Die Situation des tibetischen Buddhismus in Amdo 1994

Einführung 

Amdo, besonders die Gebiete um Lanzhou 兰州 und dem südlichen Gansu 甘肃, sowie Xining 西宁 und das nordöstliche Qinghai 青海hat einen Zustrom von Siedlern der Han-Chinesen und Hui Muslime erlebt. Viele Dörfer, sogar im Hochland, sind fast ausschließlich muslimisch, und das ist, Berichten zufolge, in einem Großteil der Qinghai-Provinz der Fall. Xining hat eine Bevölkerung von 100.000, doch es gibt nur 2.000 tibetische Einwohner, von denen nur etwa 250 Tibetisch sprechen und schreiben. 

Der Status der tibetischen Sprache in Amdo 

In den Städten kennen nur die älteren Tibeter die Amdo-Sprache, während die meisten chinesisch sprechen, jedoch mit einem recht starken Amdo-Akzent, sogar in ihren Häusern. Die jungen Menschen in Amdo sind nicht daran interessiert Tibetisch zu lernen, da sie es als nutzlos betrachten, während einige meinen, sie wären zu dumm, um es zu lernen. Nur die Nomaden und Menschen in einigen entlegenen Dörfern sprechen Amdo und haben tibetische Schulen, und es sind diese Menschen, die ins Kloster gehen. Wenn andere ins Kloster eintreten, müssen sie von Beginn an Tibetisch lernen. Im Kumbum- (Sku-’bum, Chin.: Ta’er Si 塔尔寺) Kloster sprechen die meisten Mönche Chinesisch miteinander, nicht Tibetisch. Viele können nicht einmal Tibetisch sprechen. In Labrang (bLa-brang bKra-shis-’khyil, Chin.: Labuleng Si 拉卜楞寺 oder Xiahe Si 夏河寺) sprechen die Mönche Tibetisch, da es ein nomadisches Gebiet ist. Es gibt keine Kollektive mehr und die Nomaden mit ihren persönlichen Herden sind ziemlich reich. Sie sind die wichtigsten finanziellen und materiellen Unterstützer der Klöster. Viele machen eine Pilgerreise dorthin, um Opfergaben darzubringen. 

Die tibetische Kultur in Amdo 

Wie im restlichen Tibet ist die Kultur in Amdo noch immer stark und die Menschen haben die meisten wichtigen Klöster zu einen gewissen Grad wieder aufgebaut. Seit 1979 finden diese Arbeiten statt, aber in Xinjiang 新疆 und dem zentralen Gansu erst seit 1986. Somit ist die Situation der Klöster in Amdo am besten, an zweiter Stelle steht Kham und an dritter das zentrale Tibet. Da die Tibeter selbst von den Chinesen gezwungen wurden, ihre eigenen Klöster zu zerstören, haben viele das Gefühl, sie selbst wieder aufbauen zu müssen, um ihre karmischen Schulden zu begleichen. Die Traditionen der Architektur, der Malerei, der Bildhauerei und der Holzschnitzkunst sind noch immer vorhanden. Mehrheitlich Laien und ehemalige Mönche sind mit dem Aufbau und der Holzschnitzerei beschäftigt, während sich sowohl Mönche als auch Laien um die Malerei und das Anfertigen der Statuen kümmern. Die Gebäude werden gemäß den Erinnerungen der Alten rekonstruiert, damit sie dem, wie sie zuvor aussahen, so gut wie möglich gleichen. Das einzige Kloster, das von der chinesischen Regierung ausgebessert und wieder aufgebaut wurde, scheint das Kumbum zu sein.

Der tibetische Buddhismus in Amdo 

Was am dringendsten fehlt, sind buddhistische Lehrer. Fast alle wurden während der Kulturrevolution getötet und die übrigen älteren Mönche sind nicht so gut ausgebildet. Sie können den jungen Mönchen das Lesen und Durchführen der Rituale beibringen, doch sie können ihnen nicht wirklich die Bedeutung erklären. Die meisten Mönchen und Nonnen sind entweder sehr alt oder ganz jung und es gibt kaum welche in mittleren Alter. 

