Ist der Buddhismus in unserer modernen Welt relevant? Zunächst einmal ist es recht interessant darüber nachzudenken, warum wir über die Bedeutung des Buddhismus im modernen Leben reden, statt ganz allgemein darüber, was er im Leben bedeutet. Ist an unserem modernen Leben irgendetwas besonders? Natürlich gibt es Handys und andere Technologien – diese Phänomene unterscheiden das moderne Leben von dem vergangener Zeiten. Noch vor fünfzehn Jahren gab es keine Mobiltelefone – die allgemeine menschliche Verfassung war jedoch stets die gleiche. Menschen haben immer miteinander gestritten. Sie waren unglücklich und frustriert. Für niemanden sind enge Beziehungen mit anderen wirklich leicht. Jedermanns Leben ist auf die eine oder andere Weise mit Sorgen gefüllt, egal ob wir heute voller Sorge über ökonomische Schwierigkeiten sind oder, wir vor tausend Jahren, über eine Dürre, welche zu Ernteausfällen führte. Der Buddhismus ist immer relevant und hat etwas zu bieten, nicht nur in unserer heutigen Zeit.
Buddhistische Wissenschaft, buddhistische Philosophie und buddhistische Religion
Seine Heiligkeit der Dalai Lama unterscheidet zwischen buddhistischer Wissenschaft, buddhistischer Philosophie und buddhistischer Religion. Seiner Meinung nach hat die buddhistische Wissenschaft und die buddhistische Philosophie für alle etwas zu bieten. Es ist nicht notwendig, sich für die buddhistische Religion zu interessieren oder sie zu beachten, um von den Lehren und Erkenntnissen der buddhistischen Wissenschaft und Philosophie zu profitieren.
Die buddhistische Wissenschaft beschäftigt sich mit der Psychologie. Es handelt sich um eine äußerst tiefgründige Analyse der Funktionsweise des Geistes, der Emotionen und der Wahrnehmung. Die buddhistische Wissenschaft hat außerdem viel in dem Bereich der Logik und der Einsichten in die Kosmologie zu bieten. Die buddhistische Philosophie befasst sich mit der Wirklichkeit – also mit der Art und Weise, wie wir die Wirklichkeit verstehen und wie wir unsere Fantasien und Projektionen der Wirklichkeit dekonstruieren. Diese Dinge können hilfreich für jeden sein, ohne die religiöseren Aspekte des Buddhismus, wie Wiedergeburt, Befreiung und Erleuchtung akzeptieren zu müssen. Darüber hinaus ist die Meditation eine Aktivität, die als eine Art Geistestraining für jeden nützlich sein kann und hilft, dienlichere Einstellungen dem Leben gegenüber zu entwickeln.
Die Bedeutung buddhistischer Psychologie und Philosophie
Das Hauptziel buddhistischer Psychologie und Philosophie (wie auch der religiösen Aspekte des Buddhismus) besteht darin, Leiden und Unglücklichsein zu beseitigen. Wir alle erfahren großes Leid auf der geistigen Ebene und haben psychologische Probleme aufgrund von emotionalen Schwierigkeiten. Wir haben diese Probleme, weil wir irrational sind und keinen Bezug zur Realität haben. Die buddhistischen Lehren können uns helfen, diese Dinge zu überwinden.
Beim Buddhismus als Religion geht es natürlich auch darum, Probleme in zukünftigen Leben zu überwinden, Befreiung von Wiedergeburt zu erlangen und ein erleuchteter Buddha zu werden. Aber wenn wir uns nur auf die Psychologie und Philosophie konzentrieren, kann das ebenfalls hilfreich sein, unser Leiden und unsere Probleme in diesem Leben zu minimieren.
Die wesentliche Struktur der buddhistischen Lehren bilden die sogenannten viel edlen Wahrheiten. „Edel“ ist hier ein Ausdruck, der sich auf jene Wesen bezieht, die die Wirklichkeit erfahren haben. Es handelt sich um Fakten des Lebens, die von jenen als wahr erachtet werden oder erkannt werden, die die Wirklichkeit erfahren haben.
Wahres Leiden: Unglücklichsein, Glücklichsein und Zwanghaftes Verhalten
Die erste Wahrheit ist das Leiden. Was ist wahres Leiden? Was sind die Probleme, mit denen wir alle konfrontiert werden?
Das erste Problem ist das Unglücklichsein. Es kann viele Abstufungen dieses Unglücklichseins geben. Selbst wenn wir uns in angenehmen Situationen befinden, in angenehmer Gesellschaft, beim Essen von köstlichen Speisen, können wir trotzdem unglücklich sein. Andererseits können wir, selbst wenn wir Schmerzen haben, trotzdem glücklich sein, ohne uns zu beklagen oder verärgert und selbstbezogen zu sein; wir können dennoch mit uns im Frieden sein, unsere Situation akzeptieren und darauf achten, unsere Familie nicht verärgern. Das Unglücklichsein ist also das erste große Problem mit dem wir alle konfrontiert sind.
