Eifersucht auflösen: Beziehungen werden durch Konzepte beeinflusst

Fragen 

Gibt es ein grundsätzliches Recht glücklich zu sein?

Haben Wesen von Natur aus ein Recht dazu glücklich zu sein?

Liegt es in der Verantwortung der Eltern, sich um ihre Kinder zu kümmern und sie so viel wie möglich zu lieben? Ich würde sagen ja, wenn wir die Entscheidung treffen, Eltern zu werden. Jedoch erschließt es sich mir nicht, wie wir so ein gewisses grundsätzliches Recht von Seiten des Kindes begründen oder beweisen können. Seine Heiligkeit der Dalai Lama führt oft das Beispiel von Meeresschildkröten an, die ihre Eier am Strand ablegen und dann wieder verschwinden. Ihr Nachwuchs schlüpft schließlich eigenständig aus und muss für sich selbst sorgen.

Man kann also nicht von einem Recht reden, das allen Wesen von Natur aus gegeben ist. Dennoch ist es als Eltern unsere Pflicht, unsere Kinder zu lieben und uns um sie zu kümmern, egal was sie tun. Sie müssen es sich nicht erst verdienen. Seine Heiligkeit spricht in diesem Zusammenhang oft davon, dass es unter den Menschen eine natürliche Zuneigung zu Kindern gibt. Seiner Meinung wäre es ein interessantes Experiment, die Meeresschildkrötenmutter wieder mit ihren bereits geschlüpften Kindern zusammenzubringen, um herauszufinden, ob sie eine natürliche Zuneigung gegenüber ihnen zeigt oder ob sie in diesem Fall eine Ausnahme ist.

Seine Heiligkeit nutzt das Beispiel auch um darzulegen, dass ein jeder glücklich und niemand unglücklich sein will, und dass jeder auch das Recht dazu hat. Untersuchen wir es etwas genauer, dann mag das konventionell gesehen wahr sein. Gehen wir jedoch etwas tiefer, kommen wir zu einer anderen Schlussfolgerung. In unserem Streben nach Glück und dem Vermeiden von Unglück haben wir nicht das Recht, dies auf Kosten anderer zu tun und sie dadurch unglücklich zu machen. Dabei geht es nicht so sehr darum, ob es seitens der Menschen das Recht gibt, glücklich zu sein, sondern darum, nicht das Recht zu haben, andere unglücklich zu machen, oder ihrem Glück im Wege zu stehen, um selbst glücklich zu sein. Das passt eher zu der tieferen Sichtweise, die wir aus einer buddhistischen Perspektive haben. Unser Streben umfasst auch, dass alle anderen ebenfalls glücklich sein wollen.

Wie ist es, wenn jemand behauptet, ihn würden die Freiheiten, die wir uns selbst nehmen, unglücklich machen? Was unsere Lebensweise betrifft, kann es natürlich passieren in Schwierigkeiten zu geraten, denn es ist nicht möglich jeden glücklich zu machen.

Zunächst haben wir kein inhärentes Recht dazu glücklich zu sein, wobei es um das Wort „inhärent“ geht. Wir haben einfach kein grundsätzliches Recht dazu, ganz ungeachtet dessen was wir tun. Allerdings heißt das nicht, wir hätten gar kein Recht zum Glücklichsein. Wir sollten es nicht missverstehen und denken, uns wäre es nicht gestattet glücklich zu sein. Alles ist abhängig von Ursache und Wirkung, und wenn wir einfach immer nur Dinge annehmen, ohne irgendetwas zu geben, ist das nicht angemessen. Hier ist die Rede von einer Partnerschaft, in der beide Seiten gleichermaßen geben und nehmen sollten, damit die Beziehung gut funktioniert.

Wenn beispielsweise der eine Partner seinen Beitrag geleistet hat, indem er für die Kindererziehung zuständig war, hat er normalerweise ein Recht für eine Auszeit. Beide Partner müssen etwas geben, damit eine gewisse Fairness vorhanden ist. Hierbei handelt es sich nicht um ein Gesetz, sondern darum, wie Dinge vergleichsweise funktionieren. Ist die andere Person nicht damit einverstanden, muss man die Sache natürlich überdenken. Die eine Seite sollte nicht zum Märtyrer oder Opfer werden und ständig nachgeben müssen, denn es ist auch keine ideale Lösung so zu tun, als hätten wir kein Recht dazu glücklich zu sein und als müssten wir ständig dem anderen dienen.

Im Buddhismus versucht man stets die zwei Extreme zu vermeiden und oft ist es so, dass man eine Seite vergisst, wenn man auf die andere hinweist. Wenn wir beispielsweise abstreiten, dass der Weihnachtsmann ein Weihnachtsmann ist, sollten wir nicht vergessen zu erwähnen, dass trotz allem eine Person dahintersteckt.