Die wenigen Lehrer, die es dort gibt, haben in einem der fünf Nangten Lobdra (Nang-bstan slob-grva), oder Government Buddhist Colleges studiert, die vom Panchen Lama (Pan-chen bla-ma) gegründet wurden: 

(1) jenes neben dem Nechung Kloster (Gnas-chung, Chin.: Naiqiong Si 乃穷寺) in Lhasa für Zentraltibet, das es seit 1982 gibt; 

(2) jenes in Labrang für Gansu, das es seit 1986 gibt; 

(3) jenes in Kumbum für Qinghai; 

(4) jenes in Kardze (dKar-mdzos, Ganzi 甘孜) für Sichuan 四川; und 

(5) jenes in Beijing 北京 für alle Tibeter, das es seit 1987 gibt. 

Momentan sind nur jene in Beijing und Labrang in Betrieb: das in Beijing zu Propaganda-Zwecken, und das in Labrang, weil der chinesische Vorgesetzte dem Buddhismus zugeneigt ist. Die anderen wurden seit 1988, eins nach dem anderen, geschlossen, angeblich wegen einem Mangel an Geldern. Jenes in Kumbum wurde angeblich geschlossen, weil der tibetische Beauftragte dem Buddhismus abgeneigt war. Diese Lehrer konnten nur zwei bis vier Jahre studieren und sind somit recht begrenzt in dem, was sie weitergeben können. Obwohl der Leninismus immer ein Teil des Lehrplans war, übernahm er seit dem Tod des Panchen Lama eine prominente Rolle. 

Wenn Rinpoches aus Indien zurückkehren, um zu lehren, können sie in ihren Klöstern normalerweise nur wenige Wochen wohnen, bevor sie von den chinesischen Autoritäten gebeten werden, wieder zu gehen. Kehren Geshes aus Indien zurück, um zu lehren, hören die meisten Mönche ihren Lehren nicht zu, weil sie mit den Geshes nicht vertraut sind, und meist ist es nicht möglich, sie richtig kennenzulernen. 

Wichtige Klöster 

(1) Kumbum ist das Vorzeige-Kloster in Amdo für den ausländischen und heimischen Tourismus. Viele örtliche Chinesen und auch Tibeter kommen, um zu beten und Opfergaben darzubringen. Es gibt eine kleine Anzahl von Chinesen in Xining und Lanzhou, die ernsthaft am tibetischen Buddhismus interessiert sind, während die meisten anderen einen allgemeinen Glauben an ihn und anderen Formen des Buddhismus in China haben. Die Hauptsprache der Mönche in Kumbum ist Chinesisch.

Das Kloster wird finanziell durch den Verkauf von tibetischer Medizin, Statuen, selbst-gedruckten Büchern und Spenden getragen, die von den Familien der Mönche kommen. Tibetische Förderer geben ein- oder zweimal Spenden für den Aufbau der Tempel oder für Statuen, jedoch nicht auf einer täglichen Basis für die Mahlzeiten und andere Bedürfnisse der Mönche. Im Gegensatz zu allen anderen Klöstern, hilft die chinesische Regierung momentan, den Wiederaufbau und die Restauration von Kumbum zu finanzieren. Die meisten Arbeiter sind Han-Chinesen, was auch im Gegensatz zu der Situation in anderen Klöstern steht.

Offiziell erlaubt die chinesische Regierung 400 Mönche in Kumbum, doch momentan gibt es dort 500. Das umfasst 100 Monguor-Mongolen und 100 Kokonor und Menschen der Inneren Mongolei (Me-sog, sMad-sog), sowie einige Xinjiang-Kalmücken. Es gibt vier Datsang-Unterteilungen: Tsen-nyi (mTshan-nyid) für das Debattieren, Gyupa (rGyud-pa) für Tantra, Dukhor (Dus-’khor) für Kalacakra und Astrologie, sowie Menba (sMan-pa) für Medizin. Wie in der Vergangenheit folgt die Mehrheit der Debattier-Studenten den Jetsunpa-Lehrbüchern, während eine kleinere Gruppe den Texten von Jamyang Zhepa folgt. Nur einige der Mönche kümmern sich um den stetigen Zustrom von Touristen, während die anderen studieren.

