Leerheit mit der Kraft Bodhichittas verstehen

Rückblick  

Wir haben über die drei Hauptpfade des Geistes gesprochen. Der Erste ist Entsagung mit einer zusätzlichen Vorstufe, die für uns hier im Westen hilfreich ist und darin besteht, sich von der Besessenheit auf unmittelbare Befriedigung abzuwenden und sich darum zu sorgen, was später in diesem Leben und in zukünftigen Generationen passieren wird. 

Dann geht es darum, nicht nur nach diesem Leben zu trachten, sondern sich um zukünftige Leben zu kümmern und sicherzustellen, dass wir weiterhin kostbare menschliche Leben und Möglichkeiten haben werden, dem spirituellen Pfad zu folgen. Als nächstes wenden wir uns von unserer Besessenheit in Bezug auf zukünftige Leben ab und richten unser Hauptaugenmerk auf die völlige Befreiung von Samsara, von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt.

Damit wir uns darum kümmern können, was später in unserem Leben passieren wird, ist es notwendig, destruktives Verhalten zu unterlassen, konstruktiv zu handeln und unserem Leben eine positive Richtung und Bedeutung zu geben, also eine sichere Ausrichtung einzuschlagen und Zuflucht in Buddha, Dharma und Sangha zu nehmen. Dasselbe benötigen wir auch, wenn wir uns von unserer Besessenheit in Bezug auf dieses Leben abwenden und uns um zukünftige Leben kümmern. Das ergibt etwas mehr Sinn, denn das Heranreifen unseres Verhaltens in diesem Leben geschieht meist nicht in diesem, sondern in zukünftigen Leben.

Um vollständige Befreiung von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt zu erlangen, gilt es, nicht nur von diesem mangelnden Gewahrsein bezüglich verhaltensbedingter Ursache und Wirkung frei zu werden, sondern auch von unserem mangelnden Gewahrsein gegenüber der Realität – wie wir existieren, wie andere existieren und, gemäß der komplexesten buddhistischen Schule, von unserem mangelnden Gewahrsein bezüglich der Realität von allem. Mit diesem Verständnis der Leerheit sind wir in der Lage, uns selbst für immer von den so genannten Schleiern zu lösen, welche die Befreiung verhindern. Diese Schleier werden technisch „Schleier in Form von störenden Emotionen und Geisteshaltungen“ genannt; es sind emotionale Schleier.

Wahre Beendigungen der Schleier, die Befreiung verhindern 

Betrachten wir diesen Zustand des Freiseins von Schleiern – was sich auf die dritte edle Wahrheit der vier edlen Wahrheiten, die Buddha lehrte, die wahren Beendigungen dieser Schleier, bezieht –, so wird er durch die wahren Pfade des Geistes, die vierte edle Wahrheit, erlangt. Das ist verbunden mit den vielen verschiedenen Arten des Verständnisses und den Arten des Kommunizierens und Verhaltens, die daraus folgen. In erster Linie ist der wichtigste Pfad des Geistes jedoch die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit, womit jedoch nicht nur das erste Mal so einer Wahrnehmung gemeint ist. Es ist notwendig, völlig vertraut mit ihr zu sein, damit sie uns von diesen Schleiern befreit, die in Abständen auftauchen.

Diese zwei edlen Wahrheiten, die wahren Beendigungen, die durch die wahren Pfade des Geistes erlangt werden, bilden die Dharma-Zuflucht. Mit anderen Worten sind sie das Dharma-Juwel, das wir anstreben. Indem wir Zuflucht nehmen, schlagen wir diese Richtung in unserem Leben ein, sie erlangen zu wollen. 

Diese wahren Beendigungen und wahren Pfade des Geistes existieren nicht einfach nur irgendwo im Himmel; ihre Platz ist in einem geistigen Kontinuum. Die geistigen Kontinua, in denen sie vollständig existieren, sind jene der Buddhas; wir haben also das Juwel der Buddhas, die Buddha-Zuflucht. Die Buddhas weisen uns durch ihre Lehren und auch durch ihre Beispiele an, wie wir diese wahren Pfade des Geistes und diese wahren Beendigungen selbst erlangen können.

Jene, die zum Teil dort sind und bereits einige wahre Beendigungen, jedoch nicht alle, erlangt haben, sind die Arya-Wesen. Sie hatten eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit, haben sich jedoch noch nicht völlig damit vertraut gemacht; sie haben lediglich anfängliche wahre Beendigungen und anfängliche wahre Pfade und nicht alle, sondern nur einige davon, erlangt. Sie bilden das Sangha-Juwel, die Sangha-Zuflucht. Diese drei kostbaren und seltenen Dinge, die sich auf die eigentliche Bedeutung des tibetischen Wortes für „Juwel“ beziehen, weisen uns die sichere Richtung, die wir in unserem Leben einschlagen: wir wollen werden wie sie.

Um Befreiung zu erlangen, ist es ausschlaggebend, die Anweisungen und Belehrungen auf dem Weg zu folgen, wie schädliches Verhalten zu unterlassen. Wenn wir von schädlichem Verhalten Abstand nehmen, tun wir das nicht, weil wir keine Gesetze – heilige oder bürgerliche Gesetze – übertreten wollen, sondern weil wir ein Verständnis von Ursache und Wirkung sowie von einer tieferen Ebene der Realität haben. Wir wollen schädliches Verhalten unterlassen, um infolgedessen günstige Umstände zu bekommen, damit wir selbst den ganzen Weg gehen können, um die drei Juwelen zu erlangen.

Erlangen wir Befreiung, haben wir uns von dieser ersten Gruppe der Schleier gelöst, welche die störenden Emotionen und Geisteshaltung sowie deren Tendenzen sind. Wir erlangen diesen Zustand, die wahre Beendigung, von diesen drei Pfaden des Geistes, durch Entsagung und korrektes Verständnis der Leerheit. Um sie anwenden zu können, haben wir als Grundlage natürlich die höheren Schulungen in ethischer Selbstdisziplin und Konzentration.

Das Verständnis der Leerheit in Bezug auf geistiges Bezeichnen 

Der Geist, mit dem wir Leerheit verstehen, ist hier ein Geist, dem die Kraft der Entsagung zugrunde liegt. Als Kraft hinter diesem Verständnis ist Entsagung die Motivation im Sinne der motivieren Emotion – wir sind unserer Leiden überdrüssig – und des motivierenden Ziels, Befreiung zu erlangen.

Als wir über Leerheit sprachen, haben wir festgestellt, dass unser Geist durch die Gewohnheiten dieses mangelnden Gewahrseins Erscheinungen unmöglicher Existenzweisen projiziert. Um es ganz einfach zu sagen, scheint es so und fühlt es sich so an, als wäre alles – ich, du und alles, was uns begegnet – von einer Linie umzogen, die es von sich aus zu einem soliden „Ding“ macht. Auch wenn wir verstehen, dass alles miteinander verbunden und voneinander abhängig ist, neigen wir doch dazu zu denken, Dinge, die abhängig voneinander sind, wären von festen Linien umgeben und getrennte, unabhängige „Dinge“.

