Das Reich der frühen tibetischen Könige

Die frühen Yarlung-Könige

Den traditionellen Darstellungen zufolge stammte der erste König der zentraltibetischen Yarlung-Dynastie (tib. Yar-klungs) aus dem nordindischen Reich von Magadha. Sein Name war Nyatri Tsenpo (tib. gNya’-khri btsan-po) und es wurde angenommen, dass er vom Himmel herabgestiegen sei. Der tibetische Kalender beginnt mit seinen „tibetischen königlichen Jahre” (tib. bod rgyal-lo) ab diesem Datum, 127 v.u.Z. Von ihm und den nächsten sechs Königen wurde gesagt, sie seien nach ihrem Tod mittels eines „Himmelsseils“ in den Himmel zurückgekehrt, da sie nicht in Gräbern bestattet wurden. Ab dem achten Yarlung-König Drigum Tsenpo (tib. Gri-gum btsan-po) gibt es allerdings Gräber. Daher beginnt in einem gewissen Sinne hiermit die tibetische Geschichte.

Drigum Tsenpos Nachfolger Chatri Tsenpo (tib. Bya-khri btsan-po), der auch Pudekungyal (tib. Pu-de kun-rgyal or Pu-de gung-rgyal) genannt wurde, war der neunte dieser königlichen Erbfolglinie und ein Zeitgenosse des Han-chinesischen Kaisers Han Wudi (140 – 85 v.u.Z.). Pudekungyal brachte Tibet großen materiellen Fortschritt. Er ist bekannt dafür, dass er Kanäle und Brücken bauen ließ. Unter ihm wurden in Tibet Eisen- und Kupfererz entdeckt.

Achtzehn Königsgenerationen später erhielt der achtundzwanzigste Yarlung-König, Lhatotori Nyentsen (tib. Lha-tho-tho-ri gNyan-btsan) (geboren 173 u.Z.) einen Korb voller buddhistische Schriften aus Indien, die auf Sanskrit verfasst waren. Sie waren als „Das schwierige Mysterium“ (tib. gNyan-po gsang-ba) bekannt. Nach anderen traditionellen Quellen viel ein Korb vom Himmel. Er enthielt das Sanskrit-Sutra namens Sutra über die Anordnung wie ein geflochtener Korb“(tib. Za-ma-tog bkod-pa’i mdo, Skt. Karandavyuha Sutra), welches die altruistischen Taten der Buddha-Figur des Mitgefühls, Avalokiteshvara, beschreibt. Der Korb enthielt auch das sechssilbige Mantra von Avalokiteshvara, den Text Das Sutra des Siegels zum Befreien und zur Wiederherstellung“ (tib. Spang-skong phyag-rgya-pa’i mdo) mit Methoden zum Zähmen von Nagas – Wesen, die halb Menschen, halb Schlangen sind – und eine goldene Reliquienstupa. Die Bezeichnung „Das schwierige Mysterium“ bezieht sich auf alle vier Gegenstände in dem Korb. Dies geschah 233 u.Z. Um sich an dieses wichtige Ereignis zu erinnern, werden tibetische Geldscheine mit der Anzahl der seither verflossenen Jahre datiert.

Einige sind der Ansicht, dass die Sanskrit-Texte aus Litisi (tib. Li-thi-si) kamen, und von dem tocharischen Übersetzer Buddhirakshita (tib. Tho-gar-gyi Lo-tsa-ba Blo-sems ‘tsho), der vorhersagte, dass die Tibeter vier Generationen später in der Lage sein würden, sie zu lesen. Tocharien (tib. Tho-gar) war ein buddhistisches Königreich an der Seidenstraße, dessen Zentrum in Kucha und Turfan lag, am nördlichen Rand des Tarim-Beckens in der heutigen chinesischen Provinz Xinjiang, nördlich von Tibet. Die Tocharer waren ein indogermanisches Volk, welches ursprünglich aus dem römischen Reich in dieses Gebiet kam. Sie übernahmen den Buddhismus aus Indien und spielten eine wichtige Rolle bei der Übersetzung seiner Texte ins Chinesische und Alttürkische.

Es wird daher angenommen, dass der zweiunddreißigste König von Yarlung, Tri Desongtsen (tib. Khri lde-srong-btsan), der bekannter als Songtsen Gampo (tib. Srong-btsan sgam-po) ist, nur vier Generationen nach Lhatotori Nyentsen den Thron bestieg. Songtsen Gampo, wurde allerdings 617 geboren, was implizieren würde, dass die drei dazwischenliegenden Könige enorm lang lebten. Daher datieren andere traditionelle tibetische Quellen Lhatotori Nyentsen anders, beispielsweise von 254 bis 373 oder von 374 bis 493. Demnach hätte er die Texte entweder 333 oder 468 erhalten. Ein Jahr nach Songtsen Gampos Geburt, im Jahr 618, wurde in China die Tang-Dynastie (618 – 907) durch Tang Gaozu (er regierte 618 – 627) gegründet.

Kaiser Songtsen Gampo

Songtsen Gampo bestieg im Alter von dreizehn Jahren den Thron. Um sich mit Nepal zu verbünden, sandte er einen Minister dorthin, um eine Hochzeit mir der Prinzessin Bhrikuti Devi (tib. Lha-mo Khro-gnyer-can-ma) zu arrangieren. Als sie nach Tibet kam, brachte sie eine Statue der Buddha-Figur Akshobhya.