Das zweite Problem ist von etwas ungewöhnlicher Natur, und deshalb würden die meisten Menschen es nicht als Problem wahrnehmen; die zweite Art von Leiden ist unser gewöhnliches Glücklichsein. Was ist falsch an unserem gewöhnlichen Glücklichsein? Es dauert nicht an, es ist nie zufriedenstellend, wir haben nie genug davon und es ändert sich. Wir sind eine Zeit lang glücklich, und dann ändert sich plötzlich unsere Stimmung und wir sind nicht mehr glücklich, sondern plötzlich unglücklich. Wenn unser gewöhnliches Glücklichsein wirklich das wahre, ultimative Glück wäre, dann würden wir umso glücklicher werden, je mehr wir von etwas haben, das uns glücklich macht. Wenn wir beispielsweise Eis essen, sollten wir theoretisch umso glücklicher werden, je mehr Eis wir auf einmal essen. Aber ab einem bestimmten Punkt macht uns das Eisessen nicht mehr glücklich, und wenn wir trotzdem weiteressen, werden wir krank. Dieses gewöhnliche Glücklichsein, nach dem wir streben, ist also auch problematisch.
Die Frage des Glücklichseins ist ein sehr interessanter Punkt. Oft frage ich mich, wieviel ich von meiner Lieblingsspeise essen muss, um sie genießen zu können. Wäre ein kleiner Bissen genug? Könnte ich dann schon sagen, dass ich sie genossen haben und nicht mehr davon brauche? Ich habe gesehen, dass dem nicht so ist und wir immer mehr essen wollen. Daher ist nicht einmal das Vergnügen zufriedenstellend.
Die dritte Art von problematischen Situationen ist unsere zwanghafte Existenz. Zwanghaft bedeutet, dass wir keine Kontrolle über unseren Geist oder unser Verhalten haben. Wenn wir zum Beispiel zwanghaft irgendein dummes Lied in unserem Kopf singen, können wir manchmal nicht damit aufhören. Oder wir haben zwanghaft negative Gedanken, machen uns zwanghaft Sorgen, reden zwanghaft die ganze Zeit und handeln auf eine zwanghafte Weise negativ. Eigentlich ist dieser ganze Aspekt der Zwanghaftigkeit das, worauf sich im Buddhismus das Karma bezieht; durch Karma werden wir, ohne jegliche Kontrolle, gezwungen, unsere Verhaltensweisen zu wiederholen. Und selbst wenn es sich bei dem zwanghaften Verhalten um so genanntes „gutes Verhalten“ handelt, wie zu versuchen, immer perfekt zu sein, sind wir doch nie zufrieden – der Zwang perfekt zu sein, ist in der Tat äußerst anstrengend und überhaupt nicht angenehm.
Ob destruktiv oder konstruktiv, zwanghaftes Verhalten ist ganz und gar nichts Tolles. Es ist sehr problematisch, insbesondere wenn wir mit Wut, Gier, Anhaftung oder Eifersucht zwanghaft handeln, sprechen und denken. Manche Leute sind voller eifersüchtiger Gedanken in Bezug auf ihren Partner – sie sind paranoid und misstrauisch. Das ist ein wirklich unschönes Beispiel zwanghaften Verhaltens. Es wäre wunderbar, wenn wir diese zwanghafte Art zu denken, zu sprechen und zu handeln ablegen könnten.
In unserem eigenen Geist nach der wahren Ursache des Leidens suchen
Im Buddhismus wird gelehrt, dass wir in unserem eigenen Geist nach den Ursachen dieser Probleme suchen müssen. Es ist einfach, äußere Faktoren für unsere Probleme verantwortlich zu machen und beispielsweise zu meinen, wir wären wütend wegen der Wirtschaft, dem Wetter oder der Politik. In Wirklichkeit sind diese Dinge lediglich äußeren Bedingungen für die Manifestation bestimmter Gewohnheiten in uns selbst, wie etwa die Gewohnheit sich zu beschweren. Wir glauben, das Problem wäre äußerlich, aber eigentlich handelt es sich um unser zwanghaftes Lamentieren. Tatsächlich spielen äußere Ereignisse keine Rolle; sie sind lediglich die Bedingung dafür, sich über etwas beschweren zu können.
Einer der wesentlichen Punkte des Buddhismus besteht darin, dass es im Grunde von uns abhängig ist, wie wir das Leben erfahren. Das Leben wird auf und ab gehen, und wir können es auf eine sehr beunruhigende Art und Weise oder mit Geistesruhe erleben. Es liegt alles an uns. Was wir also tun müssen, ist, in uns selbst zu prüfen: Welche Probleme habe ich? Was ist die Ursache meiner Probleme? Was verursacht mein Unglücklichsein? Was steckt hinter meiner gewöhnlichen Art von Glücklichsein, hinter meiner Zwanghaftigkeit? Was sind ihre Ursachen?
Der Buddhismus lehrt, dass wir immer tiefer gehen müssen, um die wahre Ursache unserer Probleme zu entdecken. Wir können zum Beispiel sagen: „Mein Problem ist die schlechte Laune“, aber dann müssen wir fragen: Warum habe ich schlechte Laune? Wir stellen fest, dass die wahre Ursache unserer Probleme in der Verwirrung liegt: Verwirrung darüber, wie ich existiere, wie andere existieren, wie alles in der Welt existiert, und Verwirrung in Bezug auf alles, was mit mir geschieht. Anstatt die Realität all dieser Dinge zu sehen, projizieren wir alle möglichen Fantasien auf sie.
