehmung des gleichen Objektes als unmittelbare Bedingung für dessen Klarheit und Verständlichkeit. Ihr fehlt die Macht, eine eigene Frische herbeizuführen.
Es gibt drei Arten der nachfolgenden Wahrnehmung, die in einem Strom von Kontinuität des Erfassens eines beteiligten Objektes auftritt:
1. Die nachfolgende bloße Wahrnehmung – die zweite Phase der bloßen Wahrnehmung eines beteiligten Objektes, die auf einen anfänglichen Moment der bloßen Wahrnehmung dieses Objektes folgt. Die nachfolgende bloße Wahrnehmung kann sinnlich, geistig, jene eines reflexiven Gewahrseins oder yogisch sein. Yogische nachfolgende bloße Wahrnehmung tritt jedoch ausschließlich bei Aryas ein, die noch keine Buddhas sind.
2. Nachfolgende schlussfolgernde Wahrnehmung – die zweite Phase der schlussfolgernden Wahrnehmung eines beteiligten Objektes, die auf einen anfänglichen Moment der gültigen schlussfolgernden Wahrnehmung dieses Objektes folgt.
3. Nachfolgende Wahrnehmung, die keine dieser beiden Arten ist – beispielsweise die konzeptuelle Wahrnehmung, sich an etwas korrekt zu erinnern, das vorher bereits gültig wahrgenommen wurde. Sowohl beim ersten Moment als auch bei der zweiten Phase dieser Abfolge handelt es sich um eine nachfolgende Wahrnehmung, da wir uns in beiden Fällen darauf stützen, vorher bereits etwas wahrgenommen zu haben, auch wenn dies nicht direkt vor dem Erinnern erfolgt ist. Beispiele bestehen darin, sich an den Namen einer Person zu erinnern oder ihr bereits begegnet zu sein, oder sich daran zu erinnern, dass eins plus eins gleich zwei ist.
Unentschiedene Wahrnehmung
Die unentschiedene Wahrnehmung ist eine Art der Wahrnehmung, bei der das beteiligte Objekt nicht ermittelt wurde, wenn eine objektive Entität deutlich für eine der Arten des Primärbewusstseins erscheint. Daher erfolgt dies nur mit nichtkonzeptueller Wahrnehmung. Bei einer konzeptuellen Wahrnehmung mag unser Geistesfaktor der Aufmerksamkeit schwach sein, sodass wir eine subtile Flatterhaftigkeit des Geistes mit einem Strom von belanglosen Gedanken erfahren, aber dabei handelt es sich nicht um eine unentschiedene Wahrnehmung, sondern lediglich um einen Mangel an Aufmerksamkeit.
Es gibt drei Arten der unentschiedenen Wahrnehmung:
1. Unentschiedene sinnliche bloße Wahrnehmung – am Ende einer Abfolge der nachfolgenden sinnlichen bloßen Wahrnehmung, wenn die Wahrnehmung gerade dabei ist, zuerst zur geistigen bloßen Wahrnehmung und dann zur konzeptuellen Wahrnehmung des gleichen beteiligten Objektes zu wechseln. Die unentschiedene sinnliche bloße Wahrnehmung umfasst auch die unterbewusste Sinneswahrnehmung, wie die Wahrnehmung des beteiligten Objektes eines Sinnesbewusstseins, während eine bloße Wahrnehmung eines anderen beteiligten Objektes mit einem anderen Sinn stattfindet; zum Beispiel die bloße Wahrnehmung der körperlichen Empfindung der Kleidung an unserem Körper, während wir uns etwas ansehen. Sie umfasst allerdings nicht die Vernachlässigung einiger Aspekte des beteiligten Objektes einer sinnlichen bloßen Wahrnehmung, während man sich auf andere Aspekte fokussiert, wie das Beachten eines Bildes an der Wand, während man jemanden ansieht.
2. Unentschiedene geistige bloße Wahrnehmung – am Ende einer Abfolge der nachfolgenden bloßen geistigen Wahrnehmung, wie die nachfolgende außersinnliche Wahrnehmung der Gedanken eines anderen, wenn die Wahrnehmung gerade dabei ist, zur konzeptuellen Wahrnehmung des gleichen beteiligten Objektes zu wechseln. Auch der winzige Moment der geistigen bloßen Wahrnehmung, der zwischen einem Moment der unentschiedenen sinnlichen bloßen Wahrnehmung und der konzeptuellen Wahrnehmung eines beteiligten Objektes erfolgt, ist unentschieden.
