Sich vom Klammern an dieses Leben oder an samsarische Wiedergeburt lösen

Hängt man nicht mehr an diesem Leben, hat der Geist sich dem Dharma zugewandt  

Von diesen vier Punkten, besteht der erste (hängt man nicht mehr an diesem Leben, hat der Geist sich dem Dharma zugewandt) aus der Meditation über drei Themen: (1) zunächst als Vorbereitung: die Schwierigkeit, (eine kostbare menschliche Wiedergeburt mit) Ruhepausen und Bereicherungen zu finden; (2) als der tatsächlich grundlegende Teil: Tod und Vergänglichkeit; und (3) als ein Zusatz zum Pfad: karmische Ursache und Wirkung.

Ob man ein Praktizierender des Dharma ist oder nicht, hängt vom Üben dieser drei Meditationen ab.

Die Schwierigkeit, eine kostbare menschliche Wiedergeburt mit Ruhepausen und Bereicherungen zu finden

Zunächst die Meditation über die Schwierigkeit, (eine kostbare menschliche Wiedergeburt mit) Ruhepausen und Bereicherungen zu finden: Man setzt sich auf ein bequemes Kissen und wiederholt viele Male die sichere Ausrichtung der Zuflucht in die Gurus und kostbaren Juwelen.

Dazu gibt es den Vers: „Bis ich meinen gereinigten Zustand erlangt habe, nehme ich Zuflucht zu den Buddhas, dem Dharma, und der Höchsten Versammlung. Möge ich durch die positive Kraft meines Gebens und so weiter Buddhaschaft verwirklichen, um den Wandernden zu helfen.“ Im Gegensatz zu allem anderen, wurde dieser Vers vom einzigartigen Atisha verfasst. Die ersten zwei Zeilen beziehen sich auf das Einschlagen einer sicheren Ausrichtung, die Zuflucht, und die zweiten auf das Vertiefen der Bodhichitta-Ausrichtung. Diese Methode, die sichere Ausrichtung zusammen mit Bodhichitta zu entwickeln, hat sich überall weit verbreitet. Daher sollten wir die sichere Ausrichtung einschlagen, indem wir diesen Vers viele Male rezitieren.

Mit den vier Zeilen: „Möge sich mein Geist dem Dharma zuwenden“ usw. macht man dann Gebete.

Dazu rezitiert man: „Inspiriert mich, meinen Geist dem Dharma zuzuwenden. Inspiriert mich, dass der Dharma als ein Pfad des Geistes wirkt. Inspiriert mich, dass die Verwirrung von meinem Pfad des Geistes beseitigt wird. Inspiriert mich, dass meine Verwirrung als tiefes Gewahrsein erscheint.“

Nachdem man die Bodhichitta-Ausrichtung vertieft hat, denkt man dann: „Ich werde zum Wohle aller begrenzten Wesen Buddhaschaft erlangen“ und rezitiert dann folgende Gedanken:

„Ich werde die höchste Ebene erlangen und ein vollkommen erleuchteter Buddha werden, und zu diesem Zweck werde ich den Pfad praktizieren.“ Begibt man sich auf den Pfad des Mahayana, sind das Einschlagen einer sicheren Richtung mit der Zufluchtnahme und das Entwickeln einer Bodhichitta-Ausrichtung vortreffliche Wurzeln für die eigene Praxis. Wenn man sie hat, ist das ausreichend, doch wenn sie fehlen, wird die Methode nicht funktionieren. Dann denkt man folgendermaßen:

„Dieser (kostbare menschliche) Körper mit Ruhepausen und Bereicherungen, vollständig versehen mit den acht Ruhepausen und zehn Bereicherungen, was seine essentielle Natur betrifft, ist schwer zu finden. Was dessen Ursachen betrifft, ist er schwer zu finden, da man (ein hohes Maß an) konstruktivem (karmischen Potenzial) erreicht haben muss und es ausgesprochen selten ist, etwas Konstruktives in diesem Geisteskontinuum zu haben.“     