Es ist natürlich wichtig, ein tiefgreifenderes Verständnis davon zu haben, was es bedeutet, aber belassen wir es für den Moment auf dieser einfachen Ebene. Unser Geist projiziert die so genannte „Erscheinung wahrer Existenz“. Aufgrund von mangelndem Gewahrsein und Verwirrung meint unser Geist dann, diese Projektion oder Erscheinung wahrer Existenz würde dem entsprechen, wie Dinge tatsächlich existieren, und das nennt man „Greifen nach wahrer Existenz“. Mit der Befreiung lösen wir uns von diesem Greifen nach wahrer Existenz und dem mangelnden Gewahrsein, die sie stützen, und glauben nicht mehr an den Unsinn, diese trügerische Erscheinung, die unser Geist projiziert; wir werden nicht mehr durch sie zum Narren gehalten.

Doch sogar als befreites Wesen, als Arhat, projiziert unser Geist noch immer diese trügerischen Erscheinungen; er projiziert umrandete und abgegrenzte Dinge. Wir sollten dies nicht nur auf das Konzept „Tisch“ beziehen, das von einer Linie umzogen ist, sondern auch auf den Freund, den Feind, die Liebe, die Wut und so weiter. Sie scheinen „Dinge“ zu sein, die umrandet sind und von sich aus Definitionen haben. Denken wir jedoch einmal darüber nach, handelt es sich dabei natürlich um eine trügerische Erscheinung; dies ist unmöglich. Da gibt es eine völlige Abwesenheit dessen, dass dies irgendetwas Realem entspricht.

Wir können es anhand des folgenden Beispiels verstehen. In Bezug auf die Emotionen gibt es ein riesiges Spektrum an Erfahrungen; nicht nur menschliche Erfahrungen, auch Tiere haben Emotionen. Denken wir einmal an die Höhlenmenschen, so kamen sie, als sie mit dem Sprechen begannen, in einer Gruppe oder Gemeinschaft zusammen und fügten aus bedeutungslosen Lauten Wörter zusammen, die wir als „Klangbilder“ bezeichnen könnten. Dabei handelte es sich lediglich um willkürliche Laute, die sie machen konnten. Es ist, als würden sie ein Messer nehmen und das gesamte Spektrum von Gefühlen zerschneiden und eine Art der Emotion von hier bis dort mit einer Linie umranden, sowie mit einer Definition und einem Klangbild als Wort versehen.

Sie entschieden, dass diese bedeutungslosen Laute etwas besagen, was durch bestimmte Definitionen beschrieben wird. Diese Worte beziehen sich auf den Teil unserer gemeinsamen menschlichen Erfahrung, und nicht unbedingt nur der menschlichen Erfahrung, denn auch Hunde haben ja ganz eindeutig Emotionen, auf die sich diese Worte beziehen. Da verschiedene Leute unterschiedliche Stimmen haben, wenn sie diese Laute aussprechen, erschuf man für jedes Wort Hörkategorien, damit die Menschen, wenn jemand mit seiner eigenen Stimme diese Laute hervorbrachte, verstehen konnten, dass es sich um das gleiche Wort handelte. Da unterschiedliche Menschen auch ähnliche Dinge erleben, welche die gleichen charakteristischen Merkmale haben, schufen sie bedeutungsbezogene Kategorien, der sie sie anhand dessen zuordneten, worauf sich die Hörkategorie bezog. Auf diese Weise erschufen sie Hör- und bedeutungsbezogene Kategorien als konzeptuelle Konventionen.

Diese so genannten „Konventionen“ sind reine geistige Fabrikationen, welche für die Kommunikation erdacht und vom konzeptuellen Geist frei für den Zweck der Kommunikation erschaffen wurden. Sie sind äußerst nützlich, da sie funktionieren und Dinge kommunizieren, doch jede Gruppe der Höhlenmenschen unterteilte das Spektrum der menschlichen Erfahrung in unterschiedliche Teile, wies ihnen verschiedene Klangbilder zu und definierte diese kleinen Abschnitte auf unterschiedliche Weise. Sie suchten nach einem charakteristischen Merkmal, das sie nutzen konnten, um etwas zu definieren; sie erfanden es und wählten es aus. Auf diese Weise entstanden verschiedene Sprachen, Wörter, Konzepte und Konventionen. 

Diese Konventionen sind allerdings von einer Gruppe von Höhlenmenschen zur anderen nicht gleich. Jede hat das Spektrum an anderen Punkten unterteilt und unterschiedliche Grenzen zwischen den Kategorien der Wörter gezogen. So haben wir beispielsweise die Wörter „Eifersucht“ und „Neid“, was im Deutschen eine ganz andere Bedeutung hat, als die spanischen Worte dafür. Des Weiteren haben beide unterschiedliche Bedeutungen und unterschiedliche Grenzen der korrespondierenden englischen Wörter. Und diese haben sehr wenig mit dem tibetischen Begriff dafür zu tun, der normalerweise mit „Eifersucht“ übersetzt wird. Es ist ziemlich verwirrend, denn diese Definitionen sind in allen Sprachen etwas anders.

Spannend ist, dass es zusätzlich zu diesen Hörkategorien und bedeutungsbezogenen Kategorien auch „Objekt-Kategorien“ gibt. Jeder, der eine bestimmte Erfahrung hat, erlebt dann eine „Sache“, wie Eifersucht. Es scheint natürlich, dass die Eifersucht von sich aus eine „Sache“ ist, die wir erfahren. Daher beziehe ich mich darauf mit der Formulierung „als wäre es von einer Linie umzogen“, doch auf Seiten dieser Eifersucht gibt es nichts, das sie von sich aus begründet. Es gibt lediglich ein riesiges Spektrum von Gefühlen und Emotionen.

Die Eifersucht ist etwas, das nur abhängig von Worten und Konzepten erscheint. Das Wort und das Konzept „Eifersucht“ entstand als eine Konvention und wurde von einigen Höhlenmenschen erfunden. Diese Hörkategorie und die Objekt-Kategorie beziehen sich auf etwas; es ist nicht so, dass sie sich auf nichts beziehen. Worauf beziehen sie sich? Sie beziehen sich auf die Eifersucht, doch dieses Bezugsobjekt, die Eifersucht, ist keine „Sache“, die wir irgendwo finden können, denn nichts existiert als ein von Linien umzogenes „Ding“. Es ist eine Illusion, dass die Eifersucht eine von einer Linie umzogenen „Sache“ zu sein scheint. Tatsächlich handelt es sich um keine wirklich auffindbare „Sache“. Das gilt besonders dann, wenn wir eifersüchtig sind oder wenn jemand, auch ein Hund, eifersüchtig ist. Wo ist die Eifersucht? Was ist sie? Obwohl sie wie eine Illusion ist, kommt sie dennoch – dies ist ein überaus wichtiges Wort – zur Wirkung; wir erfahren sie, der Hund erfährt sie, und sie macht uns beide unglücklich.

Das Einzige, was begründet, dass es so etwas wie Eifersucht gibt, ist die Tatsache, dass es ein Wort und ein Konzept dafür gibt und sie sich auf etwas bezieht. Wir können keine Sache finden, die ihr entspricht und begründet, dass Eifersucht existiert, indem wir darauf zeigen: „Hier ist sie, von einer Linie umgeben.“ Es ist unmöglich, dass sie so existiert und ihre Existenz auf diese Weise von sich aus begründet. Sie ist völlig abwesend. Darum geht es bei der Leerheit; die Leerheit ist diese völlige Abwesenheit. Wenn dies neu für uns ist, müssen wir natürlich lange darauf herumkauen, um es zu verstehen.