Klarstellung verschiedener Punkte zum Thema Demokratie und Kapitalismus

Ich bin nicht mit Ihrer Meinung über die Demokratie einverstanden, denn Sie scheinen sie abzuwerten. Meines Wissens gibt es keine bessere Möglichkeit, Menschen an der Macht teilhaben zu lassen. Sie scheinen die Demokratie einfach nur mit Eifersucht und Rivalität gleichzusetzen.

Ja, ich habe auf ein Extrem hingewiesen, ohne über das andere zu sprechen. Das tut mir leid. Ich bin kein Befürworter der Monarchie, Gewaltherrschaft, Anarchie oder ähnlichem. Vielmehr habe ich angedeutet wie schwierig es ist, wenn eine Wahlkampagne darauf aufbaut, die anderen Kandidaten herunterzuziehen und nach Skandalen zu suchen, nur um zu zeigen wie schlecht die andere Seite ist. Es gibt einen großen Unterschied zwischen einer Wahl, die auf einer Hetzkampagne beruht und einer, bei der es darum geht über Angelegenheiten zu diskutieren und die guten Eigenschaften und Qualifikationen für die Position zu bekräftigen. Mit Sicherheit ist es möglich, unsere eigenen guten Eigenschaften auf eine Weise darzulegen, ohne andere damit herunterzuziehen. Auf diese Weise können die Menschen entscheiden, und in einer Gesellschaft wie der tibetischen, in der es nicht angemessen ist, über die eigenen guten Eigenschaften zu reden, könnte es ein anderer für uns tun.

Allerdings ist das eine idealistische Sichtweise in Bezug auf das ganze System. Würden wir uns jedoch ein ideales System nicht so vorstellen, dass die Person, die für das Amt kandidieren würde, vollkommen ehrlich in Bezug auf ihre guten Eigenschaften wäre und nicht versuchen würde, ihre Schwächen zu verstecken? So sollte es eigentlich sein. Niemand ist perfekt und so zu tun, als wäre man perfekt, ist einfach absurd. Wir könnten beispielsweise zugeben, dass wir vor 35 Jahren, als wir zwanzig waren, Marihuana geraucht haben; na und! Wir versuchen es nicht zu verstecken. Es ist geschehen, hat aber nichts mit der heutigen Zeit zu tun.

Und auch wenn sie andere nicht herabwürdigen, klingen Politiker, die sich für ein Amt bewerben, oft wie diese unseriösen Gebrauchtwagenhändler, die versuchen, ihre alten und kaputten Autos zu verkaufen, indem sie sie als die tollste Sache der Welt anpreisen. Wenn die Demokratie auf so etwas aufbaut und wir uns lediglich für den besten Gebrauchtwagenhändler entscheiden können, ist das wirklich bedauerlich. Ein oder gar zwei Jahre mit einer Wahlkampagne zu verbringen ähnelt einem Sport und ist völlig überflüssig. Da könnten wir auch Gladiatoren haben! Ich sage nicht, an der Demokratie selbst wäre irgendetwas falsch. Es geht mir nur darum, wie wir es zu etwas Ethischem machen können, anstatt einfach den störenden Emotionen freien Lauf zu lassen.

Konstruktive Kritik in persönlichen Beziehungen

Wie kann man Kritik anbringen, um eine Situation zu verbessern, ohne die andere Person damit herunterzuziehen oder herabzuwürdigen.

Zunächst sollten wir die Person fragen, ob sie offen für eine konstruktive Kritik unsererseits ist, besonders wenn sie normalerweise überempfindlich gegenüber Kritik reagiert. Vielleicht sollten wir ihr sogar versichern, wie sehr wir sie mögen oder lieben, und ihr sagen, dass sie kein schlechter Mensch ist, und dann können wir die Kritik anbringen.

Es ist ein großer Unterschied, ob man eine Person zurechtweist oder ihr nahelegt, wie sie ihr Leben verbessern oder eine Arbeit optimieren kann. Das wird auch durch den Klang unserer Stimme und durch unsere Motivation beeinflusst. Zu sagen: „Ich bin wirklich sauer, wie schlecht zu das gemacht hast!“, ist etwas ganz anderes, als zu sagen: „Ich habe dich darum gebeten, weil ich selbst zu beschäftigt war und kann ja nicht erwarten, dass du es genauso machen wirst, wie ich es haben will.“ Mit viel Geduld können wir dann auf Möglichkeiten hinweisen, es zu verbessern, indem wir sagen: „So wollte ich es eigentlich nicht haben. Könntest du es anders machen?“

Buddhistisches „Geistestraining“: Den Sieg den anderen überlassen

Ich versuche dem Rat zu folgen, der in der buddhistischen Übung des „Geistestrainings“, oder des „Trainings der Geisteshaltungen“ angeboten wird, bei der wir den Fehler oder die Niederlage auf uns nehmen und den Sieg den anderen schenken. Wir geben zu, dass es unsere Schuld war, da wir unser Anliegen nicht genau genug erklärt haben. So ist es für andere viel einfacher etwas zu verbessern, wenn niemand sie beschuldigt, und hierbei handelt es sich um eine sehr tibetische Art und Weise, etwas indirekt zu tun. Es ist nicht notwendig darauf hinzuweisen, dass andere Fehler machen. Vielmehr können wir die Schuld auf uns nehmen.

