Buddha und die politischen Geschehnisse seiner Zeit

Das Leben des historischen Buddha tritt in verschiedenen Schichten aus der klassischen buddhistischen Literatur hervor. Die früheste Darstellung seines Lebens ist in keinem einzelnen Text zu finden, sondern kann lediglich aus Ereignissen, die in der Literatur der Pali-Sutten (Skt. Sutra) und in den Vinaya-Texten der Theravada-Tradition aufgezeichnet sind zusammengefügt werden. Spätere Texte der Mahasanghika-, Sarvastivada- und Mahayana-Traditionen schmücken die Inhalte, die aus diesen Texten stammen, mit vielen, manchmal übermenschlichen Fähigkeiten aus. Das ursprüngliche Bild vom Buddha, das sich durch die Lektüre der Pali-Literatur ergibt, zeichnet jedoch das Bild einer sehr menschlichen Person, die in unruhigen und unsicheren Zeiten gelebt hat, und die mit zahlreichen Schwierigkeiten und Herausforderungen konfrontiert war; Herausforderungen, die sowohl den Buddha persönlich betrafen, als auch seine monastische Gemeinschaft betrafen. An dieser Stelle wollen wir die Version des Lebens des Buddha skizzieren, die auf den akademischen Untersuchungen von Stephen Batchelor beruhen, wie er sie in seinem Buch „Buddhismus für Ungläubige“ dargestellt hat. Alle Namen von Personen und Orten werden hier in ihrer Pali-Version genannt.

Buddha wurde 566 v. u. Z. im Park von Lumbini (tib. Lumbi-na’i tshal) im heutigen südlichen Nepal geboren. Der Park war nicht sehr weit von Kapilavatthu (tib. Ser-skya’i gnas, Skt. Kapilavastu), der Hauptstadt von Sakiya (tib. Sha-kya, Skt. Shakya), entfernt. Obwohl sein ursprünglicher Name, Siddhattha (tib. Don-grub, Skt. Siddhartha), nicht im Pali-Kanon erscheint, werden wir ihn hier der Einfachheit halber trotzdem verwenden. Gotama (tib. Gau-ta-ma, Skt. Gautama), ein weiterer Name, der oft in Bezug auf den Buddha verwendet wird, war eigentlich der Name seines Klans.

Der Vater von Siddhattha, Suddhodana (tib. Zas tsang-ma, Skt. Shuddhodana), war kein König, wie es in der späteren buddhistischen Literatur beschrieben wird. Er war vielmehr ein Adliger des Gotama-Klans, der wahrscheinlich als ein Gebietsgouverneur bzw. Statthalter der Region Sakiya diente. Im Pali-Kanon wird der Name seiner Mutter nicht genannt. Aber spätere Sanskrit-Schriften identifizieren sie als Maya Devi (tib. Lha-mo sGyu-‘phrul-ma). Siddhatthas Mutter starb kurz nach der Geburt ihres Sohnes. Siddhattha wurde dann von der Schwester der Mutter, Pajapati (tib. sKye-dgu’i bdag-mo chen-mo, Skt. Mahaprajapati), erzogen, die seinen Vater später heiratete – so wie es damals der Brauch war.

Sakiya war eine alte Republik, aber zu Zeiten von Siddhattas Geburt war die Region Teil des mächtigen Königreiches von Kosala (tib. Ko-sa-la, Skt. Koshala). Kosala erstreckte sich damals von den nördlichen Ufern des Ganges des heutigen Bihars bis zu den Vorbergen des Himalayas. Die Hauptstadt von Kosala war Savatthi (tib. gNyan-yod, Skt. Shravasti).