Wahre Beendigungen der Schleier, die Allwissenheit verhindern 

Haben wir Befreiung erlangt, glauben wir nicht nicht daran, dass Dinge so existieren, auch wenn unser Geist alles als „Sachen“ oder „Dinge“ erscheinen lässt, die von Linien umzogen sind. Wir verstehen, dass nichts funktionieren würde, wenn es abgegrenzt und wie mit einer Linie umrandet wäre. Man könnte das damit vergleichen, als würde etwas in Plastik verpackt sein, was es zu einem „Ding“ macht. Gäbe es zwei Dinge, die fest in Plastik verpackt und eingeschweißt wären, könnten sie nicht miteinander interagieren. Wie könnte das Eine eine Ursache und das Andere dessen Auswirkung sein? Sie wären einfach da, feststehend, wie ein Bild in einem Malbuch. Nichts könnte funktionieren. Als befreites Wesen, als ein Arhat, verstehen wir dies und glauben somit nicht an diesen Unsinn, den unser Geist projiziert; doch trotz allem könnten wir unseren Geist noch nicht davon abhalten, es zu projizieren.

Was ist nun das Problem mit dieser Art der Projektion? Das Problem ist, dass unser Geist ziemlich begrenzt in Bezug darauf ist, was er verstehen und erfassen kann. Das Beispiel, was ich oft für diese Art des Projizierens benutze, ist folgendes: Unsere Wahrnehmung des Universums ist, als würden wir etwas durch ein Periskop betrachten. Sie ist ausgesprochen begrenzt. Wir sehen lediglich „Dinge“. Unser Blickfeld ist sehr eng und unser Verständnis ist ziemlich begrenzt. Umgangssprachlich sagen wir: „Wir können nur sehen, was sich genau vor unserer Nase befindet.“

Das hält uns jedoch davon ab, anderen bestmöglich helfen zu können. Die Wesen sind anfangslos und unzählig – ihre Anzahl ist begrenzt, aber riesig – und wenn wir wissen wollen, wie wir auch nur einem einzigen Wesen von Nutzen sein können, müssen wir verstehen, wo sie sind und was ihr Problem ist. Es ist notwendig, ein Verständnis von allem zu haben, was jemals im gesamten Universum passiert ist und welchen Einfluss das auf dieses bestimmte geistige Kontinuum hatte. Außerdem sollten wir all die Ursachen dafür kennen, warum etwas so ist, wie es ist. Wollen wir einer Person etwas beibringen, ihr nützlich sein und helfen, Befreiung und Erleuchtung zu erlangen, müssen wir mit Hinblick auf unsere Entscheidung, welche Belehrungen am effektivsten sind, die Konsequenzen kennen, die sich daraus ergeben, eine bestimmte Dharma-Lehre zu vermitteln.

Natürlich wird diese Person, der wir etwas beibringen, in der Zukunft nicht abgetrennt von allen anderen existieren. Sie wird von nun bis zum Erlangen der Erleuchtung und auch darüber hinaus mit allen anderen interagieren und somit wird der Einfluss unserer Belehrung eine Auswirkung auf alle haben, die diese Person trifft. Um allen so vollständig wie möglich von Nutzen zu sein, müssen wir die Art von Geist erlangen, der sich über all dies bewusst ist, einen allwissenden Geist, den Geist eines Buddhas.

Diese Art von Geist gilt es zu kultivieren, damit wir wirklich wissen, wie wir andern helfen können. Ansonsten ist es nur, als würden wir durch ein Periskop schauen: wir sehen lediglich, was sich direkt vor unserer Nase befindet. Unser Geist muss aufhören, Linien um Dinge zu projizieren; andernfalls werden wir nie die volle Bandbreite erkennen, wie Ursache und Wirkung funktioniert und wie alles, was jemals existiert hat oder existieren wird, miteinander in Beziehung steht. Durch das Projizieren dieser Linien entsteht eine Begrenzung, und dies ist wiederum auf die Gewohnheiten des Greifens nach wahrer Existenz, das gewohnheitsmäßige Glauben an diese Linien, zurückzuführen.

Das sind die Schleier, die Erleuchtung und Allwissenheit verhindern. Sie werden als „Schleier aller erkennbaren Dinge“, kognitive Schleier, bezeichnet. Uns geht es darum, ebenfalls eine wahre Beendigung dieser zweiten Gruppe der Schleier zu bewirken. Können wir diese wahre Beendigung erlangen, werden wir Buddhas. Zusammen mit diesem allwissenden Geisteszustand, den wir erreichen werden, kommt ein unbegrenzter Körper. Was unsere Energie betrifft, so können wir uns in jeder Form manifestieren und in allen Sprachen kommunizieren. Wir erlangen den erleuchtenden Körper, die erleuchtende Rede und den erleuchtenden Geist eines Buddhas.

Genauer gesagt werden wir mit diesem unbegrenzten Geist die unbegrenzte Energie dieses Geistes haben, die sich dann in jeder Form manifestieren kann, und so bekommen wir unbegrenzte Körper oder Manifestationen. Die Energie vibriert, man bezeichnet sie als subtilen Klang, und das ist Kommunikation, das ist Rede. Das Vibrieren der Energie wird ebenfalls unbegrenzt sein. Die Energie kann sich in jeder Form manifestieren und das Vibrieren dieser Energie, die Kommunikation, die Rede, kann sich in jeder Form mitteilen.

Was ist der wahre Pfad des Geistes, der diese zweite Gruppe der wahren Beendigungen hervorbringen wird. Das ist wiederum die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit, die nun von der Kraft des Bodhichitta getragen wird.

Eine Sache, die ich noch hinzufügen sollte, ist, dass der Zustand der Erleuchtung kein allmächtiger Zustand ist. Er hat unglaubliche Möglichkeiten, doch ist er nicht allmächtig. Allmacht wäre etwas, dass nicht an die Gesetzte von Ursache und Wirkung gebunden ist. Ein allmächtiges Wesen könnte also alles ohne irgendwelche Ursachen tun. Tsongkhapa sagt ganz klar in unserem Text: „die Gesetze von verhaltensbedingter Ursache und Wirkung sind nie widersinnig“, sie können nie gebrochen werden; Dingen entstehen nur durch Ursachen.

Ein Buddha kann lehren, ein Buddha kann inspirieren, ein Buddha kann erklären, doch ein Buddha kann nicht für uns etwas verstehen. Wir müssen selbst Verständnis entwickeln und dafür ist es notwendig, empfänglich zu sein und die Ursachen dafür zu schaffen. Wir können nur von unserem mangelnden Gewahrsein frei werden und beruhend darauf unser Leiden beseitigen, indem wir selbst etwas verstehen.

Was diese zweite Gruppe von Schleiern beseitigt, ist das gleiche Verständnis, wie bei der ersten Gruppe. Der einzige Unterschied besteht im motivierenden Geist, der die Kraft dahinter bildet – Entsagung für die Schleier, die Befreiung verhindern und Bodhichitta für die Schleier, die Allwissenheit verhindern. Das bezieht sich auf das komplexeste System von Theorien, dem Prasangika. Es gibt viele verschiedene Ebenen von Theorien und Erklärungen, auf die ich nicht weiter eingehen werde, doch die komplexeste nennt man Prasangika-Madhyamaka. Mit anderen Worten ist dieses Verständnis, das beide Gruppen von Schleiern beseitigt, die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit, die Erkenntnis, dass all dieses Projizieren von umhüllten Dingen nichts Realem entspricht.