Zum Beispiel habe ich jemanden gebeten, etwas für meine Webseite zu übersetzen, aber der Person fehlte es an Erfahrung. Sie hatte zum ersten Mal etwas übersetzt und schickte mir die fertige Übersetzung, die ich dann an andere Mitarbeiter dieser Sprachsektion weiterleitete. Daraufhin kam der Text mit einer Vielzahl von Korrekturen zurück, denn im Grunde war er voller Fehler. Im Sinne des buddhistischen Trainings der Geisteshaltungen könnte ich sagen, dass es mein Fehler war, denn ich hatte nicht deutlich genug erklärt, dass es ein erster Versuch war, ich keine Perfektion erwartete und es zum Korrigieren weiterleiten wollte, damit die Person etwas lernen und sich verbessern konnte. An sich war es mein Fehler und auf indirekte Weise hat der neue Übersetzer verstanden, um was es ging. So konnte er weiter lernen und an sich arbeiten, ohne abgewertet zu werden.

Ich stimmte dem zu, wenn es um eine persönliche Sache geht, die zwischen zwei Menschen stattfindet, aber wie ist es auf einer breiteren Ebene, wenn beispielsweise eine Umweltorganisation gegen einige Industrieunternehmen angehen muss. Wie kann man da auf korrekte Weise Kritik üben?

Es ist ein Unterschied, ob man Tatsachen feststellt oder die andere Seite für den Schaden verurteilt, den sie begangen hat. Legen wir Tatsachen dar, präsentieren wir damit objektive Informationen. Darüber hinaus versuchen wir die Menschen dazu zu bewegen, sich aufgrund der Informationen an die Richtlinien zu halten. Indem wir sie als böse oder schlecht bezeichnen, werden sie automatisch eine Verteidigungshaltung einnehmen und vermutlich zurückschlagen. Welche andere Erwiderung kann man erwarten, wenn man selbst aggressiv ist?

Will man auf einen Missstand in Bezug auf die Taten anderer hinweisen, muss man das Gesamtbild betrachten und darf sich nicht nur auf einen winzigen Aspekt konzentrieren. Auch die anderen haben ihre Gründe; wenn man zum Beispiel in bestimmten Gebieten die Holzindustrie verbietet, wird niemand in der Gegend mehr Arbeit haben. Wie sollen sie dann ihre Kinder versorgen? Auf diese Belange muss man ebenfalls eingehen und Vorschläge anbringen, wie man damit umgehen kann; sogar wenn es um Menschen geht, die Waffen herstellen und sonst ihren Job verlieren würden.

Wir können nicht einfach nur völlig idealistisch sein, sondern müssen eine praktikable Lösung finden, durch die solche negativen Konsequenzen vermieden werden, die aus unseren Vorschlägen entstehen könnten. Ansonsten werden wir im Gegenzug ebenfalls attackiert werden. Würden wir einfach nur ganz idealistisch fordern: „Weg mit den Waffen, weg mit allem anderen“, wie würden die Menschen dann leben? Auch für diese Menschen muss es einen umsetzbaren Plan geben und auf diese Weise handelt es sich dann um konstruktive Kritik. Es wird möglich sein, eine Veränderung vorzunehmen, da es eine Alternative gibt.

Geistiges Zuschreiben: die Welt in Kategorien unterteilen 

Wir haben bereits einen Blick auf dieses wichtige Thema der Kategorien geworfen und hier möchte ich weiter darauf eingehen und es an dem Beispiel erklären, wie wir die Welt in Gewinner und Verlierer unterteilen. Hiermit kommen wir zu der buddhistischen Thematik der „geistigen Zuschreibung“, die auch mit dem Thema Leerheit verbunden ist. Diese Dualität von Gewinnern und Verlierern ist nur eine kleine Variante einer viel größeren Thematik, und das Wort „Kategorien“ ist eine einfache Formulierung, mit der die meisten Menschen im Westen etwas anfangen können. Sehen wir uns also diese Kategorien an.

