Nachteile bei der Betonung von zweitrangigen Unterschieden
Liebe Brüder und Schwestern, ich bin sehr glücklich über die Möglichkeit, mit Ihnen reden zu können. Wenn ich zu Menschen spreche, möchte ich immer zuerst gern betonen, dass Sie sich bitte selbst als menschliche Wesen sehen mögen. Damit möchte ich sagen, dass Sie zum Beispiel nicht denken sollten: „Ich bin ein Schweizer“, „ich bin ein Italiener“, oder „ich bin ein Franzose“. Mein Übersetzer sollte nicht denken, dass er ein Franzose ist! Und ich sollte auch nicht denken, dass ich ein Tibeter bin. Darüber hinaus sollte ich mich selbst nicht als Buddhisten sehen, denn in meinen Vorträgen basiert der Weg zu einem glücklichen, weniger gestörten Leben normalerweise darauf, ein menschliches Wesen zu sein.
Jeder einzelne dieser sieben Milliarden Menschen wünscht sich ein glückliches Leben und jeder einzelne hat das Recht darauf, dieses Ziel zu erreichen. Wenn wir zweitrangige Unterschiede wie z.B. „Ich bin ein Tibeter“ hervorheben, sieht es so aus, als würde ich mich mehr um Tibet kümmern. Und auch die Aussage: „Ich bin ein Buddhist“ schafft ein Gefühl von Nähe gegenüber anderen Buddhisten, aber gegenüber anderen Glaubensrichtungen entsteht dadurch automatisch eine kleine Distanz.
Diese Sichtweise ist tatsächlich eine Quelle von Problemen, einschließlich der vielen Probleme und immensen Gewalt, mit denen die Menschen in der Vergangenheit konfrontiert wurden und auch im 21. Jahrhundert weiter konfrontiert werden. Gewalt entsteht nie, wenn man andere Menschen so wie sich selbst auch als Menschen sieht. Es gibt keinen Grund sich gegenseitig umzubringen; wenn wir jedoch die Einheit der Menschheit vergessen und uns stattdessen auf zweitrangige Unterschiede, wie z.B. „meine Nation“ und „deren Nation“, „meine Religion“ und „deren Religion“ konzentrieren, schaffen wir Unterschiede und unsere Sorge gilt mehr unseren eigenen Leuten und den Anhängern unserer Religion. Dann missachten wir die Rechte anderer und haben nicht einmal mehr Respekt für das Leben der anderen. Viele Probleme, mit denen wir auch heutzutage konfrontiert werden, entstehen auf diese Weise dadurch, dass wir zweitrangige Unterschiede zu sehr betonen und ihnen eine zu große Bedeutung beimessen.
Das einzige Mittel dagegen besteht darin, uns selbst folgerichtig als menschliche Wesen anzusehen, ohne Abgrenzungen oder Barrieren. Wenn ich zum Beispiel Vorträge halte und mich dann als tibetischen Buddhisten, oder vielleicht sogar noch als „Seine Heiligkeit den Dalai Lama“ sehe, dann führt das zu einer gewissen Distanz zwischen den Zuhörern und mir selbst, was unsinnig ist. Wenn ich mich ernsthaft um Ihr Wohlergehen sorge, muss ich zu Ihnen auf der Ebene menschlicher Brüder und Schwestern reden, die genauso Menschen sind, wie ich selbst. In der Tat sind wir gleich: sowohl geistig, als auch emotional und körperlich. Was noch wichtiger ist: jeder wünscht sich ein glückliches Leben ohne irgendwelche Leiden und mir geht es auch so, also werden wir auf dieser Ebene reden.
