Rückblick
Von den sieben Arten der Wahrnehmung sind manche gültige und andere ungültige Arten der Wahrnehmung. Zu den gültigen Arten der Wahrnehmung zählen die bloße Wahrnehmung und die schlussfolgernde Wahrnehmung, während alle andere nicht gültig sind. „Gültig“ bedeutet, dass sie frisch und nicht betrügerisch sind, wobei „nicht betrügerisch“ sich darauf bezieht, korrekt und entschieden zu sein. Eine begreifende Wahrnehmung ist ebenfalls nicht betrügerisch, doch sie muss nicht frisch sein. Begreifende Wahrnehmungen umfassen nicht nur die bloße Wahrnehmung und die schlussfolgernde Wahrnehmung, sondern auch die nachfolgende Wahrnehmung. Das Begreifen kann entweder explizit oder implizit sein, abhängig davon, ob ein geistiges Hologramm des beteiligten Objektes in der Wahrnehmung auftaucht und erscheint oder nicht. Explizit heißt, dass es in der Wahrnehmung erscheint und implizit, dass es nicht erscheint.
Konzeptuelle Wahrnehmung: Kategorien als erscheinende Objekte
Das nächste, was wir verstehen müssen, ist die Unterteilung in konzeptuelle und nicht-konzeptuelle Wahrnehmung. Konzeptuelle Wahrnehmung findet zunächst nur mit geistigem Bewusstsein statt, während nicht-konzeptuelle Wahrnehmung entweder mit geistigem oder Sinnesbewusstsein stattfinden kann. Eine „konzeptuelle Wahrnehmung“ ist eine Wahrnehmung von etwas durch eine geistige Kategorie als das erscheinende Objekt. Das „erscheinende Objekt“ (tib. snang-yul) ist jenes, welches direkt in der Wahrnehmung erscheint, als würde es sich direkt vor dem Bewusstsein befinden, wenn wir es uns einmal grafisch vorstellen. In konzeptueller Wahrnehmung ist das erscheinende Objekt eine geistige Kategorie, die gemäß der Sautrantika-Erklärung eine metaphysische Entität (tib. spyi-mtshan) ist. Sie ist nichts Objektives (tib. rang-mtshan) und existiert, anders ausgedrückt, nicht außerhalb des konzeptuell erfassenden Vorgangs. Es gibt keine Kategorie, die sich dort drüben, auf der anderen Seite des Zimmers befindet und die wir sehen können. Dort gibt es eine Wand oder eine Person, aber keine geistigen Kategorien von „Wänden“ oder „Personen“.
Eine geistige Kategorie ist etwas, das nur in konzeptueller Wahrnehmung auftritt und statisch ist. Es ist nicht etwas, das sich ändert. Wir können die zusammengesetzten definierenden Eigenschaften einer geistigen Kategorie mit anderen, vielleicht präziseren, ersetzen, doch die geistige Kategorie selbst ist nicht angewachsen, wie eine Pflanze, ein Körper oder ein Verständnis. Sie ist einfach nur eine festgelegte Kategorie. Vielleicht meinen wir, nur menschliche Wesen würden zur Kategorie „Personen“ gehören, doch dann erfahren wir, dass im Buddhismus alle fühlenden Wesen als Personen betrachtet werden und erweitern die zusammengesetzten definierenden Eigenschaften der Kategorie „Personen“, damit sie auch nicht-menschliche fühlende Wesen umfasst, wie Tiere. Es gibt auch Hörkategorien, bei denen viele Klänge zur Kategorie desselben Wortlautes gehören und es gibt Objekt-Kategorien, bei denen alle Arten von Äpfeln zur Kategorie „Äpfel“ gehören.
Als Menschen verbinden wir die Sprache mit Hör- und Objekt-Kategorien. Manche Tiere haben auch eine Sprache, aber die Kuh muss nicht verbal „Stall“ denken, um zu wissen, dass das, was sie aus irgendeinem Winkel sieht, der Stall ist und sie dort hineingehen muss. Tiere wissen solche Dinge auf gültige Weise, weil sie ebenfalls konzeptuell denken. Eines der Probleme, das wir haben, besteht darin, dass wir in unseren westlichen Sprachen das Wort „denken“ benutzen und es nur mit verbalem Denken verbinden, das auf Menschen begrenzt ist. In unserer westlichen Terminologie gibt es kein allgemeines Wort, das auch für die konzeptuelle Wahrnehmung von Tieren gelten würde.
Konzeptuelle Wahrnehmung: Konzeptuelle Isolate und geistige Repräsentationen
Die Kategorie in konzeptueller Wahrnehmung ist gleichbedeutend mit einem konzeptuellen Isolat von allem, das nicht dessen zusammengesetzte definierende Eigenschaften (tib. blo'i gzhan-sel) teilt. Wie die Kategorie ist das konzeptuelle Isolat auch ein statisches Phänomen und eine Art Spezifizierer (tib. ldog-pa, Isolat), was ich auch manchmal als „nichts anderes als“ übersetze. Obwohl eine Kategorie als ein konzeptuelles Isolat in der geistigen Aktivität der konzeptuellen Wahrnehmung entsteht, hat sie, da sie statisch ist, keine Form. Doch durch sie entsteht auch eine nichtstatische geistige Repräsentation – wiederum ein geistiges Hologramm – dass die Kategorie repräsentiert. Das ist das konzeptuell implizierte Objekt (tib. zhen-yul) der konzeptuellen Wahrnehmung und eine allgemeine Repräsentation aller individueller Elemente, die zu dieser Kategorie gehören.