Es ist unklar, wann Songtsen Gampo seinen Minister Thonmi Sambhota (tib. Thon-mi Sambhota) entsandte, um Sanskrit zu lernen. Man weiß allerdings, dass er in Kaschmir unter den Lehrern Lipikara (tib. Li-byin) und Devavidyasimha (tib. Lha rig-pa’i seng-ge) studierte. Als Thonmi Sambhota nach Tibet zurückkehrte, entwickelte er eine Schrift für die tibetische Sprache, wobei er sich auf die indischen Schriften Brahmi und Gupta stützte. Dann übersetzte er die Texte des Schwierigen Mysteriums“ins Tibetische.

Nach A. F. Rudolf Hoernle (Manuscript Remains of Buddhist Literature Found in Eastern Turkistan) wurde die tibetische Schrift vor allem auf der Grundlage der khotanesischen Anpassung an die indische aufrechte Gupta-Schrift entwickelt. Er kommt zu diesem Schluss, da die tibetische und die khotanesische Schrift in ähnlicher Weise die anfänglichen und langen Vokale anzeigen und die Vokale in ähnlicher Weise in ihren Alphabeten anordnen. Die Weise, in der sie dies tun, unterscheidet sich um Einiges von den meisten anderen aus Indien stammenden Schriften.

Khotan (tib. Li-yul) war ein buddhistisches Reich an der Seidenstraße am südwestlichen Rand des Tarim-Beckens, genau nördlich von Westtibet. Seine Bevölkerung war iranischer Abstammung und seine Form von Buddhismus kam aus Indien. Eine Handelsroute ging von Khotan über Kaschmir nach Tibet. Daher hat A. H. Francke den Standpunt vertreten, es sei nicht unvernünftig anzunehmen, dass Thonmi Sambhota in Kaschmir bei einen khotanesischen Lehrer studierte (“The Tibetan Alphabet,” Epigraphia India, vol. 11).

„Li-byin,“ der tibetische Name für den Lehrer Lipikara, bedeutet übersetzt „ Schriftmacher“ oder „Schriftgeber.“ Traditionell wird von ihm gesagt, er sei ein südindischer Brahmane gewesen. Die erste Silbe seines tibetischen Namens könnte allerdings auf diesen khotanesischen Ursprung hinweisen, da „Li“ der tibetische Name für „Khotan“ ist. Somit könnte „ Li-byin“ „der (Schrift)-Geber aus Khotan“ bedeuten. Doch „Li“ könnte auch die Transliteration der ersten Silbe von „Lipikara“ sein, da die tibetische Sprache zu dieser Zeit noch kein eigenes Wort für „Schrift“ besaß.

In dem Buch Necklace of Gzi“ vertritt Namkhai Norbu den Standpunkt, dass sich die Buchstabenform der tibetischen Schrift von einem älteren Alphabet aus Zhang-Zhung ableitete, das “Maryig” (tib. smar-yig) hieß und letztendlich auch aus einer indischen Schrift entstanden war. Zhang-Zhung (tib. Zhang-zhung) war ein Königreich in Ngari (tib. mNga-‘ris), in Westtibet, das vor Songtsen-Gampo bestand und die Heimat der einheimischen tibetischen Bön-Religion war. Das Reich hatte vor dem ersten Yarlung-Herrscher, Nyatri Tsenpo, schon achtzehn Könige gehabt. Um nach Kaschmir zu kommen, musste Thonmi Sambhota Zhang-Zhung durchqueren. „Li“ ist auch der Name eines Distrikts von Zhang-Zhung und war ein Teil des Namens der Königsfamilie von Zhang-Zhung. So könnte „Li-byin“ auch „der (Schrift)-Geber der Königsfamilie von Zhang-Zhung“ bedeuten. Am wahrscheinlichsten ist, dass die tibetische Schrift von allen drei Quellen beeinflusst wurde: von Indien, Khotan und Zhang-Zhung.

Songtsen Gampo wollte nun mit China eine ähnliche Allianz eingehen, indem er um die Hand von Prinzessin Wencheng (tib.: Win-chang Kong-jo, Wun-shing Kong-jo), der Tochter des Tang-Kaisers Taizong (regierte 627 – 650) bat. Die Vereinbarung wurde allerdings verzögert, da Thokiki (tib. Tho-ki-ki), der Herrscher des Königreichs von Tuyuhun (tib. Thu-lu-hun,‘A-zha) in der Kokonor-Region des nördlichen Amdos, in der heutigen chinesischen Provinz Qinghai, die Prinzessin ebenfalls heiraten wollte. Die Tuyuhun hatten diese Region seit dem Anfang des vierten Jahrhunderts beherrscht.

Songtsen Gampo wollte ein großes Reich über Zentraltibet hinaus errichten, erst im Norden und dann im Osten. Eine lange Kriegsperiode folgte. Songtsen Gampo unterwarf die Stämme der Qiang (tib. Cang), Bailan (tib. sBa’i-lang) und Dangxian (tib. Thang-shang). Songtsen Gampo beherrschte nun ein weit größeres Reich. Nun war der tibetische Kaiser Songtsen Gampo der Herrscher eines vile größeren reiches und bat den chinesischen Kaiser Taizong erneut um die Hand der Prinzessin. Als man ihm diese verweigerte, griff Songtsen Gampo die chinesische Grenzprovinz Songzhou in der heutigen Sechuan-Provinz an. Schließlich bekam er die chinesische Prinzessin 641 zur Frau. Sie brachte eine andere Buddha-Statue mit nach Tibet.