Säkulare Ethik
Säkulare Ethik hat sehr viel mit biologischen Aspekten zu tun, aber religiöser Glauben ist etwas, das nur Menschen haben. Unter den Menschen entwickelte sich der Glaube, aber er ist sicherlich kein biologischer Aspekt. Die säkulare Ethik umfasst die gesamte Bevölkerung von sieben Milliarden Menschen. Wie ich gestern erwähnte, haben von sieben Milliarden Menschen eine Milliarde offiziell angegeben, dass sie Nicht-Gläubige sind und wenn wir die sechs Milliarden vermeintlichen Gläubigen sehen, gibt es so viele korrupte Menschen unter ihnen. Es gibt Skandale, Ausbeutung, Korruption, Betrug, Lügen und Schikane. Ich glaube, dass es an einem Mangel an echter Überzeugung in moralische Prinzipien liegt. Sogar Religion wird für falsche Zwecke benutzt. Ob ich es gestern schon erwähnt habe oder nicht: manchmal habe ich wirklich das Gefühl, dass wir durch die Religion lernen, scheinheilig zu handeln. Wir sagen schöne Dinge, wie „Liebe“ und „Mitgefühl“, aber in Wirklichkeit handeln wir nicht dementsprechend und es gibt viel Ungerechtigkeit.
Die Religion redet über diese schönen Dinge auf eine gewisse traditionelle Weise, aber nicht so, dass es tatsächlich unser Herz berührt. Das liegt daran, dass den Menschen moralische Prinzipien oder die Überzeugung vom Wert moralischer Prinzipien fehlen. Ob wir nun Gläubige oder Nicht-Gläubige sind, wir sollten ernsthafter darüber nachdenken, wie wir den Menschen diese moralischen Prinzipien beibringen können. Darüber hinaus, kann man dann Religion hinzufügen und daraus entsteht eine wirklich authentische Religion. Und wie ich gestern erwähnt habe, reden über diese Werte alle Religionen.
Lernen, am eigenen Tätigkeitsfeld nicht anzuhaften
Im vergangenen Jahrhundert, haben die Menschen beider Konfliktparteien zu Gott gebetet, während sie sich gegenseitig umgebracht haben. Eine schwierige Situation! Sogar heute gibt es manchmal Konflikte im Namen der Religion und ich denke, beide Seiten beten zu Gott. Manchmal sage ich scherzhaft, dass Gott wahrscheinlich verwirrt ist! Wie kann er eine Entscheidung treffen, wenn beide Seiten zu ihm beten und einen gewissen Segen erbitten? Das ist schwierig! Einmal traf ich in Argentinien bei einer Diskussion mit Wissenschaftlern und einigen religiösen Anführern (es war aber kein interreligiöses Treffen) einen Physiker namens Maturana. Er war der Lehrer des verstorbenen Varela und ich hatte ihn vorher schon einmal in der Schweiz getroffen und dann in Argentinien, aber seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen. In seinem Vortrag erwähnte er, dass man als Physiker keine Anhaftung an das eigene wissenschaftliche Gebiet entwickeln sollte. Das war eine wunderbare und weise Aussage, die ich gelernt habe.
Ich bin ein Buddhist, aber ich sollte keine Anhaftung an den Buddhismus entwickeln, denn Anhaftung ist eine negative Emotion. Wenn man Anhaftung entwickelt, bekommt man eine voreingenommene Sichtweise. Wenn der Geist erst einmal voreingenommen ist, kann man Dinge nicht mehr objektiv betrachten.
Daher denke ich, dass in den meisten Fällen der wahre Grund für diejenigen, die an Konflikten im Namen der Religion beteiligt sind, nicht im religiösen Glauben liegt, sondern vielmehr in wirtschaftlichen oder politischen Interessen.
In einigen Fällen aber, wie bei den Fundamentalisten, ist es so, dass sie zu große Anhaftung an ihre eigene Religion entwickeln und dann aus diesem Grund nicht den Wert anderer Traditionen sehen können.