Es gibt zwei Arten der Wiedergeburt in einem menschlichen Körper: die Wiedergeburt in einem menschlichen Körper mit Ruhepausen und Bereicherungen, und die Wiedergeburt mit einem bloßen menschlichen Körper. In dieser Welt haben viele, wo immer sie auch sind, einen bloßen menschlichen Körper. Dabei handelt es sich nicht um eine Wiedergeburt in einem menschlichen Körper mit Ruhepausen und Bereicherungen, der schwer zu finden ist. Schwer zu finden ist die so genannte „Wiedergeburt in einem menschlichen Körper mit Ruhepausen und Bereicherungen.“ Es wird gesagt, dass es schwierig ist, eine körperliche Grundlage zu finden, die vollständig mit allen achtzehn Merkmalen versehen ist – also getrennt von den acht Zuständen ohne Freiheiten und verbunden mit den förderlichen Umständen der Bereicherungen, was persönliche Situationen betrifft, sowie den fünf Bereicherungen, was gesellschaftliche Situationen betrifft. Aus diesem Grund ist es schwer, solch einen Körper zu finden, der, was seine essentielle Natur betrifft, vollständig mit den acht Ruhepausen und zehn Bereicherungen versehen ist.

Fragt man nach den Gründen dafür, ist es schwierig, Ursachen, Zahlen und Beispiele anzuführen. Was die Ursachen betrifft, muss man ein hohes Maß an konstruktivem karmischen Potenzial verwirklicht haben. Um also eine Wiedergeburt mit einem menschlichen Körper mit Ruhepausen und Bereicherungen finden zu können, muss man in früheren Leben vollkommen reine ethische Selbstdisziplin gewahrt und sie mit reinen Gebeten dafür verbunden haben. Bedenkt man jedoch, was die Ursachen sind, um eine Wiedergeburt mit solch einem menschlichen Körper zu finden, ist es für gewöhnliche Menschen, wie uns, äußerst schwierig sie zu finden, da wir nur wenig konstruktives Potenzial in unserem Geisteskontinuum haben.  

„Was die Anzahl betrifft, so gibt es in den sechs Klassen wandernder Wesen mehr in jenen der niederen Klassen, als in den höheren.“

Im Allgemeinen sind die sechs Klassen wandernder Wesen die gefangenen Wesen in den höllischen Bereichen, die Klammergeister, die Tiere, die Menschen, die himmlischen Wesen und die Gegengötter. Was die Bereiche mit den meisten Wesen betrifft, so sagte der Siegreiche Meister, Bhagavan Buddha, in seinen makellosen Sutras, dass die Anzahl der gefangenen Wesen in den höllischen Bereichen mit der Anzahl der Staubkörper in der großen Welt vergleichbar ist, die Anzahl der Klammergeister mit der Anzahl der Sandkörner am Ganges, die Anzahl der Tiere mit der Anzahl der Körner in einem Bierfass, und verglichen damit ist eine menschliche Wiedergeburt von höherem Status ausgesprochen schwer zu finden. Je niedriger der Wiedergeburtszustand in den sechs Klassen wandernder Wesen ist, desto höher ist daher die Anzahl der Wesen, im Vergleich zu dem nächsthöheren. 

Abgesehen davon, dass dies ein gültiges Zitat des Buddhas ist, können wir gewöhnlichen Wesen mit unserer Wahrnehmung nicht erkennen, dass es so viele gefangene Wesen in den höllischen Bereichen und so viele Klammergeister gibt. Die Tiere können wir jedoch mit unserer bloßen Wahrnehmung sehen und müssen uns nicht auf ein Zitat des Buddha stützen, was die Anzahl der Menschen und Tiere betrifft. Das können wir mit unserer gültigen bloßen Wahrnehmung festlegen. 

„Mit bloßer Wahrnehmung können wir jedoch die Anzahl der Insekten sehen, die während dem Sommer-Monsun in einem Sumpf oder Holzhaufen leben. In der gesamten Welt gibt es nicht so viele Menschen und daher ist (eine kostbare menschliche Wiedergeburt) schwer zu finden.“ 

Ein Sumpf im Sommer-Monsun bezieht sich auf ein Gebiet, das im Sommer-Monsun von Wasser überflutet wird.

„Um Beispiele anzuführen, ist es so: Erbsen, die man an eine Wand wirft, werden kaum hängenbleiben.“

Wirft man eine Handvoll roher Erbsen an die glatte Oberfläche einer Wand, wird nicht eine an der Wand hängenbleiben. Das ist ganz einfach so.