Richten wir uns darauf, dass es nichts Realem entspricht, betrachten wir es nichtkonzeptuell als eine völlige Abwesenheit. In dieser völligen Abwesenheit gibt es keine Projektion. Es gibt nicht nur keinen Glauben daran, sondern auch kein Projizieren. Wir sind einfach völlig fokussiert, auf nichtkonzeptuelle Weise, also ohne eine Kategorie, wie das Wort „Leerheit“ oder ein geistiges Bild, und richten uns nichtkonzeptuell auf „so etwas gibt es nicht“ aus, gewissermaßen auf eine Abwesenheit. 

Wenn wir das erlangen, ist dies die Arya-Ebene. „Arya“ bedeutet „edles Wesen“, wobei sich dieser Begriff etwas komisch anhört; ich übersetze ihn mit „hochverwirklichtes Wesen“. Das hat nichts mit Aristokratie zu tun. Ein Arya kann in diesem so genannten „Zustand der völligen Vertiefung“ nicht unablässig bleiben, sondern muss herauskommen, um zu essen, zur Toilette zu gehen und all die Aktivitäten auszuüben, um anderen von Nutzen zu sein. Doch während er all das tut, hat ein Arya noch immer die Gewohnheit, eine Erscheinung wahrer Existenz zu projizieren, denn der Geist tut das ganz automatisch, wenn er nicht völlig in diese Abwesenheit vertieft ist.

Sind wir in der Lage, fortwährend in der vollständigen Vertiefung dieser völligen Abwesenheit zu bleiben und sie nie zu verlassen, während wir gleichzeitig anderen helfen und alle möglichen Dinge tun, um anderen von Nutzen zu sein, anstatt nur in der Meditation zu sitzen, haben wir uns von der Gewohnheit des Projizierens wahrer Existenz befreit, denn sie kann nie wieder kommen. Dann verlassen wir diese völlige Vertiefung nicht und das ist der Zustand der Buddhaschaft.

Was ist eine Gewohnheit? Alles, was wir dazu sagen können, ist, dass es Instanzen ähnlicher Ereignisse gibt, wie beispielsweise Kaffee zu trinken. Wie könnten wir diese Ereignisse nun zusammenfügen, um uns auf diese sich wiederholende Abfolge zu beziehen, indem wir darüber reden, daran denken und so weiter? Wir würden im Geist die Punkte jedes dieser Ereignisse miteinander verbinden, wir würden eine geistige Abstraktion erschaffen, und das wäre dann eine Gewohnheit. Natürlich ist eine Gewohnheit nicht von einer Linie umzogen. Sie ist eine Konvention, die uns hilft, uns auf eine Reihe ähnlicher Ereignisse zu beziehen.

So lange es möglich ist, dass ein ähnliches Ereignis in der Zukunft erneut stattfindet, müssen wir davon ausgehen, dass es noch immer eine Gewohnheit als ein Zuschreibungsphänomen im Geisteskontinuum gibt. Ein Zuschreibungsphänomen ist etwas, das an eine Basis gebunden ist – in diesem Fall an ein Geisteskontinuum – und nicht getrennt von dieser Basis existieren oder erkannt werden kann. So lange es eine Möglichkeit für ein weiteres Auftreten dieses ähnlichen Ereignisses gibt, haben wir weiter die Gewohnheit und sie kann ein zukünftiges Auftreten eines ähnlichen Ereignisses hervorrufen.

Wenn ein zukünftiges Auftreten eines ähnlichen Ereignisses unmöglich ist, könnten wir lediglich von einer früheren Gewohnheit sprechen und sagen: „Ich habe diese Gewohnheit nicht mehr.“ Auf diese Weise befreien wir uns von Gewohnheiten und so reinigen wir Karma, aber darauf werden wir hier nicht weiter eingehen. Mit dem Verständnis der Leerheit beseitigen wir die Gewohnheit des Projizierens wahrer Existenz und des Erschaffens von Karma.

Bodhichitta: Anstreben unserer noch nicht stattfindenden Erleuchtung 

Denkt daran, dass wir über Entsagung als motivierende Kraft für das Verständnis der Leerheit gesprochen haben, durch die wir die Stärke oder Kraft bekommen, um die erste Gruppe der Schleier durchtrennen und frei von den störenden Emotionen, wie Wut, Gier, Naivität werden und Befreiung erlangen zu können. Diese Energie oder Kraft reicht jedoch nicht aus, um mit diesem nichtkonzeptuellen Verständnis der Leerheit die zweite Gruppe der Schleier durchtrennen und den Fokus für immer auf dieser völligen Abwesenheit wahrer, unabhängig begründeter Existenz halten und trotzdem allen von Nutzen sein zu können. Die Energie reicht nicht aus, um in diesem Zustand zu bleiben und die einzige Möglichkeit dafür ist, es mit Bodhichitta zu tun. 

Bodhichitta ist ein Geist, der auf die Erleuchtung ausgerichtet ist. Er richtet sich nicht auf die Kategorie „Erleuchtung“, eine allgemeine Sache als Kategorie, und ganz gewiss nicht auf eine „Sache“ oder ein „Ding“. Und er richtet sich auch nicht auf die Erleuchtung von Buddha Shakyamuni, sondern auf unsere eigene zukünftige Erleuchtung. Hier müssen wir sehr präzise sein, was die Grammatik betrifft, und es korrekt ausdrücken: Wir richten uns auf unsere individuelle „noch nicht stattfindende“ Erleuchtung, die ein Zuschreibungsphänomen auf der Basis unseres geistigen Kontinuums ist.

Dafür ist es notwendig, „noch nicht stattfindende“ Dinge zu verstehen, wie das noch nicht stattfindende Weihnachten dieses Jahres. Wir können das noch nicht stattfindende Weihnachten konzeptualisieren. Es ist ein Konzept und wir kennen es nicht genau und in allen Einzelheiten. Das noch nicht stattfindende Weihnachten findet momentan nicht statt. Es ist nicht so, dass es an einem anderen Ort oder in einer anderen Dimension stattfinden und immer näherkommen wird, bis es hier stattfindet. Aber dennoch können wir an das noch nicht stattfindende Weihnachten denken, wir können einkaufen gehen und alle möglichen Dinge dafür vorbereiten, bis das noch nicht stattfindende Weihnachten zu einem gegenwärtig stattfindenden Weihnachten wird.

Es ist nicht so, als würde es ein Weihnachten geben, das existiert, als wäre es von einer dicken Linie umzogen und dann als entweder „noch nicht stattfindend“, „gegenwärtig stattfindend“ oder „nicht mehr stattfindend“ beschrieben werden kann. Wir sollten auch nicht die westlichen Worte, wie „Zukunft“ und „Vergangenheit“ benutzen, da sie ziemlich irreführend sind. Die noch nicht stattgefundenen, gegenwärtig stattfindenden und nicht mehr stattfindenden Weihnachten sind nicht die gleichen feststehenden Weihnachten, die sich durch die Zeit bewegen. Sie sind keine solide Sache. 