Der tibetische Kaiser baute zwei Tempel in der Stadt Rasa (tib. Ra-sa), die später Lhasa (tib. Lha-sa) heißen sollte. Die Tempel beinhalteten die beiden Buddha-Statuen, die seine nepalesische und chinesische Frau mitgebracht hatten. Ramoche Tsuglagkang (tib. Ra-mo-che tsug-lag-khang) wurde für die nepalesische Statue gebaut und Rasa Trulnang Tsuglagkang (tib. Ra-sa ‘phrul-snang tsug-lag-khang), der später Jokang (tib. Jo-khang) genannt wurde, für die chinesische. Aus Sicherheitsgründen wurden die beiden Statuen in der nächsten Generationen gegen einander ausgetauscht.

In dieser Periode dehnte Songtsen Gampo das tibetische Reich weiter aus: nach einigen Teilen Nordbirmas Nord-Myanmar und 640 auch nach Nepal. Dies war der Ursprung der tibetischen Familienklans in Nepal: die Tsang (tib. gTsang), Lama (tib. Bla-ma), Sherpa (tib. Shar-pa), und Tamang (tib. rTa-mang). 643 vergrößerte sich das tibetische Reich noch mehr als Legmi (tib. Legs-mi) der auf Tibetisch unter dem Namen Li Migkya (tib. Li Mig-rkya, Zhang-zhung: Lig-myi-rhya) bekannter ist, der letzte Herrscher von Zhang-Zhung, sich unterwarf und Zhang-Zhung ein Vassallenstaat wurde.

Namkhai Norbu (Necklace of Gzi) zitiert traditionelle tibetische Quellen und berichtet, dass die Beziehungen zwischen Songtsen Gampo und Zhang-Zhung ursprünglich friedlich waren. Tatsächlich war die erste Frau des tibetischen Herrschers Li Tigmen (tib. Li Thig-dman), die Tochter König Li Migkyas. Im Tausch wurde Songtsen Gampos Schwester die Frau des Königs von Zhang Zhung. Die Prinzessin aus Zhang-Zhung brachte zahlreiche Aspekte der Bön-Kultur an den Hof von Yarlung. Doch 643 attackierte und eroberte Songtsen Gampo Zhang-Zhung und ließ König Li Migkya töten.

Indem er die guten Beziehungen zwischen Tibet und China ausnutzte sandte Songtsen 645 ein Ersuchen an den Tang-Kaiser und baute darauf einen Tempel auf dem Wutai Shan (tib. Ri-bo rtse-lnga), dem fünf-gipfeligen heiligen Berg der Buddha-Figur Manjushri in der heutigen Shanxi-Provinz.

648 schickte der chinesische Kaiser Taizong eine freundschaftliche Gesandtschaft an den indischen Kaiser Harsha (regierte 606 – 647). Als die Gesandtschaft ankam, war Harsha bereits gestorben. Sein Nachfolger war sein Minister Arjuna. Dieser war intolerant gegenüber dem Buddhismus. Dementsprechend ließ er den größten Teil der chinesischen Gesandtschaft töten. Die Überlebenden flohen nach Nepal und suchten dort nach tibetischer Hilfe. Daraufhin griffen die tibetischen Armeen an und besiegten Arjuna in Bihar. Diese Niederlage wird allerdings in indischen Geschichtswerken nicht verzeichnet. Songtsen Gampo starb kurz darauf im Jahr 649.

Kaiser Mangsong Mangtsen

Der nächste tibetische Kaiser war Mangsong Mangtsen (tib. Mang-srong mang-btsan, r. 649 – 676). Unter der Führung seines Ministers, Gar Tongtsen-yulsung (tib. mGar sTong-btsan yul-srung, d. 667), eroberten die tibetischen Armeen in mehreren langen Feldzügen zwischen 655 und 666 das Reich der Tuyuhun. Als diese 672 endgütlig geschlagen wurden siedelten sich Tuyuhun-Flüchtlinge unter dem Schutz der chinesischen Tang in der Liangzhou-Region der heutigen südlichen Gansu-Provinz an.

Die tibetischen Armeen gingen nun dazu über, durch den Gansu-Korridor vorzustoßen und China die wichtigsten Städte an der Seidenstraße zu entreißen. 668 bauten sie eine militärische Festung in Drimakol (tib. Dri-ma ‘khol) am Ostrand des Tarim-Beckens. Im nächsten Jahr, 669, schworen zahlreiche osttürkische Anführer der Region dem tibetischen Kaiser die Treue. Dies geschah in der Periode zwischen dem Sturz des ersten osttürkischen Reiches (552 – 630) und der Gründung des zweiten osttürkischen Reiches (682 – 744).

Bis 670 eroberten die tibetischen Truppen alle vier Garnisonen des Tarim-Beckens (tib. An-shi’i dmag-dpung bzhi-po). Die vier Garnisonen von Anxi befanden sich in den Hauptstädten der Oasenstaaten von Kucha (Kuqa), Khotan (Hotan), Kaschgar (Kashgar) und Karashahr (Karaxahr, auch als Agni bekannt), nahe am westlichen Ende des Tarim-Beckens, in der heutigen Provinz Xinjiang. Tang-China hatte die dortigen Militärgarnisonen zwischen 648 und 658 gebaut.