Da eine kurze geografische Beschreibung der wichtigsten Orte im Leben des Buddha dabei hilfreich sein kann, um die Biografie des Buddha besser zu verstehen, möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Überblick über die geografische Situation der damaligen Zeit geben. Sakiya lag im östlichen Teil von Kosala, mit der Provinz Malla (tib. Gyad-kyi yul, Skt. Malla) im Südosten von Sakiya. Im Osten von Malla lag die Republik Vajji (Skt. Vrji) mit seiner Hauptstadt Vesali (tib. Yangs-pa-can, Skt. Vaishali). Diese Republik wurde von einem Zusammenschluss von Klans regiert. Der Licchavi- (tib. Li-ccha-bi, Skt. Licchavi) Klan war der berühmteste dieser Klans (Anm. des Lektors: Die Licchavi waren eine kleine altindische Stammes-Dynastie im Raum Vesali). Südlich von Vajji und Kosala, jenseits des Ganges, befand sich das mächtige Königreich Magadha (tib. Yul Ma-ga-dha, Skt. Magadha) mit der Hauptstadt Rajagaha (tib. rGyal-po’i khab, Skt. Rajagrha). Westlich von Kosala, im heutigen Punjab/Pakistan lag Gandhara (tib. Sa-‘dzin, Skt. Ghandhara), das ein Satrapie des persischen Achämeniden-Reiches war. (Anm. des Lektors: eine Satrapie bezeichnet eine altpersische Statthalterschaft. Achämeniden sind Angehörige einer altpersischen Dynastie.) In Gandharas Hauptstadt Takkasila (tib. rDo-‘jog, Skt. Takshashila) gab es die bekannteste Universität jener Zeit. Hier vermischten sich griechische und persische Ideen und Kulturen mit deren damaligen indischen Entsprechungen. Kapilavatthu, wo Siddhattha aufwuchs, war die größte Stadt an der Nördlichen Route, dem Haupthandelsweg jener Zeit. Die Nördliche Route verband Kosala mit Gandhara im Westen und führte durch Sakiya, Malla und die Republik Vajji nach Magadha im Süden. Auch wenn im Pali-Kanon wenig über Siddhattha Gotama und die Zeit vor seinem 29. Lebensjahr verzeichnet ist, hatte er Berührung mit vielerlei Kulturen. Er hat wahrscheinlich in Takkasila studiert – obwohl das nicht sicher gesagt werden kann.

Siddhattha heiratete Bhaddakaccana, die in der Sanskrit-Literatur als Yashodhara (tib. Grags ‘dzin-ma) bezeichnet wird. Sie war Siddhatthas Cousine und die Schwester von Devadatta (tib. Lhas-byin, Skt. Devadatta). Devadatta wurde später zum größten Kontrahenten des Buddha. Siddhattha und Bhaddakaccana hatten ein Kind, einen Sohn namens Rahula (tib. sGra-gcan ‘dzin, Skt. Rahula). Kurz nach der Geburt des Sohnes verließ der Buddha im Alter von 29 Jahren Kapilavatthu und machte sich in Richtung Magadha auf. Er war auf der Suche nach spiritueller Wahrheit. Sein Weg führte ihn entlang der Nördlichen Route; er überquerte den Ganges und erreichte schließlich Rajagaha. Zu dieser Zeit wurde Magadha von König Bimbisara (tib. gZugs-can snying-po) regiert und Kosala vom König Pasenadi (tib. rGyal-po gSal-rgyal, Skt. Prasenajit). Als Teil einer Allianz zwischen Kosala und Magadha, hatten die beiden Könige jeweils die Schwester des anderen Königs geheiratet. Die Schwester von König Pasenadi hieß Devi (tib. Lha-mo, Skt. Devi).

In Magadha studierte Siddhattha in Gemeinschaft mit zwei Lehrern: Alara Kalama (Skt. Arada Kalama) und Uddaka Ramaputta (Skt. Udraka Ramaputra). Sie entstammten der brahmanischen Tradition und brachten ihm die vertiefte Konzentration auf Leerheit (engl. hier: nothingness) bei, wie auch die vertiefte Konzentration in Bezug auf einen Zustand, in dem man weder etwas unterscheidet noch nichts unterscheidet. Siddhattha war mit den Errungenschaften, die er mittels dieser Meditationen erlangte, jedoch nicht zufrieden und verließ diese Lehrer. Er unterwarf sich einer selbst auferlegten Zeit extremer Entbehrungen und aß fast nichts. Er kam auch hier zu dem Schluss, dass diese Methoden nicht der Befreiung dienen. Er unterbrach seine Fastenzeit und ging in das nahegelegene Uruvela (tib. lDeng-rgyas, Skt. Urubilva), das heutige Bodhgaya, wo er im Alter von 43 Jahren unter dem Bodhibaum Erleuchtung erlangte. Das war sechs Jahre nach seiner Ankunft in Magadha.

Nachdem er die Erleuchtung erlangt hatte, ging er westwärts nach Migadaya (tib. Ri-dvags-kyi gnas, Skt. Mrgadava), dem Wildpark, der bei Isapatana (tib. Drang-srong lhung-ba, Skt. Rshipatana) liegt, dem heutigen Sarnath, das sich wiederum gleich außerhalb von Varanasi befindet. König Pasenadi hatte das Gebiet nördlich des Ganges als Teil der Aussteuer an Magadha abgegeben, als er seine Schwester Devi zur Hochzeit mit dem König Bimbisara fort gab. Der Buddha verbrachte die Regenzeit mit seinen fünf Begleitern im Wildpark und bald versammelten sich eine kleine Anzahl von Jüngern, die eine zölibatär lebende Gemeinschaft bildeten, um die er sich kümmern musste.