Worauf richtet sich nun Bodhichitta? Es richtet sich auf die noch nicht stattfindende Erleuchtung, die später in unserem Geisteskontinuum stattfinden kann. Sie wird jedoch nicht einfach von selbst stattfinden; sie ist nicht wie unser Tod, der jeden Augenblick von selbst stattfinden wird, egal was wir tun. Diese noch nicht stattfindende Erleuchtung wird nicht automatisch geschehen. Wir müssen eine Menge Arbeit hineinstecken und uns darin üben, diese Schleier zu beseitigen. Die Arbeitsgrundlage ist da, sowie auch die Faktoren, die wir benötigen. Sie bilden unsere so genannten „Buddha-Natur-Faktoren“. Auf der Grundlage unseres geistigen Kontinuums in diesem gegenwärtigen Augenblick, das das Einzige ist, was momentan stattfindet, sowie all der Buddha-Natur-Faktoren, die Teil davon sind, ist die noch nicht stattgefundene Erleuchtung, die erlangt werden kann, ein gültig erkennbares Zuschreibungsphänomen.

Bodhichitta wird von zwei Absichten begleitet. Die erste Absicht ist der Wunsch und die Vorsatz des Erlangens. Wir sind durch Liebe und Mitgefühl motiviert und wollen in der Lage sein, allen zu nutzen und zu helfen, sich von Leiden zu befreien, und dadurch erkennen wir, dass wir einzig durch die Erleuchtung dazu vollständig in der Lage sein werden. Anders ausgedrückt müssen wir diese dumme Periskop-Sicht loswerden und streben also an, dies zu erreichen. Die zweite Absicht ist die Antwort auf die Frage: „Was werden wir tun, wenn wir diesen Zustand erreicht haben?“ Wir werden allen so viel wie möglich helfen.

Wir richten oder konzentrieren uns auf diesen Zustand der Erleuchtung, der noch nicht stattgefunden hat, den Zustand, in dem es nicht nur diese völlige Abwesenheit nach dem Greifen nach wahrer Existenz gibt, sondern auch eine Abwesenheit der Erscheinung wahrer Existenz in unserem Geist, und den Zustand, in dem wir dies fortwährend erfahren. Um dorthin zu gelangen, gilt es zu verstehen und sich bewusst darüber zu sein, dass es möglich ist, diesen Zustand im Sinne unseres eigenen geistigen Kontinuums zu erlangen, den wir für gewöhnlich einfach als „Geist“ bezeichnen.

Was ist der Geist? 

Was verstehen wir unter dem Geist? Das ist kein einfaches Thema. Kurz gesagt sprechen wir von geistiger Aktivität. Man könnte sie in Bezug auf all die elektrischen und chemischen Dinge beschreiben, die da ablaufen, doch wir reden von der Aktivität selbst, im Sinne eines subjektiven individuellen Erfahrens von Dingen. Es handelt sich um eine Aktivität. Wir erfahren etwas; die Rede ist nicht von dem Substantiv „die Erfahrung“.

Es geht nicht darum, viele Erfahrungen zu sammeln oder viel Erfahrung zu haben. Wir erfahren; es geht um das Verb. Wir reden nicht über eine „Sache“, sondern über etwas, dass von einem Augenblick zum anderen stattfindet. Wir reden nicht über Erfahrungen, die wir in einer Schublade ansammeln. Es ist wirklich wichtig, dies zu verstehen. Wir müssen vorsichtig sein und vermeiden, eine falsche Vorstellung in Bezug auf diesen Punkt zu entwickeln.

Diese Aktivität findet ständig statt. Was ist diese Aktivität? Man könnte sie von zwei Standpunkten aus beschreiben. Einer ist das Auftauchen einer Erscheinung. Eine Erscheinung ist nicht nur visuell. Diese Erscheinung ist wie ein geistiges Hologramm. Denken wir einmal darüber nach, ist es ziemlich klar. Was das Sehen betrifft, so gibt es all diese Lichtpixel, welche auf die verschiedenen Zellen der Retina treffen und elektrische Information weitersenden. Wir sehen ein geistiges Hologramm, nicht nur Lichtpixel oder elektrische Entladungen. Es handelt sich um ein geistiges Hologramm.

Das gleiche passiert beim Hören oder mit den anderen Sinnen. In jeder Millisekunde des Hörens einer Rede hören wir lediglich den Klang eines Vokals oder eines Konsonanten. Das ist alles, was wir in einem Augenblick hören, und doch bilden wir ein geistiges Hologramm eines ganzen Wortes und eines ganzen Satzes, und verstehen dessen Bedeutung. Das geschieht durch ein geistiges Hologramm. Wir hören nicht einen ganzen Satz in einer Millisekunde. Auf diese Weise verstehen wir Sprache, indem wir ein vollständiges geistiges Hologramm erstellen, obwohl immer nur ein Laut auf einmal zu hören ist und wir nur einen Laut auf einmal verstehen. Das ist schon ziemlich verrückt oder?

Wie dem auch sei, das ist ein Aspekt der geistigen Aktivität. Man könnte es auch im Sinne einer kognitiven Beschäftigung mit einem Objekt beschreiben. Das ist es, was Sehen, was Hören und was Denken ist. Es ist nicht so, dass ein Gedanke als ein „Ding“ in Erscheinung tritt und wir ihn dann denken. Diese geistige Aktivität oder das Erscheinen eines geistigen Hologramms ist gleichbedeutend damit, etwas zu erkennen, und das ist alles, was stattfindet. Es gibt keine getrenntes „Ich“, von einer Linie umzogen, die es von diesem Gedanken trennt und ihn stattfinden lässt, indem es einen Geist wie eine von einer Linie umzogenen Maschine benutzt und Knöpfe drückt: „Nun werde ich diesen Gedanken denken“, obwohl es so zu sein scheint und sich so anfühlt. Diese Art der Denkweise ist unmöglich.

Geistige Aktivität findet ständig statt und lässt geistige Hologramme erscheinen. Normalerweise handelt es sich dabei um ein Hervorbringen von Erscheinungen wahrer Existenz, von mit Linien umzogenen Dingen, und wir erkennen sie, indem wir sie sehen, hören oder denken. Dies geschieht jedoch mit mangelndem Gewahrsein; wir wissen nicht, dass dies nichts Realem entspricht. 

Ist dieses mangelnde Gewahrsein nun etwas, das wir als Teil der Natur der geistigen Aktivität bezeichnen würden? Ist es mit anderen Worten etwas, das immer da sein muss? Eigentlich nicht. Warum ist das so? Weil es durch etwas ersetzt werden kann, das ein sich gegenseitig ausschließendes völliges Gegenteil davon ist, also eine geistige Aktivität, in der es kein Erscheinen wahrer Existenz und kein Glauben daran gibt, es würde der Realität entsprechen, und in der es weder mangelndes Gewahrsein noch Greifen nach wahrer Existenz gibt. Das ist die völlige Vertiefung in Leerheit eines Aryas. 

Was ist stärker? Unser verwirrter Zustand oder die völlige Vertiefung eines Aryas? Die geistige Aktivität mit all dem Unsinn oder die geistige Aktivität ohne ihn? Wir prüfen: Welche wird von gültigem Verständnis, gültiger Logik, gestützt? Welche hält die Untersuchung stand? Welche beruht auf Logik und Überlegung? Welche ruft Leiden hervor und welche ist frei von Leiden? Durch welche sind wir nicht in der Lage, anderen Menschen wirklich gut zu helfen, weil wir Fehler machen, faul sind und all diese Dinge, und welche erlaubt uns, anderen so nützlich wie möglich zu sein, wenn sie empfänglich dafür sind?

Die Kraft der Gewohnheit des Projizierens und das Glauben an all den Unsinn ist viel stärker als die Kraft der Gewohnheit, dies nicht zu tun, weil wir sie während unserer gesamten anfangslosen samsarischen Existenz aufgebaut haben. Die Kraft von Bodhichitta, die unser Verständnis der Leerheit stützt, ist jedoch noch stärker, wenn wir über fortwährendes und spontanes Bodhichitta verfügen und nicht nur über das so genannte „mühevolle Bodhichitta“. 