3. Unentschiedene bloße Wahrnehmung des reflexiven Gewahrseins – bei gewöhnlichen Wesen ist der kleinste Moment der bloßen Wahrnehmung des reflexiven Gewahrseins, der die bloße geistige oder sinnliche Wahrnehmung begleitet, immer unentschieden. Das ist so, weil es immer mehr als einen Moment des reflexiven Gewahrseins braucht, um die beteiligten Objekte zu ermitteln. Die unentschiedene bloße Wahrnehmung des reflexiven Gewahrseins tritt jedoch nicht am Ende einer Abfolge der yogischen bloßen Wahrnehmung auf, weil die yogische bloße Wahrnehmung niemals unentschieden ist.
Vermutung
Die Vermutung ist eine ungültige Art der Wahrnehmung, die ihr Objekt korrekt aufnimmt und es begrifflich frisch wahrnimmt. Wie die schlussfolgernde Wahrnehmung kommt sie zu einer korrekten Schlussfolgerung, ohne jedoch wirklich zu verstehen oder auf richtige Weise zu erkennen, warum sie wahr ist. Weil sie nicht entschieden ist, handelt es sich hierbei nicht um eine gültige Art der Wahrnehmung von etwas.
Es gibt drei Arten der Vermutung:
1. Etwas ohne Grund für wahr zu halten – korrekt zu schlussfolgern, dass die Tage in der nördlichen Hemisphäre im Winter kürzer werden, ohne zu wissen, warum das so ist. Dass bezieht sich beispielsweise auch darauf, den Namen einer Person, den wir vergessen haben, korrekt zu erraten.
2. Etwas aus einem widersprüchlichen Grund für wahr zu halten – zu schlussfolgern, dass die Tage im Winter kürzer werden, weil die nördliche Hemisphäre in dieser Zeit der Sonne zugeneigt ist.
3. Etwas aus einem unentschiedenen Grund für wahr zu halten – zu schlussfolgern, dass die Tage im Winter kürzer werden, weil die Erde um die Sonne kreist.
4. Etwas aus einem irrelevanten Grund für wahr zu halten – zu schlussfolgern, dass die Tage im Winter kürzer werden, weil die Tage kälter sind.
5. Etwas aus einem korrekten Grund, aber ohne Entschiedenheit, für wahr zu halten – zu schlussfolgern, dass die Tage im Winter kürzer werden, weil die nördliche Hemisphäre in dieser Zeit der Sonne abgeneigt ist, jedoch ohne zu verstehen, wie dadurch die Länge der Tage beeinflusst wird.
Wissen, das durch Vermutung erlangt wurde, ist unbeständig. Wenn wir etwas lesen oder hören und es einfach kritiklos aus gutem Glauben akzeptieren, ohne es zu untersuchen, um zu einem Verständnis zu gelangen, warum es wahr ist, können wir es uns für gewöhnlich nicht merken.
Unentschlossenes Schwanken
Das unentschlossene Schwanken ist ein Geistesfaktor, der die konzeptuelle Wahrnehmung eines Objektes begleitet und zwei Schlussfolgerungen in Bezug auf dieses Objekt hat. Anders ausgedrückt, schwankt man zwischen zwei Kategorien, durch die man das Objekt wahrnimmt. Hier gibt es drei Varianten:
- Unentschlossenes Schwanken, das der Tatsache zugeneigt ist
- Unentschlossenes Schwanken, das nicht der Tatsache zugeneigt ist
- Unentschlossenes Schwanken, das zwischen diesen beiden ausgeglichen ist.
Verzerrte Wahrnehmung
Die verzerrte Wahrnehmung ist eine Art der Wahrnehmung, durch die das Objekt nicht korrekt erfasst wird. Es gibt zwei Arten:
1. Konzeptuelle verzerrte Wahrnehmung – eine Wahrnehmung, die in Bezug auf das begrifflich implizierte Objekt trügerisch ist. Solch ein Objekt existiert auf eine Weise, auf die es kognitiv erfasst wird. Ein Beispiel ist die konzeptuelle Wahrnehmung, die nach der unmöglichen Seele einer Person greift. So etwas, wie die unmögliche Seele einer Person, die dieser Wahrnehmung entspricht und die auf diese Weise, wie sie erfasst wird, existiert, gibt es nicht. Die verzerrte konzeptuelle Wahrnehmung ist trügerisch, da man glaubt, das begrifflich implizierte Objekt, die unmögliche Seele einer Person, würde tatsächlich existieren, wohingegen das ganz und gar nicht der Fall ist.