Denken wir an unsere Mutter, erinnern uns an sie oder stellen sie uns vor, kann beispielsweise ein repräsentierendes Bild erscheinen, das sie darstellt. Dieses Bild, das wir nutzen, um uns an sie zu erinnern, kann sich jedes Mal, wenn wir an sie denken, ändern, denn es handelt sich dabei nicht um eine feststehendes Foto. Was wir uns vorstellen, wenn wir an sie denken, kann auch mehr oder weniger fokussiert sein oder verschiedene Details enthalten.
Wir können auch an sie denken, indem wir sie lediglich durch den geistigen Klang des Wortes „Mutter“ repräsentieren. Beim verbalen Denken, was bei den meisten von uns größtenteils stattfindet, entstehen geistige Repräsentationen der Hörkategorie von Worten, mit damit verbundenen bedeutungsbezogenen Kategorien, die gleichbedeutend mit Objekt-Kategorien sind. Diese repräsentierenden geistigen Klänge bilden die so genannte „Stimme in unserem Kopf“. Natürlich gibt es kein getrenntes „Ich“, das in unserem Kopf an einem Schreibtisch in ein Mikrofon spricht, obwohl es sich so anfühlen mag. Die geistigen Klänge: „was soll ich jetzt sagen, jeder schaut mich an“ mögen erscheinen, doch es gibt kein „Ich“, das getrennt von dieser geistigen Aktivität ist, in unserem Kopf redet und sich Sorgen macht. Zu denken es gäbe solch ein „Ich“ ist ein völliges Missverständnis dessen, was tatsächlich geschieht.
In der konzeptuellen Wahrnehmung des Denkens an unsere Mutter ist das erscheinende Objekt die Kategorie „meine Mutter“. Das beteiligte Objekt, mit dem sich konzeptuelle Wahrnehmung beschäftigt, ist das konzeptuell implizierte Objekt, die allgemeine geistige Repräsentation unserer Mutter. Solch eine Repräsentation entsteht durch eine aufgebaute Gewohnheit, die wie ein geistiger Eindruck davon ist, sie ihr ganzes Leben lang wahrgenommen zu haben. Konzeptuelle Wahrnehmungen haben keine Objekte der Ausrichtung, die einen Aspekt von sich selbst auf das geistige Bewusstsein werfen und sind somit die äußeren Quellen zum Hervorbringen geistiger Hologramme. Das beteiligte Objekt ist das, woran wir denken, also diese geistige Repräsentation unserer Mutter. Die Repräsentation könnte ein geistiges Bild, der geistige Klang des Wortes „Mutter“, der Klang ihrer Stimme oder etwas anderes sein, was „meine Mutter“ in meinem Geist repräsentiert. Das erscheinende Objekt, wenn wir an sie denken oder uns an sie erinnern, ist die Kategorie „meine Mutter“, eine Kombination, die sich auf all die Male erstreckt, in der wir unsere Mutter gesehen oder mit ihr gesprochen haben.
Konzeptuelle Wahrnehmung, wenn das äußere Objekt anwesend ist
Konzeptuelle Wahrnehmung von etwas tritt auch auf, wenn das äußere Objekt anwesend ist. Wenn ich Mary zum Beispiel betrachte, sehe ich sie. Das ist eine nicht-konzeptuelle bloße Sinneswahrnehmung. Sowohl das beteiligte Objekt als auch das erscheinende Objekt sind objektiv Mary. In einer getrennten konzeptuellen Wahrnehmung, die unmittelbar auf dieses Sehen folgt, sehe ich sie durch den Filter der geistigen Kategorie, der ich sie zuordne. Das könnte die Kategorie des Überlegens sein, wer sie ist, die aus der Erinnerung einer Begegnung mit ihr in der Vergangenheit stammt.