Kategorien sind im Wesentlichen eine Weise, durch die wir versuchen, die Welt und unsere Erfahrungen zu verstehen. Somit sind sie gänzlich von unserem Geist erschaffen und zu einhundert Prozent geistig konstruiert. Wir können uns das an einem leicht verständlichen Beispiel mit Farben ansehen, aber bitte seht es mir nach, wenn ich mit meinen Ausführungen nicht präzise bin; ich bin ja kein Wissenschaftler! Es gibt ein ganzes Spektrum von Lichtwellen, aber wie unterteilen wir dieses Farbspektrum? Nun, es geschieht vollkommen willkürlich. Genau genommen können wir es auf beliebige Weise unterteilen, denn auf Seiten des Spektrums gibt es keine festen Anhaltspunkte, die eine Farbe von einer anderen abgrenzen. In jeder Kultur gibt es eine eigene Definition dafür, welcher Lichtwellenbereich für welche farbliche Kategorie steht.

Ob wir das nun durch Zahlen ausdrücken oder durch die Helligkeit einer Farbe, die beispielsweise ab einem bestimmten Grad von Rot zu Orange übergeht, spielt dabei keine Rolle. Wir selbst setzen die Grenzen und geben ihr eine Definition. Dieser Sache gilt es auf den Grund zu gehen: Sind Definitionen etwas, die einer Sache innewohnen oder werden sie durch die Kultur, durch unseren Geist, geprägt? Im Buddhismus würde man sagen, dass sie höchstwahrscheinlich durch unseren Geist entstehen. Wir setzen die Grenzen und erstellen die Definitionen für die verschiedenen Farbspektren. Dort draußen im Universum gibt es keine Linien, durch die Rot von Orange getrennt wird. Auf welcher Grundlage wir die Kategorie erstellen ist irrelevant. Der entscheidende Punkt ist nur, dass diese Grenzen willkürlich gesetzt werden. 

Sprache: Erstellen von Klangbildern 

Die Kultur ist auch mit Klangbildern verbunden, wie beispielsweise: „O, R, A, N, G und E.“ Diese Klänge haben in unserer Welt keine grundsätzliche Bedeutung, aber in den verschiedenen Kulturen werden sie zusammengesetzt und es wird ihnen eine Bedeutung beigemessen: „Orange“.

Wir erstellen also eine Definition für einen bestimmten Bereich innerhalb des Farbspektrums. Wir setzen uns nicht hin und planes es, sondern unsere geistigen Prozesse funktionieren auf diese Weise. Wir erstellen Worte und Sätze, indem wir Klangbilder zusammenfügen, aber dennoch handelt es sich lediglich um Klänge. Hören wir eine Sprache, die wir überhaupt nicht kennen, werden wir das Gesprochene wahrscheinlich nicht einmal in Worte unterteilen können. Es sind einfach Klänge und die Klänge selbst haben keine Bedeutung, die ihnen innewohnt.

Gesellschaftliche Unterschiede in Kategorien 

Wir erstellen also diese Kategorien und in jedem Kulturkreis macht man bestimmte Unterteilungen. In manchen unterteilt man vielleicht auf ähnliche Weise, aber nicht in allen Kulturen werden die gleichen Unterteilungen gemacht. In einer mag es die Kategorien „Rot“, „Orange“ und „Gelb“ geben, wohingegen es in einer anderen vielleicht nur „Rot“ und „Gelb“ gibt. Dann befindet sich die eine Hälfte der Farbe Orange ist im roten und die andere im gelben Bereich. Oder vielleicht geht ihre rote Farbe ein wenig in einen Bereich über, den wir als braun bezeichnen würden.

Als ich in Harvard war, gab es interessante Experimente, in denen man Menschen verschiedener Kulturen unterschiedliche Farben zeigte, die sie identifizieren sollten. Manche Bilder hielten einige für blau, während andere sie als grün festlegten. Auf Seiten der Farbe gibt es nichts Inhärentes und in verschiedenen Kulturen gibt es unterschiedliche Vorstellungen und Auffassungen in Bezug auf Farben und Kategorien. Sogar unter Menschen innerhalb einer Kultur kann es Unterschiede geben.

Konzeptuelles Denken 

Hier möchte ich eine Einleitung dazu geben, was wir im Buddhismus unter dem Begriff „Konzepte“ verstehen. Mit konzeptuellem Denken beziehen wir uns gedanklich auf Kategorien und obwohl sie eng mit Sprachen verbunden sind, ist dies nicht immer der Fall. Tiere denken beispielsweise zweifellos in Kategorien, obwohl sie keine Worte für sie haben mögen. Für einen Hund gibt es die Kategorie „mein Herrchen“ und er bezieht sich gedanklich auf diese Kategorie, wenn er allein ist, eingesperrt wurde oder sein Herrchen vermisst. Hunde haben Vorstellungen von Territorien, Feinden, Eindringlingen usw., und obwohl es sich bei keiner von diesen um verbale Kategorien handelt, sind es dennoch Kategorien. Wir müssten zugeben, dass ein Hund konzeptuell im Sinne dieser Kategorien denkt.

