Identische, verschiedene, widersprüchliche und miteinander verbundene Phänomene

Wenn wir mit unterschiedlichen Dingen in unserem Leben konfrontiert werden, ist es wichtig, mit den verschiedenen Phänomenen umgehen zu können, denen wir begegnen oder die wir erfahren. Welche Beziehung haben sie zueinander und wie gehen wir grundsätzlich mit Informationen um? Sehen wir uns also ein paar Arten von Beziehungen zwischen Phänomenen an, die im Buddhismus behandelt werden. Wenn wir unser Studium vertiefen wollen, werden wir sehen, dass wir diese Dinge für Logik und Debatte wirklich brauchen und sie eins der grundlegenden Werkzeuge sind, die wir zum Analysieren benötigen.

Schauen wir uns zunächst einige Begriffe an.

Von derselben Wesensnatur

Die erste Beziehung ist von derselben Wesensnatur (tib. ngo-bo gcig). Zwei Dinge sind von derselben Wesensnatur, wenn sie zwei Tatsachen bezüglich desselben Aspekts eines Phänomens sind. Ein Beispiel, das wir hier anführen könnten, wäre „ein samsarisches Wesen zu sein“ und „Probleme zu haben.“ Anstatt mich auf klassische Beispiele zu stützen, versuche ich hier Beispiele anzuführen, die vielleicht etwas relevanter für uns sind.

Alle Wesen, außer Arhats und Buddhas, denen wir begegnen, sind samsarische Wesen. Für die meisten von uns bezieht sich das auf so ziemlich alle, die wir treffen. Und da es samsarische Wesen sind, haben sie Probleme. Sie sind nicht vollkommen und sie sind auch nicht perfekt. Was erwarten wir also von anderen? Was erwarten wir von uns selbst? Das bringt uns zu einem sehr hilfreichen Gedanken: Was erwarten wir eigentlich von Samsara? Das alles gut laufen wird? Natürlich nicht. Egal welche Beziehung wir mit jemandem eingehen werden und wer auch immer es sein mag, es wird Probleme gehen. Da sollten wir uns nichts vormachen.

Wir richten uns auf diese zwei Tatsachen (ein samsarisches Wesen zu sein und Probleme zu haben), also auf die Aspekte anderer. Es geht nicht darum, wie sie aussehen oder so etwas, sondern um ihre Natur und wir sehen es von zwei gültigen Standpunkten aus: samsarische Wesen, Probleme haben. Und diese zwei Tatsachen bezüglich desselben Aspekts sind immer untrennbar.

Untrennbare Phänomene

Untrennbar (tib. dbyer-med); diese Art von Beziehung bedeutet, dass das Eine nicht zutreffen kann, wenn nicht auch das Andere wahr ist. Aber in manchen Fällen sind sie von derselben Wesensnatur – sie sind beispielsweise samsarische Wesen und haben Probleme – und dann bezieht es sich auf den gleichen Aspekt, die Natur der Person.

Wir könnten jedoch auch zwei untrennbare Tatsachen haben, die nicht von derselben Wesensnatur sind. Ein Beispiel wäre die Erscheinung und der Charakter einer Person. Jeder hat sowohl eine äußere Erscheinung (die Art und Weise, wie er aussieht) und einen Charakter. Das Eine kann nicht ohne das Andere existieren. Diese Tatsachen treten gemeinsam, untrennbar voneinander auf, aber sie beziehen sich nicht auf den gleichen Aspekt der Person. Sie beziehen sich auf zwei verschiedene Aspekte. Es ist nicht wirklich dasselbe und das ist wichtig. Warum ist es wichtig? Manchmal denken wir, die Erscheinung und der Charakter sollten irgendwie übereinstimmen, nicht wahr? Jedoch mag jemand wunderschön sein und einen furchtbaren Charakter haben, wohingegen ein anderer sehr hässlich ist, aber einen wunderbaren Charakter hat. Das sind also zwei getrennte Dinge. Das Eine kann nicht ohne das Andere existieren. Es ist daher wichtig, das Eine nicht aufgrund des Anderen zu beurteilen.