Projizieren unmöglicher Denkweisen
Wir projizieren unmögliche Arten der Existenz auf die Wirklichkeit. Im Bezug auf uns selbst, denken wir beispielsweise: „Ich muss immer meinen Willen bekommen. Jeder sollte mich mögen. Jeder sollte mich beachten. Was ich zu sagen habe und was ich denke ist wichtig.“ Man kann das gut an den Phänomenen der Blogs, Textnachrichten und sozialen Netzwerke sehen. Mit diesen neuen Technologien meinen wir: „Was ich zu sagen habe ist wichtig. Das gesamte Universum muss hören, was ich zu sagen habe. Ich habe gerade gegessen und sicherlich will jeder wissen, was bei mir zum Frühstück gab.“ Falls dann nicht genug Leute zu dem, was ich heute gefrühstückt habe, mit “Gefällt mir” reagieren, bin ich den gesamten Tag völlig genervt.
Eine andere falsche Projektion ist die Vorstellung, immer die Kontrolle haben zu müssen. Wir gehen in eine Situation hinein und haben das Gefühl, dass wir alles unter Kontrolle haben sollten. Wir denken: „Ich verstehe alles, und ich werde alles so zum Laufen bringen, wie ich es will. Ich werde jeden in meinem Büro dazu bringen, die Dinge genau so zu tun, wie ich es für richtig halte. Jeder in meiner Familie sollte alles so tun, wie ich es will.“ Das ist jedoch absurd und unmöglich – das wissen wir alle – aber es basiert auf dieser Projektion: „Meine Art, die Dinge zu tun, ist richtig und alle anderen machen es falsch und nicht so gut wie ich.“
Oder wir projizieren auf jemand anderen den Gedanken: „du musst mich lieben“, oder „diese Person ist etwas Besonderes.“ Wir glauben, es wäre nicht wichtig, dass andere Menschen uns vielleicht lieben, wie unsere Eltern oder unser Hund, aber diese eine Person muss uns lieben, und falls sie es nicht tut, ärgert uns das sehr. Ich werde immer an dieses Konzept erinnert, wenn ich an die großen Pinguin-Kolonien in der Antarktis denke. Es gibt dort zigtausende Pinguine und für uns sehen sie alle gleich aus, aber aus der Perspektive eines männlichen Pinguins, kommt von allen nur eine ganz bestimmte Pinguin-Dame in Frage und er hängt ihr nach: „Das ist die eine, die wirklich besonders ist und ich will, dass sie mich liebt.“ Es ist eine Fantasie und eine Projektion, dass dieser eine Pinguin oder dieser eine Mensch wichtiger als alle anderen und so besonders ist, während uns die anderen völlig egal sind.
Wir plustern uns auf und meinen etwas Besonderes zu sein, oder wir überbewerten jemand anderen und meinen, er wäre etwas ganz Besonderes. Wir bauschen etwas auf, was uns geschieht. Vielleicht ist mein Kind gerade nicht so gut in der Schule und ich denke, ich wäre die einzige Person im Universum, die jemals dieses Problem hatte. Oder mein Rücken schmerzt, ich bin gestresst und habe das Gefühl, ich wäre die einzige Person mit diesem Problem und es wäre die schrecklichste Sache der Welt. Wir denken: „Niemand kann mich verstehen. Alle anderen sind ganz einfach zu verstehen, nur ich bin so besonders.”
Wir bauschen all diese Dinge auf und das nennt man Projektion. Wir projizieren etwas Unmögliches auf sie und glauben daran. Dann fühlen wir uns unsicher, was beweist, dass es sich um eine Projektion handelt und sie nicht fest in der Realität verankert ist. Wir fühlen uns unsicher, und dann haben wir verschiedene emotionale Strategien, um zu versuchen, diesem überaus wichtigen „Ich“ Sicherheit zu geben. Was tun wir beispielsweise, mit diesem Ich, das immer seinen Willen durchsetzen muss, wenn es mal nicht nach unserem Kopf geht? Wir werden wütend und lehnen Dinge ab, die nicht so laufen, wie wir uns das vorstellen. Dann entwickeln wir eine Art Anhaftung an diesen Zustand und denken, wir würden uns sicherer fühlen, wenn alles um uns herum so geschieht, wie wir es mögen. Oder wir werden sehr gierig und anhänglich, und denken: „Wenn jemand anders seinen Willen bekommt und ich nicht, dann bin ich sehr eifersüchtig auf das, was er bekommen hat, und ich will es für mich selbst.“ Auf diese Weise leben wir die störenden Emotionen zwanghaft aus. Wir schreien jemanden voller Wut an oder haben zwanghaft schreckliche Gedanken der Eifersucht oder Gier.
All das wird als der wahre Grund unserer Probleme beschrieben. Wir sind unglücklich, und was machen wir? Wir beschweren uns: „Ich Armer, ich bin so unglücklich.“ Falls wir aber glücklich sind, haben wir niemals genug davon. Wir sind unserem Glücklichsein verhaftet und sind niemals erfüllt – wir wollen ständig mehr. Wenn wir uns selbst betrachten, haben wir dann nicht manchmal den Eindruck, dass wir uns wie ein Hund benehmen? Wenn ein Hund sein Futter frisst, behält er immer die Umgebung im Blick, um sicher zu gehen, dass kein anderer Hund kommen und ihm etwas wegnehmen wird. Wie die Hund denken auch wir Menschen: „Ich habe mein Glück. Die Dinge laufen gerade für mich, wie ich es möchte, aber möglicherweise wird es mir jemand wegnehmen.“ Wir sind unsicher.