„Auch wird kaum eine Schildkröte ihren Kopf beim Auftauchen durch die Öffnung eines Jochs stecken, das durch den Wind im weiten Ozean umhertreibt.“

Wie Acharya Shantideva in „Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas“ (IV.20) sagte: Die Schwierigkeit der Wiedergeburt als ein Mensch ist vergleichbar mit der Situation einer Schildkröte, die beim Auftauchen ihren Kopf durch die Öffnung eines Joches steckt, das auf dem weiten Ozean treibt.“ Nachdem wir solche Beispiele betrachtet haben:

Daher sollten wir, ohne diese (menschlichen Wiedergeburt mit) Ruhepausen und Bereicherungen, die wir dieses eine Mal gefunden haben, auf irgendeine Weise zu verschwenden, meditieren und denken: „Ich werde (den reinen Dharma) für mein zukünftiges und alle folgenden Leben praktizieren.“ 

Auf diese Weise hat Gorampa kurz und zusammengefasst über die Schwierigkeiten gesprochen, eine menschliche Wiedergeburt mit Ruhepausen und Bereicherungen zu finden. 

Tod und Vergänglichkeit

Zweitens, was die Meditation über Tod und Vergänglichkeit betrifft, meditiert und denkt man, nachdem man wie zuvor die sichere Richtung eingeschlagen und die Bodhichitta-Ausrichtung vertieft hat: „Da ich geboren wurde, werde ich zweifellos auch sterben, denn niemand lebt ewig, ohne zu sterben.“ 

Das heißt: Wenn diese Zeit, in der man geboren wurde, zu einem Ende kommt, besteht das Finale der Geburt im Tod. Wie Ashvaghosha in „Besondere Verse zum Vertreiben von Leid“ (tib. Mya-ngan bsal-ba, Skt. Shokavinodana) sagt: „Wenn es Wesen gibt, die auf Erden oder in höheren Bereichen geboren und niemals gestorben sind und man nie solche Wesen gesehen oder von ihnen gehört hat, sollte man Zweifel haben.“ Es gab niemanden, der geboren wurde und ein ewiges Leben hat. Alle werden zweifelsohne sterben.

„Und nicht nur das; es gibt auch keine Sicherheit, wann ich sterben werde. Da es zahlreiche Umstände gibt, in denen man sterben kann, und nur wenige, in denen man am Leben bleibt, werde ich ohne jeden Zweifel sterben.“

Es gibt wirklich viele Situationen, in denen man sterben kann. Zahlreiche Dinge können unsere Lebensspanne unterbrechen, wie Krankheit oder Verletzungen.

„Wenn der Zeitpunkt des Todes kommt, kann ihn nichts, wie Medizin oder Heilungsriten, aufhalten. Nichts dergleichen wird helfen, wenn ich sterbe,“

Wird Wesen geholfen, wenn sie sterben, geschieht das durch den Dharma. Werden Wesen verletzt, geschieht dies durch ihre negativen karmischen Potenziale.

„und nach meinem Tod wird mich, außer dem Dharma, nichts begleiten, niemand aus meinem Bekanntenkreis und keine meiner Besitztümer.“ Meditiere auf diese Weise und beschließe, dich von deinem Anhaften an dieses Leben zu lösen.

Man meditiert, indem man denkt: „Mit der Zeit, die mir bleibt, werde ich nun praktizieren, was konstruktiv ist, und einen Vorrat an positivem karmischen Potenzial aufbauen.“ 

Da dies die Hauptmethode ist, den Geist dem Dharma zuzuwenden, sollte man, wenn man gute Nahrung zum Essen hat, gute Kleidung trägt und von einem großen Kreis Freunden umgeben ist, folgendermaßen meditieren und denken: „Nun habe ich all diese Dinge, doch eines Tages werde ich mich von ihnen trennen und allein weitergehen müssen; sie haben keine Essenz“, und beschließen, das Anhaften an die Belange dieses Lebens loszulassen. 