2. Nichtkonzeptuelle verzerrte Wahrnehmung – eine Wahrnehmung, die in Bezug auf das Objekt, das erfasst wird und ungeachtet dessen deutlich erscheint, trügerisch ist. Ein Beispiel ist die nichtkonzeptuelle visuelle Wahrnehmung von zwei Monden seitens einer Person, die schielt. Betrachtet sie den Mond, erscheinen deutlich zwei Monde, obwohl es in Wirklichkeit keine zwei Monde gibt.
Scheinbare bloße Wahrnehmung oder trügerische Wahrnehmung
Die scheinbare bloße Wahrnehmung oder trügerische Wahrnehmung ist eine Art der Wahrnehmung, die in Bezug auf das erscheinende Objekt trügerisch ist. Sie verwechselt das erscheinende Objekt mit der tatsächlichen objektiven Entität, die das beteiligte Objekt ist. Die verzerrte Wahrnehmung ist auf der anderen Seite hinsichtlich dessen trügerisch, was tatsächlich existiert. Sie verwechselt das erscheinende Objekt mit etwas, das überhaupt nicht existiert.
Sowohl die trügerische als auch die verzerrte Wahrnehmung kann konzeptuell oder nichtkonzeptuell sein.
- Bei einer konzeptuellen Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt eine metaphysische Entität, nämlich eine Kategorie, wie die eines Hundes. Das beteiligte Objekt ist ein tatsächlicher Hund, eine objektive Entität. Konzeptuelle Wahrnehmungen sind insofern trügerisch, da sie eine Kategorie mit dem tatsächlichen beteiligten Objekt verwechseln. Denken wir beispielsweise an einen bestimmten Hund und ordnen ihn der allgemeinen Kategorie von Hunden zu, meinen wir, alle Hunde wären wie dieser Hund. Wenn das, was durch eine Wahrnehmung begrifflich erfasst wird, nicht existiert, ist diese Wahrnehmung nicht nur trügerisch, sondern auch verzerrt. Ein Beispiel besteht darin, die Kategorie von Einhörnern mit echten Einhörnern zu verwechseln. Obwohl wir an Einhörner denken mögen, bezieht sich die Kategorie auf nichts, da es keine echten Einhörner gibt.
- Bei einer nichtkonzeptuellen Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt ein geistiges Hologramm, während das beteiligte Objekt eine tatsächliche objektive Entität ist. Bei einer trügerischen nichtkonzeptuellen Wahrnehmung, wie der einer schielenden Person, die zwei Monde sieht, ist das erscheinende Objekt ein geistiges Hologramm von zwei Monden, während das beteiligte Objekt der eigentliche einzelne Mond ist. Die Wahrnehmung ist nicht nur trügerisch, sondern auch verzerrt, da sie den doppelten Mond mit etwas verwechselt, das es nicht gibt, nämlich mit der tatsächlichen Existenz von zwei Monden.
Es gibt sieben Arten der scheinbaren bloßen Wahrnehmung, von denen die ersten sechs konzeptuell und die letzte nichtkonzeptuell ist:
1. Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas Trügerischem – verzerrte konzeptuelle Wahrnehmungen, die nicht der Tatsache entsprechen, wie die falsche Vorstellung davon, Klang als etwas Beständiges zu betrachten und die scheinbare bloße Wahrnehmung von Objekten, die in den Träumen und Fantasien von gewöhnlichen Menschen auftauchen und die durch die Einbildung mit der Wirklichkeit verwechselt wird. Dazu gehört auch die falsche Annahme von verängstigten Kindern, die meinen, es gäbe ein Monster unter ihrem Bett.