Je mehr wir in uns schauen und analysieren, umso erstaunlicher ist es was wir entdecken. Wir haben Gedanken wie etwa: „Ich bin glücklich, aber vielleicht könnte ich glücklicher sein. Ich bin unglücklich und das wird ewig andauern. Ich Armer werde nie aus dieser Depression herauskommen.“ Wir entdecken, dass unser Geist ständig verwirrt in Bezug darauf ist, wie wir existieren.
Eine andere Denkweise wäre zum Beispiel zufrieden mit dem zu sein, was ich habe. Ich habe beispielsweise eine Armbanduhr. Die Uhr funktioniert und falls sie kaputt gehen würde, könnte ich sie reparieren lassen. Ich könnte mit dem, was ich besitze, zufrieden sein, aber stattdessen schaue ich vielleicht auf die Armbanduhr eines anderen und denke: „Oh, das ist eine bessere Uhr als meine.“ Dann beginnt das Problem und wir denken: „Meine Uhr ist nicht so gut wie ihre. Warum habe ich nur diese minderwertige Uhr? Wie kann ich eine bessere Uhr bekommen? Was werden die Leute von mir denken, wenn sie mich mit dieser billigen Uhr sehen?“
Das ist ein sehr verbreitetes Gefühl – die Sorge darüber, was andere denken werden. Es gibt so viele Probleme, wenn man sich über das Selbstbild, also darüber, wie man von anderen gesehen wird, Sorgen macht. In meinem Fall könnte ich denken, dass die besten Lehrer gute Uhren haben sollten. Aber ich könnte auch denken: „Ich habe eine billige Uhr, na und?“ Wir sollten versuchen, dieses Verständnis zu haben: „Na und? Spielt es wirklich eine Rolle, was für eine Uhr ich habe? Meine Uhr zeigt mir die Zeit an und das ist alles, was mich interessiert.“
Statt zu meinen, ich sollte eine schöne Uhr haben wäre das andere Extrem zu denken: „Als ein buddhistischer Lehrer sollte ich bescheiden sein und keine teuren Dinge haben, denn sonst werden die Leute denken, ich tue es wegen des Geldes.“ In diesem Fall wäre ich dann sehr stolz auf die Tatsache, eine billige Uhr zu haben, und ich würde sie für alle sichtbar machen und damit angeben wollen: „Seht nur wie billig meine Uhr ist. Ich bin so bescheiden und so buddhistisch.“ Und das ist natürlich ein sehr gestörter Geisteszustand.
Soviel also zum Leid. Darum geht es im Buddhismus: wie man verwirrte und besorgte Denkmuster los wird. All dieses Leid beruht auf unseren Geisteshaltungen, besonders jener in Bezug auf uns selbst.
Wahre Beendigung
Die dritte edle Wahrheit, die der Buddha sah, besteht darin, dass es tatsächlich möglich ist, all diese Probleme loszuwerden. Man kann eine wahre Beendigung dieser Dinge erlangen, sodass sie nie wiederkommen. Es handelt sich hier nicht einfach nur um einen schlafähnlichen Zustand, in dem man die Probleme nicht erlebt, solange man schläft, denn sie werden wieder da sein, sobald man aufwacht. Uns geht es nicht um so eine zeitweilige Lösung.
Warum sagen wir, dass es möglich ist, Probleme für immer loszuwerden? Ist das denn nicht Wunschdenken? Oder ist es etwas, das tatsächlich passieren könnte? Im Buddhismus wird gesagt, es sei möglich, sich von all diesen Problemen für immer zu befreien, weil die grundlegende Natur unseres Geistes rein ist. Dann ist es notwendig zu verstehen, was das bedeutet. Wenn wir im Buddhismus über den Geist sprechen, geht es nicht um eine Art Maschine, die in unserem Kopf sitzt und das Denken übernimmt. Vielmehr ist die Rede von aller geistigen Aktivität, die sich immer weiter fortsetzt und nicht nur das Denken, sondern auch Emotionen und Wahrnehmungen mit einschließt. Der Buddhismus lehrt, dass die grundlegende geistige Aktivität nicht unbedingt mit Verwirrung oder störenden Emotionen wie Wut und so weiter vermischt sein muss – das ist nicht Teil ihrer Natur.
Nun könnte es so aussehen, als wären wir immer wütend oder immer verwirrt. Viele Menschen machen die Erfahrung, dass ihnen ein Lied immer wieder durch den Kopf geht. Es scheint, als würde es nie aufhören und wenn wir morgens aufwachen, fängt es wieder von vorne an. Es ist wirklich dumm, aber auch zwanghaft. Das Lied ist jedoch nicht Teil der eigentlichen essentiellen Natur unserer geistigen Aktivität, denn sonst wäre es vom Moment der Geburt bis zum gegenwärtigen Moment immer dagewesen. Aber die geistige Aktivität existiert nicht auf diese unmögliche Weise; man kann nicht sagen, dass dieses dumme Lied immer in meinem Geist abläuft. Das ist unmöglich. Ich könnte diesem Lied in meinem Kopf zum Beispiel entgegenwirken, indem ich meinen Atem zähle. Das ist eine sehr einfache Möglichkeit, es zumindest vorübergehend abzustellen. Wir können unsere Atemzüge immer wieder bis elf zählen und wenn wir uns wirklich konzentrieren, hört das Lied auf. Das heißt dann, dass das Lied kein wesentlicher Bestandteil der geistigen Aktivität ist.