Ein Adliger aus der Licchavi-Dynastie namens Mahali aus Vesali hörte vom Buddha und schlug dem König Bimbisara vor, ihn nach Magadha einzuladen. Nach der Monsunzeit kehrten der Buddha und seine stetig anwachsende Gemeinschaft nach Osten zur Hauptstadt Magadahs – also nach Rajagaha – zurück. König Bimbisara war von Buddhas Lehren beeindruckt und bot ihm einen nicht mehr verwendeten Park an, der „Veluvana” (tib. ‘Od-ma’i tshal, Skt. Venuvana) bzw. „Bambushain” genannt wurde. In diesem Bambushain konnten der Buddha und seine Gemeinschaft sich während der Regenzeit aufhalten.

Bald traten Sariputta (tib. Sha-ri’i bu, Skt. Shariputra) und Moggallana (tib. Mo’u dgal-gyi bu, Skt. Maudgalyayana), die beiden Hauptschüler eines bekannten einheimischen Gurus, der Gemeinschaft des Buddha bei. Später wurden sie zu den engsten Schülern des Buddha. Sariputta bat den Buddha darum, Gelübde für die wachsende monastische Gemeinschaft zu formulieren, und König Bimbisara schlug vor, dass die Gemeinschaft einige der Bräuche anderer spiritueller Gruppen, wie etwa von den Jaina (Dschaina), übernehmen sollte. Im Speziellen empfahl der König, dass sie wöchentliche Versammlungen (tib. gso-sbyong, Skt. uposhadha) abhalten sollten, um die Unterweisungen zu diskutieren. Der Buddha war damit einverstanden.

Eines Tages kam Anathapindika (tib. dGon-med zas-sbyin, Skt. Anathapindada), ein reicher Bankier aus Savatthi, der Hauptstadt Kosalas, geschäftlich nach Rajagaha. Vom Buddha beeindruckt bot er ihm einen Ort an, an dem er die Regenzeit in Savatthi, der Hauptstadt von König Pasenadi, verbringen könne. Kurz darauf zogen der Buddha und seine Mönche nach Kosala; es dauerte jedoch einige Jahre, bevor Anathapindika ihnen tatsächlich einen geeigneten Ort zum Bleiben anbieten konnte.

In der Zwischenzeit kehrte Buddha nach Kapilavatthu zurück, um seine Familie zu besuchen. Sein Vater Suddhodana wurde schnell ein Anhänger des Buddha und sein achtjähriger Sohn Rahula trat dem Orden als Novize bei. In den folgenden Jahren traten auch zahlreiche Adlige aus Sakiya dem Orden bei, so auch Buddhas Cousins Ananda (tib. Kun dga’-bo, Skt. Ananda), Anuruddha (tib. Ma-‘gag-pa, Skt. Anuruddha) und Devadatta. Auch Nanda (tib. dGa’-bo, Skt. Nanda), der Halbbruder des Buddha, trat dem Orden bei. Nanda war auch als „Sundarananda” (tib. mDzes-dga’, Skt. Sundarinanda), „schöner Nanda” bekannt.

Auch des Buddhas Stiefmutter und Tante Pajapati bat darum, der wachsenden Gemeinschaft beitreten zu dürfen; aber zunächst wies der Buddha ihre Bitte zurück. Sie ließ sich jedoch nicht entmutigen, rasierte sich trotzdem die Haare vom Kopf, zog eine gelbe Robe an und folgte dem Buddha mit einer großen Gruppe von Frauen. Pajapati bat den Buddha wiederholt um Ordination, aber der Buddha verweigerte ihr die Ordination auch ein zweites und ein drittes Mal. Schlussendlich – einige Jahre bevor Buddha starb – mischte sich Ananda ein und bat noch einmal darum, dass die Frauen dem Orden beitreten dürften; und schließlich stimmte der Buddha der Bitte zu, die Frauen zu ordinieren. Die Ordinationen fanden in Vesali, in der Republik Vajji, statt, und konstituierten den Beginn des Nonnenordens in der buddhistischen Tradition.