2. Scheinbare bloße Wahrnehmung, etwas oberflächlich zu erkennen – die konzeptuelle Wahrnehmung, bei der wir eine objektive Entität durch eine oberflächliche statische Kategorie wahrnehmen und die Eigenschaften der Kategorie mit denen der objektiven Entität verwechseln. Zum Beispiel denken wir an ein physisches Objekt, wie einen Tisch, oder einen Geisteszustand, wie Traurigkeit, durch die oberflächlichen wahren Kategorien „Tisch“ oder „Traurigkeit“. Da es sich um statische Kategorien handelt, scheint der Tisch solide zu sein und die Traurigkeit scheint anzudauern, ohne sich im Laufe der Zeit zu verändern. Aber im Grunde besteht der Tisch aus Atomen und eine Phase der Traurigkeit verändert sich ständig. Solche Wahrnehmungen sind trügerisch, da sie die Kategorie eines soliden, statischen Objektes mit dem beteiligten Objekt, das aus Atomen oder einer Abfolge sich ändernder Augenblicke besteht, verwechseln. Solche scheinbaren bloßen Wahrnehmungen sind jedoch nicht verzerrt, da es objektiv gesehen Tische gibt, die solide sind, sowie lange Phasen der Traurigkeit.
3. Scheinbare bloße Wahrnehmung bei einer schlussfolgernden Wahrnehmung – die konzeptuelle Wahrnehmung der drei logischen Durchdringungen, die benutzt wird, um die These einer schlussfolgernden Wahrnehmung durch die Kategorien der drei Faktoren von Übereinkunft, Kongruenz und Inkongruenz, die eine Argumentationskette ausmachen, zu beweisen. Zum Beispiel sind die Kategorien der drei Faktoren einer Argumentationskette bei der schlussfolgernden Wahrnehmung, dass der Lärm des Nachbarn vorübergehen wird, weil er von Menschenhand erschaffen wurde, die erscheinenden Objekte. Die beteiligten Objekte sind die logischen Durchdringungen, dass der Lärm des Nachbarn von Menschenhand erschaffen wurde, dass alle von Menschenhand erschaffenen Dinge, wie geschichtliche Ereignisse, vorübergehend sind, und dass nichts Ewiges, wie unser geistiges Kontinuum, von Menschenhand erschaffen wurde. Solch scheinbare bloße Wahrnehmung dieser drei Tatsachen bei dieser schlussfolgernden Wahrnehmung ist trügerisch, da sie die Kategorien der drei Faktoren von Übereinkunft, Kongruenz und Inkongruenz mit der tatsächlichen dreiteiligen Argumentationskette verwechselt.
4. Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas auf eine schlussfolgernde Wahrnehmung Zurückzuführendes – konzeptuelle Wahrnehmung der Schlussfolgerung, die auf die mit einer schlussfolgernden Wahrnehmung wahrgenommenen Argumentationskette zurückzuführen ist. Beispielsweise ist die konzeptuelle scheinbare bloße Wahrnehmung der Schlussfolgerung, die auf dieses unweigerliche Ende des Lärms, den unser Nachbar macht, zurückzuführen ist, am Ende der oben genannten schlussfolgernden Wahrnehmung der drei Faktoren der Argumentationskette trügerisch, weil sie die Kategorie „Vergänglichkeit der von Menschenhand geschaffenen Geräusche“ mit dieser Tatsache verwechselt.
5. Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, an das wir uns erinnern – konzeptuelle Wahrnehmung, bei der wir uns an etwas erinnern, das wir vorher wahrgenommen haben, zum Beispiel das Aussehen unserer Mutter. Hier nehmen wir unsere Mutter konzeptuell durch die Kategorie unserer Mutter und durch ein geistiges Hologramm einer Darstellung ihres Aussehens wahr. Die scheinbare bloße Wahrnehmung unserer Mutter in unserer Erinnerung ist trügerisch, weil sie die Kategorie unserer Mutter mit einem geistigen Hologramm verwechselt, durch das das beteiligte Objekt, unsere tatsächliche Mutter, dargestellt wird.
6. Scheinbare bloße Wahrnehmung von etwas, das wir uns erhoffen – konzeptuelle Wahrnehmung, bei der wir uns etwas vorstellen, das noch nicht stattgefunden hat, wie das fertige Haus, an dem wir bauen. Hier nehmen wir konzeptuell das noch nicht stattfindende fertige Haus durch die Kategorie des bereits fertiggestellten Hauses wahr. Die scheinbare bloße Wahrnehmung des fertigen Hauses, dessen Fertigstellung noch nicht stattgefunden hat, ist trügerisch, da sie die Kategorie des fertigen Hauses mit dem beteiligten Objekt, dem noch nicht stattfindenden fertigen Haus, verwechselt.