Sich gegenseitig ausschließende und völlig deckungsgleiche Phänomene

Haben wir Tatsachen, die untrennbar voneinander sind, können sie sich gegenseitig ausschließen (tib. ’gal-ba) oder völlig deckungsgleich (tib. don-gcig) sein. Die Erscheinung und der Charakter schließen sich gegenseitig aus, denn sie haben keinen gemeinsamen Nenner (tib. gzhi-mthun) – es gibt nichts, das beides ist. Anders ausgedrückt gibt es keinen Zusammenhang zwischen Erscheinung und Charakter und das ist etwas, das den meisten von uns nicht wirklich klar ist. Oft machen wir unsere Beziehungen zu anderen davon abhängig, wie die Person aussieht, nicht wahr? Zumindest tun wir es am Anfang. Man sollte also verstehen, dass es sich bei beiden um Faktoren in Bezug auf jemanden handelt und das gilt es in Betracht zu ziehen.

Auf der anderen Seite können zwei Tatsachen auch völlig deckungsgleich sein, wenn sie die gleiche Bedeutung haben. „Ein samsarisches Wesen zu sein“ und „Probleme zu haben“, diese zwei Dinge bedeuten dasselbe und sind daher völlig deckungsgleich. Im Grunde haben wir hier zwei Gruppen und in beiden geht es um dasselbe. Alles, was sich in der einen Gruppe befindet, gibt es auch in der anderen Gruppe. Und obwohl wir eine dieser völlig deckungsgleichen Tatsachen kennen mögen, haben wir vielleicht keine Kenntnis von der anderen. Ich bin mir darüber bewusst, dass der Andere ein samsarisches Wesen ist, weil es in den Schriften so geschrieben steht, aber ich war mir nicht wirklich im Klaren darüber, dass er auch Probleme haben würde. Die Beziehung kann daher nicht perfekt sein. Aus diesem Grund sollten wir tiefer darüber nachdenken, was es eigentlich bedeutet, ein samsarisches Wesen zu sein, auch wenn wir uns selbst schnell verurteilen.

Wenn wir an uns selbst arbeiten und versuchen, die verschiedenen emotionalen Probleme, wie Wut, Selbstbezogenheit oder Ähnliches, zu überwinden, sollten wir daran denken, dass wir von all dem nicht vollständig befreit sein werden, bis wir befreit oder ein Arhat geworden ist. Natürlich werden sich Probleme wiederholen, egal wie sehr ich an mir selbst arbeite, um sie zu überwinden. Vielleicht tauchen sie immer seltener und mit weniger Intensität auf, aber bis wir befreite Wesen sind, werden sie sich wiederholen. Es gilt also nicht überrascht und entmutigt zu sein, besonders wenn wir einem spirituellen Pfad folgen. „Ich habe so lange und hart daran gearbeitet, habe so lange meditiert und nach vierzig Jahren verliere ich zuweilen immer noch die Fassung!“ Wir sollten uns nicht entmutigen lassen. Diesen Punkt gilt es zu verstehen, egal, ob wir einem spirituellen Pfad folgen, einen Kurs in Psychotherapie durchgehen oder ein Geschäft leiten, bei dem wir denken, wir hätten alles unter Kontrolle. Nun, es ist nicht perfekt und natürlich wird es immer Probleme geben, die auftauchen werden.

Der andere Punkt, über den ich reden sollte, betrifft den Fortschritt, den wir machen. Im Westen haben wir dieses Konzept von linearer Zeit und wir gehen davon aus, dass alles immer besser werden wird. Das nennen wir dann „Fortschritt“, wenn mit der Zeit alles immer besser wird. Von einem buddhistischen Blickwinkel und in Bezug auf die Eigenschaften von Samsara aus betrachtet, ist es jedoch so, dass es immer auf und ab geht. Und auch was samsarische Beziehungen betrifft, wird es ein Auf und Ab geben. Wir sind samsarische Wesen und werden gute und schlechte Tage haben. Manchmal handeln wir auf positive Weise, aber dann sind unsere Taten auch mal negativer. Es wird immer auf und ab gehen, aber das bedeutet nicht, es könne keinen Fortschritt geben. Ich glaube, wir müssen diese zwei Sichtweisen miteinander verbinden: es kann einen allmählichen Fortschritt geben, aber er findet nicht unbedingt geradlinig statt. Während wir uns immer weiter entwickeln, wird es ein ständiges Auf und Ab geben. Das ist, meiner Meinung nach, eine äußerst wichtige Sache im Umgang mit jeglicher Art samsarischer Situationen, die wiederum von derselben Wesensnatur sind. In der samsarischen Situation wird es auf und ab gehen und diese Tatsachen sind von derselben Wesensnatur.