Mühevolles Bodhichitta ist jenes, das wir erschaffen müssen, indem wir uns auf Argumentationsketten beziehen, wie: „Jeder war schon einmal meine Mutter und war gütig zu mir“. Das ist mühevoll und wir müssen es in Schritten aufbauen; wir können es nicht ständig haben. Wenn wir durch Vertrautheit zu dem Punkt kommen können, an dem es mühelos ist und an dem wir es einfach fühlen können, ohne eine Ketten von Argumenten durchzugehen und darauf hinzuarbeiten, es zu fühlen, verfügen wir über den so genannten ersten Pfad des Geistes, der für gewöhnlich als „Pfad der Ansammlung“ oder „Pfad des Aufbauens“ übersetzt wird. Dann haben wir den Pfad tatsächlich betreten und haben einen effektiven Pfad des Geistes.

An diesem Punkt ist dieses Bodhichitta unablässig da, Tag und Nacht. Ob wir nun schlafen oder wach sind, es ist immer da. Auch wenn wir nicht daran denken und uns nicht bewusst darüber sind, verlieren wir die Bodhichitta-Ausrichtung und die Absicht nie als absolutes, sicheres Ziel dessen, was wir gerade tun. Wir müssen uns nicht bewusst darüber sein und müssen nicht darüber meditieren. Es wird auf der sogenannten unterbewussten Ebene hervorgebracht.

Worauf richtet sich diese Art von Geist, diese Art der Absicht? Sie richtet sich auf den Zustand, in dem wir keinen Unsinn projizieren, keinen Unsinn glauben und denken: „Ich möchte diese Erleuchtung erlangen, weil all das Leiden aller anderen unerträglich ist.“ Dieses Bodhichitta gibt dann dem Verständnis der Leerheit, das uns zu diesem erleuchteten Zustand bringen wird, viel mehr Kraft. Es hat so eine große Kraft, dass es sogar die Gewohnheit des Projizierens von Unsinn besiegen kann, damit sie letzten Endes nie wiederkommen wird.

Das ist gültig, weil alles, das diesen Vorgang stützt – Überlegung, Logik, die Fähigkeit anderen zu helfen und so weiter – die Seite stützt, auf der dieser Müll nicht existiert. Daher sind Befreiung und Erleuchtung möglich. Und weil die Natur des Geistes rein von diesen „flüchtigen Makeln“ des Mülls ist, können die Schleier beseitigt werden, und zwar nicht nur vorübergehend, sondern für immer. All die negativen und destruktiven Geisteszustände, störenden Emotionen, störenden Verhaltensweisen und so weiter basieren auf dieser geistigen Aktivität mit dem Unsinn, dem mangelnden Gewahrsein. Sie können also beseitigt werden und es gibt nichts, was sie stützt.

All die positiven, konstruktiven Eigenschaften, wie Liebe, Mitgefühl, Geduld usw. werden, obwohl sie natürlich auch mit Unsinn vermischt sein könnten, von der geistigen Aktivität ohne Unsinn getragen. Mit anderen Worten sind diese positiven Eigenschaften um so stärker und die negativen um so schwächer, je mehr wir von all dem Unsinn frei werden. Aus diesem Grund können die negativen Eigenschaften gereinigt und entfernt werden, jedoch nicht die positiven. Die positiven Eigenschaften werden, wenn wir uns der Erleuchtung nähern, immer stärker, bis sie zu den großen Qualitäten eines Buddhas werden.

Vergesst bitte nicht, dass Bodhichitta etwas ist, das auf der Basis entwickelt wird, auf der wir bereits über Entsagung verfügen. Wir müssen uns von Samsara abwenden und das Erlangen der wahren Beendigungen anstreben, und dieses Bodhichitta ist somit einfach eine Erweiterung dessen. Wir wenden uns davon ab, weiter ein begrenztes Wesen wie ein Arhat zu sein und streben stattdessen an, Erleuchtung zu erlangen. Das ist eine Kombination von Entsagung und Bodhichitta mit dem Verständnis der Leerheit, oder die drei Hauptpfade des Geistes.

Was durch Tantra hinzugefügt wird 

Das ist unsere allgemeine Darstellung der drei Hauptpfade des Geistes und wir können sehen, dass es sich hierbei um recht tiefgründige Themen handelt. In diesem Kontext können wir den Hinayana-Pfad zur Befreiung und dem Mahayana-Pfad zur Erleuchtung verstehen. Innerhalb des Mahayana können wir auch die Pfade von Sutra und Tantra in Bezug auf diese drei verstehen.

Durch Tantra wird die Vorstellung hinzugefügt, die verschiedenen Arten von Formen eines Buddhas zu haben und in der Lage zu sein, Dinge wie ein Buddha zu tun, obgleich wir uns vollkommen darüber bewusst sind, dass es noch nicht geschieht und noch nicht wirklich der Fall ist. Ungeachtet dessen bekommen wir aber durch Üben, Praktizieren und durch unsere Vorstellung mehr Kraft und Vermögen, diesen Zustand schneller zu erreichen. Das ist Tantra – wir stellen uns vor, diese erleuchtenden Formen eines Buddhas in diesem Augenblick zu besitzen, diese Buddha-Gestalten, wie Tara, Chenrezig usw., und visualisieren, allen tatsächlich zu helfen, indem wir grenzenlose Lichter und Emanationen aussenden und dadurch den Wesen von Nutzen sind. Wir sind uns jedoch völlig darüber bewusst, dass wir uns noch nicht auf dieser Stufe befinden.

Es ist ganz klar, dass es unmöglich ist, Tantra ohne diese drei Hauptpfade des Geistes zu praktizieren. Zumindest wäre es eine Katastrophe, Tantra zu praktizieren, ohne wirklich die Entsagung der gewöhnlichen Erscheinungen zu haben, die unser Geist hervorbringt, wie unsere gewöhnliche Form, denn wir wollen uns selbst in diesen Formen visualisieren, die das repräsentieren, was wir erlangen wollen und indem wir Bodhichitta entwickeln, streben wir Erleuchtung an, um anderen zu helfen.

Das ist es, was wir mit diesen Buddha-Gestalten tun; es ist nicht einfach nur so, als würde sich ein Verrückter vorstellen, Kleopatra oder Napoleon zu sein. Wir müssen ein Verständnis der Leerheit haben, um diese Visualisierung im Sinne dessen zu unterscheiden, was tatsächlich momentan passiert und um zu verstehen, dass die Natur des Geistes rein ist und wir durch das Verständnis der Leerheit in der Lage sind, diesen Geist frei von all dem Müll tatsächlich erlangen zu können.

Das sind die drei Hauptpfade des Geistes, die Essenz des Lam-rim-Stufenpfades.

Fragen  

Im Kunstunterricht sagt man uns, dass wir uns beispielsweise beim Zeichnen einen Stuhls von dem Konzept „Stuhl“ und jeglichen vorgefassten Meinungen befreien müssen und einfach das zeichnen sollen, was wir sehen. Geht das in die Richtung des Verständnisses der Leerheit?

Das ist schwer zu sagen, denn in jedem Augenblick unserer Existenz projiziert unser Geist diesen Unsinn, diese von Linien abgegrenzten Dinge, außer wenn wir völlig in Leerheit vertieft sind. Alles, was wir sehen, betrachten wir als ein „Ding“. Wir müssen es sorgfältig analysieren. 