7. Scheinbare bloße Wahrnehmung eines verschwommenen Objektes – nichtkonzeptuelle Wahrnehmung von etwas, das in der Wirklichkeit nicht existiert. Wenn wir etwas Verschwommenes sehen, ist die scheinbare bloße Wahrnehmung dessen trügerisch, weil sie das erscheinende Objekt, etwas Verschwommenes, mit dem beteiligten Objekt, einem objektiven Objekt wie einen Tisch, der nicht verschwommen ist, verwechselt. Die Wahrnehmung ist auch verzerrt, weil das Verschwommene in der objektiven Realität nicht existiert.
Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch die Wahrnehmung selbst geschieht oder durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss
Gültige Arten der Wahrnehmung können auch auf andere Weise zweifach unterteilt werden: die Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch die Wahrnehmung selbst geschieht und die Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss.
Die gültige Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch die Wahrnehmung selbst geschieht (selbstbestimmte gültige Wahrnehmung, tib. rang-las nges-kyi tshad-ma) ist eine gültige Wahrnehmung, bei der es offensichtlich ist, was das Objekt ist. Sie muss sich nicht auf eine andere Wahrnehmung stützen, um zu bestimmen, was es ist. Es gibt fünf Arten:
1. Gültige bloße Wahrnehmung durch reflexives Gewahrsein – sie bestimmt selbst, welches das Primärbewusstsein und die Geistesfaktoren sind, die sie wahrnimmt.
2. Gültige yogische bloße Wahrnehmung – sie bestimmt selbst, was grobe oder subtile Unbeständigkeit, oder was das Fehlen eines groben oder subtilen unmöglichen „Ichs“ ist.
3. Gültige schlussfolgernde Wahrnehmung – sie kommt selbst durch eine Kette von Argumenten zu einer Schlussfolgerung.
4. Gültige sinnliche bloße Wahrnehmung von etwas, das seine Funktion erfüllt – sie bestimmt selbst was geschieht.
5. Gültige sinnliche bloße Wahrnehmung von etwas Bekanntem – wenn wir jemanden bemerken, der die Straße entlanggeht und den wir jeden Tag sehen, ist es offensichtlich, dass wir wissen, um wen es sich handelt.
Die gültige Wahrnehmung, bei der die Bestimmung des Objektes durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss (fremdbestimmte gültige Wahrnehmung, tib. gzhan-la nges-kyi tshad-ma) ist eine Wahrnehmung, durch die gültig erkannt wird, dass eine andere Wahrnehmung notwendig ist, um zu bestimmen, was das Objekt ist. Unterteilt man diese Art der Wahrnehmung hinsichtlich der etymologischen Bedeutung des Namens, ergeben sich drei Formen:
1. Gültige sinnliche bloße Wahrnehmung von etwas, die erstmalig stattfindet – wenn wir uns beispielsweise ein neues Gerät, das wir gekauft haben, ansehen und dessen Handhabung nicht offensichtlich ist, können wir gültig erkennen, dass weitere Informationen notwendig sein werden, um dessen Benutzung zu ergründen.
2. Sinnliche bloße Wahrnehmung mit einem unachtsamen Geist – wenn wir beispielsweise völlig in Gedanken an etwas versunken sind und dann hören, wie jemand etwas zu uns sagt, können wir gültig erkennen, dass die Person das Gesagte wiederholen werden muss, damit wir es wirklich verstehen.
3. Sinneswahrnehmung mit einer Ursache der Täuschung – wenn wir beispielsweise ein Schild ohne Brille betrachten und alles verschwommen sehen, können wir gültig erkennen, dass wir die Brille aufsetzen und nochmals hinsehen werden müssen, um zu erkennen, was auf dem Schild steht.
Diese letzten beiden Arten der Wahrnehmung sind nur im etymologischen Sinne gültig, da es sich bei der zweiten um eine unaufmerksame und bei der dritten um eine verzerrte Wahrnehmung handelt.
Es gibt auch drei weitere Variationen:
1. Gültige Wahrnehmung einer Sache, bei der etwas eine Erscheinung ist, wird von der Wahrnehmung selbst herbeigeführt, aber die Bestimmung dessen, was es in Wahrheit ist, muss durch eine andere Wahrnehmung erbracht werden – zum Beispiel können wir mit gültiger sinnlicher bloßer Wahrnehmung etwas Rotes in der Ferne erkennen. Wir erkennen gültig, dass es sich um ein rotes Objekt handelt, aber auch, dass wir näher herangehen und es nochmals in Augenschein nehmen müssen, um zu entscheiden, was es in Wahrheit ist; beispielsweise ein Feuer.