Störenden Emotionen entgegenwirken, indem wir unsere Geisteshaltung ändern
Dasselbe gilt für störende Emotionen. Wir können sie mit Gegenkräften herausfordern und unsere Einstellung ändern. Durch das Ändern unserer Geisteshaltung, ändert sich unsere ganze Erfahrung. Vielleicht versuche ich, auf der Arbeit ein Projekt zu beenden, und sehe es als sehr schwierig an – so sehr, dass ich meine, es nie beenden zu können und leide aus diesem Grund. Andererseits könnte ich meine Einstellung ändern und es als Herausforderung betrachten. Ich könnte denken: „Das ist eine echte Herausforderung. Es ist ein Abenteuer, das es zu meistern gilt. Mal sehen, ob ich es schaffe.“ Ich könnte an die Aufgabe wie an ein Puzzle oder ein Computerspiel herangehen. Ich könnte das Spiel als viel zu schwierig ansehen und meinen, es nie spielen zu können. Oder ich könnte es als Spaß oder Abenteuer betrachten und versuchen herauszufinden, ob ich in der Lage sein werde, dieses Spiel zu meistern. Und dann macht es Spaß, auch wenn es schwierig ist. Alles hängt also davon ab, die eigene Einstellung zu ändern.
Was die Verwirrung in Bezug darauf betrifft, wie ich, du und alles um uns herum existiert, gibt es ein direktes Gegenmittel. Anstatt nicht zu wissen, wie die Dinge existieren, sind wir uns darüber bewusst, wie die Dinge wirklich existieren. Anstatt etwas auf fehlerhafte Weise zu kennen, kennen wir es auf korrekte Weise.
Die wahre Art des Verstehens der Wirklichkeit
Ein korrektes Verständnis davon zu haben, wie die Dinge existieren, ist die vierte edle Wahrheit. Sie wird gewöhnlich der wahre Weg genannt, und bezieht sich auf eine wahre Art des Verstehens. Diese wahre Art des Verstehens wirkt einer falschen Art des Verstehens entgegen. Sobald wir sicher sind, dass die Dinge auf diese Weise existieren, erkennen wir, dass diese andere Denkweise in Bezug auf die Existenz der Dinge unmöglich und einfach absurd ist. Mit dieser Gewissheit haben wir dann das korrekte Verständnis.
Man könnte zum Beispiel denken: „Ich bin der Mittelpunkt des Universums. Ich bin der Wichtigste, und ich sollte immer meinen Willen durchsetzen.“ Dem kann man entgegenwirken, indem man denkt: „Nun, wer bin ich wirklich? Ich bin nichts Besonderes. Alle sind alle gleich und warum sollte ich der Einzige sein, der seinen Willen durchsetzen kann?“ Der Gedanke: „ich bin nichts Besonderes, ich bin genauso wie alle anderen“, macht sehr viel Sinn. Wie können wir jedoch wissen, dass dies wahr ist? Nun, wenn ich der Mittelpunkt des Universums und wirklich der Einzige wäre, nach dessen Willen es laufen sollte, müssten alle anderen diesem Prinzip zustimmen. Aber warum stimmen sie dem dann nicht zu? Ist es, weil sie dumm sind? Und was ist mit den Menschen, die vor mir gelebt haben und gestorben sind – sollten sie auch denken, ich wäre der Wichtigste von allen? Und warum sollte es nur nach meinem Willen gehen, und nicht nach dem der anderen?
Wir analysieren das. Es ist wichtig, sich zu fragen, ob die Art und Weise, wie wir Dinge projizieren und mit der Welt umgehen, überhaupt sinnvoll ist. Falls es keinen Sinn ergibt, warum handele ich dann zwanghaft, als wäre es wahr und als sollte ich stets meinen Willen bekommen und immer alles um mich herum kontrollieren. Auf diese Weise laufen wir nur gegen eine Wand. Vielmehr versuchen wir uns bewusst darüber zu werden, wenn wir beginnen so zu handeln und können dann zu uns selbst sagen: „Das ist lächerlich!“ Damit hören wir einfach auf, diese Handlung auszuüben. Unser Verhalten ist zwanghaft ist, weil wir uns nicht bewusst darüber sind, was geschieht.
Natürlich ist es nicht leicht, mit einer bestimmten Denkweise aufzuhören. Aber wie bei dem Beispiel des Liedes, das uns immer wieder durch den Kopf geht, können wir negativem geistigen Verhalten durch das Zählen unserer Atemzüge entgegenwirken oder es zumindest vorübergehend unterbinden. Wir können den Atem auch bei zwanghaften Sorgen, zwanghaften Gedanken und Emotionen, wie Frustration und Aufregung, nutzen. Auch wenn wir die wahre Ursache unseres Problems nicht wirklich tiefgreifend analysieren und verstehen können, ist es möglich, zumindest nicht weiter negativ zu denken und stattdessen die Atemzüge zu zählen. Mit anderen Worten können wir uns beruhigen und eine kleine Pause in Bezug auf diesen Ansturm von Sorgen und Stress einlegen, mit dem wir uns fragen, warum die Situation nicht so läuft, wie wir uns das wünschen? Nach einer geistigen Pause sind wir dann etwas ruhiger und dann können uns fragen, warum wir eigentlich erwarten, dass alles so läuft, wie wir es uns wünschen? Sind wir Gott?