Verstehen wir das Ganze in Bezug auf Farben, können wir es auch auf subtilere Dinge wie Emotionen anwenden. Was also in einer Kultur als „Eifersucht“ bezeichnet wird, mag in einer anderen etwas anders definiert werden. Wie wir gesehen haben, passt es vielleicht nicht in die tibetische Vorstellung, mit einem anderen Wort darauf hinzuweisen. Es sind geistige Konstrukte, die nicht unbedingt miteinander übereinstimmen. Das trifft nicht nur auf störende Emotionen, sondern auf alle Emotionen zu: die Grenzlinien stimmen nicht immer miteinander überein. Auch der Unterschied zwischen den englischen Wörtern „jealousy“ und „envy“, ist nicht genau der gleiche, wie jener zwischen den zwei deutschen Wörtern „Eifersucht“ und „Neid“. Im Deutschen bezieht sich die eine Emotion mehr auf Personen und Beziehungen, während es bei der anderen eher um materielle Dinge geht. Die Rede ist also nicht nur von einem Unterschied in europäischen und asiatischen Sichtweisen. Sogar innerhalb der europäischen Kulturen können emotionale Kategorien recht verschieden definiert werden. Obwohl die Wörter in vielen Fällen miteinander übereinstimmen, handelt es sich nicht um genaue Entsprechungen, und natürlich können auch innerhalb einer Sprache Wörter unterschiedlich definiert, verstanden und benutzt werden. 

Konventionen 

Das heißt, dass es bei Emotionen keine festen Grenzen in Bezug auf die Kategorien des emotionalen Spektrums gibt. Vielmehr haben wir diesbezüglich etwas, das man in der buddhistischen Analyse als „Konvention“ bezeichnet. Wir sind bestimmte Vereinbarungen eingegangen und wir erschaffen unsere eigenen Konventionen im Hinblick darauf, wie wir etwas bezeichnen. Das ist ziemlich praktisch, und im Englischen ist das Wort „convenient“ (für praktisch oder dienlich) mit dem Wort „convention“ (für Konvention) verwandt. Es dient der Kommunikation und dem Verständnis dessen, was geschieht.

Es ist schon erstaunlich, aber ist tatsächlich oft so, dass zwei Menschen in einer Beziehung vielleicht das Wort „treu“ oder sogar „eine Beziehung“ völlig unterschiedlich definieren, obwohl sie die gleiche Sprache sprechen. Was macht unsere Konventionen gültiger, als jene eines anderen? Betrachten wir das an einem einfachen Beispiel: was ist höflich und was ist unhöflich? Da gibt es in den verschiedenen Kulturen riesige Unterschiede. Warum sollten unsere Bräuche, unsere Definitionen, korrekt und die aller anderen falsch sein? Es ist ein Missverständnis zu denken, diese Kategorie würde irgendwo dort draußen existieren und es gäbe tatsächlich eine Welt, die von sich aus inhärent in Kategorien eingeteilt ist.  „Inhärent“ heißt, etwas ist völlig von sich selbst aus begründet. 

Definierende Eigenschaften: Hilfreiches Beispiel eines Malbuches 

Ich finde es hilfreich, dies am Beispiel eines Kindermalbuches zu betrachten, denn auch wenn es nicht bewusst geschieht, neigen wir zu der Annahme, die Welt würde wie ein Bild mit festen Umrandungen existieren, in dem alles als „dieses“ oder „jenes“ aufgeteilt wird. Kennt ihr „Malen nach Zahlen“, diese Bilder mit vielen kleinen Feldern, die je nach Farbe nummeriert sind? Es scheint, als würden auch die Kategorien umrandet und durchnummeriert sein, aber das ist ganz offensichtlich Unsinn. Die Nummern sind ein Beispiel dieser fehlerhaften Denkweise, mit der wir meinen, die Definitionen würden untrennbar zu den Objekten dazugehören. Da gibt es diese Nummer oder diese Definition, und so müssen wir einen Bereich mit einer bestimmten Farbe ausmalen, denn sie ist untrennbar mit diesem Bereich verbunden. Der buddhistische Fachbegriff dafür ist „definierende Eigenschaft“.

[Meditation]

Keine einheitliche Suppe 

Nur weil wir sagen, es gäbe da draußen keine inhärenten Linien oder Kategorien, bedeutet nicht, das gesamte Universum wäre eine große einheitliche Suppe. Häufig kommen wir zu der fälschlichen Schlussfolgerung zu denken, wir wären alle eins und es würde an sich keinen Unterschied zwischen „mir“ und „dir“ geben. Gäbe es keine Grenzen, könnte ich alle Dinge eines anderen benutzen ohne zu fragen. Wir sollten also nicht zu dieser Schlussfolgerung kommen.