Maturanas Aussage war für mich ein großartiger Ratschlag. Weil ich mich mit vielen Menschen getroffen habe, bewundere ich viele andere Traditionen und hoffe natürlich, dass ich kein Fundamentalist oder Fanatiker bin. Manchmal spreche ich darüber, wie ich einmal in Lourdes, im Süden Frankreichs war. Ich ging als Pilger dorthin und stand vor einer Statue von Jesus Christus und nahm etwas Wasser. Ich stand vor der Statue und dachte an die Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrhunderten diesen Ort besucht hatten, um Trost zu suchen und, wie ich gehört habe, wurden einige kranke Menschen durch ihren Glauben und eine Art von Segen geheilt. Ich dachte über diese Dinge nach und bekam ein tiefes Gefühl der Wertschätzung für das Christentum und mir kamen fast die Tränen. Und dann ein anderes Mal passierte etwas Seltsames in Fatima, Portugal. Umgeben von Katholiken und Christen haben wir einen kurzen Moment vor einer kleinen Marienstatue still meditiert. Als ich und all die anderen gerade gehen wollten, drehte ich mich noch einmal um und die Marienstatue lächelte mich tatsächlich an. Ich schaute immer wieder hinüber und ja, sie lächelte. Ich hatte das Gefühl, dass Maria eine gewisse Anerkennung gegenüber meiner nicht-sektiererischen Einstellung zu haben schien! Wenn ich jedoch mehr Zeit mit Maria verbringen und über Philosophie diskutieren würde, würde es vielleicht etwas komplizierter werden!
Auf jeden Fall ist die Anhaftung sogar an den eigenen Glauben nicht gut. Manchmal führt Religion zu Konflikten und Spaltungen und das ist eine ziemlich ernste Angelegenheit. Religion sollte eine Methode sein, um Mitgefühl und Vergebung zu fördern, die als Mittel gegen Wut und Hass gelten. Wenn Religion selbst zu mehr Hass gegenüber anderen religiösen Glaubensrichtungen führt, dann gleicht sie einer Medizin, die eine Krankheit heilen sollte, stattdessen aber die Krankheit verschlimmert. Was kann man tun? All diese traurigen Dinge entstehen im Wesentlichen dadurch, dass man nicht genug von moralischen Prinzipien überzeugt ist und deshalb glaube ich, dass verschiedene Methoden und Faktoren notwendig sind, um wirkliche Anstrengungen zur Förderung der säkularen Ethik zu unternehmen.
Säkularismus und Respekt gegenüber anderen
Jetzt zur säkularen Ethik. Ich kannte den ehemaligen indischen Vize-Premierminister Advani sehr gut. Bei einer Gelegenheit erwähnte er, dass er von einem kanadischen Fernsehteam interviewt und gefragt wurde, was die Grundlage für erfolgreiche demokratische Arbeit in Indien sei. Seine Antwort lautete, dass die Tradition in Indien seit Tausenden von Jahren darin bestünde, andere immer zu respektieren, auch wenn es Streit oder unterschiedliche Meinungen gäbe. Er erzählte mir, dass sich in Indien vor etwa 3000 Jahren die Charvaka-, oder „nihilistische“ philosophische Sichtweise, entwickelt habe. Vertreter anderer indischer philosophischer Sichtweisen kritisierten sie und verurteilten ihre Ansichten, aber die Vertreter der Charvaka-Sichtweise wurden weiter als „Rishi“, oder Weise angesehen. Das ist ein Hinweis darauf, dass es trotz Meinungsverschiedenheiten und hitzigen Diskussionen immer noch Respekt gab. Es bedeutet, dass es wichtig ist, auch Nicht-Gläubige zu respektieren.
Gestern sagte ich, dass manche meiner Freunde, einige Christen und einige Muslime, ein wenig zurückhaltend mit dem Wort „Säkularismus“ sind. Ich denke, es liegt daran, dass es während der französischen Revolution oder während der bolschewistischen Revolution eine Tendenz gab, gegen die Religion zu sein. Aber ich möchte ausdrücklich zwischen Religion und religiösen Institutionen unterscheiden, denn das sind zwei verschiedene Angelegenheiten. Wie kann ein sensibler Mensch gegen Religion sein? Religion bedeutet Liebe und Mitgefühl und niemand kann diese Dinge kritisieren. Religiöse Institutionen sind jedoch etwas anderes. Während den französischen und bolschewistischen Revolutionen wurden die Massen in beiden Fällen von den herrschenden Klassen missbraucht. Außerdem wurde die herrschende Klasse stark von den religiösen Institutionen unterstützt und so war es logisch – um Entschlossenheit gegen die herrschende Klasse zu entwickeln – dass es dazugehörte, sich gegen religiöse Institutionen zu stellen. Deshalb gab es diese gewisse Tendenz, gegen die Religion oder Gott zu sein.