Ein weiteres gutes Beispiel für unlogisches Denken ist der Glaube, dass jeder uns mögen sollte. Aber selbst zu Buddhas Lebzeiten mochte ihn nicht jeder. Wie können wir also erwarten, dass uns alle mögen werden? Das hilft uns, ein bisschen realistischer zu sein. Es gibt einige sehr grundlegende Tatsachen im Leben und eine davon ist, dass man es nicht jedem recht machen kann. Vielleicht wollen wir es allen recht machen, aber leider ist das nicht möglich. Ob wir ihnen gefallen oder nicht, hängt von ihrer Einstellung ab, die wir nicht kontrollieren können. Das ist eine ausgesprochen wichtige Einsicht: Ob die Menschen für mich empfänglich sind oder nicht, ist eine Folge vieler Ursachen und Bedingungen. Ihre Reaktion auf mich ist nicht allein von meinen Handlungen abhängig. Wir müssen natürlich unser Bestes versuchen, aber wir erwarten nicht das Unmögliche. Wir haben die Absicht, gut zu sein, wir versuchen, uns gut zu verhalten, aber niemand ist perfekt. Buddha ist perfekt, aber wir sind keine Buddhas.
Das wahre Verstehen und der wahre Pfad beziehen sich darauf, unsere Verwirrung mit der Klarheit des Verstehens zu dekonstruieren und zu versuchen, ihr entgegenzuwirken; zu verstehen wie ich, du, jeder und alles existiert.
Wie man auf einen Stau reagiert
Sehen wir uns ein Beispiel aus unserem modernen Leben an. Vielleicht stecke ich im Verkehr fest, weshalb ich zu spät zu einem Termin komme, und ich bin in dieser Situation unglücklich. Ich habe zwanghaft negative Gedanken, die von Ungeduld und Wut erfüllt sind. Dies ist eine Situation, in der man nicht an die Wiedergeburt glauben muss, um seine Gedanken zu steuern. Die grundlegenden Erkenntnisse der buddhistischen Wissenschaft und Philosophie können uns in dieser Situation helfen. Wir können die Situation analysieren und uns fragen, was da vor sich geht. Dann sehen wir, dass wir spät dran und unglücklich sind. Wir könnten einfach sagen: „Na und, dann bin ich eben unglücklich“ und es dabei belassen. Aber anstatt die Tatsache zu akzeptieren, dass wir unglücklich sind, konzentrieren wir uns auf dieses Unglücklichsein. Wir sind besessen davon und projizieren, dass es ewig andauern wird. Im Buddhismus verwenden wir das Bild eines durstigen Menschen, der sich so sehr nach Wasser sehnt, als würde er jeden Moment vor Durst sterben. Diese Erfahrung des Unglücklichseins ist wie der unglaubliche Durst und das Gefühl, einfach Wasser haben zu müssen! In der Verkehrssituation denke ich: „Ich muss unbedingt aus dieser Situation herauskommen, und ich kann nicht warten, bis ich von diesem Unglück und dieser Frustration befreit bin.“ Das ist so, wie bei dem durstigen Menschen, der es nicht abwarten kann, endlich einen Schluck Wasser zu bekommen.
Interessanterweise wird dieses Bild des Durstes auch benutzt, wenn wir uns glücklich fühlen. Wir wollen nicht, dass unser Glück endet, und wir umklammern es fest. Stellen wir uns vor, wie es ist, wenn man extrem durstig ist und den ersten Schluck Wasser nimmt. Welche Haltung haben wir da? Wir sind so durstig, dass wir nicht nur einen Schluck Wasser wollen; wir wollen immer mehr und einfach nur trinken. Es ist sehr interessant, das in uns selbst zu analysieren. Dürsten wir nach dem Glücklichsein? Wir alle wollen glücklich sein; niemand will unglücklich sein. Dies ist ein allgemeines Prinzip, das im Buddhismus akzeptiert wird, und daran ist nichts auszusetzen. Aber ist meine Einstellung zum Glücklichsein so, wie bei jemandem, der sprichwörtlich verdurstet? Dürsten wir nach Glück? Und wenn wir ein bisschen davon bekomme, fühlen wir uns dann gestresst, weil wir Angst haben, jemand würde es uns wegnehmen und dann würden wir dieses Glücksgefühl wieder verlieren? Wenn wir dieses Glück verlieren, denken wir: „Oh, ich halte das nicht aus! Ich muss das Glück wiederfinden!“ Die dritte Möglichkeit ist das neutrale Gefühl, mit dem wir meinen: „Momentan bin ich nicht durstig, aber ich habe Angst, ich könnte später Durst bekommen und deshalb trage ich überall eine Flasche Wasser mit mir herum, weil ich befürchte, später vielleicht Durst zu haben.“ Auch wenn wir nicht besonders glücklich und nicht besonders unglücklich sind, haben wir dennoch Angst, dass wir in Zukunft sehr unglücklich sein werden.