Anathapindika war für seine große Freigiebigkeit bekannt und einige Jahre, nachdem Buddha nach Kosala zurückgekehrt war, bezahlte er einen gewaltigen Betrag in Gold, um einen Park in Savatthi zu kaufen, der „Jetavana” (tib. rGyal-byed-kyi tshal, Skt. Jetavana, eng. Jeta’s Grove) bzw. Jetahain genannt wurde. Dort baute er für den Buddha und seine Mönche einen äußerst luxuriösen Aufenthaltsort für die Regenzeit. Zwanzig Jahre nach seiner Erleuchtung führte der Buddha schließlich den Brauch der Regenzeit-Klausur (tib. dbyar-gnas, Skt, varshaka, engl. rainy season retreat) ein – während der Monsunzeit verweilt die monastische Gemeinschaft der Mönche und Nonnen an einem Ort und zieht nicht umher, wie sie es während des restlichen Jahres tut. Alles in allem verbrachte der Buddha 19 Jahre lang im Regenzeit-Rückzug im Jetahain. In dieser Zeit hielt er 844 Vorträge (Lehrreden). Anathapindika blieb der wichtigste Gönner der monastischen Gemeinschaft des Buddha, auch wenn er gegen Ende seines Lebens schließlich bankrott war.

Der kosalische König Pasenadi begegnete Gotama Buddha das erste Mal im Jetahain, als der Buddha ungefähr 40 Jahre alt war. Der Buddha machte einen starken Eindruck auf den König, und schließlich wurde Pasenadi einer seiner Schirmherren und Anhänger. Das Verhältnis zwischen dem Buddha und König Pasenadi war jedoch immer etwas heikel. Obwohl der König ein intellektueller Gönner mit guter Bildung war, so war er doch auch ein sehr sinnenfreudiger Mensch, und oft sehr grausam. Aus einer Paranoia heraus brachte er Bandhula, seinen Freund aus Malla und Kommandeur, einfach um. Weil er das bereute, ernannte er Buddhas Neffen Karayana zum neuen Armeechef. Viele Jahre später entmachtete General Karayana den König Pasenadi aus Rache für den Tod seines Onkels. Der Buddha tolerierte allerdings die sprunghafte Art des Königs und das sich verändernde Los, weil er ja auf den König angewiesen war, um seine Gemeinschaft vor Dieben und wilde Tiere zu schützen; zudem verschaffe der König ihm Zugang zu reichen Schirmherren, die den Buddha und seine Gemeinschaft unterstützen.

Um den Fortbestand seiner herrschenden Dynastie zu sichern, benötigte König Pasenadi einen Sohn. Seine erste Frau, die Schwester des Königs Bimbisara von Magadha, gebar ihm keine Kinder. Der König nahm sich dann eine zweite Frau, Mallika (tib. Ma-li-ka, Skt. Mallika), eine hübsche Anhängerin des Buddha aus einer niederen Kaste. Die brahmanischen Priester am königlichen Hof waren über ihre niedere Herkunft entsetzt. Mallika gebar dem König Pasenadi eine Tochter, die Vajiri (tib. rDo-rje-ma, Skt. Vajri) genannt wurde.

Der König hatte schließlich den Wunsch, eine dritte Frau zu heiraten, die ihm einen Sohn gebären möge. Also heiratete er Vasabha, die Tochter von Buddhas Cousin Mahanama (tib. Ming-chen, Skt. Mahanama), der nach dem Tod von Buddhas Vater der Gouverneur von Sakiya wurde. Mahanama war der Bruder von Buddhas engsten Schülern, Ananda und Anuruddha. Auch wenn Mahanama Vasabha als eine Adelige darstellte, war sie eigentlich eine uneheliche Tochter, die er mit einer Sklavin hatte. Obwohl sie ihm einen Sohn mit dem Namen Vidadabha gebar, war seine Position als Erbe des Throns von Kosala aufgrund der heimlichen Irreführung in Bezug auf die Abstammungslinie seiner Mutter gefährdet. Dieser Schwindel brachte auch den Buddha in eine schwierige Position, weil er mit Vasabha verwandt war.

Vidadabha wusst nichts von der unehelichen Geburt und besuchte Sakiya und seinen Großvater Mahanama zum ersten Mal als er sechszehn Jahre alt war. Während er in Sakiya weilte, erfuhr Karayana, der Kommandant von Pasenadis Armee, die wahre Herkunft von Vidadabahs Mutter. Als der Armeeführer dies Pasenadi berichtete, bekam der König einen Wutanfall der sich gegen die Sakiyer richtete. Er entfernte seine Frau und seinen Sohn aus ihren königlichen Stellungen und machte sie zu Sklaven. Buddha sprach sich für die beiden aus, und der König machte schließlich einen Rückzieher und setze sie wieder in ihre königlichen Positionen ein.

Später war die Situation in Kosala allerdings für den Buddha sehr instabil; im Alter von ca. siebzig Jahren kehrte er daher erstmalig wieder nach Magadha und in dessen Hauptstadt Rajagaha zurück. Dort hielt er sich mehr im Mangrovenhain auf, der Jivaka (tib. ‘Tsho-byed, Skt. Jivaka), einem königlichen Arzt, gehörten, als in dem Bambushain des Königs.