Sogar heutzutage müssen wir, wenn es innerhalb religiöser Institutionen, einschließlich der tibetisch buddhistischen Gemeinschaft, eine Form der Ausbeutung gibt, dagegen sein. Ich habe es so gemacht, dass ich vor zwei Jahren die vierhundertjährige Tradition, in der der Dalai Lama automatisch sowohl zum weltlichen als auch geistigen Oberhaupt der Tibeter wird, beendet habe. Ich habe diese Tradition freiwillig, glücklich und stolz beendet. Solche Dinge schaden tatsächlich den wahren Werten der Religion, oder des Dharma. Daher ist es wichtig, zwischen religiösen Institutionen und wirklich religiösen Praktiken und Botschaften zu unterscheiden.
Gemäß dem indischen Verständnis des Säkularismus besteht niemals ein negatives Gefühl gegenüber der Religion, sondern vielmehr Respekt gegenüber allen Religionen und auch Respekt gegenüber Ungläubigen. Ich denke, dass ist sehr weise. Wie können wir das fördern? Durch Predigen? Nein. Dann bestimmt durch Gebete? Nein. Aber durch Bildung, ja. Wir erhalten Bildung über körperliche Hygiene, also warum nicht über emotionale oder mentale Hygiene, einfaches Wissen darüber, wie wir uns um einen gesunden Geist kümmern? Es ist nicht wichtig über Gott oder über das nächste Leben, über Buddha oder Nirvana zu reden, sondern einfach darüber, wie man zu einem glücklichen Menschen mit einem Geist wird. Ein glücklicher Mensch schafft eine glückliche Familie und daraus entwickelt sich eine glückliche Gemeinde. Deshalb denke ich, dass wir einige Lektionen über emotionale Hygiene brauchen.
Emotionale Hygiene
Was ist emotionale Hygiene? Es bedeutet, sich um die Aspekte zu kümmern, die unseren ruhigen Geist, oder unseren Geistesfrieden zerstören. Diese Aspekte sind wie eine geistige Krankheit, denn diese negativen Emotionen zerstören nicht nur Ihren friedvollen und gesunden Geist, sie zerstören auch Ihre geistige Fähigkeit, die Realität beurteilen zu können. Dadurch wird so viel Schaden angerichtet, denn wenn man voller Wut ist, kann man die Realität nicht sehen und der Geist wird voreingenommen. Auch durch Anhaftung kann man die Realität nicht korrekt sehen. Das ist eine Krankheit des Geistes. Die Natur unseres Geistes ist Gewahrsein und jeder geistige Faktor, der diese Fähigkeit für Gewahrsein vermindert, ist negativ.
Emotionale Hygiene ist daher eine Verringerung dieser Art von Emotionen und das Aufrechterhalten der eigenen geistigen Fähigkeit für Klarheit und Ruhe und darin besteht ein gesunder Geist. Um dies zu erreichen, ist es nötig, zuerst ein Interesse daran zu kultivieren und zu entwickeln. Ohne ein Interesse – man kann die Menschen nicht dazu zwingen. Kein Gesetz und keine Verfassung kann Menschen dazu bringen, dies zu tun. Es muss durch eigenen Eifer kommen, der nur entsteht, wenn man den Wert, es zu tun, erkennt. Und es sind diese Werte, die wir vermitteln können.
Wissenschaftliche Erkenntnisse über den Geist und die Emotionen
Jetzt können wir uns der Wissenschaft zuwenden. Früher war die moderne Wissenschaft auf die Materie gerichtet, bei der man Messungen durchführen kann. Ich glaube, im letzten Teil des 20. Jahrhunderts und heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, zeigen wirklich immer mehr Wissenschaftler ein Interesse am Geist und seinen Emotionen, denn es besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen Geist und Emotionen wenn es um die Gesundheit geht. Manche Wissenschaftler sagen: „Gesunder Geist, gesunder Körper“. Mediziner sagen auch, dass ständige Angst, Wut und Hass tatsächlich unser Immunsystem zerstören, während ein mitfühlenderer Geist grundsätzlich einen gesunden Körper bewahrt und sogar fördert. Offensichtlich wissen wir, dass die positiven Auswirkungen auf den Körper der Menschen, die geistig glücklich sind, sehr groß sind.