Unser eigenes Gefühl des Unglücklichseins bewältigen
Im Stau festzustecken und frustriert zu sein, ähnelt dem Fokus auf das Unglücklichsein. Wir stecken im Verkehr fest und, genau wie jemand, der Durst hat, denken wir beunruhigt: „Ich muss aus dieser Situation rauskommen. Ich muss diesen unglücklichen Geisteszustand, in dem ich mich befinde, verlassen.“ Wir sind von diesem Unglücklichsein besessen und denken, es würde für immer andauern.
Wenn wir also im Stau stecken oder der Verkehr nur langsam fließt, sind wir frustriert und das Erste, was uns in den Sinn kommt, ist, wie unglücklich wir sind: „Ich Armer, ich werde zu spät kommen. Ich halte es einfach nicht aus, im Stau zu stecken. Ich muss meinen Willen bekommen. Mir reicht es, die Situation nicht im Griff zu haben. Ich will die Dinge kontrollieren und so schnell wie nur möglich fahren.“ Das Zweite worauf wir uns dann konzentrieren, ist der Verkehr selbst: „Dieser Stau wird niemals aufhören. Ich werde hier den ganzen Tag stehen.” Es ist schwer für uns zu tolerieren, nicht die Kontrolle darüber zu haben.
Wir sind hier vollkommen besessen von einer Projektion – eine Projektion in Bezug auf das Unglück, das wir empfinden, in Bezug auf den Verkehr und in Bezug auf uns. Was wir tun müssen, ist, diese drei Projektionen zu dekonstruieren, und dafür verwenden wir die allgemeinen Prinzipien der buddhistischen Philosophie, die sehr hilfreich sind. Die buddhistischen Lehren besagen, dass Glück und Unglück, sowie auch unsere Stimmungen ständig auf und ab gehen. Wenn wir wissen und akzeptieren, dass sich jede Situation ändert, können wir denken: „Jetzt bin ich also unglücklich. Das ist nichts Besonderes. Es wird nicht ewig anhalten.“
Egal ob ob wir glücklich oder unglücklich sind, diese Gefühle entstehen durch Ursachen und Bedingungen. Ein großer buddhistischer Lehrer aus Indien, Shantideva, gab uns einen sehr hilfreichen Ratschlag: Falls eine Situation aufkommt, die wir ändern können, warum sich Sorgen machen? Wir ändern sie einfach! Und wenn wir die Situation nicht ändern können, na wennschon? Sich Sorgen zu machen wird auch nichts ändern.
Nach diesen Prinzip können wir uns sagen: „Ich kann diesen Stau nicht umfahren. Ich stecke hier fest. Ich kann es nicht ändern und muss einfach der Realität ins Auge schauen.“ Die Realität zu akzeptieren ist etwas, womit die meisten von uns ein Problem haben. Können wir an dieser Situation irgendetwas ändern? Nun ja, fall wir ein Handy haben, können wir die Person, mit der wir einen Termin haben, anrufen und sagen: „Tut mir leid, ich stehe im Stau und werde später kommen.“ Ob sie dann enttäuscht ist oder nicht, ist nicht unser Problem. Auch wenn das etwas harsch klingt, ist es im Grunde wahr. Die Realität ist, dass wir festhängen, zu spät kommen und keine Kontrolle darüber haben, wie die andere Person reagiert.
In dieser Situation muss man sich vor Schuldgefühlen hüten – das Gefühl, den Termin zu verpassen oder den Freund, die Person, die auf uns wartet, zu enttäuschen. Das sind Schuldgefühle. Hier gibt es einen Fehler in unserer Denkweise, nämlich zu meinen, wir hätten es verhindern können; es wäre unsere Schuld, dass so viel Verkehr auf der Straße ist. Das ist jedoch lächerlich, denn wie könnte der Stau unsere Schuld sein? Es stimmt, wir hätten früher losfahren können, aber wenn es dann trotzdem einen Unfall auf der Straße gegeben hätte, wären wir auch zu spät gekommen, wenn wir früher losgefahren wären. Wir haben nicht alles unter unserer Kontrolle, und nicht alles, was im Universum geschieht, ist unsere Schuld. Stattdessen können wir denken: „Ich freue mich nicht darüber, zu spät zu kommen, aber es ist nicht meine Schuld, und ich werde mein Bestes tun, um so schnell wie möglich, je nach Verkehrslage, anzukommen.“ Wir können das Gefühl des Unglücklichseins, das wir haben, weil wir im Verkehr feststecken, dekonstruieren; wir könnten Musik hören und eine gute Zeit haben, während wir uns dort befinden. Wenn wir im Stau feststecken, können wir das Beste daraus machen.
Über den Stau nachdenken
Als nächstes ist es notwendig, den Stau zu dekonstruieren. Wir betrachten diesen Stau als etwas Schreckliches, als die schlimmste Situation der Welt. Natürlich denken wir, dass sie ewig andauern wird; wir denken, dass wir niemals durch den Stau hindurchkommen und an unser Ziel gelangen werden. Wir können die Situation jedoch analysieren: Dieser Verkehr hat viele, viele Ursachen. Alles, was aus Ursachen entsteht, ist von Ursachen und Bedingungen abhängig und wird sich daher ändern – es kann nicht ewig andauern. Wenn sich die verschiedenen Bedingungen, von denen er abhängig ist, ändern, wird sich die Situation selbst ebenfalls ändern.