Als der Buddha 72 Jahre alt war, wurde sein erster Gönner, der König Bimbisara von Magadha, gezwungen abzudanken und seinem Sohn Ajatasattu (tib. Ma-skyes dgra, Skt. Ajatashatru) die Herrschaft zu übergeben. Ajatasattu sperrte seinen Vater ins Gefängnis und ließ ihn verhungern. Bimbisaras Witwe Devi, die Schwester von König Pasenadi, starb an einem gebrochenen Herzen. Um ihren Tod zu vergelten, zettelte Pasenadi einen Krieg gegen seinen Neffen Ajatasattu an, mit dem er erreichen wollte, die Dörfer rund um Varanasi bis zum Norden des Ganges wiederzubekommen, die er dem König Bimbisara damals als einen Teil von Devis Aussteuer übergegeben hatte. Der Krieg endete ergebnislos, und um den Frieden zu sichern, wurde Pasenadi gedrängt, seine Tochter mit Ajatasattu zu verheiraten.

Etwa zur gleichen Zeit versuchte Buddhas Cousin Devadatta, welcher inzwischen der Lehrer von Ajatasattu geworden war, die Kontrolle über des Buddhas monastischen Orden zu erlangen. Devadatta versuchte den Buddha zu überzeugen, verschiedenen zusätzliche disziplinarische Regeln für die Mönche aufzustellen, wie etwa, dass sie in den Wäldern nur unter Bäumen schlafen sollten, nicht die Häuser von Laien betreten, nur Kutten tragen und keine geschenkte Kleidung von ihnen annehmen sollten. Außerdem sollten sie zu strikten Vegetariern werden. Buddha widersetzte sich dem, weil er das Gefühl hatte, dass dies den Orden zu asketisch machen würde, und schloss ihn aus der Gesellschaft aus. Devadatta stellte daraufhin die Autorität des Buddha in Frage und zog viele junge Mönche aus Buddhas Ordensgemeinschaft mit seinen Ideen an. Indem Devadatta seine eigene Klostergemeinschaft gründete, erzeugte er eine Spaltung innerhalb der Gemeinschaft des Buddha. Devadatta versuchte sogar wiederholt ernsthaft, den Buddha umzubringen. Schließlich überredeten Sariputta und Moggallana die Mönche, die die Gemeinschaft des Buddha verlassen hatten, zu der Gemeinschaft zurückzukehren.

Es scheint wohl so gewesen zu sein, dass Devadatta sein Verhalten bedauerte, aber dass er starb, noch ehe er den Buddha um Verzeihung bitten konnte. Auf jeden Fall hegte der Buddha nie Groll gegen Devadatta oder hatte feindselige Gedanken ihm gegenüber. König Ajatasattu bereute auch, dass er seinen Vater umgebracht hatte. Auf Rat des königlichen Arztes Jivaka gestand König Ajatasattu dem Buddha gegenüber seinen Vatermord offen ein und empfand Reue für seine Tat.

Ungefähr ein Jahr später reiste der Buddha noch einmal in seine Geburtsregion Sakiya. Während König Pasenadi den Buddha besuchte, um ihm seinen Respekt entgegen zu bringen, zettelte General Karayana ein Komplott an und setzte Prinz Vidadabha auf den Thron in Kosala ein. Der abgesetzte König Pasenadi, wusste nicht wohin er gehen sollte und floh nach Magadha, um bei seinem Neffen und künftigen Schwiegersohn König Ajatasattu in Rajagaha Schutz zu finden. Pasenadi wurde jedoch nicht in die Stadt gelassen und wurde am folgenden Tag tot aufgefunden.

In der Zwischenzeit zettelte Vidudabha, der neue König von Kosala, einen Krieg gegen Sakiya an, um sich für den Betrug in Bezug auf die Abstammungslinie seines Großvaters Mahanama zu rächen. Mahanama – Sie erinnern sich – war der Cousin des Buddha und der gegenwärtige Gouverneur von Sakiya. Obwohl Buddha dreimal versuchte, den König davon zu überzeugen, nicht anzugreifen, scheiterte er mit seinem Vorhaben. Die kosalischen Soldaten hatten den Befehl, alle Einwohner von Kapilavatthu, der Hauptstadt von Sakiya, zu töten. Da er es nicht geschafft hatte, das Massaker zu verhindern, floh der Buddha nach Rajagaha in Magadha, um Schutz bei König Ajatasattu zu suchen, genauso wie es Pasenadi vergeblich vor ihm versucht hatte.