2. Gültige Wahrnehmung, bei der die allgemeine Bestimmung einer Sache durch die Wahrnehmung selbst herbeigeführt wird, jedoch eine genauere Bestimmung durch eine andere Wahrnehmung erbracht werden muss – zum Beispiel sehen wir mit gültiger sinnlicher bloßer Wahrnehmung eine Person in der Ferne. Wir erkennen gültig, dass es sich um eine Person handelt, jedoch auch, dass wir näher herangehen und sie nochmals in Augenschein nehmen müssen, um genau zu bestimmen, wer es ist.
3. Gültige Wahrnehmung, bei der die Entscheidung, ob etwas in Erscheinung getreten ist, durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss – zum Beispiel sind wir uns nicht sicher, ob wir unseren Bus gesehen haben, der an der Ampel stehengeblieben ist, aber wir meinen, ihn gesehen zu haben. Wir erkennen gültig, dass wir nochmals etwas genauer hinsehen müssen, um sagen zu können, ob es tatsächlich unser Bus ist.
Diese letzte Variante ist nur nominal gültig, denn es kann sich genau genommen entweder um eine unentschiedene Wahrnehmung handeln, wenn es unser Bus gewesen ist, oder um eine verzerrte Wahrnehmung, wenn es nicht unser Bus gewesen ist.
Prasangika-Varianten
Im Prasangika-System wird die gültige Wahrnehmung als eine Wahrnehmung definiert, die nicht trügerisch oder, anders ausgedrückt, korrekt und entschieden ist. Diese Definition umfasst nicht, ob etwas „frisch“ ist, da im Prasangika keine Wahrnehmung gemäß der Widerlegung der selbst-begründeten Existenz aus eigener Kraft entsteht. Könnte eine Wahrnehmung aus eigener Kraft entstehen, wäre sie selbst-begründet. Daher geht man in der Prasangika-Schule von keiner nachfolgenden Wahrnehmung aus.
Was man im Sautrantika-System als „bloße Wahrnehmung“ bezeichnet, wird im Prasangika neu definiert. Im Sautrantika definiert man diese gültige Art der Wahrnehmung immer als nichtkonzeptuell: sie erfasst das Objekt ohne eine dazwischenliegende geistige Kategorie. Sie muss frisch sein, da man der Vorsilbe „pra“ des Sanskrit-Wortes „pramana“ für „gültige Wahrnehmung“ die Bedeutung „erster“ oder „neu“ beimisst. Im Prasangika-System assoziiert man „pra“ mit gültig oder korrekt. Auf diese Weise wird diese gültige Art der Wahrnehmung als eine Wahrnehmung neu definiert, deren Erscheinen sich nicht auf eine Kette von Argumenten stützt. Und so ist die bloße Wahrnehmung im Prasangika eine einfache Wahrnehmung. Was im Sautrantika als nachfolgende sinnliche bloße Wahrnehmung betrachtet wird, sieht man im Prasangika als nichtkonzeptuelle einfache Sinneswahrnehmung an, und was man im Sautrantika als nachfolgend yogische bloße Wahrnehmung bezeichnet, wird im Prasangika als nichtkonzeptuelle yogische einfache Wahrnehmung klassifiziert. Und im Sautrantika wird etwas als nachfolgende schlussfolgernde Wahrnehmung betrachtet, was im Prasangika-System als konzeptuelle einfache Wahrnehmung bezeichnet wird, da es sich nicht länger auf eine Argumentationskette stützt.
Geistige einfache Wahrnehmung kann auch konzeptuell sein. Ein Beispiel der konzeptuellen geistigen einfachen Wahrnehmung ist das mühelose Bodhichitta, das in Erscheinung tritt, ohne sich auf eine Argumentationskette zu stützen.
Das Prasangika-System vertritt kein reflexives Gewahrsein. Während die gültige Wahrnehmung explizit die beteiligten Objekte erfasst hat, erfasst sie sich und ihre Gültigkeit indirekt selbst.