Als ich sie jedoch heute das erste Mal sah, habe ich mich nicht erinnert, wer sie war: Ich habe sie nicht erkannt. Dennoch habe ich eine Person mit dem Namen „Mary“ gesehen und sie konzeptuell der Kategorie „jemand, den ich nicht kenne“ zugeordnet. Weil sie mich dann aber in Verlegenheit brachte, als sie sagte: „ich habe dich doch eingeladen, dieses Seminar zu geben“, habe ich mich erinnert, dass es sich um die Mary handelt, die mich eingeladen hat und die ich gestern am Flughafen sah, als ich ankam. Sowohl vor als auch nach dem Erkennen blieb sie das beteiligte Objekt meiner Sinneswahrnehmung, während eine geistige Repräsentation von ihr das beteiligte Objekt einer gleichzeitig stattfindenden konzeptuellen Wahrnehmung blieb. Doch nun nahm ich sie durch die Objekt-Kategorie „Mary, meine Gastgeberin“ wahr, anstatt durch die Objekt-Kategorie „jemand, den ich nicht kenne“. Da sie sich direkt vor meinen Augen befand, entsprach das geistige Hologramm, das in meiner konzeptuellen Wahrnehmung entstand, dem geistigen Hologramm, das in meiner nicht-konzeptuellen Sinneswahrnehmung entstand. Natürlich veränderte sich das geistige Hologramm jeden Moment während sie sich bewegte und sprach; ich habe keine Statue angesehen und keiner Statue zugehört.
Nehmen wir einmal an, ich denke später über sie nach, nachdem sie in das andere Zimmer gegangen ist. Ich sehe sie nicht mehr, doch in meinem konzeptuellen Gedanken gibt es nach wie vor eine geistige Repräsentation von ihr. Habe ich ein wirklich gutes Gedächtnis, wird das geistige Bild genauso aussehen, wie in einem Moment, in dem ich sie sah, mit der gleichen Haltung und demselben Gesichtsausdruck. Dieses Bild repräsentiert sie während der gesamten Zeit, in der ich sie gesehen habe, aber natürlich war sie während unserer ganzen Begegnung nicht in dieser Position eingefroren. Die meisten von uns haben jedoch nicht diese Art von fotografischem Gedächtnis. Wir können uns jemanden nicht genau so vorstellen, wie er oder sie in einem bestimmten Augenblick ausgesehen hat. Dennoch gibt es ein geistiges Hologramm einer Repräsentation dessen, was wir gesehen haben.
Unterschiede zwischen konzeptueller und nicht-konzeptueller Wahrnehmung
Wenn wir Mary sehen – oder genauer gesagt die farbige Form des Körpers, dessen Zuschreibung die Person Mary ist – sehen wir auch nicht-konzeptuell, was für eine Person sie objektiv gesehen ist: ein menschliches Wesen, eine Frau, ein junger Mensch und so weiter. Wir sehen in der Tat einen jungen weiblichen Menschen. Diese Tatsachen sind Zuschreibungen ihres Körpers und wiederum von ihr. Ihr Körper besitzt objektiv auch Eigenschaften (tib. khyad-par), wie Gewicht, Körpergröße und so weiter. Wir sehen einen jungen, weiblichen Menschen, der ein bestimmtes Gewicht und eine bestimmte Körpergröße hat. Doch nur wenn wir sie unmittelbar nach dem Sehen konzeptuell wahrnehmen, ordnen wir das, was wir sehen, der Objekt-Kategorie eines menschlichen Wesens und einer Frau zu, je nachdem, welche Assoziationen wir konzeptuell auf diese Kategorien projizieren. Auch ist es so, dass wir nur in der konzeptuellen Wahrnehmung die Eigenschaften, wie groß, klein, freundlich usw. sowie weitere Kategorien, wie „Gastgeberin“, hinzufügen. Wenn wir sie einfach nur sehen, sehen wir sie nicht als groß, klein oder unsere Gastgeberin.
Es besteht hier ein großer Unterschied zwischen der konzeptuellen und der nicht-konzeptuellen Wahrnehmung Marys. In der nicht-konzeptuellen Wahrnehmung gibt es keine Kategorien. Obwohl es keine Kategorie „Mary“ gibt, sehen wir dennoch Mary. Es ist eine objektive Tatsache bezüglich dieser Person: es ist Mary und nicht Susan. Außerdem ist es objektiv, welche Art von Objekt wir sehen. Wir sehen nicht nur farbige Formen; wir sehen ein allgemein verständliches Objekt, einen Körper – keinen Tisch – einen Körper, der auch durch andere Sinne gehört und erkannt werden kann. Des Weiteren sehen wir nicht nur einen Körper, sondern ein menschliches Wesen, eine Person, insbesondere einen jungen, weiblichen Menschen, keine männliche Giraffe. Welche Person sehen wir? Wir sehen Mary, eine individuelle Person mit einer ungewöhnlichen definierenden Eigenschaft und einem Namen. Wir sehen nicht Susan. Doch wir erkennen sie nicht als die junge Frau namens Mary, wenn wir sie nicht konzeptuell durch die Objekt-Kategorie dieser spezifischen jungen Frau wahrnehmen, die mit dem Namen „Mary“ bezeichnet wird.
Erkennt ihr den Unterschied zwischen konzeptueller und nicht-konzeptueller Wahrnehmung? Mit nicht-konzeptueller Wahrnehmung sehen wir eine Person. Wir sehen Mary. Doch anfangs wissen wir das nicht durch den ersten Moment des Sehens einer Person. Um zu wissen, dass es sich um meine Gastgeberin Mary handelt, muss ich sie konzeptuell der richtigen Kategorie zuordnen und nicht der falschen Kategorie von jemanden, den ich nie zuvor getroffen habe.