Vielmehr gilt es Dinge zu unterscheiden. Kategorien und Worte beziehen sich darauf, wie Dinge sind. Sie beziehen sich auf etwas, aber das Universum stimmt nicht mit diesen Worten und Kategorien überein. Das, worauf sie sich beziehen, entspricht nicht dem, was tatsächlich da ist. Die Kategorien und Worte sind Konventionen und es entspricht konventionell der Wahrheit zu sagen: „Das ist mein Haus, es ist nicht dein Haus. Das ist mein Partner, nicht dein Partner.“ Wenn wir diese Worte und Kategorien benutzen, beziehen sie sich auf etwas; allerdings ist es lediglich eine Konvention. Diese konventionelle Wahrheit ist wahr.

Das heißt aber nicht, es gäbe wie bei Rindern ein Brandzeichen auf allem, das einer Person gehört, als wäre es schon seit der Geburt so gewesen und als würden Dinge tatsächlich mit festen, beständigen Kategorien übereinstimmen. Kategorien scheinen wie festgelegte Dinge, die wir im Wörterbuch nachschlagen können und daher folgern wir daraus, dass Objekte auf das Wort und dessen Bedeutung festgelegt sind. Das Universum entspricht dem jedoch nicht. 

Die Zweckmäßigkeit der Sprache 

Wenn wir Sprache nutzen, bezieht sie sich auf etwas. Natürlich brauchen wir Sprache, ansonsten könnten wir nicht miteinander kommunizieren. Wir wären nicht in der Lage, einen Sinn in irgendetwas zu erkennen, was wir erleben, wenn wir keine Kategorien hätten. Wir könnten nicht verstehen, dass sowohl dies als auch jenes eine Tür ist, obwohl beide ziemlich unterschiedlich aussehen. Wie könnten wir ohne diese Kategorien funktionieren? Hier geht es nicht nur um die Worte, sondern auch um die Bedeutung. Im Buddhismus wird zwischen „Hörkategorien“ und „bedeutungsbezogenen Kategorien“ unterschieden. Etwas wie „Türen“ auf diese und jene Art und Weise zu definieren, ist eine Konvention. Am Anfang des Universums gab es keine Türen. Dennoch wissen wir alle, was eine Tür ist, unabhängig davon, welches Wort wir dafür benutzen. Sogar eine Kuh weiß, was eine Tür ist, denn sie läuft nicht gegen die Wand, wenn sie in den Stall will. Eine Kuh kann in vielen Gebäuden eine Tür erkennen.

Es ist klar, dass wir diese Dinge brauchen und nicht einfach darüber hinwegsehen können. Wir sollten nicht meinen, wir könnten diese Dinge einfach ignorieren, da es sich ja lediglich um Konventionen handelt. Diese Konventionen sind zweckmäßig und wir brauchen sie, um funktionieren zu können, aber wir sind uns im Klaren, dass die Welt nicht eine Entsprechung dieser Konventionen ist.

Ein gutes Beispiel ist eine Karte. Eine Karte ist nicht die Landschaft selbst und eine Straßenkarte ist auch nicht die Straße. In vielen Kulturen gibt es keine Karte und es ist wahrscheinlich schwer, Menschen eines isoliert lebenden Stammes das Konzept einer Karte zu erklären, auch wenn es für uns etwas Selbstverständliches ist. Eine Straßenkarte ist nützlich, da sie sich auf die Anordnung der Straßen einer Stadt bezieht. Aber die Karte ist nicht die Straße selbst. Sie hat nicht die gleiche Farbe, Größe oder Ähnliches. Das gleiche trifft auf Konzepte zu, sowie auf die Sprachen und Kategorien, die wir nutzen. Das sind ganz subtile Punkte!

Relevanz: Sich selbst einer Kategorie zuordnen 

Es ist wichtig, nicht die Bedeutung all dessen zu verlieren, denn im Grunde geht es darum, sich selbst einer bestimmten Kategorie eines Gewinners, Verlierers, eines Erfolgreichen oder eines Erfolglosen zuzuordnen. Das sind nur Kategorien und konventionell betrachtet wird eine Person das Rennen gewinnen und die anderen werden verlieren. Es ist wahr, dass der andere die Beförderung auf der Arbeit bekommen hat und wir nicht, oder das unser Partner im Moment bei anderen und nicht bei uns ist. Konventionell gesehen mag das wahr sein und den eigentlichen Umstand beschreiben, aber die Situation wird damit lediglich wiedergegeben. Es bedeutet nicht, irgendjemand von uns würde sich in dieser feststehenden Kategorie eines „Gewinners“ oder „Verlierers“ befinden. Auch bedeutet es nicht, man hätte etwas nicht verdient.