Identische und verschiedene Phänomene

In dieser Art von Beziehungen haben wir uns die zwei Möglichkeiten angesehen. Man bezeichnet sie als „gleich und verschieden“, aber man kann sie auch auf andere Weise übersetzen. Manchmal finden wir in den Texten den Ausdruck „eins und viele“, oder, was ich vorziehe: „eins“ im Sinne von „identisch.“ In unserer Sprache kann „eins“ sehr viel bedeuten. Wir sind alle eins. Es kann wirklich unterschiedliche Bedeutungen haben. Wir könnten damit meine, wir wären alle einheitlich, also „eins.“ Aber darum geht es hier nicht. Hier ist die Bedeutung „identisch“, also identisch oder verschieden Zwei Tatsachen bezüglich desselben Aspekts eines Phänomens dürfen, auch wenn sie völlig deckungsgleich sind – wie „ein samsarisches Wesen“, bei dem es auf und ab oder „das Probleme hat“ – nicht identisch sein (tib. gcig). Es muss sich immer um verschiedene (tib. tha-dad) Tatsachen handeln; sonst sind sie dieselbe Tatsache und nicht zwei Tatsachen. Darüber werden wir gleich reden.

Die Worte „Mutter“ und „Mutter“ sind identisch, aber die Worte „Mutter“ und „Mama“ sind verschieden. Es sind zwei verschiedene Wörter. Sie könnten die gleiche Bedeutung haben – wenn eine Frau eine Mutter ist, ist sie auch eine Mama und wenn sie eine Mama ist, ist sie auch eine Mutter – aber die Worte sind nicht identisch. Man nennt sie Synonyme (tib. ming-gi rnam-grangs). Es geht hier wiederum nur um ein Phänomen. Es könnte auch verschiedene Mütter geben – viele verschiedene Menschen könnten Mütter sein – aber das bedeutet nicht, sie wären identisch. Ist die Rede jedoch von einer „Mutter“ und einer „Mutter“, geht es um eine Sache und zwar um die gleiche Sache.

Worauf kann man das anwenden? Was mir gerade einfällt, ist natürlich die Anwendung in der buddhistischen Analyse, die von großer Bedeutung ist. Dabei geht es um die Beziehung zwischen mir und meiner Grundlage, wie dem Körper, oder mir und meinem Geist. Sind sie identisch? Da fällt mir das Beispiel meiner Mutter ein, die Alzheimer hatte und auch daran gestorben ist. Als die Krankheit weit fortgeschritten war, erkannte sie niemanden mehr und konnte nichts mehr selbst tun – man legte sie auf ein Bett und sie wusste nicht, wie man sich hinlegt oder Ähnliches. Und ich glaube es war meine Schwester, die sagte: „Das ist nicht mehr unsere Mutter.“ Das ist eine Denkweise, bei der wir meinen, die Mutter wäre identisch mit ihrem Geist, ihrer Erinnerung, ihrem Charakter. Wenn wir beispielsweise völlig gelähmt sind und uns gar nicht mehr bewegen können, sind das dann nicht mehr wir selbst, weil wir mit unserem Körper identisch sind? Da gibt es viele Beispiele, die man in Betracht ziehen könnte.

Aber dann können wir uns auch fragen, ob diese Dinge verschieden sind und wie verschieden sie sind. Wenn die Person, dort auf der Alzheimer-Station, nicht meine Mutter ist, wer ist es dann? Wenn es etwas anderes als meine Mutter ist – meine Mutter, deren Geist und Gedächtnis funktionierten – dann müssen diese beiden etwas völlig Unterschiedliches sein. Hier geht es um diese konzeptuellen Kategorien. „Mutter“ befindet sich entweder in einer Schublade, in der sie mit dem Körper identisch ist oder in einer anderen, in der sie etwas völlig anderes als der Körper ist (wenn wir es im Sinne von Schubladen oder Kategorien sehen) und da gibt es keine andere Möglichkeit. Das ist unsere eigentliche Dichotomie, es schließt sich gegenseitig aus. Aber eins nach dem anderen.

Es gibt immer diese zwei Möglichkeiten, nicht wahr? Die Dinge sind entweder gleich oder verschieden, wenn wir es im Sinne von Schubladen betrachten. In der Regel wird es als „eins oder viele“ bezeichnet. Das gilt es also zu untersuchen Das ist eine Thematik, die wirklich sehr ausführlich analysiert wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass es um dieses Konzept von „identisch oder verschieden“ geht, wenn wir etwas über „eins oder viele“ lesen oder hören, denn so wird es normalerweise bezeichnet. Die Worte „Mutter“ und „Mutter“ sind gleich, aber „Mutter“ und „mother“ (das englische Wort für Mutter) sind verschieden.