Der Siegreiche Meister, Bhagavan Buddha, sagte: „Liebe Mönche, jemand, der über die Vergänglichkeit nachdenkt, bringt den Buddhas eine Opfergabe dar. Wesen, die über die Vergänglichkeit nachdenken, erhalten von den Buddhas eine Vorhersage für ihre zukünftige Erleuchtung. Wesen, die über die Vergänglichkeit nachdenken, erhalten die Inspiration der Buddhas. Liebe Mönche, von allen Fußspuren ist die größte die eines Elefanten. Von allen Dingen, die es zu erkennen gilt, ist das größte die Vergänglichkeit.“ Da Buddha hier über die Gründe gesprochen hat, warum man sich darauf stützen sollte, ständig nur die Vergänglichkeit im Geist zu haben, sollte man beschließen, es auch zu tun. 

Hat man gute Nahrung zum Essen, trägt man schöne Kleidung und ist von einem großen Kreis Freunde umgeben und daher sorglos und glücklich, sollte man in so einem Moment, ohne die Achtsamkeit zu verlieren, meditieren und denken: „Jetzt bin ich glücklich, doch da ich irgendwann, nachdem ich mich von meinem Freundeskreis und meinem Besitz trennen werde, allein zu einen unbekannten Ort gehen muss, wie ein Haar, das aus einem Stück Butter gezogen wird, haben diese Dinge keine Essenz.“ Daher sagte Gorampa: „Beschließe, dich von deinem Anhaften an die Belange dieses Lebens zu lösen.“

Um zu erkennen, ob man ein Dharma-Praktizierender ist oder nicht, gilt es zu untersuchen, ob man die Anhaftung an dieses Leben aufgegeben hat oder nicht. Wie ja gesagt wurde, ist man kein Dharma-Praktizierender, wenn man das Hängen an dieses Leben nicht aufgegeben hat; doch hat man es aufgegeben, ist man ein Dharma-Praktizierender. Hat man den Mahayana-Pfad betreten und fragt sich, ob man irgendwelche Verwirklichungen des Pfades im eigenen Geisteskontinuum hervorbringen kann, nun, dafür muss man sich ganz klar von den Anhaftungen an dieses Leben lößen. 

Während ich in Tibet war, vertraute ich mich beispielsweise in meinen Studien auf nicht sektiererische Weise vielen spirituellen Lehrern an – Lamas aus allen Traditionen. Ich hatte Lamas aus der Sakya-Tradition, Lamas aus der Kagyü-Tradition, Lamas aus der Nyingma-Tradition und Lamas aus der Gelug-Tradition. Insbesondere gab es da einen bestimmten Geshe, einen Lama aus der Gelug-Tradition, Losang Chökyi Gawa (tib. Blo-bzang Chos-kyi dga’-ba), von dem ich Belehrungen erhielt. Er war ein voll-ordinierter Mönch und lebte mit vollkommen reiner ethischer Selbstdisziplin sein ganzes Leben ausschließlich im Fasten-Retreat (tib. smyung-gnas), vollendete über 4000 Fasten-Retreats und rezitierte über 200 Millionen Mal das Sechs-Silben-Mantra des großen Mitfühlenden Avalokiteshvara.   

Von diesem gütigen Geshe erhielt ich Vorträge zu Texten in tibetischer Grammatik von Tonmi Sambhota (tib. Thon-mi Sambhota) – den „Dreißig (Versen zu den Konsonanten)“ (tib. Sum-bcu-pa) und dem „Studium der (Vor- und Nachsilben-) Zeichen“ (tib. rTags-’jug) – sowie über Poetik (tib. snyan-ngag), dem Guru-Yoga „Hundert Gottheiten aus Tushita“ (tib. dGa’-ldan lha-brgya-ma) und vieles mehr. Ich machte auch die Erfahrung, mit ihm ein paarmal im Fasten-Retreat zu sitzen. 