Das Prasangika-System, wie es durch Chandrakirtis „Klare Worte“ (Skt. Prasannapada), dem Kommentar zu den „Wurzelversen zum Madhyamaka“ von Nagarjuna repräsentiert wird, vertritt vier gültige Arten der Wahrnehmung:
- gültige einfache Wahrnehmung
- gültige schlussfolgernde Wahrnehmung
- gültige Wahrnehmung auf autoritativer Grundlage – sie entspricht im Sautrantika der auf Überzeugung basierenden schlussfolgernden Wahrnehmung
- gültige Wahrnehmung durch ein vergleichbares Beispiel (tib. nyer-‘jal tshad-ma) – wenn man beispielsweise gültig erkennt, wie man ein Ziel erreicht, indem man sich den Weg auf einer Karte ansieht. Das klassische Beispiel besteht darin zu wissen, was ein Buckelrind ist, indem man es mit einem weißen Bullen vergleicht, der einen Buckel auf dem Rücken und eine verlängerte Wamme unter dem Nacken hat. Sie kann auch als eine Art der schlussfolgernden Wahrnehmung eingestuft werden.
Die sieben Arten der Wahrnehmung der Leerheit
Die sieben Arten der Wahrnehmung beschreiben den Vorgang des Erlangens von nichtkonzeptueller Wahrnehmung der Leerheit. Es ist sehr hilfreich, diese Stufen zu kennen, um den eigenen Fortschritt messen zu können.
Zunächst haben wir, als gewöhnliche Wesen, eine verzerrte Wahrnehmung der Leerheit (Leere). Wir sind uns völlig unbewusst darüber. Unsere Wahrnehmung aller Dinge ist in Bezug auf ihre Art der Existenz verzerrt – wir nehmen alles wahr, als wäre es selbst-begründet. Zudem haben wir eine verzerrte Wahrnehmung der Leerheit, uns fehlt diesbezüglich ein korrektes Verständnis und möglicherweise ist dies gepaart mit einer verzerrten, feindseligen Geisteshaltung ihr gegenüber. Wir meinen, sie würde sich auf ein Nichts beziehen und wäre eine nihilistische Behauptung. Um weitergehen zu können, brauchen wir einen offenen, und keinen abweisenden und feindseligen Geist.
Schließlich hören wir uns einen Vortrag über Leerheit an. Sind wir mit unserem Smartphone beschäftigt, während der Lehrer Erklärungen gibt, wird unser Hören der Leerheit unentschieden sein. Wir werden nicht in der Lage sein, auch nur ein Wort von dem zu behalten, was gesagt wurde. Waren wir mit unserem Geist in Gedanken verloren, hatten wir lediglich eine akustische scheinbare bloße Wahrnehmung der Worte, aber wir werden uns nicht an sie erinnern, da wir nicht aufmerksam gewesen sind.
Haben wir die Worte jedoch tatsächlich mit gültiger bloßer Wahrnehmung gehört und sind uns sicher in Bezug auf das, was wir gehört haben, können wir schließlich, nach einer Phase akustischer nachfolgender und unentschiedener bloßer Wahrnehmung, sowie einem winzigen Moment der geistigen bloßen Wahrnehmung des Klanges des Wortes „Leerheit“, die Leerheit konzeptuell durch die Hörkategorie des Klanges des Wortes „Leerheit“ wahrnehmen (wir denken „Leerheit“). Aber entweder nehmen wir sie nicht ebenfalls durch eine bedeutungsbezogene Kategorie wahr (und haben immer noch keine Ahnung, was sie bedeutet), oder wir nehmen sie konzeptuell durch eine falsche bedeutungsbezogene Kategorie wahr (wir haben eine falsche Vorstellung davon, was sie bedeutet und so ist unsere konzeptuelle Wahrnehmung ungültig).
Daraufhin schwanken wir vielleicht auf unentschlossene Weise, und sind uns nicht sicht, ob Leerheit wahr ist oder nicht. Zunächst wird dieses Schwanken dazu tendieren, sie nicht als wahr zu akzeptieren. Aber dann wird es vielleicht ausgeglichen sein und schließlich dazu neigen, sie als korrekt anzuerkennen. Auf dieser Stufe werden wir gültig erkennen, dass wir uns auf weitere Wahrnehmung stützen werden müssen, um Sicherheit in Bezug darauf zu erlangen, was Leerheit bedeutet. Wir werden mehr darüber lernen und nachdenken müssen. Wenn wir zumindest oberflächlich verstehen, was Leerheit bedeutet, können wir mit unentschlossenem Schwanken konzeptuell, sowohl durch eine Hörkategorie als auch durch eine korrekte bedeutungsbezogene Kategorie, über Leerheit nachdenken.