All diese Dinge finden großartige Anwendungen und hier gibt es eine ganze Liste mit Möglichkeiten, damit man ein Gefühl dafür bekommt, was es umfasst. Wenn wir uns jedoch in unserem Studium vertiefen, werden wir sehen, dass es sich um Werkzeuge handelt, die wir zum Analysieren nutzen, um Dinge verstehen zu können.

Verschiedene begrifflich isolierbare Phänomene derselben Wesensnatur

Zwei Tatsachen können dieselbe Wesensnatur haben, aber verschiedene begrifflich isolierbare Elemente (ldog-pa) sein. Das ist ein recht schwieriger Begriff. Wir haben also zwei Dinge, die von derselben Wesensnatur, aber verschieden, also nicht identisch sind. Wie beschreiben wir diesen Unterschied? Wir nennen sie verschiedene begrifflich isolierbare Elemente. Was bedeutet es, ein begrifflich isolierbares Element zu sein? Etwas begrifflich zu isolieren heißt, es von allem anderen, außer sich selbst, auszuschließen. Einfach ausgedrückt: „Es ist nichts anderes als“ (tib. ma-yin-pa-las log-pa). Die Mutter ist nichts anderes als die Mutter. Wir schließen alles andere aus, was nicht die Mutter ist. Beispielsweise schließen wir auch „mother“ aus, denn „mother“ ist etwas anderes. Hat man also begrifflich etwas von allem anderen isoliert, das nicht dazugehört, bleibt nur dieses Element übrig und so legen wir Dinge fest. Können Sie dem folgen?

Dazu gibt es ein interessantes Beispiel: die medizinische Untersuchung. Da gibt es all die Möglichkeiten, welche Krankheit es sein könnte und ein Weg, dies herauszufinden, besteht darin, den Menschen auf Verschiedenes zu testen und so Dinge auszuschließen, bis nur eine Sache übrig bleibt. Diese Methode wird in der Medizin häufig angewandt. Man wird auf so viele verschiedene Dinge getestet und dadurch werden alle Möglichkeiten ausgeschlossen, bis man schließlich (und hoffentlich) die eigentliche Krankheit isolieren kann.

Da fällt mir ein lustiges Beispiel ein. Manchmal verlegen wir unsere Schlüssel. Wir suchen überall, wo sie eventuell sein könnten und da wir sie dann leider nicht finden, schließen wir alle Möglichkeiten aus (dort sind sie bestimmt nicht) und versuchen uns bewusst zu werden, was denn noch übrig bleibt. Wo könnten sie nur sein? Irgendwo müssen sie doch sein! Wenn wir wirklich jede Möglichkeit ausgeschlossen haben und nur eine übrigbleibt, wo sie sein könnten, werden wir sie finden. Aber manchmal ziehen wir nicht alle Möglichkeiten in Betracht.

Ich erinnere mich, als ich einmal mein Adressbuch verlegt hatte und Stunden damit zubrachte, es überall in meinem Haus zu suchen, wo sein könnte, fand es aber nicht und gab schließlich auf. Ein wenig später ging ich zum Kühlschrank und fand das Adressbuch dort, im Kühlschrank! Das war schon etwas beängstigend, ein so genannter „Alzheimer-Moment.“

Mir ging es so mit meinen Autoschlüsseln.

Du hast also das Gleiche mit deinen Autoschlüsseln erlebt. Ich ging vorher zum Kühlschrank, hatte mein Adressbuch in der Hand und legte es dort ab, als ich etwas aus dem Kühlschrank holte und lies es dort liegen. Das war eine logische Erklärung.

Wir isolieren also begrifflich alle Arten von Möglichkeiten – es ist nicht dieses und es ist nicht jenes – bis etwas übrig bleibt und so finden wir Dinge. Es gibt also diesen Rahmen, diese Kategorie, die recht häufig in der buddhistischen Analyse verwendet wird: zwei Dinge, die von derselben Wesensnatur, aber verschiedene begrifflich isolierbare Elemente sind.