Die tibetischen und chinesischen Armeen bekämpften sich in dieser Periode. Die Tang-Dynastie erlebte die schlimmste Niederlage seiner Geschichte in Dafeichuan (tib. rDa-san-can) südlich des Kokonor-Sees im heutigen Qinghai, als 200.000 tibetische Soldaten die 100.000-Mann starke Truppe des Tang-Generals Xue Rengui vernichteten. Die Tibeter plünderten zahlreiche Tang-Städte in Gansu, doch die Kämpfe waren nicht entscheidend und die Tibeter konnten nicht das gesamte Gebiet erobern.

Kaiser Tri Dusong Mangje

Kaiser Mangsong Mangtsen starb 676. Ihm folgte ein Kind auf den Kaiserthron: Tri Dusong-Mangje (tib. Khri ‘Dus-srong mang-rje, herrschte 677 – 704). Solange der Kaiser die Volljährigkeit nicht erreicht hatte lag große Macht in den Händen des Gar-Klanes, die unter Mangsong-Mangtsen Minister gewesen und nun Regenten waren. Unter ihrer Führung kämpften die tibetischen Armeen weiter gegen die Tang-Chinesen.

Tri Dusong-Mangje starb 704 in Nanzhao (Nan Chao) in der heutigen chinesischen Provinz Yünnan. Eines der Bai-Völker, bei denen sich um proto-thai Völker handelte, hatten hier 649 ein kleines Königreich gegründet. Die tibetischen Armeen eroberten es 680. Doch dann wurde das Königreich 703 zu einem Lehnsherrenstaat unter tibetischer Oberhoheit. Es vereinte sich mit mehreren anderen kleinen Bai-Reichen der Region und wurde so zu einem wirklichen Königreich mit dem Namen „Nanzhao“ (737 – 902). Dieses Gebiet lag auf der Handelsroute zwischen Indien und China, die durch das nördliche Birma verlief. Vor der Ankunft der Tibeter gab es hier sowohl den Theravada als auch Frühformen des chinesischen Mahayanas. Nach Ansicht der buddhistischen Tradition ging der Theravada in dieser Region auf drei Söhnen von König Ashoka (regierte 273 – 232 v.u.Z.) von der indischen Maurya-Dynastie, zurück.

Kaiser Me Agtsom

Kaiser Tri Detsugten (tib. Khri lDe-gtsug-brtan) ist auch als Me Agtsom (tib. Mes ag-tshoms) bekannt. Er war sieben Jahre alt, als er seinem Vater Tri Dusong Mangje auf den tibetischen Kaiserthron folgte. Bis er das Erwachsenenalter erreicht herrschte seine Großmutter, die Kaiserinwitwe Trima Lo (tib. Khri-ma Lod), als seine Regentin (regierte 704 – 712). Während seiner Herrschaft (712 – 755) baute Me Agtsom drei Tempel südlich von Lhasa. Andere traditionelle tibetische Quellen sagen, er habe insgesamt fünf buddhistische Tempel gebaut.

710 wurde eine chinesische Prinzessin namens Jincheng (tib. Kim-sheng) die Adoptivtochter des Tang-Kaisers Zhongzong (regierte 705 – 710) Me Agtsom als Braut gegeben. Dies geschah auf die Bitte von Trima Lo, welcher der Tang-Kaiser stattgab, in der Hoffnung, die Spannungen zwischen Tibet und China zu beruhigen. Doch dieses Ziel wurde nicht erreicht. Jincheng war in Tibet unglücklich. Sie fühlte sich einsam und wurde von den anderen Frauen Me Agtsoms mit Eifersucht betrachtet. Jincheng war tief buddhistisch; 737 gewährte sie den vor einer antibuddhistischen Verfolgung in Khotan fliehenden buddhistischen Mönchen Asyl.

719 verstärkte der chinesische Kaiser Xuanzong (er regierte 713 – 756) die militärischen Bemühungen, um das Vorankommen der Tibeter und Araber zu stoppen. Zu verschiedenen Zeiten vor und in dieser Periode verbündete sich Tibet mit dem nahegelegenen arabischen Umayyaden-Kalifat (661 - 750) und trieb Handel mit ihm. 717 zum Beispiel vereinten die Tibeter und Araber ihre Kräfte, um die Chinesen in Kucha zu bekämpfen. Das Umayyaden-Reich mit seiner Hauptstadt Damaskus umfasste fast den gesamten Mittleren Osten und einen Teil Westturkestans.

730 unterzeichneten Tibet und China allerdings ein Friedensabkommen, das die Grenze zwischen beiden Reichen östlich des Kokonor-Sees festlegte. Der Frieden hielt zehn Jahre, während denen Gesandte regelmäßig zwischen den beiden Hauptstädten Lhasa und Chang’an (dem heutigen Xi’an) hin- und herreisten. Im Jahr 740 gingen die Tang-Streitkräfte allerdings zum Angriff über. Sie errangen die Kontrolle über vitale Gebiete an der chinesisch-tibetischen Grenze.