Das Positive in negativen Situationen erkennen
In meinem eigenen Leben habe ich im Alter von 16 Jahren eine Menge Verantwortung auf mich genommen und die Situation ist sehr schwierig geworden. Dann habe ich im Alter von 24 Jahren mein eigenes Land verloren und habe nun den größten Teil meines Lebens als Flüchtling gelebt. Seitdem gab es in Tibet viel Leid und Probleme und die Menschen setzten viel Hoffnung und Vertrauen in mich. Aber ich bin hilflos. Mein Geistesfrieden hat mir jedoch erlaubt, das alles realistischer zu sehen. Wie Shantideva sagte: „Wenn Schwierigkeiten überwunden werden können, gibt es keinen Grund zur Sorge. Und wenn es eine schwierige Situation gibt, die nicht überwunden werden kann, dann nutzt es nichts, sich zu sehr zu sorgen“. Das ist sehr realistisch und daher praktiziere ich diese Dinge.
Es ist wichtig, Angelegenheiten realistischer zu sehen und auch zu erkennen, dass alle Dinge relativ sind. Was auch immer passiert, es kann auch einige positive Auswirkungen haben. In meinem eigenen Fall war es so, dass ich ein Flüchtling wurde, aber dadurch hatte ich die Möglichkeit, viele Menschen zu treffen und viele verschiedene Ansichten kennenzulernen. Ich habe Bettler, Anführer und Wissenschaftler aus den verschiedenen Bereichen und auch anti-religiöse Menschen kennengelernt. Das ist sehr hilfreich, denn wenn ich in Tibet geblieben wäre, denke ich, dass mein Wissen nur halb so groß wäre, wie es jetzt ist. Auf der einen Seite ist es eine große Tragödie, aber sie hat mir auf der anderen Seite viele gute Chancen ermöglicht. Wenn wir alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, werden wir uns ganz ok fühlen. Es mögen schlechte Dinge passieren, aber vielleicht enthalten sie auch einige gute Dinge.
Die Menschen in Tibet haben in der Vergangenheit ein wenig isoliert gelebt, aber jetzt ist ihre Denkweise viel umfassender. Jahrhunderte-lang haben die Tibeter in einem schlafähnlichen Zustand gelebt, aber jetzt sind sie aufgewacht. Das ist gut! Sie sehen also, dass man Positives finden kann, wenn man alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Das ist eine wirklich große Hilfe, um Geistesfrieden zu bewahren. Heutzutage sagen mir viele meiner alten Freunde wenn ich sie treffe, wie jung mein Gesicht immer noch aussieht und einige von ihnen haben mich nach meinem Geheimnis gefragt. Meistens sage ich ihnen, dass 8 oder 9 Stunden Schlaf zu Geistesfrieden beitragen. Das ist tatsächlich ein Aspekt, aber von wahrem Nutzen ist es, wenn unser Geist und unsere Geisteszustände vergleichsweise still und ruhig sind.
Ein ruhiger Geist hilft sogar, sich von Dingen wie einem chirurgischen Eingriff zu erholen. Als ich an meiner Gallenblase operiert wurde, war es tatsächlich ziemlich ernst. Der Chirurg sagte mir später, dass die Operation normalerweise 15 bis 20 Minuten dauert, in meinem Fall sei es jedoch so ernst gewesen, dass die Operation fast drei Stunden gedauert hatte, denn meine Gallenblase hatte sich, mit viel Eiter, bis fast auf das Doppelte vergrößert Aber dann habe ich mich, einfach so, in fünf Tagen erholt. Ein ruhiger Geist und eine optimistische Einstellung helfen, einen gesunden Körper zu bewahren und sogar wenn etwas schiefläuft, wird man sich viel schneller erholen. Geistesfrieden ist wirklich ein sehr wichtiger Aspekt für gute Gesundheit.