Einmal bat ich diesen kostbaren Meister, mir eine besondere Quintessenz-Lehre zu erteilen, die mir auf dem Weg weiterhelfen würde, worauf er antwortete: „Es gibt viele Dharma-Lehren, die dir auf dem Pfad weiterhelfen können: die sogenannten vorbereitenden Übungen der vier Gedanken, die den Geist dem Dharma zuwenden (tib. blo-ldog rnam-bzhi) im Nyingma, Kagyü usw., Sich von den vier Arten des Klammerns in den drei Erscheinungen lösen (tib. sNang-gsum) und ähnliche Lehren der Sakyapas, sowie die großen und kleineren Darstellungen des Stufenpfades der Gelugpas. Am wichtigsten und effektivsten ist allerdings die Zeile „wenn du an diesem Leben hängst, bist du kein Dharma-Praktizierender“ aus dem Werk der Sakyapas „Sich von den vier Arten des Klammerns lösen“. Es wird gesagt, dass es im Sakya, Gelug, Kagyü und Nyingma keine bessere vorbereitende Übung als diese gibt.

Ist man in der Lage, sich wirklich vom Anhaften an dieses Leben zu lösen, wird man von da an in der Lage sein, Entsagung hervorzubringen, die Entschlossenheit, frei von samsarischer Wiedergeburt zu sein. Auf dieser Grundlage wird man dann Liebe und Mitgefühl entwickeln. Ist man allerdings nicht in der Lage, sich wirklich vom Anhaften an dieses Leben zu lösen, wird man keine Entschlossenheit entwickeln, frei von samsarischer Wiedergeburt zu sein und sogar, wenn man die Entschlossenheit entwickelt, frei von samsarischer Wiedergeburt zu sein, wird man  keine Liebe und kein Mitgefühl hervorbringen. Und woher wird dann die Sicht der Vergänglichkeit herkommen? Geshe Losang Chökyi Gawa wusste, dass die wichtigste und effektivste Lehre darin bestand, sich vom Anhaften an dieses Leben zu befreien. Das ist etwas wirklich Wahres. 

Fragt man sich, worin die Methoden bestehen, sich vom Anhaften an dieses Leben zu lösen, so handelt es sich dabei um die Meditationen über die Schwierigkeiten, eine kostbare menschliche Wiedergeburt mit Ruhepausen und Bereicherungen zu finden, über Tod und Vergänglichkeit, sowie über karmische Ursache und Wirkung.

Karmische Ursache und Wirkung

Drittens, was die Meditation über karmische Ursache und Wirkung betrifft, denkt man, nachdem man wie zuvor die sichere Richtung eingeschlagen und die Bodhichitta-Ausrichtung vertieft hat: „Da ich eine schwer zu findende, kostbare menschliche Wiedergeburt mit Ruhepausen und Bereicherungen erlangt habe, muss ich, da sie vergänglich ist, bevor ich sterbe alle Arten destruktiven Verhaltens aufgeben und so viele konstruktive Handlungen wie möglich ausführen. Der Grund ist, dass das reifende Resultat der zehn Arten destruktiven Verhaltens die Wiedergeburt in einem der schlechten Wiedergeburtszustände ist.“ 

Es gibt drei destruktive Handlungen des Körpers: (1) anderen das Leben zu nehmen, (2) zu nehmen, was uns nicht gegeben wurde, (3) unangemessenes sexuelles Verhalten auszuüben; vier destruktive Handlungen der Rede: (4) zu lügen, (5) Zwietracht zu säen, (6) grobe Worte zu benutzen, (7) sinnloses Geschwätz; und drei destruktive Handlungen des Geistes: (8) begehrliches Denken, (9) boshaftes Denken, und (10) verzerrtes, feindseliges Denken. Die zehn Arten destruktiven Verhaltens sind diese Handlungen. Sie haben drei Arten von Resultaten: (1) gereifte Resultate, (2) Resultate, die ihrer Ursache ähneln, und (3) beherrschende Resultate.

Was gereifte Resultate betrifft, so wird gesagt, dass man, wenn man diese zehn destruktiven Handlungen viele Male, mit starker Kraft und motiviert durch sehnsüchtiges Verlangen, Feindseligkeit oder Naivität begeht, im schlechtesten Zustand, den höllischen Bereichen, wiedergeboren wird. Ist die Handlung von mittlerer Kraft, wird man als ein Klammergeist wiedergeboren und ist sie nur von sehr schwacher Kraft und nicht so häufig, kommt es zur Wiedergeburt als ein Tier.