Die Straße nach Magadha führte durch die Republik Vajji, in der Buddhas engster Schüler Sariputta in der Hauptstadt Vesali auf ihn wartete. Dort jedoch diskreditierte ein ehemaliger Anhänger des Buddha namens Sunakkatta (tib. Legs-pa’i rgyu-skar, Skt. Sunakshatra), ein Adeliger aus Vesali, der die Roben abgelegt und die buddhistische Gemeinschaft verlassen hatte, ihn vor dem Parlament in Vajji. Er sagte gegenüber dem Parlament aus, dass der Buddha über keinerlei übermenschliche Kräfte verfüge und eher auf logische Weise lehrte, wie man sein Verlangen zügeln könne, aber nicht, wie man transzendente Zustände erreichen könne. Der Buddha empfand diese Aussage als ein Kompliment. Trotzdem führte diese Denunziation, wie vielleicht auch die Tatsache, dass er zu dieser Zeit einen Nonnenorden gegründet hatte, dazu, dass der Buddha seine Unterstützung und seinen guten Rufen in Vajji verlor. Aus diesem Grund überquerte Buddha den Ganges und ging nach Rajagaha, wo er in den Höhlen des nahegelegenen Gijjhakuta (tib. Bya-rgod-kyi phung-po, Skt. Grdhrakuta), dem Geiergipfel, blieb.

Vassakara, der Premierminister von König Ajatasattu, besuchte den Buddha. Er setzt ihn davon in Kenntnis, dass Ajatasattu plane, sein Reich zu erweitern und bald in der Republik Vajji einfallen wolle. Obwohl Buddha darauf hinwies, dass die Vajji nicht durch eine Armee besiegt werden könnten, sondern ihre ehrenwerten Traditionen beibehalten würden, war er nicht in der Lage, den anstehenden Ausbruch des Krieges zu verhindern – genauso wie er dies auch nicht bei der Invasion der Kosala in Sakiya verhindern konnte. Der Buddha erlitt einen weiteren Verlust, als seine engsten Schüler, Sariputta und Moggallana, beide zu jener Zeit starben. Der ältere Sariputta starb an einer Krankheit und Moggallana wurde von Räuber zu Tode geprügelt, während er sich in einer Einzelklausur befand.

Weil er in Magadha keine Sympathie oder Unterstützung fand, entschied sich der Buddha, noch einmal nach Norden zu ziehen, wahrscheinlich in seine Heimat Sakiya, vielleicht um zu sehen, was nach dem Angriff der Kosala von seinem Heimatland noch übrig geblieben war. Vorher aber bat der Buddha Ananda, alle Mönche der Gemeinschaft am Geiergipfel zu versammeln, wo er ihnen einen letzten Ratschlag mit auf den Weg geben wollte. Er wies die Mönche an, sich entsprechend dem demokratischen System des Parlaments von Vajjia zu organisieren. Die Mönche sollten regelmäßige Versammlungen abhalten, in Harmonie zusammenleben, ihren Besitz teilen und die Alten respektieren.

Bald darauf verließ der Buddha den Geiergipfel und Magadha, und erreichte daraufhin Vesali in der Republik Vajji, wo er anhielt und die Regenzeit-Klausur verbrachte. Dort fand er eine Gesellschaft vor, in der sich Dekadenz breit machte, und zwar trotz der heraufziehenden Bedrohung durch einen Krieg. Da er die Unterstützung des Parlaments von Vajji verloren hatte, verbrachte der Buddha die Regenzeit alleine, und sagte seinen Mönchen, dass sie Schutz bei ihren Freunden oder Unterstützern suchen sollten.

Während der Monsunzeit wurde der 80-jährige Buddha ernsthaft krank und war nahe daran zu sterben. Ananda bat ihn, den Mönchen eine letzte Unterweisung zu geben. Buddha antwortete, dass er ihnen alles gesagt habe, was er wisse und dass künftig die Unterweisungen selbst ihre wesentliche Zuflucht und Orientierungshilfe (Quelle der Ausrichtung) sein sollten. Um die Befreiung vom Leiden zu erreichen, müssten die Mönche die Unterweisungen in sich selbst integrieren und sich nicht von einem Führer oder einer Gemeinschaft abhängig machen, die sie erretten könnte. Buddha kündigte an, dass er bald sterben werde.