Die Tradition der tibetischen Astrologie ist sehr lebendig, mit Schulen nicht nur in Kumbum, sondern auch in Labrang und beim Mentsekhang (sMan-rtsis-khang) in Lhasa. Alle drei erstellen jährliche Almanache. Die beste Schule für tibetische Astrologie befindet sich jedoch in Beijing am Government Buddhist College. Akya Khutugtu (A-kya Ho-thog-tu), der Abt von Kumbum und Hauptlama von Qinghai erstellt momentan ein dreidimensionales Kalachakra-Mandala in Kumbum, welches die Größe eines dreistöckigen Gebäudes hat. 

Kumbum hatte eines von fünf Government Buddhist Colleges, doch es wurde 1988 aufgrund eines Mangels an Interesse des tibetischen Vorgesetzten geschlossen. Im Jahr 1990 eröffnete Akya Khutugtu das Kumbum Gonpai Lobdra (sKu-’bum dGon-pa’i slob-grva) oder Kumbum Monastic College. Es ist eine vierjährige Schule mit momentan zehn Lehrern und 100 Studenten im Alter von 10 bis 25 Jahren aus der gesamten Qinghai-Region von Amdo. Die Hauptfächer, die gelehrt werden, sind tibetische Dichtkunst, Komposition und Astrologie. Es gibt auch Klassen in den vorbereitenden Debattenthemen: Dura (bsDus-grva) oder „Studium gesammelter Themen“, Lorig (bLo-rig) oder „Arten der Wahrnehmung“ und Tarig (rTags-rig) oder „Argumentationen“, die sich nach den Jetsunpa-Lehrbüchern richten. Das Kloster-College nimmt jedes Jahr neue Studenten an, während das Government Buddhist College nur eine neue Klasse aufstellt, wenn die alte ihren Abschluss gemacht hat.

(2) Labrang ist das größte und aktivste Kloster im gesamten Tibet. Obwohl die Chinesen offiziell nur 800 Mönche im Tsogchen- (Tshogs-chen) Tempel erlauben, gibt es etwa 2000 Mönche im Kloster. Das umfasst 70 ältere Mönche der inneren Mongolei, jedoch keine neuen, und 200 alte und neue Mönche der Kokonor Mongolen, sowie ein paar Gelbe Uiguren. Es gibt sechs Datsang-Unterteilungen: Thosamling (Thos-bsam-gling) für das Debattieren gemäß der Jamyang Zhepa Lehrbücher, Gyuto-pa (rGyud-stod-pa) und Gyume-pa (rGyud-smad-pa) für Tantra, Du-khor für Kalacakra und Kar-tsi (sKar-rtsis) für Astrologie, Kye-dor (Kyai-rdor) für Hevajra und Nag-tsi (Nag-rtsis) ebenfalls für Astrologie, sowie Men-ba für Medizin. Im Labrang gibt es auch eine große Bibliothek mit elf Kangyurs, drei Tengyurs und 20.000 Bänden des Sung Bum, oder gesammelten Werken. Die gesamte Kollektion wurde katalogisiert. 

Dem Labrang unterstanden traditionell 108 Klöster. Die meisten befanden sich in Gansu, nördlich von Labrang, aber südlich von Sunan. Dazu gehörten nicht die Klöster der Gelben Uiguren. Momentan gibt es noch immer Klöster unter der Leitung des Labrang, aber die genaue Nummer ist unbekannt. 

Das Government Buddhist College in Labrang hat 20 Lehrer und 84 Mönche aus 9 Präfekturen in Gansu, einschließlich Sunan. Seit 1986 verleiht es nach einem vierjährigen Studium einen College-Abschluss. Die meisten Lehrer in den Klöstern von Amdo haben in diesem College ihren Abschluss gemacht. Die chinesische Regierung sorgt für Nahrung und Unterhalt. Mönche können ab dem Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren beitreten, wenn sie eine Prüfung in tibetischer Grammatik, Dichtkunst und der leninistischen Theorie bestanden haben. Sowohl gewöhnliche Mönche als auch junge Tulkus werden zugelassen und im Gegensatz zum staatlichen College in Beijing studieren beide Gruppen zusammen. Der Lehrplan besteht aus tibetischer Grammatik, Dichtkunst und Komposition, dem „Lamrim Chenmo“, „Bodhicaryavatara“, Debattieren und der leninistischen Theorie. Die Lehrgänge im Debattieren folgen den Jamyang Zhepa-Lehrbüchern und behandeln nur Prajnaparamita (Par-chin, phar-phyin) und Pramana Epistemologie (Tsen-ma, mtshan-ma). Sie studieren nicht Madhyamaka (U-ma, dbu-ma), Vinaya (Dul-wa, ’dul-ba) oder Abhidharma (Dzoe, mdzod). Es wird davon ausgegangen, dass die Studenten die vorangehenden Lehrgänge in Dura, Lorig und Tarig absolviert, bevor sie beitreten. 