741 schickte Tibet Gesandte nach China um den Tod von Prinzessin Jincheng mitzuteilen und um Frieden zu bitten, aber China verweigerte dies. Tibet schickte eine Armee in die von China okkupierten Gebiete und eroberte mehrere Grenzstädte zurück in den heutigen Qinghai- und Sechuan-Provinzen. Doch 747, vertrieben die Chinesen unter dem Kommando des koreanischen Generals Gao Xianzhi die Tibeter aus dieser Region.

Trotz dieser Kämpfe schickte Me Agtsom 751 eine weitere Gesandtschaft an den Tang-Hof um mehr über den han-chinesischen Buddhismus zu erfahren. 751 war auch das Jahr, in dem das neugegründete arabische Kalifat der Abbasiden (750 – 1258), welches das umayyadische ersetzte, die tang-chinesischen Truppen am Talas-Fluss besiegte, was die chinesische Expansion nach Westturkestan stoppte.

755 wurde Me Agtsom von zwei Ministern ermordet die zu einer konservativen, fremdenfeindlichen Bön-Fraktion am tibetischen Hof gehörten. Diese Fraktion stellte sich gegen das Interesse des Kaisers am Buddhismus und gegen seine anhaltend versöhnliche Haltung China gegenüber. Im selben Jahr begann in China die An-Lushan-Rebellion (755 – 763), welche die Tang-Dynastie zeitweilig stürzte.

Me Agtsoms junger Sohn Tri Songdetsen (tib. Khri Srong-lde-btsan, 742 – 798) wurde der nächste Kaiser Tibets.

Kaiser Tri Songdetsen

Tri Songdetsen (Trisong Detsen) war auch ein Anhänger des Buddhismus. Damit standen ihm zahlreiche konservative, xenophobische Minister feindlich gegenüber, welche die Bön-Religion vorzogen. Im Jahr 761 sandte der Kaiser seinen Minister Selnang (tib. gSal-snang) nach Nepal und nach Indien um den indischen Meister Shantarakshita einzuladen. Dieser war der Abt des Nalanda-Klosters, des berühmtesten buddhistischen Studienzentrums von Nordindien. Die Ankunft und Lehrtätigkeit des indischen Meisters in Tibet soll den einheimischen Geistern des Bön missfallen haben, was zu zahlreichen Stürmen und Überschwemmungen führte. Anderen Quelle zufolge brach auch eine Pockenepidemie aus. Der Kaiser stand von Seiten seiner fremdenfeindlichen pro-Bön-Minister unter Druck und daher wurde Shantarakshita zum Verantwortlichen für die Desaster erklärt und aus Tibet verwiesen. Doch bevor er nach Indien zurückkehrte empfahl Shantarakshita dem Kaiser, den machtvollen buddhistischen Meister Padmasambhava von Oddiyana im heutigen Swat-Tal im nordwestlichen Pakistan einzuladen, um die Bön-Geister zu unterwerfen. Tri Songdetsen folgte diesem Rat und lud auch Shantarakshita ein, zurückzukehren. Wieder führte Selnang die tibetische Gesandtschaft an, um den indischen Meister zu begleiten.

Kaiser Tri Songdetsen baute das erste Kloster in Tibet. Den meisten Quellen zufolge wurde es von 766 bis 775 gebaut. Das Kloster hieß Samye (tib. bSam-yas) und entsprach dem Vorbild von Odantapuri dem neuen indischen Kloster, welches einige Jahre früher gesponsert von Kaiser Gopala (regierte 750 – 770), dem Begründer der indischen Pala-Dynastie, gebaut wurde.

Vor der Fertigstellung von Samye verließ Padmasambhava Tibet. Bevor er dies tat versteckte er allerdings verschiedene Texte über das fortgeschrittene System von Meditationspraktiken namens „Dzogchen (tib. rdzogs-chen)“ in dem Mauern des Klosters. Padmasambhava war der Meinung, dass die Tibeter noch nicht gebildet genug und reif genug seien, um sie verstehen zu können. Daher wurden sie als „Schatztexte” (tib. gter-ma) versteckt, damit sie später wiederentdeckt werden könnten, wenn die Tibeter bereit wären, sie zu verstehen und korrekt zu praktizieren.

Nach Aussage einiger tibetischer Quellen unternahm Kaiser Tri Songdetsen einen Feldzug gegen die Bhata Hor (tib. Bha-ta Hor). Dieses Volk lebte in der Baikal-Region und der Feldzug zielte darauf, den Schutzherren Pehar (tib. Pe-har) nach Tibet zu bringen. Bhata Hor war die Bezeichnung für die uighurischen Türken des orkhon-uighurischen Reiches (745 – 840). Dieses Reich umschloss die Mongolei und die Region des Baikalsees in Südsibirien nördlich der Mongolei. Pehar (tib. Pe-har) bezeichnet eine Gruppe von fünf Schutzgeistern, die als die Fünf Körperlich Manifesten Könige (tib. rGyal-po sKu-lnga) bekannt sind, oder aber bloß auf einen von ihnen, den König des Erleuchtenden Einflusses(tib. ‘Phrin-las rgyal-po). Mit seinen besonderen Kräften sah Padmasambhava voraus, dass Pehar der passende Schutzherr für Tibet sein würde. Die Bhata Hor besaßen eine Raksha-Dämonen-Hautmaske, eine Statue der weiblichen Buddha-Figur Tara aus Türkis und eine Statue der männlichen Budda-Figur Avalokiteshvara aus Perlmut. Diese drei Objekte waren die physikalische Basis und der Locus zum Heraufbeschwören von Pehar. Nach anderen tibetischen Quellen war es Tri Songdetsens Sohn und Nachfolger, Kaiser Mune Tsenpo (tib. Mu-ne btsan-po) (er regierte 797 – 800), der die Expedition zu den Bhata Hor schickte. Die Tibeter nahmen diese drei Objekte, brachten sie nach Tibet und installierten sie in Samye.