Mit seinen Cousins und Schülern Ananda und Anuruddha begab sich der Buddha nach der Regenzeit noch einmal auf die Reise. Auf dem Weg nach Sakiya machten sie in Pava, einer der beiden Hauptstädte Mallas halt. Dort wurde ihnen von einem Hufschmied namens Chunda (tib. Tsu-nda, Skt. Cunda) vergiftetes Schweinefleisch serviert. Der Buddha vermutete, dass etwas nicht in Ordnung sei, und bat seine Schüler, das Fleisch nicht zu essen. Er selbst jedoch aß von dem Schweinefleisch und gab die Anweisung, den Rest des Fleisches einzugraben. Malla war die Heimat von General Karayana, der das Massaker in Sakiya begangen hatte, und es ist gut möglich, dass das Gift für Ananda bestimmt war, der dafür bekannt war, dass er alle Unterweisungen des Buddha in seinem Gedächtnis gespeichert hatte. Wenn Ananda sterben würde, dann würden auch die Unterweisungen des Buddha und seiner Gemeinschaft nicht überdauern.

Der Buddha litt an einem blutigen Durchfall. Er bat Ananda, ihn in das nahegelegene Kusinara (tib. Ku-sha’i grong-khyer, gNas-rtsva-mchog, Skt. Kushinagara) zu bringen. Dort wurde er in ein Bett gelegt, das zwischen zwei Bäumen stand. Der Buddha fragte die Mönche, die gerade bei ihm waren, ob sie noch Fragen oder Zweifel hätten. Von Trauer überwältigt, schwiegen Ananda und die andern. Dann starb Buddha 80-jährig im Jahre 485 v. u. Z.

Kurz bevor die leiblichen Überreste des Buddha verbrannt werden sollten, kam eine Gruppe von Mönchen aus Pava an. Sie wurden von Mahakassapa (tib. ‘Od-srung chen-po, Skt. Mahakashyapa) angeführt, der darauf bestand mit der Verbrennung noch zu warten, bis auch sie ihm die letzte Ehre erwiesen haben. Mahakassapa war ein Brahmane aus Magadha, der erst vor einigen Jahren – bereits in hohem Alter – ein Mönch geworden war. Als der Buddha ihn zum ersten Mal traf, hatte der Buddha ihm seine alte, abgetragene Buddha-Robe im Austausch gegen dessen neue Brahmanen-Robe gegeben. Später wurde diese Darreichung der Robe des Buddha als Symbol für die Übertragung der Autorität und den Beginn der Übertragungslinie buddhistischer Patriarchen verwendet.

Buddha hat bei mehreren Gelegenheiten seine Schülern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Dharma (die Lehre) selbst als Lehrer dienen sollte, wenn er gestorben sei. Er wünschte sich zudem, dass seine Gemeinschaft das parlamentarische Modell von Vajji beibehalten sollte. Er hatte nicht beabsichtigt, dass sich die Mönchsgemeinschaft an einem Königreich wie Kosala und Magadha orientierte und einen einzelnen Mönch an ihrer Spitze als ihren Anführer einsetzen würde.

Trotzdem scheint es nach dem Tod des Buddha einen starken Zwist zwischen Mahakassapa und Ananda gegeben zu haben. Mit anderen Worten: Einen Kampf zwischen einem traditionellen indischen System der Übertragung autokratischer Autorität die vom Guru auf den Schüler übergeht und zwischen einem mehr demokratisch-egalitärem System gleichberechtigter Mönche, die in kleinen Gemeinschaften zusammenleben und die gemeinsame Praktiken und Prinzipien haben. Mahakassapa gewann den Streit.

Nachdem der Buddha beigesetzt worden war und seine Überreste als Reliquien verteilt worden waren, stimmten die Mönche dem Vorschlag von Mahakassapa zu, in der nächsten Regenzeit in Rajagaha ein Konzil abzuhalten, um dort die Lehren des Buddha wiederzugeben, ihre Richtigkeit zu bestätigen und die Lehren zu kodifizieren. Mahakassapa wählte diejenigen Ordensältesten aus, die an der Versammlung teilnehmen sollten. Er wählte für die Teilnahme an der Versammlung nur Arhats aus, also jene Praktizierende, die die Befreiung bereits erlangt hatten. Die Anzahl der Arhats betrug 499. Zuerst schloss Mahakassapa Ananda von der Teilnahme an diesem Konzil aus. Er begründete seine Entscheidung damit, dass dieser die Arhatschaft noch nicht erreicht habe. Er schloss ihn aus, obwohl Ananda die Lehrreden des Buddha am besten aus dem Gedächtnis wiedergeben konnte. Darüber hinaus war Ananda ein starker Verfechter und Fürsprecher von Buddhas Wunsch, dass seiner Gemeinschaft kein einzelner Anführer vorstehen sollte. Wahrscheinlich kam noch ein weiterer Faktor hinzu, der dazu führte, dass Mahakassapa Ananda nicht besonders mochte: Ananda war derjenige, der den Buddha einst davon überzeugt hatte, auch Frauen zu ordinieren. Die Ordination von Frauen wird Mahakassapa wohl gekränkt haben, da er von konservativer brahmanischer Abstammung war. Am Ende protestierten jedoch die älteren Mönche gegen den Ausschluss von Ananda. Mahakassapa gab nach und erlaubte ihm die Teilnahme am Konzil. Den Theravada-Überlieferungen entsprechend, erlangte Ananda noch in der Nacht vor dem Konzil die Arhatschaft.