Womit geht es nun weiter? Trilemma (tib. mu-gsum) and Tetralemma (tib. mu-bzhi). Im Tibetischen ist es hört es sich viel schöner an und wörtlich heißt es einfach „drei Möglichkeiten“ oder „vier Möglichkeiten.“

Aber bevor wir dazu kommen, denke ich, dass es besser ist, erst einmal über etwas anderes zu reden. Hier geht es um System-Analyse und bei der System-Analyse hatten wir zwei identische Gruppen. „Mutter“ und „Mutter“ waren identisch. Es gab zwei Gruppen, die völlig deckungsgleich waren, beispielsweise „Freund“ und „Freund.“ Das ist identisch und zwei Gruppen sind miteinander deckungsgleich, wenn sich jedes Element der einen in der anderen befindet, also „samsarisches Wesen“ und „Probleme haben.“

Sich gegenseitig ausschließende Phänomene, die eine Dichotomie bilden

Haben wir zwei Gruppen von Dingen, die nicht identisch oder miteinander deckungsgleich sind, gibt es andere Möglichkeiten, wie sie zueinander in Beziehung stehen können. Eine Art, voneinander verschieden zu sein, sind sich gegenseitig auszuschließende (widersprüchliche) Phänomene (tib. phan-tshun spangs-‘gal; ’gal-ba). Bei „widersprüchlich“ geht es um dieses Thema der Gegensätze.

„Gegensätzlich“ ist im Grunde eine Unterkategorie von „widersprüchlich.“ Hier ist die Rede von „sich gegenseitig ausschließenden widersprüchlichen Phänomenen, die gewisse Dichotomien bilden“ (tib. phan-tshun spangs-‘gal-gyi dngos-‘gal; dngos-‘gal) oder von „dichotomen, sich gegenseitig ausschließenden Phänomenen.“ In dem deutschen Informationsmaterial, dass Ihnen zur Verfügung steht, haben wir den Begriff „direkter logischer Widerspruch.“ Es gibt zwei Möglichkeiten, das zu übersetzen und es bezieht sich auf alle Phänomene, die in diese zwei Dinge unterteilt werden können. Anders ausgedrückt bildet es eine Dichotomie von allem. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten, wie etwas sein kann.

Beispielsweise: „er hat mich angerufen“ und „er hat mich nicht angerufen.“ Hier geht es um einen Freund, der uns anruft. Wenn wir sagen: „er hat mich nicht angerufen“, drücken wir damit alles andere aus, was sich von „er hat mich angerufen“ unterscheidet und sogar „der Tisch“ würde dazugehören. Darüber kann man natürlich streiten. Das klassische Beispiel wären statische oder nichtstatische Phänomene: alles, was existiert muss entweder statisch oder nichtstatisch sein. Es ist jedoch nicht so einfach, dafür ein relevantes Beispiel zu finden. Mein Freund hat mich entweder angerufen oder er hat mich nicht angerufen. Ob er mich erreicht hat, ist erst einmal zweitrangig. Hier geht es darum, ob er angerufen hat oder nicht.

Sich gegenseitig ausschließende Phänomene, die keine Dichotomie bilden

Es gibt eine zweite Art von sich gegenseitig ausschließenden, widersprüchlichen Phänomenen: „nicht-dichotome, sich gegenseitig ausschließende Phänomene“ (tib. phan-tshun spangs-‘gal-gyi rgyud-‘gal). In Ihrem deutschen Informationsmaterial wird das als „indirekter logischer Widerspruch“ bezeichnet. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten und zusätzlich noch eine dritte. Es wird also nicht unbedingt alles unterteilt. Hier wäre das Beispiel: „er hat mich angerufen“ oder „er hat jemand anderen angerufen.“ Es wären widersprüchliche Dinge, denn es gibt nichts, was auf beide zutrifft. „Widersprüchlich“ heißt, nichts zu haben, was auf beide zutrifft. Entweder hat er mich angerufen oder er hat jemand anderen angerufen. Gibt es eine dritte Möglichkeit?

Er hat niemanden angerufen.

Gut. Stellen Sie sich die Situation vor: Sie warten, dass Ihr Freund sie anruft, aber er tut es nicht. Nun, entweder hat er angerufen oder nicht. Vielleicht hat er auch jemand anderen angerufen. Wir versuchen es zu ergründen. Wie verstehen wir diese Situation?

In der zweiten Art der sich gegenseitig ausschließenden Phänomenen, können diese zwei Dinge Gegensätze sein oder auch nicht. „Er hat mich angerufen“ und „er hat jemand anderen angerufen“ sind Gegensätze, wie heiß und kalt. Sagen wir aber: „er hat mich angerufen“ oder „er hat Corinna angerufen“, handelt es sich nicht um Gegensätze. Nicht wahr? Mein Freund hat entweder mich oder Corinna oder jemand anderen angerufen. Bei mir und Corinna handelt es sich nicht um Gegensätze. Sprechen wir aber von „mir“ oder „nicht mir“ handelt es sich um Gegensätze. Da kann dann auch Eifersucht mit eine Rolle spielen: „Er hat nicht mich angerufen, er hat sie angerufen! Ich bin eifersüchtig auf sie!“ Wenn er jedoch jemand anderen angerufen hat, ist das hingegen ziemlich vage. Man könnte aber trotzdem eifersüchtig sein.