„Was die Resultate betrifft, die ihren Ursachen ähneln, wird erklärt, dass jene, die ihren Ursachen in meiner Erfahrung ähneln, folgendermaßen entstehen: wenn ich anderen das Leben nehme, werde ich ein kurzes Leben haben; wenn ich etwas nehme, was mir nicht gegeben wurde, werde ich meinen Reichtum verlieren usw. Was die Resultate betrifft, die ihren Ursachen in meinem Verhalten ähneln, wird es so sein, dass ich destruktive Handlungen, an die ich mich gewöhnt habe, gern wiederholen werde und dadurch in schlechtere Wiedergeburtszustände fallen werde, ohne dem entgehen zu können. Und was die Resultate der Handlungen von Personen betrifft, werde ich an einem Ort geboren werden, wo es schlecht riecht und Sandstürme gibt.“ Daher denkt man: „Ich werde auf jeden Fall (destruktives Verhalten) aufgeben.“
(Dann geht es weiter mit:) „In ähnlicher Weise ist das gereifte Resultat der zehn konstruktiven Handlungen eine Wiedergeburt in besseren Wiedergeburtszuständen.

Die Resultate der Handlungen von Personen (tib. skyes-bu byed-pa’i ’bras-bu) beziehen sich auf die Umgebung, in der man geboren wird. Sie werden auch beherrschendes Resultat (tib. dbang-gi ‘bras-bu) oder vorherrschendes Resultat (tib. bdag-’bras; umfassendes Resultat, Befehlshaber-Resultat) genannt. 

Nagarjuna sagt in „Kostbare Girlande“ (tib. Rin-chen ’phreng-ba, Skt. Ratnamala) (I.20), „Sehnsüchtiges Verlangen, Feindseligkeit und Naivität, sowie die zwanghaften karmischen Impulse, welche diese drei hervorbringen, sind destruktiv. Loslösung, Gutmütigkeit und fehlende Naivität, sowie die zwanghaften karmischen Impulse, die sie hervorbringen, sind konstruktiv“. Wie dies zeigt, sind alle zwanghaften karmischen Impulse, die mit einer der drei giftigen störenden Emotionen aufgebaut werden, destruktiv. Ist zum Beispiel die Wurzel eines Baumes giftig, ist es nicht möglich, dass auch seine Blätter und Früchte nicht giftig sind. Erzeugt man jedoch einen konstruktiven motivierenden Rahmen für die eigenen Handlungen von Körper, Rede und Geist, indem man Loslösung, Gutmütigkeit und Wutlosigkeit oder fehlende Naivität als motivierende Emotionen hat und sie so viel wie möglich hervorbringt, ist die Wurzel heilsam und daher werden auch Blätter, Stamm und Früchte heilsam sein. Aus diesem Grund wird man in besseren Wiedergeburtszuständen geboren werden.

Was die Resultate betrifft, die ihren Ursachen ähneln, wird erklärt, dass jene, die ihren Ursachen in meiner Erfahrung ähneln, folgendermaßen entstehen: wenn ich anderen nicht das Leben nehme, werde ich ein langes Leben haben usw. Was jene betrifft, die ihren Ursachen in meinem Verhalten ähneln, werde ich auf diese und jene konstruktive Weise handeln wollen. Was die Resultate der Handlungen von Personen betrifft, so werde ich an einem Ort geboren werden, der gut riecht usw. 
Daher denkt man „Da es sich so verhält, muss ich mich auf jeden Fall (in konstruktivem Verhalten) üben.“

Die wichtigste und effektivste Sache ist hier nun, die zehn negativen, destruktiven Handlungen aufzugeben und die zehn konstruktiven in die Praxis umzusetzen. Wendet man sich den Lehren des Buddha zu, gibt es im Allgemeinen die sogenannten drei Arten von gelobten Enthaltungen. Das sind die Praktimoksha-Gelübde der individuellen Befreiung, jene, mit denen man sich schult, ein Bodhisattva zu sein und die eng bindenden tantrischen Gelübde – diese drei Arten von Gelübden, die genommen werden sollten. Es gibt viel, was über jedes von ihnen gesagt werden kann. Hat man allerdings eine gute Motivation, diese zehn destruktiven Handlungen aufzugeben, und ein gutes Verständnis davon, was diese zehn destruktiven Handlungen sind, ist es fast so, als würde man die meisten der Pratimoksha-, Bodhisattva- und tantrischen Gelübde einhalten, außer ein paar Besonderheiten. Wie gesagt wird, ist es daher wichtig, die zehn destruktiven Handlungen aufzugeben und sich in den zehn konstruktiven Handlungen zu üben. 