Padmasambhava zähmte Pehar und band ihn mit einem Eid, Tibet zu beschützen. Samye wurde später als Nechen (tib. gNas-chen), der Große Ort, bekannt. Zur Zeit des Dritten Dalai Lamas, Sönam-Gyatso (tib. rGyal-ba bSod-nams rgya-mtsho) (1543-1588), begann Pehar als Orakel zu wirken, dass durch ein Medium sprach. Der Fünfte Dalai Lama, Ngawang-Lozang-Gyatso (tib. rGyal-dbang lnga-pa chen-po Ngag-dbang blo-bzang rgya-mtsho) (1617-1682) ernannte Pehar zum Staatsorakel der neugegründeten tibetischen Regierung. Er ließ dem Orakel ein neues Kloster als Wohnsitz bauen, welches Nechung (tib. gNas-chung), der Kleine Ort, hieß. Das Kloster für Pehar wurde 1683 fertig gestellt und Pehar wurde darauf unter dem Namen „Nechung-Orakel“ bekannt.

Samye wurde anfangs von den ersten sieben tibetisch-stämmigen Mönchen bewohnt. Sie eröffneten dort eine Schule für Sanskrit und Übersetzen. Die Mönchsordination wurde ihnen von Shantarakshita und seinen indischen Schülern verliehen, die ihn nach Tibet begleitet hatten. Die Gelehrten in Samye übersetzten nicht nur buddhistische Texte aus dem Sanskrit, sondern auch aus dem Chinesischen ins Tibetisch. Andere übersezten Bön-Texte aus der Sprache von Zhang-Zhung ins Tibetische.

Shantarakshita starb 783 in Samye. Im selben Jahr gründete Kaiser Tri Songdetsen einen religiösen Rat, um über alle religiöse Fragen zu entscheiden. Er ernannte Selnang (tib. gSal-snang), der als Abt von Samye die Nachfolge Shantarakshitas angetreten hatte, zum leitenden Minister des Rates. Selnang leitete in Tibet die Pro-Indien-Fraktion. Um die Richtung, in die sich Tibet entwickeln sollte sicher beeinflussen zu können, beeinflusste er den Kaiser, so dass der Rat die Macht erhielt, sich über die Entscheidungen anderer Minister hinwegzusetzen.

784 war eine der ersten Entscheidungen des Rates, die konservative fremdenfeindliche Bön-Fraktion am Kaiserhof nach Gilgit (im heutigen nördlichen Pakistan) und Nanzhao zu verbannen. Wie Padmasambhava versteckte der Bön-Meister Drenpa Namka (tib. Dran-pa nam-mkha’) verschiedene Bön-Texte über alle Themen in den Lehmmauern von Samye um sie zu schützen.

Die Debatte von Samye

Vor seinem Tod sagte Shantarakshita einen Konflikt zwischen zwei buddhistischen Schulen voraus: der chinesischen Chan-Schule, welche die plötzliche Erleuchtung durch das Beenden aller Gedanken und Aktivitäten lehrte und Shantarakshitas eigener indischen Schule des graduellen Pfades von Studium, Analyse und ethischer Selbstdisziplin. Er empfahl seinen Schüler Kamalashila als Vertreter für das indische System einzuladen. Von 792 bis 794 kam es zu einer langen Debatte zwischen den beiden Schulen. Das chinesische System wurde von einem chinesischen Mönch namens „Hoshang“ (tib. Ho-shang Ma-ha-ya-na) hoshang ist das chinesische Wort für „Mönch“ vertreten und das indische System von Kamalashila. Dem indischen System wurde der Sieg zugesprochen und Kaiser Tri Songdetsen erklärte es daher zur offiziellen Religion Tibets.

Das Ergebnis der Debatte kann auch durch politische Ereignisse beeinflusst worden sein, da es in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts zu ständigen Grenzkonflikten zwischen China und Tibet kam. Hugh Richardson (“Political Aspects of the Snga-dar, the First Diffusion of Buddhismus in Tibet,” Bulletin of the Department of Sanskrit and Indian Studies, Harvard University, Band 2, no. 3) nennt als Hinweis auf den politischen Kampf im Hintergrund der Debatte, dass Mönche der rivalisierenden Adelsfamilien, die für China bzw. gegen China waren, während der ganzen Debatte anwesend waren.

763 zwischen Shantarakshitas Verlassen von Tibet und seiner Rückkehr einige Jahre später hatte die tibetische Armee sogar die Hauptstadt der Tang, Chang’an eingenommen und fünfzehn Tage lang besetzt, bevor sie zum Rückzug gezwungen wurde. Hierzu kam es in der Zeit zwischen der chinesischen Niederwerfung der An Lushan-Rebellion und der Wiederkehr des neuen Tang-Kaisers, Daizong, aus Luoyang nach Chang’a n.