Trilemma

Nun haben wir also diese drei Möglichkeiten. Weiter geht es mit: „Er hat mich angerufen“, „er hat mich nicht angerufen“ und „meine Telefonverbindung ist unterbrochen.“ Wir haben hier drei Möglichkeiten (tib. mu-gsum; Trilemma). Wenn meine Telefonverbindung unterbrochen war, hätte er mich nicht anrufen können. Absehen davon, dass er es versucht hat, jedoch nicht durchgekommen ist, habe ich keinen Anruf erhalten. Es geht um die Situation, in der wir versuchen zu verstehen, warum er mich nicht angerufen hat. Wenn meine Telefonverbindung unterbrochen war, hat er mich nicht angerufen. Gehört es zu der Gruppe „die Telefonverbindung ist unterbrochen“, kann es auch der Gruppe „ich habe den Anruf nicht erhalten“ zugeordnet werden. Wenn er mich jedoch nicht angerufen hat, muss es nicht unbedingt daran liegen, dass meine Telefonverbindung unterbrochen war; es könnte auch einen anderen Grund haben. Und die dritte Möglichkeit ist natürlich, dass er mich angerufen hat. Habe ich den Anruf nicht erhalten, weil meine Telefonverbindung unterbrochen war, denke ich nicht einmal darüber nach, ob es eine andere Möglichkeit geben könnte. War sie jedoch in Ordnung, muss es einen anderen Grund geben, warum er nicht angerufen hat.

Ein eher klassisches Beispiel wäre „Tier“ und „Hund.“ Handelt es sich um einen Hund, ist es auch ein Tier; aber wenn es ein Tier ist, muss es nicht unbedingt ein Hund sein. Und es gibt Dinge, die keines von beidem sind, wie der Tisch. In diesem Beispiel mit dem Tier und dem Hund ist es sehr leicht verständlich, aber es ist etwas hilfreicher, wenn wir es auch auf Situationen im wirklichen Leben anwenden, wie in dem Beispiel mit dem Telefon.

Tetralemma

Darüber hinaus kann es auch vier Möglichkeiten geben und das nennt man dann Tetralemma (tib. mu-bzhi). Tetralemma ist einfach nur das griechische Wort dafür. In der System-Analyse wird dies durch zwei sich überkreuzende Gruppen dargestellt. Was sind die logischen Durchdringungen zwischen diesen zwei Gruppen: „mein Freund ruft mich nicht an“ und „mein Freund liebt mich nicht mehr?“ Denken wir darüber nach. Da gibt es einen so genannten gemeinsamen Nenner (tib. gzhi-mthun) und das bedeutet, es könnte beides sein. Man könnte auch von einem Bereich dieser zwei Gruppen reden, in dem sie sich überkreuzen. Es könnte also sein, dass mein Freund mich nicht mehr liebt und mich nicht angerufen hat. Oder es ist Teil der einen, aber nicht der anderen Gruppe: mein Freund liebt mich nicht mehr, aber hat mich trotzdem angerufen, weil er mir beispielsweise sagen wollte, dass er nicht mehr mit mir befreundet sein möchte. Vielleicht hat er mich nicht angerufen, liebt mich aber trotzdem noch und dann war einfach nur meine Telefonverbindung unterbrochen. Vielleicht hatte er auch zu tun, war krank oder hat es vergessen. Oder es war etwas ganz anderes: der Tisch, was zu keiner dieser beiden Gruppen gehört.

Das ist wirklich wichtig, wenn wir unsere Probleme analysieren, denn wir denken recht häufig „er hat mich nicht angerufen“ und „er liebt mich nicht mehr“ wären völlig deckungsgleich. Oder wenn die Eltern darauf warten, dass ihr Kind wieder nach Hause kommt, denken sie, es muss einen Unfall gegeben haben. Das wäre ein klassisches Beispiel. Man versucht die verschiedenen Beziehungen zwischen diesen logische Durchdringungen von Möglichkeiten anzuwenden, um die Probleme zu analysieren und das ist wirklich hilfreich.