Während sie jedoch darauf warteten, dass das Konzil beginnen sollte, traf Ananda auf Vassakara (tib. dByar-gyi rnam-pa, Skt. Varshakara), den Premierminister des Königs Ajatasattu. Ananda erfuhr von ihm, dass sich – zusätzlich zum Angriff auf Vajji – die Armee von Magadha sich auf einen Krieg vorbereitete; sie bereiteten sich gleichfalls auf einen Angriff von König Pajjota (tib. Rab-gsal, Skt. Pradyota) aus Avanti (tib. A-banti’i yul, Skt. Avanti), dem Königreich im Westen von Magadha, vor. Obwohl der Buddha nicht beabsichtigt hatte, dass seine Gemeinschaft von einer Linie von Patriarchen angeführt wurde, übernahm Mahakassapa die Führung und trug so eindeutig zum Überleben von Buddhas Lehren und der monastischen Gemeinschaft durch diese unruhigen und unsicheren Zeiten hindurch bei.

Fünfhundert Arhats wohnten dem ersten buddhistischen Konzil in Sattipanniguha (tib. Lo-ma bdun-pa’i phug, Skt. Saptaparnaguha), der Sieben-Blätter-Höhle nahe Rajagaha, bei. Mahakassapa leitete das Konzil, Ananda rezitierte die meisten Sutras aus dem Gedächtnis und Upali (tib. Nye-bar ‘khor, Skt. Upali) rezitierte die Vinaya-Regeln für die monastische Disziplin. Der Theravada-Überlieferung des Konzils zufolge, wurden die Abhidhamma- (tib. chos mngon-pa, Skt. abhidharma) Lehren über die speziellen Wissensgebiete zu dieser Zeit nicht rezitiert. Innerhalb der Saravastivada-Tradition jedoch sagt die Vaibhashika-Schule aus, dass Mahakassapa einige der Abhidhamma-Lehren rezitierte, aber nicht alle davon. Aber gemäß den Behauptungen der Sautrantika-Lehrmeinung gehören diese Abhidhamma-Unterweisungen nicht wirklich zu den Worten des Buddha, vielmehr wurden die Abhidhamma-Lehren von sieben Arhats zusammengetragen.

Entsprechend der tibetischen Tradition, führte Mahakassapa eine Überlieferungslinie von sieben Patriarchen (tib. bstan-pa’i gtad-rabs bdun) ein. Die chinesische Chan-Tradition, gefolgt von der koreanischen Son und der japanischen Zen-Tradition schauen auf eine Überlieferungslinie von 28 Patriarchen in Indien zurück, mit Bodhidharma als deren 28. Patriarchen. Bodhidharma war derjenige indische Meister, der die Chan-Lehren nach China brachte. In Ostasien wird er als der Erste Chan-Patriarch bezeichnet.

Im Großen und Ganzen zeichnet die Pali-Literatur der Theravadins ein Bild vom Buddha als einen charismatischen, fast tragischen spirituellen Führer, der darum kämpfte, seine stetig wachsende Gemeinschaft von Schüler fest zu etablieren und zu unterstützen, und dies unter extrem schwierigen Bedingungen. Er war mit politischen Intrigen konfrontiert, sowie mit einigen Kriegen, dem Massaker an dem Volk seiner Heimat; zudem wurde er persönlich in Anwesenheit aller Mitglieder einer Regierung verleumdet, wurde aus dem Kreis seiner engsten Schüler in seiner Führungsrolle in Frage gestellt, und starb am Ende, weil er vergiftet wurde. Inmitten all dieser schweren Prüfungen, bewahrte sich der Buddha einen friedvollen Geist und ließ sich nicht entmutigen. In den 46 Jahren seiner Lehrtätigkeit, die er begann, nachdem er selbst die Erleuchtung erlang hatte, hielt er unerschütterlich an seiner Selbstverpflichtung fest, der Welt den Weg zu Befreiung und Erleuchtung aufzuzeigen.

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