Lasst mich das etwas genauer erklären. Was sehen wir denn? Wir sehen Lichtpixel. Wir könnten auch sagen, dass wir farbige Formen sehen und eine dritte Theorie wäre, etwas als ein Tisch zu erkennen. Was existiert, sind nicht nur Pixel oder farbige Formen, sondern Tische, Stühle usw.

Wir könnten uns von einer vorgefassten Meinung befreien, die wir vielleicht davon haben, wie ein Stuhl aussehen sollte, und das wäre ein großer Schritt. Wir streiten nicht ab, dass dies ein ziemlich großer Schritt wäre, aber das ist nicht genug, denn was nehmen wir denn tatsächlich wahr? Wir nehmen eine Grenze zwischen einer farbigen Form und einer anderen farbigen Form wahr. Beim Malen müssen wir Grenzen zwischen einer bestimmten farbigen Form und der nächsten farbigen Form malen und wenn wir nicht gerade etwas völlig Abstraktes malen, wird eine bestimmte Gruppe dieser farbigen Formen einen Stuhl repräsentieren. Es sieht so aus, als gäbe es da eine Linie, welche ihn vom Hintergrund abgrenzt, obgleich es vielleicht keine schwarze Linie geben mag.

Hier müssen wir immer tiefer gehen. Unsere vorgefasste Meinung dazu, wie ein guter oder schöner Stuhl aussehen sollte, loszuwerden, ist nur der erste Schritt. Es ist der erste und nicht der letztendliche Schritt. Der Punkt ist, dass wir einen Stuhl sehen und solange wir keine Buddhas sind, wird er für uns mit einer abgrenzenden Linie erscheinen, die ihn vom Hintergrund abtrennt.

Die eigentliche Frage ist, wie sehr er vom Hintergrund abgetrennt ist. Gäbe es den Stuhl denn, wenn wir den Hintergrund wegwischen könnten? Damit kommen wir zur Thematik der gegenseitigen Abhängigkeit. Wenn alles von Linien umgeben wäre, könnten wir alles andere wegwischen und trotz allem den Stuhl in unserem Bild haben. Doch in der Realität ist es nicht so und das müssen wir tiefer analysieren.

In Bezug auf das geistige Bezeichnen sollte ich auch erwähnen, dass der Stuhl nicht durch das geistige Bezeichnen erschaffen wird. Ich habe bereits darüber gesprochen, doch dies ist ein wichtiger Punkt, den wir nicht missverstehen sollten. Unabhängig davon, ob wir „Stuhl“ denken, wenn wir diesen Gegenstand aus Holz sehen, wird der Stuhl dadurch nicht erschaffen. Heißt dies, dass es keinen Stuhl gibt, wenn wir nicht „Stuhl“ denken? Kann einfach alles gültig als ein Stuhl bezeichnet werden, wenn es die Funktion erfüllt, jemanden zu tragen, der auf ihm sitzt? Wir gehen in unserer Analyse immer tiefer.

Gestern und heute habe ich gehört, wie wichtig es ist, vollkommen  davon zu sein, dass wir Erleuchtung und Befreiung erlangen können. Doch wir Menschen aus dem Abendland sind nicht vertraut mit der Wiedergeburt; sie ist ein ziemlich schwieriges Thema, an dem wir arbeiten müssen. Außerdem höre ich seit Jahren, dass wir viele Zeitalter und Leben daran arbeiten müssen, dieses Ziel zu erreichen. Ist dieses Problem nicht etwas entmutigend für uns, und wie gehen wir damit um?

Ja, in den Lehren wird gesagt, dass es unzählige Zeitalter, eine unfassbar große Zahl von Zeitaltern, dauern wird, dieses Ziel der Erleuchtung tatsächlich zu erreichen. Warum ist das so? Weil wir ein hohes Maß an positiver Kraft, ein hohes Maß an positiver Energie aufbauen müssen, um all diesen Unsinn zu beseitigen. Wir müssen es wirklich ernst nehmen und sollten dabei nicht nur an „Verdienste“ oder eine Anzahl von Punkten denken, die wir bekommen müssen, um zu gewinnen, sondern an ein hohes Maß an Kraft, an positiver Energie, die immer stärker und stärker werden muss. Das braucht viel Zeit, doch davon sollten wir uns nicht entmutigen lassen.

Aus diesem Grund brauchen wir diese weitreichenden Geisteshaltungen, wie Geduld und Ausdauer. Denkt daran, dass Höhen und Tiefen die Natur von Samsara sind. Bis wir Befreiung erlangen, wird es auf und ab gehen. Wenn man uns wie einem kleinen Kind erzählt, dass es gleich dort um die Ecke und ganz einfach und leicht sein wird, wir uns nur hinsetzen und eine magische Formel aussprechen oder hunderttausend Niederwerfungen machen müssen, um es zu bekommen, sind wir vielleicht noch enttäuschter, wenn wir sehen, dass wir gar nichts erreicht haben. Auch wenn wir eine tolle Erfahrung machen, geht es doch am Ende wieder bergab. Das ist die Natur von Samsara und das ist dann noch entmutigender.

Viel besser ist es, eine realistische Einstellung zu haben und uns bewusst darüber zu sein, dass es nicht einfach sein wird und viel Zeit braucht. Wenn wir keine dramatischen Ergebnisse erwarten, werden wir auch nicht enttäuscht sein. Seine Heiligkeit der Dalai Lama findet die realistische Vorstellung, dass es ein großes Maß an Zeit brauchen wird, viel ermutigender und hoffnungsvoller, als zu meinen, es wäre ganz leicht: „Wir gehen einfach in den Retreat, rezitieren drei Jahre irgendeinen Hokuspokus und dann haben wir es; wir sind erleuchtet.“

Was treibt uns denn an? Denkt an Entsagung: „Wenn ich nichts unternehme, wird es einfach mit all diesen Problemen immer so weitergehen. Wie furchtbar und ermüdend!“ Ein noch stärkerer Gedanke ist, dass alle anderen sich ebenfalls in dieser Situation befinden und es für alle so furchtbar ist. Eine Mutter hat viel mehr Energie, auf Nahrungssuche zu gehen, wenn sie an ihre hungrigen Kinder denkt, als wenn es nur um ihren eigenen Hunger geht. Die Mutter sagt also: „Mir ist es egal, wie schwer es sein wird. Ich werde Nahrung für meine Kinder besorgen. Wie lange es auch dauert und wie schwierig es auch sein wird, ich werde es tun.“ In ähnlicher Weise hat niemand behauptet, es würde leicht sein, auf die Erleuchtung hinzuarbeiten.

Da ist also dieses falsche „Ich“ und das konventionelle „Ich“. Das falsche „Ich“ existiert nicht, aber das konventionelle „Ich“ gibt es. Geht es dann nur darum, dieses konventionelle „Ich“ zu dekonstruieren, sowie all diese Konventionen, die dieses konventionelle „Ich“ erschaffen haben? 

Nein, was wir dekonstruieren ist das falsche „Ich“. An der Konvention ist nichts falsch. Du hast einen Namen, „Mickey“, der sehr nützlich ist, denn damit können wir uns auf dich beziehen. In einem früheren Leben hattest du einen anderen Namen. Es gibt viele Konventionen, die man gültig auf dich anwenden kann: „menschliches Wesen“, „männlich“, „mexikanisch“. Sie sind nützlich. Was wir dekonstruieren müssen, ist das falsche „Ich“, dass es etwas auf deiner Seite gibt, was dich zu einem menschlichen Wesen macht. „Menschliches Wesen“ ist nur ein geistiges Konstrukt, aber es ist nützlich.