Mit diesem vortrefflichen Kommentar, der die Bedeutung zusammenfasst, hat Gorampa nun erklärt: „Wenn du an diesem Leben hängst, bist du kein Dharma-Praktizierender.“

Hängt man nicht mehr an samsarischer Wiedergeburt, wirkt der Dharma als Pfad des Geistes 

In Bezug auf das Zweite (Loslassen): „Hängt man nicht mehr an samsarischer Wiedergeburt, wirkt der Dharma als Pfad des Geistes“, denkt man an die Nachteile unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt.

Die Nachteile samsarischer Wiedergeburt

Die Zeile: „Wenn du an samsarischer Wiedergeburt hängst, hast du keine Entsagung, keine Entschlossenheit, frei zu sein“, ist ein Hinweis darauf, dass man die Nachteile samsarischer Wiedergeburt kennen sollte.

Nachdem man, wie zuvor, die sichere Richtung eingeschlagen und die Bodhichitta-Ausrichtung vertieft hat, (denkt man folgendermaßen): „Diese samsarische Existenz mit ihren drei Ebenen, geht nicht darüber hinaus, von Natur aus leidvoll zu sein. In den heißen Höllen gibt es die Leiden, in denen der Körper von Feuer verbrannt, von Waffen verletzt wird und dergleichen. In den kalten Höllen gibt es die Leiden extremer Kälte und jene, in denen Fleisch und Knochen in Stücke zerteilt werden. In den Nachbarhöllen gibt es die Leiden, in ein Loch mit glühender, geschmolzener Lava geworfen zu werden.“

In den Nachbarhöllen gibt es auch das Leiden, in Bäumen mit messerscharfen Blättern Geliebten hinterher zu klettern. 

„Würden meinen Körper solche Leiden befallen, würde ich nicht einmal einen winzigen Teil von ihnen ertragen.
Was die Klammergeister betrifft, so haben sie die furchtbaren Leiden von Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Erschöpfung und Angst.“

Ganz zu schweigen davon, für hunderte und tausende von Jahrhunderten nichts zu essen oder zu trinken, hören sie nicht einmal das Wort „Essen“ oder „Trinken“.

„Tiere haben zahlreiche Leiden. Jene, die in den Tiefen leben, fressen sich gegenseitig, während andere, die überall verstreut sind, zum Arbeiten benutzt oder ausgebeutet werden.“

Es gibt zwei Arten von Tieren: jene, die in den Tiefen leben und jene, die überall verstreut sind. Jene, die in den Tiefen leben, sind die Tiere in den tiefen Ozeanen und sie fressen sich gegenseitig. Tiere mit größeren Körpern, wie Seeungeheuer, deren Körper viele Meter lang sind, werden von vielen kleine Tieren aufgefressen und die Größeren verschlucken die Kleineren, indem sie nur einmal zuschnappen.

Diejenigen, die überall verstreut sind, leben in der menschlichen Welt. Die Körper von Pferden, Schafen, Ochsen, männlichen und weiblichen Yaks, Ziegen und Tigern werden von den Menschen benutzt; manche werden wegen ihrem Fleisch geschlachtet, andere wegen ihrem Fell und manche werden zwar nicht geschlachtet, aber wegen ihrer Milch ausgenutzt. 

Verglichen mit diesen schlechten Wiedergeburtszuständen, ist die menschliche Wiedergeburt von höherem Status. Sie ist die beste Alternative und die höchste physische Grundlage. Doch Menschen müssen ebenfalls die schlimmsten Leiden ertragen – Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Außerdem:

„Menschen haben die Leiden, ihren Status zu verlieren, nicht zu finden, was sie sich wünschen, zu bekommen, was sie nicht wollen, sich von Nahestehenden zu trennen und dergleichen. Das kann mit bloßer Wahrnehmung gesehen werden.“

Was jene mit einer Wiedergeburt von höherem Status betrifft – die himmlischen Wesen, Gegengötter und Menschen – sind diese Götter auf der Ebene des Sinnesbegehrens die höchsten und glücklichsten. Jeder von ihnen hat das Glück, die fünf Sinnesobjekte des Begehrens für eine sehr lange Zeit sorgenfrei genießen zu können. Aber dennoch kommt irgendwann die Zeit, wenn dieser Wiedergeburtszustand für sie zu Ende ist.