Das konzeptuelle Denken ist somit nicht nur die Stimme, die in unserem Kopf ist. Es umfasst die Anschauungen und Auffassungen der Dinge, worauf sich die Worte beziehen, die wir benötigen, um das, was wir erfahren und gegenüber anderen kommunizieren, zu verstehen. Ansonsten wäre die Sprach für uns nicht nachvollziehbar.
Auffassungen ohne Sprache
Wir können auch Auffassungen ohne Sprache haben. Ein Hund hat das Konzept oder die Kategorie „mein Herrchen“. Jedes Mal, wenn er eine bestimmte Person riecht, ordnet er sie dieser Kategorie zu und erkennt die Person konzeptuell als „mein Herrchen“. Für den Hund wird „mein Herrchen“ für gewöhnlich durch einen Geruch repräsentiert, doch ohne ein Wort dafür. Er muss nicht durch ein visuelles Bild repräsentiert werden. Tiere besitzen konzeptuelle Wahrnehmung, denn wie weiß ein kleiner Löwe sonst, was Nahrung ist? Ein kleiner Löwe lernt genau so, wie kleine Kinder lernen.
Wie lernt ein Baby, was Nahrung und was nicht Nahrung ist? Am Anfang steckt ein Baby alles in den Mund, doch schließlich lernt es, bestimmte Dinge auszuschließen und Nahrung von dem, was nicht Nahrung ist, zu unterscheiden. Andernfalls würde das Baby für den Rest seines Lebens alles in den Mund stecken müssen, um herauszufinden, ob es essbar ist oder nicht. Kategorien, wie die Kategorie „Nahrung“, sind, wie gesagt, statische Phänomene; sie wachsen nicht an. Das Baby muss lernen, welche Dinge in die Kategorie „Nahrung“ gehören und welche davon ausgeschlossen sind. Dasselbe gilt für den kleinen Löwen. Der Unterschied ist, dass ein kleines Kind irgendwann lernt, die Kategorie mit dem Wort „Nahrung“ zu benennen; der kleine Löwe lernt kein Wort dafür.
Elemente ermitteln, die in eine geistige Kategorie passen
Wie wissen wir, welche Dinge in welche Kategorien gehören? Hier müssen wir sorgfältig analysieren. Manche Kategorien, wie „Nahrung“, sind von Natur aus Teil unserer biologischen Ausrüstung. Niemand muss uns beibringen, dass es so etwas wie Nahrung gibt, bestimmte Dinge tatsächlich Nahrung sind und wir sie in unseren Mund stecken, kauen und herunterschlucken müssen. Wir sprechen hier nicht davon, ein Wort dafür zu lernen. Wir alle benötigen Nahrung, um zu überleben und essen instinktiv; und, wie alle Säugetiere, haben wir das instinktive Bedürfnis, Muttermilch zu saugen. Die Frage ist, was wir der Kategorie Nahrung zuordnen. Manche, wie Löwen, würden von Natur aus Fleisch dieser Kategorie zuordnen und beispielsweise kein Gras. Andere betrachten hingegen andere Sachen instinktiv als Nahrung. So frisst eine Kuh instinktiv Gras und kein Fleisch, wohingegen es für uns Menschen nicht so offensichtlich ist.
Die zusammengesetzte definierende Eigenschaft der Kategorie „Nahrung“ ist etwas, das die Funktion erfüllt, ein unangenehmes Hungergefühl loszuwerden. Das kann durch zahlreiche Dinge erreicht werden, sowohl durch Milch, als auch durch verdorbene Speisereste. Hat ein Säugling einen Nuckel im Mund, mag das vielleicht beruhigend wirken, aber das Hungergefühl wird damit nicht beseitigt. Durch persönliche Erfahrung und durch Ausprobieren lernt das Baby, den Nuckel und Spielzeuge aus der Kategorie „Nahrung“ auszuschließen.
Doch wie lernt es, verdorbene Speisereste auszuschließen? Wenn etwas schlecht schmeckt oder im Mund brennt, wie Chilis, wird das Baby es nicht essen oder als Nahrung betrachten. Doch wie verhält es sich mit einem Keks, der in den Schmutz gefallen ist und trotz allem noch gut schmeckt? Der schmutzige Keks hat nach wie vor das individuelle definierende charakteristische Merkmal, das unangenehme Hungergefühl zu beseitigen, wenn er gegessen wird.
Das Baby muss eine Unterkategorie der Nahrung kennenlernen – sichere Nahrungsmittel – welche das zusätzliche zusammengesetzte definierende charakteristische Merkmal hat, nicht krank davon zu werden, wenn man sie isst. Herauszufinden, ob man durch etwas krank wird oder nicht, ist nicht so leicht. Von manchen Dingen wird man sofort krank, während man von anderen, wie Fertigkost, erst nach einiger Zeit krank wird. Es gibt auch den Unterschied zwischen dem, was sicher und dem, was gesund ist. Doch darauf werden wir heute nicht weiter eingehen.