Die Kämpfe zwischen den Tibetern und den Chinesen gingen allerdings weiter. 781 eroberten die tibetischen Truppen Dunhuang (tib. Tun-hvang) am östlichen Ende des Tarim-Beckens. Der dortige große Höhlenkloster-Komplex wurde zu einem Zentrum für die Übersetzung buddhistischer Texte aus dem Chinesischen ins Tibetische. Sowohl Dzogchen als auch eine tibetische Form von Chan (Jap. Zen)-Buddhismus blühten hier.

Das Friedensabkommen von Qingshui (tib. Cing-co) im Jahr 783, dem Todesjahr von Shantarakshita setzte die chinesisch-tibetische Grenze in Amdo fest dem heutigen Qinghai. Tibet erhielt somit die Kontrolle der Kokonor-Gebiete. Der Frieden zwischen den beiden Reichen hielt aber nur drei Jahre. 786 brach erneut der Krieg in diesem Regionen aus, sechs Jahre vor der Debatte von Samye.

Die sino-tibetischen Konflikte beschränkten sich nicht auf die Amdo-Grenzregionen und die Gebiete der Seidenstraße. Tibet ging unter Kaiser Tri Songdetsen verschiedene Militärallianzen ein, besonders mit König Kolofeng (tib. Ka-lo-phing), dem Sohn von König Pilaoko von Siam (tib. Sa’em rGyal-po sPe-le-ko). Köngig Pilaoko (er regierte 728 – 750) war der Herrscher von Nanzhou, dem proto-thailändischen Königreich in Yünnan, das er 730 aus verschiedenen Bai-Staaten zusammengeschweißt hatte. Pilaoko hatte die Oberherrschaft der Tang-Chinesen 735 akzeptiert und 745 nahegelegene tibetische Gebiete attackiert. Doch sein Sohn und Nachfolger, König Kolofeng (er regierte 750 – 779), rebellierte gegen China und verbündete sich 750 mit Tibet. 778 kämpften Tibet und Nanzhao in Sechuan gemeinsam gegen die Chinesen. Dieses Bündnis hielt bis 786, als der nächste Herrscher von Nanzhao, König Imoshun (er regierte 779 – 808) sich wieder mit China verbündete und erneut der Krieg zwischen China und Tibet ausbrach. Auf diese Weise bekämpften sich die beiden Länder diesmal auf zwei Fronten. Das Königreich von Nanzhao bestand bis 902.

790 zwei Jahre vor der Debatte von Samye eroberte Tibet die vier Garnisonen von Anxi zurück, die 692 an die chinesische Kaiserin Wu (Rengentschaft 684 – 705) verloren gegangen waren. Indem sie sich als Maitreya, der zukünftige Buddha, ausgab, führte Kaiserin Wu einen Staatsstreich, der die Tang-Dynastie zeitweise stürzte. Genauer gesagt eroberte Tibet 790 Khotan zurück und brachte somit das gesamte südliche Tarim-Becken entlang der Südenstraße unter seine Kontrolle. Obwohl Tibet zu dieser Zeit auch Kaschgar kontrollierte, beherrschte es nicht die zwei anderen Anxi-Garnisonen.

Von 785 bis 805 machte Tibet kontinuierlich militärische Vorstöße nach Westen. Die Tibeter waren zu dieser Zeit mit den qarluqischen (karlukischen) Türken und den Turki-Shahis gegen die abbasidischen Araber verbündet. die Qarluqen lebten im heutigen Kirgisistan und gründeten später das dort zentrierte Qarakhaniden-Reich (840 – 1137). Die Turki-Shahis beherrschten das Kabul-Tal und das heutige südöstliche Afghanistan von der Mitte des fünften Jahrhunderts bis 870. Ihr Reich was zu dieser Zeit ein Vassalenstaat der Tibeter.

Die tibetische Armee überquerte die Pamir-Berge und kam bis zum Oxus-Fluss der heutige Amu-Darya-Fluss, der von den Pamir-Bergen der Grenze von Tadschikistan und Afghanistan folgte und dann durch Usbekistan floss, um sich schließlich im Aralsee zu münden. Um diesem Vormarsch Einhalt zu gebieten verbündete sich der abbasidische Kalif Harun al Rashid (Regentschaft 786 – 809) mit China. Die Tibeter kamen in Westturkestan bis zu einem See nördlich des Oxus, der auf Arabisch „Al-Tubbat“ (tib. Al-tu-sbag) genannt wird. Die Tibeter nannten ihn „Kleiner See“ (tib. mTsho-chung). „Al-Tubbat“ war der arabische Name für „Tibet.“

So kämpften zur Zeit der Samye-Debatte Tibet und China nicht nur an zwei, sondern an drei Fronten. Dies beeinflusste zweifellos die Tatsache, dass die chinesische Seite in der Debatte verlor und dass Tibet daraufhin den chinesischen Buddhismus verwarf und den indischen Buddhismus annahm.

Die Kaiser Mune Tsenpo und Senaleg

Tri Songdetsen legte 797 sein Amt nieder und starb 798. Während seiner kurzen Herrschaft versuchte sein Sohn Mune Tsenpo (tib. Mu-ne btsan-po, r. 797 – 800) einige Landreformen zu implementieren, war hierbei aber letztendlich erfolglos. Ihm folgte ein anderer Sohn von Tri Songdetsen, Tri Desongtsen (tib. Khri lDe-srong btsan, r. 800 – 815), der auch als Senaleg (tib. Sad-na-legs) bekannt ist. Kaiser Senaleg unterstütze weiterhin die Übersetzung buddhistischer Texte. Während seiner Herrschaft bedrängten die tibetischen Armeen im Westen weiter die Araber. Es gelang ihnen sogar Samarkand, die Hauptstadt von Transoxanien im heutigen Usbekistan, zu belagern. Dies geschah während der Rebellion von Rafi’b Layth, die von der tibetisch-qarluqisch-Turki Shahi-Allianz unterstützt wurde. Kalif Harun al Rashid starb unterwegs nach Samarkand als er zu seiner Verteidigung kommen wollte.