Unvereinbare widersprüchliche Phänomene

Es gibt eine weitere Art der Beziehung von widersprüchlichen Phänomenen. Ich weiß nicht einmal wie man das ins Deutsche übersetzt, ich glaube „unvereinbar.“ Wörtlich übersetzt geht es um „unvereinbare Widersprüche“ (tib. lhan-cig mi-gnas ‘gal). Nun ist es so, dass sie nicht gleichzeitig in der gleichen Sache erscheinen können. Es sind widersprüchliche Phänomene, die nicht gleichzeitig existieren können und hier geht es darum, gleichzeitig in einem geistigen Kontinuum zu existieren. Das Eine besiegt das Andere, oder das Eine schließt das Andere aus. Das Beispiel, was hier normalerweise angeführt wird, ist „die Unwissenheit in Bezug auf die Wirklichkeit (Verwirrung)“ und „das korrekte unterscheidende Gewahrsein der Wirklichkeit.“ Haben wir ein korrektes Verständnis, sind wir befreit von dem fehlerhaften Verständnis. Diese beiden Dinge widersprechen sich gegenseitig in dem Sinne, dass das Eine das Andere ausschließt. Sie können sich gleichzeitig existieren. Entweder man versteht es oder man versteht es nicht. Man muss jedoch hinzufügen, dass wir mit „verstehen“ meinen, etwas vollkommen und hundertprozentig zu verstehen. Entweder wir verstehen es hundertprozentig oder gar nicht. Entweder weiß ich, warum meine Tochter sich verspätet oder nicht. Weiß ich es, wird damit ausgeschlossen, es nicht zu wissen. Wollen wir die Unwissenheit in Bezug darauf, wo sie ist, beseitigen, müssen wir es wissen. Andernfalls handelt es sich um unentschlossenes Schwanken (tib. the-tshoms). Hat sie vielleicht einen Unfall gehabt? Oder hat sie vergessen, wie spät es ist? Wer weiß, was passiert ist.

All diese Dinge sind ausgesprochen hilfreich, wenn wir uns an diese Art des Denkens gewöhnen. Ist es, wie in dem Beispiel zuvor, eine Sache von derselben Wesensnatur? Meine Tochter ist verantwortungslos. So ist sie immer. Geht es um meine Tochter, kann man sagen, sie ist verantwortungslos. Bedeutet das nun, wie wäre immer verantwortungslos? Geht es um die gleiche Sache oder gibt es Zeiten, in denen sie nicht verantwortungslos ist? Darüber sollten wir nachdenken, denn oft sind wir recht voreingenommen und denken dann: sie kommt immer zu spät; sie kommt nie pünktlich nach Hause! Und das führt zu Problemen und Leid.

Dann kommt es darauf an, diese zwei Gruppen zu analysieren. „Meine Tochter“ – in dieser Gruppe gibt es nur ein Element. Hier geht es wieder um Kategorien und Einzelheiten. Es gibt eine Gruppe, die Kategorie „meine Tochter“ und in dieser Kategorie befindet sich nur ein Element. Dann gibt es die andere Gruppe „unverantwortliche Person“ und in dieser Gruppe könnten sich viele Elemente befinden. Was ist nun die Durchdringung zwischen diesen zwei? Sind sie identisch – handelt es sich um die gleiche Gruppe? Sind sie untrennbar voneinander? Gibt es drei Möglichkeiten, oder vier? Es gibt auch andere verantwortungslose Menschen, außer meiner Tochter? Aber geht es um meine Tochter, dann ist sie verantwortungslos. Es sind also drei Möglichkeiten, oder? Das ist tatsächlich recht hilfreich.

Phänomene, die durch die gleiche Identität miteinander verbunden sind

Was ist nun noch übrig? Übrig sind die so genannten „Beziehungen“ (tib. ‘brel-ba). Eigentlich handelt es sich bei allem, worüber wir gesprochen haben, um Beziehungen, aber hier geht es um einen bestimmten tibetischen Begriff, den man mit Beziehung übersetzen kann. Die eigentlichen Unterteilungen bezeichnen wir hier als „Phänomene, die durch die gleiche Identität miteinander verbunden sind“ (tib. bdag-gcig-tu ‘brel) und die Anderen sind die so genannten „ableitungsbezogenen Phänomene“ (tib. de-byung ‘brel) (das Eine von vom Anderen abgeleitet). Es ist eine wörtliche Übersetzung. Oft wird es mit „kausal“ übersetzt, aber ich übersetze es einfach etwas wörtlicher.