Um herauszufinden, ob etwas, das unseren Hunger stillt, sicher ist und uns nicht krank macht, ist es erforderlich, die ursächliche Beziehung zwischen dem Essen und dem Krankwerden zu erkennen. Wie lernt ein Baby das? Als ein Erwachsener können wir es durch Ausprobieren und persönliche Erfahrung lernen. Wir essen etwas, das uns krank macht und vermeiden dann, es erneut zu essen. Doch für ein Baby ist es schwierig, die ursächliche Beziehung zwischen dem Essen des schmutzigen Kekses und dem Krankwerden zu erkennen. Dem Baby muss die Kategorie „schmutzig“ von den Eltern beigebracht werden. Es muss lernen, dass ein Keks, der in den Schmutz gefallen ist, zur Kategorie „schmutzig“ gehört und das Dinge der Kategorie „schmutzig“ nicht auch zur Kategorie „sichere Nahrung“ gehören. All das zu lernen erfordert Zeit. Das Baby muss belehrt werden, doch irgendwann wird es diese Dinge lernen. Für Erwachsene ist die Herausforderung größer, wenn sie lernen sollen, Schnellgerichte von der Kategorie „sichere Nahrung“ auszuschließen.
Wie können wir eine Blume ansehen und gleichzeitig einen konzeptuellen Gedanken über sie haben?
Das wird kompliziert. Zunächst sehen wir die Blume an, was eine nicht-konzeptuelle bloße Sinneswahrnehmung ist, die eine farbige Form und eine allgemein bekannte Blume als ihr beteiligtes Objekt erfasst. An diesem Punkt denken wir nicht „Blume“ oder „wie wunderschön“; wir haben das, was wir sehen, konzeptuell noch nicht der Kategorie „Blumen“ oder „wunderschöne Objekte“ zugeordnet. Diese nicht-konzeptuelle bloße Wahrnehmung dauert nur einen winzigen Moment an, doch dann wird dieses Ansehen zu einer nachfolgenden Wahrnehmung, da unsere Wahrnehmung der Blume nicht mehr frisch ist. Sie ist weiterhin nicht-konzeptuell, doch keine bloße Wahrnehmung mehr.
Bevor wir dann „Blume“ denken, haben wir den 64. Teil einer Sekunde unentschiedener Wahrnehmung, in der unsere Aufmerksamkeit von nicht-konzeptueller zu konzeptueller Wahrnehmung wechselt. Während den Phasen bloßer Wahrnehmung und nachfolgender Wahrnehmung war unsere Wahrnehmung dieses Objektes entschieden – wir haben ganz klar dieses Objekt und nicht etwas anderes von all den Objekten im Umkreis unterschieden. Doch nun geht es mit unserem Geistesfaktor des Auseinanderhaltens darum, welcher Kategorie es zugeordnet wird, und hier haben wir diesen winzigen Bruchteil einer Sekunde der unentschiedenen Wahrnehmung der Blume.
Wenn wir nun die Blume konzeptuell durch die Kategorie „Blumen“ und vielleicht auch mit dem Wort „Blume“ wahrnehmen, sehen wir weiter die Blume an, jedoch mit einer getrennten, nicht-konzeptuellen, visuellen Wahrnehmung. Die konzeptuelle Wahrnehmung wird der nicht-konzeptuellen überlagert, womit das nicht-konzeptuelle Sehen etwas verschleiert wird. Wir würden jedoch nicht sagen, dass wir keine nicht-konzeptuelle Wahrnehmung der Blume mehr haben, wenn wir sie der Kategorie zuordnen.
Die gleichzeitige konzeptuelle Wahrnehmung der geistigen Repräsentation dieses Objektes durch die Kategorie „Blumen“ ist eine so genannte Entsprechung bloßer Wahrnehmung (tib. mngon-sum ji-ltar-ba) und keine tatsächliche bloße Wahrnehmung. Obgleich in der konzeptuellen Wahrnehmung ein geistiges Hologramm entsteht, das dem entspricht, welches im Sehen erscheint, ist die konzeptuelle Wahrnehmung trügerisch. Sie ist trügerisch, weil es so scheint, als würden alle Objekte, die zur Kategorie „Blumen“ gehören, so aussehen. Das geistige Hologramm, das wie die äußere Blume aussieht, wird als eine allgemeine geistige Repräsentation der Kategorie „Blumen“ betrachtet.
Die Rolle konzeptueller Wahrnehmung bei störenden Emotionen während bloßer Sinneswahrnehmung
Nach einer Entsprechung bloßer Wahrnehmung der Blume, die im Grunde eine konzeptuelle Wahrnehmung durch die Kategorie „Blume“ ist, besteht die Möglichkeit, noch einmal eine nicht-konzeptuelle bloße visuelle Wahrnehmung der Blume zu haben, ohne sie gleichzeitig konzeptuell zu erfassen. In diesem Fall wird unser Verständnis von ihr als eine Blume zu unserer bloßen visuellen Wahrnehmung durch die Kraft unserer vorangegangenen konzeptuellen Wahrnehmung hinübergetragen. Das ist äußerst wichtig, wenn wir verstehen wollen, warum störende Emotionen nicht-konzeptuelle bloße Sinneswahrnehmung begleiten. Sie erfordern zunächst eine konzeptuelle Wahrnehmung.