Sind wir in der Lage, das wirklich einwirken zu lassen und ganz und gar zu verstehen, dass es wahr ist, wird unsere emotionale Erwiderung vollkommen anders sein. Es gibt keine große Linie zwischen dem intellektuellen und dem emotionalen Verständnis, da auch dies Kategorien sind. Wenn wir etwas wirklich verstehen, fühlen wir es und wechseln nicht von einer Betrachtungsweise zu einer anderen. Es zu verstehen, wird tatsächlich und definitiv unsere Emotionen beeinflussen.

[Meditation]

Weitere Fragen 

Wie man über das Konzeptuelle hinausgeht

Was ist der Unterschied zwischen der Sache selbst und dem Konzept? Die Erscheinung bezieht sich ja auf das Konzept, das ich von der Sache habe und ich könnte im Laufe der Zeit meine Konzepte verfeinern, aber gibt es eine Möglichkeit, zu dem Objekt selbst, jenseits von Konzepten, vorzudringen?

Das ist eine gute Frage und ein Problem, das wir auch in der westlichen Philosophie haben, wenn von „dem Ding an sich“ die Rede ist. Was Konzepte und Kategorien betrifft, kann man durchaus sagen, dass einige zutreffender sind als andere, während manche ganz und gar nicht zutreffen. Es gibt verschiedene Kriterien in Bezug auf das Bestimmen der Exaktheit, aber das ist ein anderes tiefgründiges Thema, bei dem es um die gültige Wahrnehmung geht.

Wenn ich die Frage auf buddhistische Weise formuliere, würde ich wissen wollen, ob wir tatsächlich das Objekt, die Sache an sich, finden und über das Konzept hinausgehen können. Diese Frage wird in der buddhistischen Philosophie eingehend betrachtet und es gibt dazu unterschiedliche Ebenen der Ausführung. Es ist wirklich schwierig, wenn man gleich zur anspruchsvollsten und subtilsten Erklärung übergeht und daher nähert man sich stufenweise an. Tatsächlich braucht es viele Jahre! Bei der ganzen Thematik der Leerheit geht es auf der tiefsten Ebene darum, ob letztendlich etwas auffindbar ist oder nicht.

Folglich gibt es dazu keine einfache Antwort. Wodurch wird erwiesen, dass etwas existiert? Im Buddhismus wird das Wort „existieren“ als etwas definiert, das „gültig erkennbar“ ist. Ich mag beispielsweise denken, es gäbe einen Invasoren der fünften Dimension unter meinem Bett, aber das ist kein gültiger Gedanke. Er ist nicht da, so sehr wir auch denken, es würde ihn geben. Darüber hinaus gibt es auch eine lange Diskussion darüber, was „gültig erkennbar“ bedeutet. Wie dem auch sei, nur unser Denken an etwas beweist nicht dessen Existenz.

In den weniger anspruchsvollen Erklärungen werden all diese Sachen in Bezug auf Kategorien und Konventionen akzeptiert, aber dennoch wird gesagt, es gäbe ein auffindbares Objekt, auf das sich die Worte und Konzepte beziehen. Ist es auffindbar, ist das ein Beweis für seine Existenz. Sagen wir zum Beispiel „Blume“, dann handelt es sich um eine Kategorie und eine Konvention, aber es gibt auch die Blume selbst, die dort, ganz für sich, aus dem Boden wächst. Dadurch wird ihre Existenz bewiesen. Was auffindbar ist, ist das Bezugsobjekt des Wortes.

Es geht nicht nur um diese vereinfachte Ebene, auf der wir zwar keinen Invasoren, aber eine Katze unter dem Bett finden können. Um diese Ebene, auf der wir buchstäblich etwas finden, geht es nicht. Ansonsten wären wir nie in der Lage, unsere Schlüssel oder unseren Weg nach Hause zu finden.

Wir analysieren, ob die definierenden Charakteristika, die seitens der Sache unter dem Bett auf eine Katze hinweisen, auch ein Beweis dafür sind, dass sich tatsächlich eine Katze dort befindet. Dieses Ding hat beispielsweise einen langen Schwanz und es macht ein bestimmtes Geräusch, wenn man es streichelt usw. Wo befindet sich die definierende Charakteristik und kann ich sie finden? Ist sie in dieser oder jener Zelle? Befindet sie sich im Schwanz oder in den Tatzen? Wo ist sie? Je tiefer man das Ganze betrachtet, vielleicht sogar unter einem Mikroskop, desto deutlicher wird es, dass man keine „Katze“ finden kann.