Sagen wir einmal, dass es einen Unfall auf der Straße gab. Das ist eine der Bedingungen, welche den Stau verursacht. Letztendlich wird der Unfallort geräumt, die Verletzten werden ins Krankenhaus gebracht, die Rettungswagen werden wegfahren und der Verkehr wird wieder ins Rollen kommen. Die Bedingungen des Verkehrstaus (die zertrümmerten Autos, die Polizei und die Ambulanzfahrzeuge) werden verschwinden. Verändern sich die Bedingungen, die den Stau verursachen, wird sich auch der Stau verändern und das Problem wird zu einem Ende kommen. Durch diese Analyse sehen wir, dass der Verkehr nicht länger ein vollkommen scheußliches und monströses Ereignis ist. Daher ist es sehr wichtig, alles im größeren Kontext von Ursachen und Bedingungen zu sehen, welche die jeweilige Situation beeinflussen, statt die Situation so zu betrachten, als würde sie nur für sich selbst existieren – als hätte sich der „Stau“ einfach so, völlig losgelöst von irgendwelchen Ursachen und Bedingungen, gebildet.
Unseren Fokus auf andere erweitern
Indem wir buddhistische Philosophie anwenden, können wie eine realistische Haltung gegenüber dem Verkehr entwickeln. Dann können wir unsere Einstellung gegenüber uns selbst in diesem Stau dekonstruieren. Wir können sehen, dass wir mit dieser Haltung, bei der wir denken: „ich Armer“ und „ich komme nicht pünktlich“, besessen sind. Schauen wir uns aber die Wirklichkeit an, können wir sehen, dass wir nicht die einzige Person sind, die im Stau steht. Es gibt Menschen in den Autos um uns herum und ein jeder will an sein Ziel gelangen. Wir sind nicht die Einzigen. Wir können uns umsehen – nach rechts, links, nach vorne und nach hinten – und wenn wir sehen, dass jemand aufgebracht und wütend ist, kann uns das helfen, Mitgefühl und den Wunsch zu entwickeln, dass sie sich emotional nicht so schwertun und ebenfalls nicht im Stau steckenbleiben.
Wenn wir uns nur auf uns selbst konzentrieren, ist die Bandbreite der Gedanken sehr klein. Wenn unsere Gedanken nur auf uns gerichtet sind, ist unser Geist sehr eng. Wir halten uns an dieser Einstellung fest, mit der wir uns selbst bemitleiden. Alles in uns, unsere ganze Energie ist verkrampft. Wenn wir hingegen in einem breiteren Sinne an alle Menschen um uns herum denken, die ebenfalls im Verkehr feststecken, dann ist die gesamte Energie unseres Geistes viel weiter, und weil das Spektrum des Denkens so breit und weitläufig ist, ist unser Geist viel entspannter. Weil ein Teil von uns so sehr an dem Leid des Unglücklichseins festhält, und wir selbst uns mit so einer engen Sichtweise betrachten, ist das Erweitern unserer Denkweise ein wirksamer Weg, das Gefühl des Unglücklichseins zu überwinden. Unser ganzer Gemütszustand ist angenehmer und entspannter; wir leiden nicht so sehr. Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir zu spät zu unserem Termin kommen – dagegen können wir nichts tun, aber wir können etwas gegen die Art und Weise tun, wie wir es wahrnehmen, im Verkehr steckenzubleiben.
Fazit: Den Buddhismus zur Analyse und Veränderung unseres Denkens nutzen
Das ist also nicht nur die Bedeutung des Buddhismus im modernen Leben, sondern im Leben allgemein. Wir versuchen auf unsere Emotionen, unsere Geisteshaltungen und die Projektionen, die wir machen und welche die Grundlage der Geisteshaltungen sind, zu achten. Wir analysieren die Zwanghaftigkeit unseres Denkens, Sprechens und Handelns. Diese Zwanghaftigkeit wird durch unsere Projektionen hervorgebracht, und wir versuchen durch dekonstruierende Methoden klarer die Realität dessen zu begreifen, was vor sich geht. Auf diese Weise sind buddhistische Wissenschaft und Philosophie im täglichen Leben relevant, damit wir die Leiden, die wir uns selbst schaffen, minimieren können. Während wir das Auf und Ab von glücklichen und unglücklichen Zuständen in unserem täglichen Leben erfahren, versuchen wir nicht wie jemand zu sein, der am Verdursten ist. Sind wir glücklich, genießen wir es solange es anhält, denn es wird nicht andauern. Wir machen aber keine große Sache daraus – wir genießen es einfach als das, was es ist. Und falls wir unglücklich sind, dann erinnern wir uns daran, dass jeder einmal unglücklich ist – es ist etwas ganz Normales. Wir machen einfach mit dem weiter, was wir tun müssen und so leben wir unser Leben, ohne zuviel Nachdruck auf irgendwelche Dinge zu legen, die geschehen. Mit anderen Worten sehen wir davon ab, Situationen mit unseren eigenen Projektionen aufzubauschen. Auf diese Weise gewinnt das Leben an Freude, denn wenn wir nicht völlig mit „Ich“ und dem, was wir wollen, beschäftigt sind, können wir die Freude in all den alltäglichen, kleinen Dingen des Lebens sehen.