Analysieren wir es an einem Beispiel, der Gier nach Nahrung. Wir sehen uns die Nachspeise an, die es zum Mittag gab, und zunächst sehen wir da nur farbige Formen und ein allgemein verständliches Objekt, die Nachspeise. Unsere nicht-konzeptuelle bloße visuelle Wahrnehmung der Nachspeise war von keiner störenden Emotion, wie Gier, begleitet. Gier, Anhaftung oder Verlangen entstehen nur mit einer Überbewertung der positiven Eigenschaften eines Objektes und/oder einer Projektion der positiven Eigenschaften, die es nicht gibt.
Gier entsteht somit ausschließlich in der konzeptuellen Wahrnehmung, mit der wir die Nachspeise, die wir sehen, nicht nur der Kategorie „Nachspeise“ zuordnen, sondern auch der Kategorie „die schönste Sache der Welt, die mich um so glücklicher macht, je mehr ich davon esse“. Das ist eine Überbewertung der guten Eigenschaften der Nachspeise und eine fehlerhafte Betrachtung (tib. tshul-min yid-la byed-pa). Wir ordnen die Nachspeise einer unpassenden geistigen Schublade zu – „die schönste Sache der Welt“ – in die sie nicht gültig gehört. Diese Gier kann dann auf die nicht-konzeptuelle bloße Sinneswahrnehmung des Geschmacks der Nachspeise übergehen, wenn wir sie essen.
Beispiele gleichzeitiger konzeptueller und nicht-konzeptueller Wahrnehmungen
Oft treten mehrere Wahrnehmungen gleichzeitig auf. Wenn eine Person beispielsweise zu uns spricht, haben wir eine nicht-konzeptuelle bloße Wahrnehmung des Hörens der Wortlaute, die sie sagt, während wir sie konzeptuell in den Hörkategorien der Worte und den Bedeutungs-Kategorien der Bedeutung der Worte wahrnehmen. Auf diese Weise verstehen wir, was sie sagt. Unsere konzeptuelle Wahrnehmung ist hier im Grunde eine schlussfolgernde Wahrnehmung. Sie beruht auf der Überlegung: wenn ich diese und jene Laute höre, handelt es sich dabei um den Klang dieser und jener Worte, mit diesen und jenen Bedeutungen. Man nennt sie „schlussfolgernde Wahrnehmung beruhend auf Konventionen“.
Zusammen mit dieser schlussfolgernden konzeptuellen Wahrnehmung sehen wir auch die Person. Obgleich der Geistesfaktor der Aufmerksamkeit sowohl unser Sehen und Hören dieser Person begleitet, kann die Stärke unserer Aufmerksamkeit mit jedem variieren. Wenn wir durch den Geistesfaktor des Auseinanderhaltens, der unsere nicht-konzeptuelle bloße visuelle Wahrnehmung begleitet, einen bestimmten Ausdruck in ihren Augen, einen bestimmten Gesichtsausdruck und eine gewissen Haltung erfassen, können wir konzeptuell auch schlussfolgern, dass sie müde ist. Wie erkennen wir das? Wir erkennen es, indem wir uns auf die Überlegung stützen: „wenn jemand so aussieht, ist er müde“, die wir durch persönliche Erfahrung gelernt haben. Indem wir uns auf diese Schlussfolgerung stützen, sehen wir die Person weiterhin und erfassen sie auch konzeptuell durch die Kategorie „jemand, der müde ist“.
Vielleicht folgern wir auch konzeptuell durch den aggressiven, grantigen Ton ihrer Stimme, dass die Person müde ist . Mit diesem Verständnis werden wir unser Verhalten anpassen und in dem Moment keine große Diskussion und keinen Streit mit ihr anfangen, da sie übel gelaunt und nicht rational ist. Noch hilfreicher ist es, wenn wir in uns selbst erkennen, dass wir zu müde sind oder schlechte Laune haben. Dann folgen wir dem Rat von Trijang Rinpoche, „das Baby schlafen zu legen“, wenn es zu missmutig oder genervt ist, um einen ordentlichen Umgang mit jemanden zu haben. Wir legen uns hin, machen vielleicht ein Nickerchen oder schlafen und werden uns sicher ganz anders fühlen, wenn wir wieder aufstehen. In der Regel geht es uns dann besser und unsere Stimmung hat sich geändert.