Hier ein Beispiel zu Phänomenen mit der gleichen Identität: Ich denke da an mich selbst und wie ich mich auf jemanden beziehe, der sowohl mein Freund, als auch mein Schüler sein kann. Gewiss könnten wir es etwas genauer und eingehender untersuchen, was für eine Beziehung es tatsächlich ist. Ich habe Schüler, die nicht meine Freunde sind und ich habe Freunde, die nicht meine Schüler sind. Wenn sie meine Schüler sind, müssen sie dann auch meine Freunde sein? Und wenn sie meine Freunde sind, müssen sie dann auch meine Schüler sein? Nun, die meisten Menschen, die mich kennenlernen, wollen auch von mir lernen, sobald sie herausfinden, dass ich ein Lehrer bin. Wie kann ich da „Freundschaft“ und „eine Person, die ein Schüler ist“ voneinander trennen? Ich denke an jemanden, der sowohl mein Schüler, als auch mein Freund ist, der für mich arbeitet (ich bezahle ihn) und der vierzig Jahre jünger ist als ich. Daher bin ich auch eine Vaterfigur für ihn. Aber hier haben wir eine Beziehung zwischen Phänomenen der gleichen Identität. Sind sie wirklich identisch? Wie kann man das zuordnen? Das ist nicht wirklich einfach. Nun, es ist dieselbe Identität – es bezieht sich auf dieselbe Person – aber es ist nicht identisch. Manchmal muss man als ein Chef etwas mit Nachdruck sagen, was man nicht gegenüber einem Freund tun würde. Man kann nicht einfach nur ein Freund sein und es durchgehen lassen, wenn er zu spät kommt oder während seiner Arbeitszeit ständig mit seiner Freundin telefoniert. Das sind ganz praktische Situationen, mit denen zumindest ich konfrontiert bin. Und ich bin sicher, dass viele von uns solche multidimensionale Beziehungen mit anderen haben. Die Art und Weise, wie ich damit umgehe ist, zu sagen: „Jetzt spreche ich zu dir als ein Chef“ oder „jetzt sage ich dir etwas als ein Vater: Draußen ist es kalt, du solltest dir was Wärmeres anziehen. Hol dir einen Pullover!“ usw.

Ableitungsbezogene Phänomene

Das ist eine Art der Beziehung: die gleiche Identität zu haben. Und dann gibt es die ableitungsbezogenen Phänomene. Ein Ding wird von einem anderen abgeleitet. Es ist interessant und das Beispiel, dass ich dafür ausgewählt habe, ist mein Freund während des ersten Monats unserer Freundschaft und mein Freund, zehn Jahre nachdem wir uns kennengelernt haben. Man könnte auch den Ehepartner während der Flitterwochen und den Ehepartner zwanzig Jahre später nehmen. Was für eine Art von Beziehung ist es? Ist es immer noch eine Freundschaft? Sind wir immer noch verheiratet? Wie leitet sich das Eine von dem Anderen ab und wie sind sie miteinander verbunden? Das ist eine sehr interessante Frage. Oder unser Kind mit 12 Jahren und mit 25 Jahren. Behandeln wir die 25 Jahre alte Person, als wäre sie 12? Viele Eltern tun das. Wie sind diese Dinge miteinander verbunden? Sind sie identisch? Nein. Sind sie völlig verschieden, zwei vollkommen verschiedene Kategorien? Nein. Man muss sich wirklich tief hineindenken, um sehen zu können, wie wir mit diesen zwei Ableitungen umgehen. Der Fünfundzwanzigjährige stammt von dem Zwölfjährigen ab. Der Partner, zwanzig Jahre nach der Hochzeit, stammt von dem Partner kurz nach der Hochzeit ab. Oft vergessen wir, dass dieser Ehepartner, mit dem wir jetzt (zehn oder zwanzig Jahre später) so eine furchtbare Beziehung haben, von dem wir uns scheiden lassen wollen und gegenüber dem wir so feindselig sind, von dem Partner abstammt, in den wir verliebt waren, als wir ihn geheiratet haben. Das vergessen wir oft, oder viele Menschen vergessen es, wenn sie eine furchtbare Scheidung durchgehen.

Man kann sich also all diese verschiedenen Arten von Beziehungen zwischen Objekten ansehen, die wir heute durchgegangen sind und es gibt auch noch feinere Unterscheidungen, die getroffen werden können. Obwohl man sie auf sehr mathematische, abstrakte Weise betrachten kann, sind sie doch sehr nützlich, um die Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, zu untersuchen. Und das ist der ganze Sinn und Zweck. Denken Sie daran: alles, was Buddha lehrte – ob er es nun selbst erdacht hat oder ob es sich, wie in diesem Fall, um Dinge handelt, die in der indischen Logik allgemein bekannt sind – ist dazu da, um uns von Nutzen zu sein und uns dabei zu helfen, Probleme und Leid zu beseitigen.

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