Gibt es irgendetwas seitens der Katze, das es zu einem erkennbaren Objekt macht? Gibt es eine Umrandung, durch die es von dem abgegrenzt wird, was sich ein Atom daneben befindet? Was ist mit dem Raum zwischen den Haaren, der nicht zur Katze gehört? Gibt es eine Linie, die das Ganze umrandet und zu einem soliden Objekt macht? Man kann keine Linie finden. Wo enden die Atome der Katze und wo beginnen die Atome der Luft neben ihr? Es gibt keine Linie. Wo ist die Linie, durch die die Energiefelder der zwei Atome getrennt werden? Ist sie auffindbar?

Das geht viel tiefer als es lediglich in Kategorien zu betrachten. Wir projizieren und meinen, die definierende Eigenschaft würde sich auf Seiten des Objektes befinden, das Objekt gewissermaßen umranden und es zu einer vollends erkennbaren „Sache“ machen. Wir schreiben dem Objekt etwas zu, das es zu einer eigenen erkennbaren Sache macht, ungeachtet dessen welcher Kategorie wir es zuordnen. All das ist geistig konstruiert. Wir sollten nicht denken, wir hätten alles verstanden, wenn wir Konzepte wie „Katze“ und „Invasoren“ erfasst haben. Es geht viel tiefer als das und es gibt die tiefere Kategorie einer erkennbaren „Sache“. Eine „Sache“ können wir jedoch nicht finden und es gibt nichts dort draußen, das irgendetwas zu einer erkennbaren „Sache“ macht, die von einer Linie umzogen ist.

Eine Konvention macht kein Objekt zu etwas Auffindbarem

Können wir nicht die Konzentration von Katzenhaaren messen?

Auch das ist eine Konvention, wenn wir sagen: „liegt der Wert darüber, ist es dies und liegt er darunter, jenes“. All das sind Konventionen. Wir behaupten aber auch nicht, alles wäre eine große einheitliche Suppe; das wäre das andere Extrem. Das Extrem, auf das wir uns für gewöhnlich gedanklich beziehen ist zu meinen, es gäbe tatsächlich etwas Auffindbares, das dem Objekt innewohnt, was keine Konvention ist. Eine Kategorie aus dem zu erschaffen, wo beruhend auf der Dichte des Katzenfells die Katze endet, ist nach wie vor eine Sache von Zahlen. Aber wo ist die Linie? Es ist trotzdem eine Konvention, aber wir streiten nicht ab, dass Konventionen funktionieren.

Zu sagen, etwas wäre auffindbar, beweist nicht, dass es existiert. Es ist als würden wir sagen, meine Fähigkeit, in die fünfte Dimension zu reisen, wäre ein Beweis dafür, dass ich existiere, aber das ist ein absurder Grund. Erstens gibt es die fünfte Dimension nicht als einen auffindbaren Ort; wie könnten wir also dorthin gehen? So etwas ist nicht auffindbar. Und letztendlich können wir nicht behaupten, irgendetwas Auffindbares auf Seiten eines Objektes würde dessen Existenz beweisen. Wir können lediglich sagen, dass wir Konventionen haben, wie eine Katze, und dass eine konventionelle Grenze zwischen einer Katze und einem Hund auf diese oder jene Weise besteht. Damit sollten wir zufrieden sein, denn auf dieser Grundlage funktioniert alles. Darum geht es bei der Leerheit. Auffindbar zu sein ist unmöglich. Letztendlich können wir keine Aussagen dazu machen, wodurch auf Seiten des Objektes dessen Existenz bewiesen wird. Das ist leer.

Die Katze ist eine Konvention und sie bezieht sich auf das Ding unter dem Bett. Aber wo können wir dieses Ding finden? Es ist einfach nicht auffindbar. Befindet es sich in diesem Atom oder in jener Zelle? Nun, wir können es nicht finden.

Das gleiche gilt für das „Ich“. Wir sagen: „Ich habe meinen Job verloren“, und das bezieht sich ganz offensichtlich auf etwas, aber da gibt es nichts auf Seiten des „Ichs“, das auffindbar wäre und mich, ganz aus eigener Kraft, zu einem Verlierer macht. Da gibt es nichts an uns, das von Natur aus darauf schließen lässt, ein Verlierer zu sein! Ist dieses „Ich“ nur ein Konzept? Darauf werden wir im nächsten Teil etwas näher eingehen. Eine Katze ist nicht nur ein Konzept, denn nicht alles ist einfach nur eine Illusion in unseren Köpfen. Die Sprache kann ziemlich vertrackt sein und daher gilt es feinfühlig zu sein. Im Endeffekt müssen wir über die Sprache hinausgehen, denn durch sie bekommen wir die falsche Vorstellung. Aber im Moment ist es notwendig damit zu arbeiten, denn ohne sie können wir nicht miteinander kommunizieren. 

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