Fremdbestimmte Wahrnehmung und selbstbestimmte Wahrnehmung
Bevor wir schlafen gegangen sind, haben wir die Dinge äußerst negativ gesehen, und am Morgen fühlten wir uns besser und sahen die Dinge in einem anderen Licht. Wie wissen wir, was korrekt ist? Wir nutzen eine andere gültige Art, etwas wahrzunehmen: die „fremdbestimmte Wahrnehmung“ (tib. gzhan-la nges-kyi tshad-ma) oder genauer gesagt: eine gültige Wahrnehmung, in der die Bestimmung des Objektes (in diesem Fall, welches korrekt ist), durch eine andere Wahrnehmung herbeigeführt werden muss. Mit anderen Worten wissen wir, dass wir eine andere Wahrnehmung haben müssen, um weitere Informationen zu erhalten, wenn wir herausfinden wollen, welche korrekt ist, und nicht nur denken: „sie ist korrekt, weil ich es sage“. Wir überprüfen also.
Vielleicht kamen wir gestern Abend von der Arbeit nach Hause und dachten: „Ich glaube, ich habe heute auf der Arbeit einen Fehler gemacht. Ich habe im Büro etwas wirklich durcheinandergebracht.“ Wir ordnen uns selbst konzeptuell der geistigen Kategorie „furchtbarer Mensch“ zu und machen uns Sorgen, regen uns auf und haben schlechte Laune. Wir gehen also früh schlafen und erkennen auf gültige Weise, dass wir am nächsten Morgen wieder ins Büro gehen müssen und weitere Fakten brauchen, um herauszufinden, ob wir einen Fehler gemacht haben. Am Morgen, wenn wir uns beruhigt haben, gehen wir dann wieder ins Büro und überprüfen es. Auf diese Weise erkennen wir beispielsweise, dass wir im Grunde gar keinen Fehler gemacht haben. Mit selbstbestimmter Wahrnehmung (tib. rang-las nges-kyi tshad-ma) wissen wir, dass wir weitere Informationen benötigen. Beruhend darauf, was wir im Büro herausgefunden haben, können wir bestimmen, dass das, was wir nun schlussfolgern, korrekt ist. Wir nehmen uns konzeptuell durch die geistige Kategorie „jemand, der nichts durcheinandergebracht hat“ wahr.
In ähnlicher Weise verfahren wir, wenn jemand etwas zu uns gesagt hat, was wir für merkwürdig hielten. Wir nutzen fremdbestimmte Wahrnehmung, um zu erkennen, dass wir die Person um Klärung bitten sollten, bevor wir zu einer Schlussfolgerung darüber kommen, was sie gemeint hat.
Die korrekte Schlussfolgerung ziehen und die darauf folgende emotionale Erwiderung
Wenn wir uns auf eine Überlegung stützen und zu einer Schlussfolgerung kommen, wie können wir dann wissen, ob sie korrekt ist? Das ist wiederum nicht so einfach. Fehler in der Logik machen ein umfangreiches Thema im Buddhismus aus. Doch es gibt andere Richtlinien, die wir nutzen können, wenn wir nicht mit formeller Logik debattieren. In der Meditation über Tod und Unbeständigkeit können wir zum Beispiel darüber nachdenken, dass der Tod mit Sicherheit kommen wird, es aber keine Gewissheit darüber gibt, wann er kommt. Daraus können wir zwei gegensätzliche Schlussfolgerungen ziehen. Wir können schlussfolgern, dass der Tod die furchtbarste Sache der Welt ist. Dann nehmen wir den Tod konzeptuell durch die Kategorie „die furchtbarste Sache der Welt“ wahr und unsere Erwiderung darauf wäre, dass er deprimierend ist. Andererseits könnten wir daraus schließen, dass wir nie wissen, wann unsere Zeit abgelaufen ist, und wir somit die Möglichkeiten, die wir momentan haben, bestmöglich nutzen und unser kostbares Menschenleben nicht vergeuden sollten. Dann nehmen wir den Tod durch die Kategorie „ein Ansporn, mein Leben nicht zu vergeuden, sondern etwas Konstruktives zu tun“ wahr. Welche schlussfolgernde Wahrnehmung ist nun korrekt?
Beruhend auf dem allgemeinen Prinzip, dass jeder glücklich und niemand unglücklich sein möchte, haben wir keine korrekte Schlussfolgerung gezogen, wenn uns der Tod lediglich deprimiert. Die fehlerhafte Schlussfolgerung war, dass es hoffnungslos ist, denn das Resultat dieser Schlussfolgerung ist, deprimiert zu sein. Wir werden apathisch und wollen nichts Positives tun. Die korrekte Schlussfolgerung führt zu dem Entschluss, in Bezug auf das, was wir erreichen wollen, keine Zeit zu verlieren, sondern es umgehend zu tun. Dann ist die Ungewissheit hinsichtlich unseres Todeszeitpunktes nicht deprimierend und wir haben einen positiven Geisteszustand.