Innere Schönheit im Gegensatz zu äußerer Schönheit
Ich möchte hier auch, halb scherzhaft und halb aus Spaß, erwähnen, dass einige junge Damen gerne ziemlich viel Geld für Kosmetik ausgeben. Einige Damen benutzen verschiedene Farben in ihrem Gesicht – blau, grün und andere Farben. Es sieht nicht wirklich schön aus, aber sie denken, es ist wunderschön! Die Menschen scheinen der äußeren Schönheit mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Neulich, bei einem öffentlichen Vortrag, hatte eine Frau blaues Haar, was sehr ungewöhnlich aussah. Natürlich habe ich mit ihr gescherzt und ihr gesagt, dass blaues Haar nicht unbedingt schön ist! Natürlich ist äußere Schönheit wichtig, aber die wichtigste Sache ist inner Schönheit. All ihr Frauen, die Ihr viel Geld für äußere Schönheit ausgebt, bitte achtet auch etwas auf Eure innere Schönheit, denn das ist viel besser!
Geist und Emotionen als Forschungsgebiet
Wir reden über wissenschaftliche Erkenntnisse. Wahrer geistiger Frieden ist entscheidend. Die Grundlage für geistigen Frieden ist Selbstvertrauen und innere Stärke, die durch die Praxis von Liebe und Mitgefühl, mit einem Gefühl des Respekts gegenüber anderen und einer Sorge um ihr Wohlergehen, entstehen. Das ist säkulare Ethik.
Vom Kindergarten bis zur Universität können wir etwas über den Geist und den Umgang mit unseren Emotionen vermitteln. Das Thema ist sehr umfassend und es gibt viele Erklärungen über unseren Geist, unsere Emotionen und die Verbindung zwischen ihnen. Wir können eine gewisse Ursache und Wirkung erkennen: wenn etwas in einem Teil des Geistes passiert, dann passiert etwas anderes in einem anderen Teil. Um damit umgehen zu können, ist es wichtig, ernsthaft zu prüfen, wie der Geist und das ganze Gehirn verbunden sind.
Dieses umfangreiche Thema ist aus akademischer Sicht wirklich lohnenswert. In Amerika haben Wissenschaftler in den letzten Jahren Experimente auf Grundlage dieser Informationen durchgeführt und es entstanden einige sehr konkrete Resultate. Infolgedessen gibt es jetzt Bildungsprogramme, in denen säkulare Ethik unterrichtet wird. Jetzt haben wir uns auch verpflichtet, einen Entwurf für einen Lehrplan zu entwerfen, der sich mit moralbegründeter Ethik basierend auf Säkularismus befasst und der in den Bereich der säkularen Ausbildung passt.
Alle Zuhörer, und besonders die hier anwesenden Pädagogen und Denker, sollten mehr darüber nachdenken und sollten bei Gelegenheit Diskussionen über dieses Thema führen. Zurzeit scheint es dem Bildungssystem an Unterrichtseinheiten über moralbegründete Ethik zu fehlen und so beziehen sich die meisten Menschen in dieser Hinsicht auf religiöse Lehren. Das ist natürlich gut, aber es gibt auch jene, die sich nicht für Religion interessieren und denen es schwerfällt, religiöse Konzepte anzunehmen. Das macht es schwierig. Deshalb ist es wichtig, einen säkularen Weg zu finden, der dann allgemein akzeptiert werden kann.
Fertig. Jetzt zu den Fragen.
Fragen
Ihre Heiligkeit, in Ihrem letzten Kommentar haben sie sich mit der Frage befasst, die ich stellen wollte, aber um eine vollständige Antwort zu bekommen, werde ich sie noch einmal stellen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Arbeiten Sie im Hinblick auf den Unterricht von säkularer Ethik an Schulen und Universitäten mit jemandem daran, ein passendes Unterrichtsprogramm zu entwickeln? Und wenn ja, haben Sie Bildungseinrichtungen oder finanzielle Einrichtungen, die Sie unterstützen?