Als Nächstes würden wir mittels Vermutung über die Leerheit nachdenken – wir vermuten, dass sie wahr ist, aber wir müssen diesbezüglich völlige Überzeugung erlangen. Hier gilt es zu beachten, dass wir auch die Vermutung haben könnten, eine falsche Bedeutung der Leerheit wäre korrekt. Das wäre dann eine verzerrte konzeptuelle Wahrnehmung. Um eine völlige Überzeugung in Bezug auf die korrekte Bedeutung der Leerheit zu erlangen, ist es notwendig zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass auf der Grundlage einer gültigen Kette von Argumenten allem eine selbst-begründete Existenz fehlt. Aber sogar wenn wir die diesbezügliche gültige Argumentationskette kennen, vermuten wir trotzdem nur, dass Leerheit wahr ist, wenn wir von der Argumentation nicht überzeugt sind oder sie nicht wirklich verstehen. Mit gültiger schlussfolgernder Wahrnehmung der Leerheit, verstehen wir die Argumentationskette und sind überzeugt, dass sie einen Beweis dafür liefert, dass Leerheit korrekt ist.
Meditieren wir nun konzeptuell über Leerheit, haben wir anfangs eine gültige schlussfolgernde Wahrnehmung von ihr, wenn unsere Wahrnehmung frisch ist, dann eine nachfolgende schlussfolgernde Wahrnehmung, und schließlich eine unentschiedene schlussfolgernde Wahrnehmung. Unsere Meditation wird jedoch lediglich diese zwei ersten Phasen der schlussfolgernden Wahrnehmung durchlaufen, solange wir uns durch die korrekte bedeutungsbezogene Kategorie auf die Leerheit fokussieren und dies mit Überzeugung tun. Wenn unsere Aufmerksamkeit abschweift oder wir uns lediglich durch Hörkategorien und ohne irgendwelche bedeutungsbezogenen Kategorien auf die Worte konzentrieren, werden wir die Leerheit mit unserer Meditation nicht erfassen. Erlangen wir einen Zustand, in dem wir uns gleichermaßen mit Shamatha und Vipashyana auf die Leerheit richten, wird unsere konzeptuelle Meditation über Leerheit lediglich eine gültige schlussfolgernde und eine nachfolgende schlussfolgernde Wahrnehmung haben.
Gemäß dem Klassifizierungsschema des Prasangika ist unsere nachfolgende schlussfolgernde Wahrnehmung der Leerheit, ob mit oder ohne einem verbundenen Zustand von Shamatha und Vipashyana, eine konzeptuelle einfache Wahrnehmung der Leerheit. Wenn wir keine Ketten von Argumenten mehr durchgehen müssen, um eine korrekte konzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit hervorzubringen, wird sogar der erste Moment der konzeptuellen Wahrnehmung der Leerheit eine konzeptuelle einfache Wahrnehmung der Leerheit sein.
Erlangen wir schließlich die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit, wäre das, gemäß der Klassifizierung des Sautrantika-Systems, eine yogische bloße Wahrnehmung der Leerheit (obwohl man im Sautrantika natürlich keine Leerheit vertritt). Das Prasangika-System würde sie als nichtkonzeptuelle yogische einfache Wahrnehmung einstufen.
Sind wir bei all dem in der Lage, uns bewusst darüber zu sein, über Leerheit zu meditieren, würde man dies im Sautrantika als Arbeit der gültigen und nachfolgenden bloßen Wahrnehmung des reflexiven Gewahrseins bezeichnen, die unsere Wahrnehmung begleitet. Im Prasangika-System würde man sagen, wir hätten indirekt verstanden, dass die Wahrnehmung stattgefunden hat und gültig war, wenn wir Leerheit mit schlussfolgernder, konzeptueller oder nichtkonzeptueller einfacher Wahrnehmung erfasst haben. In beiden Fällen erinnern wir uns an die Meditation über Leerheit mit trügerischer, konzeptueller scheinbarer bloßer Wahrnehmung durch die bedeutungsbezogene Kategorie „Meditation über Leerheit“.
Auf diese Weise werden wir Zuversicht in Bezug auf den Stufenpfad entwickeln, wenn wir erkennen, auf welcher Stufe sich unser gegenwärtiges Verständnis der Leerheit befindet und wissen, welche Stufen darauf folgen müssen, um eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit zu erlangen.