Kalif al Ma'mun, der zweite Sohn von Harun al Rashid, kam zu einer Übereinkunft mit dem tibetischen Gouverneur von Turkestan, der ihm eine Goldstatue schenkte. Diese wurde später in die Kaaba nach Mekka geschickt. Nachdem die Araber die Kontrolle über Samarkand verloren hatten schloss al Ma'mun Frieden mit den Tibetern und den Turki Shahis, um sich einem Zivilkrieg gegen seinen Bruder zu widmen. Nach seinem Sieg attackierte und eroberte der Kalif 815 Kabul. Beim geschlagenen „ tibetischen Gouverneur von Turkestan“ handelte es sich um König Salapati der Turki Shahis, einem Vassallen der Tibeter. Er musste zum Islam konvertieren. Darauf schenkte er den Eroberern eine große goldene Buddhastatue. Die Statue wurde an der Kaaba von Mekka ausgestellt, bis sie 817 eingeschmolzen wurde.

Kaiser Ralpachen

Auf den tibetischen Kaiser Senaleg folgte 815 sein Sohn Tri Tsugdetsen (tib. Khri gTsug-lde-brstan, r. 815 – 836), der auch als Relpachen (tib. Ral-pa-can) bekannt war. Relpachen lud drei indische Pandits, Shilendrabodhi, Danashila und Jinamitra nach Zentraltibet ein. Mit den tibetischen Übersetzern Kawa Paltseg (tib. sKa-ba dPal-brtsegs) und Chog-Ro Lui-Gyaltsen (tib. Cog-ro Klu’i gyal-mtshan) überarbeiteten die drei Inder ältere Übersetzungen. Sie standardisierten die Übersetzung buddhistischer Begriffe aus dem Sanskrit und stellten das erste Sanskrit-Tibetische Lexikon zusammen, Das Große (Lexikon) zum Verstehen Spezifischer (Termini)“ (tib. Bye-brag-tu rtogs-pa chen-po, Skt. Mahavyutpatti).

Nach er den tibetischen Thron bestiegen hatte sandte Kaiser Relpachen Truppen an die chinesische Grenze. Buddhisten auf beiden Seiten der Grenze versuchten zu vermitteln. Dies führte zum Friedensabkommen von Doring (tib. rDo-ring yig-cha) von 821, welches die Grenzen des Abkommens von 783 bestätigte. Das Abkommen wurde auf drei Steinpfeiler gemeißelt. Einer stand vor dem Palast des chinesischen Tang-Kaisers Muzong (Rengentschaft 821 – 825, ein anderer bei Gugu Meru (tib. Gu-gu rme-ru) an der chinesisch-tibetischen Grenze und der dritte, der Doring-Pfeiler, wurde 823 in Lhasa aufgestellt. Im Abkommen wurde erklärt, dass China und Tibet hierarchisch gleichgestellt sind.

Relpachen baute eine Kloster namens Ushangdo (tib. ‘U-shang-rdo gTsug-lag-khang) und implementierte ein Steuersystem, um die Klöster zu unterstützen. Demnach mussten jeweils sieben Haushalte einen Mönch unterstützen.

836 wurde Relpachen ermordet und sein eifersüchtiger Bruder Tri Uidumtsen (tib. Khri ‘U’i dum-brtsan, r. 836 – 842) bestieg den Thron. Gemeinhin nennt man diesen Kaiser respektlos Langdarma (tib. Glang-dar-ma) junger Bulle. Er ließ Klöster und Tempel schließen. Buddhistische Mönche wurden vor die Wahl gestellt zu heiraten, Jäger zu werden oder zur Bön-Religion zu konvertieren. Wer sich weigerte wurde exekutiert. Hierdurch wurde der Buddhismus aus Zentraltibet eliminiert, aber nicht in Ost- und Westtibet. Turrell Wylie (“Some Political Factors in the Early History of Tibetan Buddhismus” in Studies in the History of Buddhismus) argumentiert, dass Langdarmas Buddhismus-Verfolgung darauf abzielte, die wirtschaftliche Belastung durch das Steuersystem seines Bruders zu beenden, die den Mönchen zugute kam. Es führte auch dazu, den Einfluss zu beenden, den der machtvolle religiöse Rat auf politische Angelegenheiten hatte.

842 wurde Langdarma durch einen Mönch namens Lhalung Pelgyi-Dorje (tib. Lha-lung dPal-gyi rdo-rje) ermordet einer der fünfundzwanzig Schüler von Guru Rinpoche Padmasambhava. Nach Samten Gyaltsen Karmay, The Great Perfection (tib. rDozgs-chen), war er der abgesetzte Leiter des religiösen Rates und der vormalige Abt von Samye. Danach zersplitterte ein Schisma in der königlichen Linie Tibet in verschiedene Königreiche mit dezentraler Macht.

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