„Das mentale Leid der himmlischen Wesen und der Götter auf der Ebene des Sinnesbegehrens ist, wenn sie die Vorzeichen des Todes und des herannahenden Todes bekommen, größer, als das physische Leid der Wesen in den Höllen.“

Meditiert man in einem der Zustände geistiger Beständigkeit (Dhyana) oder ausgewogener Vertiefung als Ursache, wird man im nächsten Leben als ein himmlisches Wesen auf der Ebene ätherischer Objekte oder als ein himmlisches Wesen auf der Ebene der formlosen Wesen wiedergeboren. Für viele Zeitalter wird man dann die Glückseligkeit geistiger Stabilität genießen.

Die Götter auf den Ebenen ätherischer Objekte und formloser Wesen werden, auch wenn sie kein manifestiertes Leiden haben, dennoch die Erfahrung all der verschiedenen Leiden der schlechten Wiedergeburtszustände machen, da sie irgendwann in eine schlechte Wiedergeburt zurückfallen werden, denn die unkontrollierbar sich wiederholende samsarische Wiedergeburt auf den drei Ebenen zwanghafter Existenz ist nun einmal von Natur aus leidvoll. 
Daher denkt man: „Nachdem ich all die verschiedenen Ebenen der Wiedergeburt aufgegeben habe, muss ich die höchste Ebene der Befreiung erlangen.“ 

Gorampa betont dies immer wieder. Er sagt, dass man, wenn man dazu in der Lage ist, auch seine Anhaftung an dieses Leben abwenden und den Gedanken entwickeln wird, dass samsarische Wiedergeburt ebenso ohne Essenz ist. Kann man diesen Gedanken hervorbringen, ist es leicht, und beruhend darauf wird der Geisteszustand entstehen, mit dem man Befreiung verwirklichen will. Auf dieser Grundlage meditiert man dann über die Bedeutung der Selbstlosigkeit, woraus Liebe und Mitgefühl folgen.

In Bezug zum Stufenpfad von Menschen der drei Ebenen, beschließt dies bis hierhin den Pfad von Menschen der anfänglichen und mittleren Ebene.

In Texten, wie Tsongkhapas „Große Darstellung des Stufenpfads“ (Lam-rim chen-mo), sind Dharma-Lehren, die zu einem Interesse am Verbessern weltlicher Wiedergeburten führen, für jemanden auf der anfänglichen Ebene. Führen sie zu einem Interesse an Befreiung für den eigenen Frieden und das eigene Glück als höchstes Ziel, sind sie für jemanden auf der mittleren Ebene. Gorampa sagt hier, dass alles auf diesen Pfaden vollständig ist, wenn man tiefgründig über die Schwierigkeiten des Findens (einer menschlichen Wiedergeburt mit) Ruhepausen und Bereicherungen, über Tod und Vergänglichkeit, über karmische Ursache und Wirkung, sowie über die Nachteile unkontrollierbar sich wiederholender samsarischer Wiedergeburt nachgedacht hat.

Damit sind, wie im Ansatz des großen Meisters Serlingpa, auch die vier grundlegenden Dharma-Lehren als Vorbereitungen vollständig.

Die vier grundlegenden Dharma-Lehren (tib. rten-gyi chos-bzhi), welche den ersten Punkt, die vorbereitenden Übungen des Geistestrainings in sieben Punkten von Serlingpa, bilden, sind also (1) die Schwierigkeiten des Findens (einer menschlichen Wiedergeburt mit) Ruhepausen und Bereicherungen, (2) Tod und Vergänglichkeit, (3) karmische Ursache und Wirkung, sowie (4) die Nachteile unkontrollierbar sich wiederholender samsarischer Wiedergeburt.

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