In Indien haben wir mit der Hilfe einiger Universitäten in Delhi bereits damit begonnen, den Entwurf für einen Lehrplan auszuarbeiten, wie ich vorher erwähnt habe. Dann haben wir auch das „Mind and Life“-Institut. Und in Amerika halten bereits einzelne Mitglieder in ihren eigenen Fachgebieten an Einrichtungen wie der Wisconsin Universität, der Emory Universität, der Standford Universität usw., Unterricht zu säkularer Ethik. Und diese Institution haben wir auch schon auf Europa ausgeweitet. Bald wollen wir eine Institution in Delhi oder in der Nähe von Delhi gründen. Bis jetzt haben wir einfach nur daran gearbeitet. Wenn der Lehrplan einmal fertig ist, können wir vielleicht einige Lehrer ausbilden und auf diese Weise wird etwas geschehen. Vielleicht wird es sich lohnen, wir werden sehen.
Ihre Heiligkeit, ich liebe die Erde und alles was sie ausmacht, die Erde, Pflanzen und Tiere, und uns faszinierende Menschen. Aber diese Menschen tragen immer zur Zerstörung der Erde bei, einerseits vielleicht durch sehr kleine und einfache Dinge, wie dem Kaufen von Plastikflaschen, aber auch durch größere und wichtigere Dingen wie der Abholzung. Ich weiß, dass ich Geduld haben muss, wenn ich das sehe. Wenn ich sehe, dass Leben zerstört und Leid verursacht wird, entwickelt sich eine Menge Ärger in meinem Bauch und ich möchte dagegen ankämpfen. Meine Frage lautet: „Gibt es gesunden Ärger?“ Kann ich mit Liebe kämpfen?
Wie ich vorhin erwähnt habe, gibt es einen Zusammenhang zwischen Ärger und der Motivation. Ärger, der aus einer Sorge um etwas oder um andere Menschen entsteht, ist eine Sache und Ärger, der durch Hass motiviert wird, ist etwas ganz anderes.
Ihre Heiligkeit, Sie haben über die sechs Millionen Gläubigen und vielleicht eine Million Atheisten auf der Erde gesprochen. Ich habe den Eindruck, dass es eine dritte Gruppe von Menschen gibt, die sich innerhalb der traditionellen institutionellen Religion nicht mehr zu Hause fühlen, aber auch keine Atheisten sind und nach Spiritualität jenseits institutioneller Religion suchen. Was ist Ihr Ratschlag an sie?
Vor vielen Jahren habe ich in Stockholm eine kleine Gruppe von Menschen getroffen. Sie folgten keinen existierenden Traditionen oder Religionen, suchten aber trotzdem nach einer gewissen Spiritualität. Ja, es gibt solche Menschen. Ich habe jedoch festgestellt, dass das sogenannte „New Age“, wenn man sich von hier und dort etwas nimmt und alles vermischt, nicht sehr nützlich ist!
Ich denke, dass es gut ist, nicht nur die materiellen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern zu versuchen, tiefere Werte zu finden. Es lohnt sich, unser Leben zu analysieren und zu erkennen, dass unser Glücklichsein nicht durch eine bestimmte Sinnesbefriedigung entsteht. Beispielsweise ist es so: wenn Musik gespielt wird fühlt man sich zufrieden, aber wenn die Musik aufhört, ist es vorbei mit der Zufriedenheit. Wenn man auf der geistigen Ebene ein starkes Gefühl des Vertrauens oder Mitgefühls verspürt, dann hält die Zufriedenheit, die daraus entsteht, viel länger an.
Was ist für Sie die wichtigste Sache im Leben eines Menschen?
Ich sage den Menschen immer, dass der Sinn unseres Lebens darin besteht, ein glückliches Leben zu führen. Das Erreichen von Glücklichsein oder Freude sollte aber nicht von unseren Sinnesfähigkeiten und Sinneserfahrungen abhängen, sondern vielmehr von unserem geistigen Zustand. Wie ich in der Regel sage, sollten wir unseren inneren Werten mehr Aufmerksamkeit widmen. Vielen Dank.