Seht euch die Paläontologen an, die versuchen herauszufinden, wo wir in der Evolution mit einem Blick auf all diese Knochen eine Linie zwischen dem ziehen können, was ein Mensch und was kein Mensch war. Wo sich die Linie befindet, ist nur ein geistiges Konstrukt. Jemand erfindet eine Definition dafür, was einen Menschen ausmacht – eine bestimmte Form der Knochen des Kopfes oder was auch immer. Wir müssen die Überbewertung der Konvention dekonstruieren, aber nicht die Konvention selbst. Wir dekonstruieren also das falsche Selbst, aber nicht das konventionelle.

Durch die Gesellschaft mit all ihren Konventionen werden wir ganz starr. Wäre es nicht gut, wenn wir all diese sozialen Konventionen loswerden könnten und wären wir dann nicht flexibler und freier?

Nein. Es ist unser mangelndes Gewahrsein, unsere Unwissenheit, die uns starr werden lässt, nicht diese Konventionen. Konventionen sind nützlich. Hätten wir nicht die Konventionen von „Eltern“, „Kindern“ und so weiter, würde unsere Gesellschaft überhaupt nicht funktionieren. Nur wenn wir sagen, ich habe eine vorgefasste Meinung, ein Konzept, eine feste Vorstellung davon, wie ein guter Vater oder eine echte Mutter sein sollte und dann meinen, sie würden diesem festen Konstrukt nicht entsprechen, werden wir wütend, ärgern uns über unsere Eltern und bekommen Probleme. Das Problem ist nicht die Konvention „Eltern“, denn dann würde sich ja niemand um die Kleinen kümmern.

Das Problem sind also nicht die Konventionen; das Problem ist nicht das geistige Bezeichnen; das Problem ist unser Verständnis der Dinge, die wir mit diesen Konventionen bezeichnen. Wir sollten keine festgelegten Dinge daraus machen, sondern flexibel und uns bewusst darüber sein, dass es zahlreiche Konventionen geben kann. Manche sind gültig; manche sind nicht gültig. Damit kommen wir zu einer ganz anderen Thematik. Wir können Dingen auch nicht einfach irgendwelche Bezeichnungen geben. Das, was die meisten von uns als einen „Stuhl“ bezeichnen würden, können wir nicht als einen „Hund“ bezeichnen und es damit zu einem Hund machen. Das ist kein gültiges Bezeichnen. Nur weil wir geistig etwas bezeichnen, muss es nicht gültig sein und es zu diesem Ding machen.

Wenn wir sehen, hören, riechen und so weiter, was ist es, das sieht, hört und riecht?

Nun, wir können konventionell sagen, „ich sehe“ und „ich höre“, aber das „Ich“ existiert nicht als eine Entität, die mit einer dicken Linie getrennt von diesem ganzen Prozess ist und ihn entweder beobachtet oder ihn stattfinden lässt. Es ist so, wie wir es erklärt haben, dass dort ein Körper auf diesem Stuhl sitzt und wir sagen können: „ich sitze auf dem Stuhl“, doch das sind zwei verschiedene, voneinander getrennte Dinge, die auf dem Stuhl sitzen. Das „Ich“ ist eine Konvention, um die Punkte aller Augenblicke der Erfahrung eines geistigen Kontinuums zu verbinden.

Ein Teil dieser geistigen Aktivität kann natürlich Intention sein, wie, wenn wir beispielsweise unseren Kopf drehen, um etwas zu sehen. Doch es ist nicht so, als gäbe es da eine getrennte Entität, ein „Ich“, welches einen Knopf drückt und dann den Kopf dreht. Wie könnte das „Ich“ beabsichtigen, dies zu tun? Absicht ist eine geistige Aktivität. Wie könnte also ein „Ich“, welches getrennt von geistiger Aktivität ist, den Kopf bewegen und den Knopf drücken? Das Ganze ist völlig absurd. Absicht ist geistige Aktivität, wie auch das Treffen einer Entscheidung – all diese Dinge.

Wenn wir über einen Buddha reden und darüber, wie ein Buddha Dinge kennt, nimmt ein Buddha dann einfach nur direkte Erfahrungen auf und ist sich bewusst über diese Konventionen und geistigen Bezeichnungen, legt sie jedoch beiseite und arbeitet nicht mit ihnen, sondern nur mit der direkten Erfahrung?

Zunächst ist es ziemlich schwierig, den allwissenden Geist eines Buddhas wirklich zu kennen oder zu beschreiben. Alles, was wir haben können, ist ein Konzept davon, denn wir kennen ihn nicht auf nichtkonzeptuelle Weise, bis wir ihn selbst erlangt haben. Zu diesem Punkt gibt es in den verschiedenen buddhistischen Schulen große Diskussionen. Ein Buddha hat keine konzeptuelle Wahrnehmung. Ein allwissender Geist ist nicht konzeptuell; er ist völlig nichtkonzeptuell. Es handelt sich um eine sehr viel subtilere Ebene der geistigen Aktivität, als jene, über die wir im Sutra sprechen. Man nennt sie die „geistige Aktivität des klaren Lichts“. Ein Buddha-Geist arbeitet nicht mit Konzepten oder geistigen Bezeichnungen. Dann stellt sich die Frage, ob ein Buddha geistige Bezeichnungen kennt.

Eine Meinung ist, dass ein Buddha keine geistigen Bezeichnungen kennt, weil es sich dabei um Kategorien handelt und Kategorien werden nur von einem konzeptuellen Geist erkannt. Ein konzeptueller Geist und geistiges Bezeichnen sind die Aktivität eines begrenzten Geistes und weil ein Buddha keinen begrenzten Geist hat, verfügt er nicht darüber. Das Problem ist hier, dass ein Buddha dann nicht allwissend wäre, weil er ja keine Konzepte und Bezeichnungen kennt. Die andere Meinung ist, dass ein Buddha das geistige Bezeichnen im Geist der anderen kennt, der allwissende Geist sich jedoch über alles ohne dies bewusst ist. 

Die Erklärung, die ich gehört habe, besagt, dass ein Buddha all die konventionellen Benennungen mit Worten auf nichtkonzeptuelle Weise kennt, sowie das, worauf sich die Worte in allen Sprachen beziehen. Doch ein Buddha erschafft keine Kategorien durch geistiges Bezeichnen und erkennt Worte und deren Bedeutungen nicht auf konzeptuelle Weise durch diese Kategorien, wie es begrenzte Wesen tun und die Sprache benutzen. 

Diese Frage ist wirklich gut und auch sehr schwierig zu beantworten. Die verschiedenen tibetischen Meister haben darüber seit Jahrhunderten immer wieder debattiert. Über all diese Themen, über die wir gesprochen haben, miteinander zu debattieren, ist im Grunde die beste Art und Weise, um ein besseres Verständnis davon zu bekommen. 

Lasst uns hier mit einer Widmung enden. Möge alle positive Kraft, die wir durch unsere Diskussion angesammelt haben, für alle Wesen als Ursache dafür dienen, den erleuchteten Zustand eines Buddhas zum Wohle von uns allen zu erlangen. Vielen Dank!

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