Die emotionale Erwiderung begleitet unsere Art der Wahrnehmung. Man kann nicht sagen, eine emotionale Erwiderung sei gültig oder ungültig. Die Tatsache, dass wir sterben werden und uns darüber bewusst sind, ist dieselbe, unabhängig davon, zu welcher Schlussfolgerung wir konzeptuell kommen und wie wir erwidern. Die emotionale Erwiderung ist eine Entscheidung und sie hilft uns, die Schlussfolgerungen einzuschätzen, die wir ziehen. Eine Schlussfolgerung und die damit verbundene Erwiderung lähmt uns und macht uns traurig, während die andere uns glücklich macht, weil wir das Gefühl haben, unsere Zeit bestmöglich zu nutzen. Verfügen wir über ein gut entwickeltes unterscheidendes Gewahrsein, werden wir in der Lage sein zu unterscheiden, welche nützlich und welche selbstzerstörerisch ist. In einem Zustand der Depression und Trübseligkeit zu sterben ist nicht wirklich hilfreich oder schön.
Diese zwei gegensätzlichen Schlussfolgerungen und emotionalen Erwiderungen beruhen beide auf gültiger Information. Ungeachtet dessen, wie wir den Tod beruhend auf dieser Information konzeptuell erfassen, ist es eine Tatsache, dass der Tod mit Sicherheit kommen wird und wir nie wissen können, wann das ist.
Emotionale Erwiderungen und gültige Wahrnehmung
Unsere emotionale Erwiderung auf irgendeine Schlussfolgerung, die wir beruhend auf schlussfolgernder konzeptueller Wahrnehmung ziehen, wird durch die Tendenzen beeinflusst werden, die wir haben, sowie durch die Stärke unserer störenden Emotionen und anderer Geistesfaktoren. Gestern Abend zum Beispiel, als wir vom Restaurant zurückkamen, lag dort jemand auf der Straße. Eine Erwiderung wäre, sich aus einer Anzahl von Gründen nicht darauf einlassen zu wollen und einfach weiterzugehen, ohne sich darum zu kümmern. Das ist eine Art der emotionalen Erwiderung, die vielleicht darauf beruht, es eilig und keine Zeit zu haben. Unsere Wahrnehmung war in dem Sinne korrekt, dass wir jemanden gesehen haben, der auf der Straße lag, und sie war entschieden: dort lag wirklich jemand. Es war keine Schaufensterpuppe, sondern ein menschliches Wesen. Wir wussten nicht, was mit der Person los war, und hätten wir uns nicht gekümmert, wären wir nicht stehengeblieben, um zu fragen.
Doch da die Tendenz des Mitgefühl stark in uns war, erkannten wir auf gültige Weise, dass wir mehr Informationen brauchen, um entscheiden zu können, ob diese Person Hilfe benötigt oder nicht. Jede weitere Erwiderung müsste dann darauf beruhen, gültig zu wissen, ob sie verletzt ist oder nicht. Die Leute, mit denen ich zusammen war, sprachen Finnisch, hielten an und fragten die Person, ob es ihr gut ging. Ihre emotionale Erwiderung war Fürsorge. Die Person sagte, es gehe ihr gut, das Taxi wäre noch nicht gekommen und sie würde sich ausruhen. Sie war auch nicht betrunken, stand auf und ging weg.
Dann stellten wir die Vermutung an, dass es vielleicht eine Art Experiment war, um zu sehen, ob jemand stehenbleiben und Hilfe anbieten würde. Diese Schlussfolgerung könnte völlig falsch sein, da wir sie nicht überprüft haben. Es schien uns offensichtlich zu sein, dass die Person ein Journalist oder etwas in der Art war. Wir haben eine ganze Geschichte daraus entwickelt, warum die Person am Boden lag und warum sie einfach aufstand und weglief, als wir sie fragten, ob sie Hilfe benötigt. Unsere Schlussfolgerung könnte korrekt oder falsch sein; wir werden es nie erfahren.
Die Frage ist: welche emotionale Erwiderung war gültig? Sich zu kümmern und auf die Situation einzulassen oder sich nicht zu kümmern und einfach weiterzugehen? Vielleicht hat die Person sich ja wirklich nur ausgeruht, während sie, wie sie sagte, auf das Taxi wartete und unsere Frage, ob sie Hilfe benötigt, war völlig überflüssig. Sie hätte auch erwidern können, dass wir uns besser um unsere eigen Sachen kümmern sollten. Doch wir kamen zu dem Schluss, dass es besser war, Fürsorge und Mitgefühl zu zeigen. Wir können jedoch nicht sagen, dass die emotionale Erwiderung gültiger war, als einfach weiterzugehen. Bestimmte emotionale Erwiderungen sind je nach Situation angemessen und andere nicht. In manchen Fällen erwidern wir jedoch emotional, bevor wir genügend Informationen haben, um korrekt und entschieden darüber zu sein, was wir sehen oder hören und was wir schlussfolgern. Es war korrekt und entschieden, dass wir jemanden auf dem Boden liegen sahen. Es war weder korrekt noch entschieden zu folgern, dass die Person verletzt oder betrunken war.
Unsere emotionalen Erwiderungen darauf, was wir sehen oder hören, hängen somit in hohen Maße davon ab, welche Schlussfolgerungen wir aus der Information ziehen, die wir bekommen. Weil manche emotionalen Erwiderungen uns und anderen viel Leiden verursachen, ist es überaus wichtig, gültige von ungültigen Arten der Wahrnehmung unterscheiden zu können.