Im Jahr 1992 gründete Labrang die Labrang Monastic School nach dem Vorbild der Kumbum Monastic School. Sie hat den gleichen Lehrplan wie in Kumbum, doch ohne die Astrologie-Klassen, da sie so stark in den Du-khor und Kye-dor Datsangs vertreten sind. Gungthang Rinpoche, der Abt von Labrang und Hauptlama von Gansu, lebt meist in Lanzhou. 

(3) Das Cha-Kyong Kloster (Bya-khyung, im Amdo-Dialekt als Sha-chong ausgesprochen, Chin.: Xiaqiong Si 夏琼寺), mit drei Lehrern vom Government Buddhist College in Beijing, einem 74-jährigen Tulku und 400 Mönchen. Gegründet wurde es von Tsongkhapa’s Lehrer, Dondrub Rinchen (Don-grub Rin-chen) und früher beherbergte es 6000 Mönche. Es gibt dort drei Datsang-Unterteilungen: Tsen-nyi für das Debattieren gemäß der Jamyang Zhepa Lehrbuch-Tradition, Gyu-pa für Tantra und Men-ba für Medizin. Der Hauptaugenmerk liegt auf dem Debattieren. Bis jetzt war es ihnen nicht möglich, zwei weitere Datsangs zu beginnen: Du-khor für Kalacakra und Astrologie, sowie Ngon-chung (sNgon-byung) für Geschichte. Der Hauptschützer des Klosters ist Gyalwa Ku Nga (rGyal-ba sku-lnga) oder Nechung. 

(4) Das Rongwo-Kloster (Rong-bo, Chin.: Longwu Si 隆务寺) in Rebkong (Re-skong, Chin.: Tongren 同仁), mit 400 Mönchen und zwei alten Geshes aus Ganden Jangtse (dGa’-ldan byang-tse), sowie fünfzehn weniger gelehrten Mönchen als Lehrern. Ursprünglich war es ein Sakya-Kloster, doch seit der Zeit des Dondrub Rinchen wurde es Gelug. Früher beherbergte es 2.000 Mönche. Momentan gibt es drei Datsang-Unterteilungen: Thosamling für das Debattieren gemäß den Jetsunpa-Lehrbüchern, Gyume-pa für Tantra und Du-khor für Kalacakra und Astrologie. Der Hauptaugenmerk liegt auf dem Debattieren. 

(5) Das Nyenthog-Kloster (gNyan-thog, Chin.: Nianduhu Si 年度乎寺) mit derzeitig 40 Mönchen. Früher gab es dort 300 Mönche und nur eine Datsang-Abteilung: Gyu-pa für Tantra. Momentan führen die Mönche tantrische Rituale aus und alle von ihnen lernen Malerei. Die Meister dieser Kunst im Kloster bieten auch Malkurse für Laien an. 

(6) Das Gomar-Kloster (sGo-dmar, Chin.: Guomari Si 郭麻日寺), mit 100 Mönchen. Früher gab es dort 300 Mönche und nur eine Datsang-Abteilung: Gyu-pa für Tantra. Momentan führen die Mönche tantrische Rituale aus und bauen ein dreidimensionales Kalacakra-Mandala in der Größe eines Gebäudes. 

(7) Das Sengge Shong Kloster (Seng-ge gshong, Chin.: Wutun Si 五屯寺), mit 100 Mönchen in zwei Abteilungen: Yar-cha (obere) und Mar-cha (untere), die meist Malerei lernen. Das Gebiet, in dem sich dieses Kloster in der Nähe von Rebkong befindet, wurde früher von Hui-Muslimen bewohnt. Die ansässigen Hui sind zum Buddhismus übergetreten und bezeichnen sich jetzt als Tibeter. 

(8) Das Gartse Kloster (mGar-rtze, Chin. Guashize Si 瓜什则寺) mit 130 Mönchen, die hauptsächlich das Debattieren studieren, lädt Lehrer aus dem naheliegenden Labrang ein.

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