Heute Abend sprechen wir darüber, wie uns die Buddhistischen Methoden im täglichen Leben helfen können. Wenn wir über Buddhistische Methoden oder Buddhistische Unterweisungen sprechen, dann ist das dafür entsprechende Wort der Sanskritbegriff „Dharma“ Wenn wir betrachten, was das Wort „Dharma“ eigentlich meint, bekommen wir die Bedeutung „etwas was uns zurück hält“. Dharma ist etwas, was davon zurück hält oder uns davor schützt zu leiden oder Probleme zu haben
Die vier edlen Wahrheiten
Das erste, was Buddha lehrte, (sind die „die vier edlen Wahrheiten“. Das bedeutet, dass es vier Tatsachen gibt, die von jeder hochverwirklichte Person, die die Realität versteht, als wahr angesehen wird. Diese vier sind:
- Die wahren Probleme, vor denen wir alle stehen
- Deren wahre Ursachen
- Wie es wäre, wenn es eine wahre Beendigung dieser Probleme gäbe, sodass es sie nicht mehr gäbe
- Wie wir verstehen, handeln usw. müssen, um diese Beendigung all unserer Probleme zu bewirken
Unsere wahren Probleme
Buddhismus beschäftigt sich ausgiebig mit Problemen und wie damit umzugehen ist. Tatsächlich zielen alle Lehren Buddhas darauf ab, uns zu helfen die Schwierigkeiten des Lebens zu bewältigen. Der Ansatz ist eigentlich ganz vernünftig und nüchtern. Er besagt, dass egal welche Probleme wir auch haben mögen, sie alle Gründe haben. Wir müssen also sehr ehrlich und tief in uns hinein schauen, um zu erkennen, welche Probleme wir haben. Für viele von uns ist das kein einfacher Prozess. Es ist in der Tat ziemlich schmerzlich, zu erkennen zu versuchen,welches die schwierigen Bereiche unseres Lebens sind. Viele Menschen setzen auf Leugnung. Sie sind nicht bereit zuzugeben, dass sie Probleme haben – z.B. eine ungesunde Beziehung – aber dennoch sind sie unglücklich. Aber wir können uns nicht nur mit der Ebene von „ich bin unglücklich“ zufrieden geben. Wir müssen überprüfen, was dem Problem wirklich auf den Grund gehen.
Wahre Ursachen unserer Probleme
Also müssen wir versuchen, die Ursachen unserer Probleme zu entdecken. Probleme existieren nicht aus sich heraus, kommen nicht aus dem Nichts. Es muss einen Grund geben. Natürlich gibt es viele Ebenen von Faktoren, die daran beteiligt sind, eine unbefriedigende Situation zu erzeugen. Wenn es in einer Beziehung persönliche Konflikte gibt, kann es zusätzlich noch erschwerende wirtschaftliche Faktoren geben – nicht genügend Geld usw. – Probleme mit den Kindern oder Probleme mit der Verwandtschaft. Es gibt eine Menge Begleitumstände, die zu dem Problem beitragen können. Aber Buddha sagt, dass wir immer tiefer gehen müssen, um herauszufinden, was an der Wurzel unserer Probleme sitzt; und die letztendliche Ursache unserer Probleme ist unsere Verwirrung bezüglich der Realität.
Wir sind unglücklich, wir haben Schmerzen, und natürlich hat das alles irgendeine Ursache. Wir könnten z.B. auf eine sehr störende Art und Weise handeln – z.B. mit einer Menge Ärger. Niemand ist gleichzeitig glücklich und wütend, nicht wahr? Also müssen wir erkennen, dass in diesem Fall der Ärger die Ursache unseres Unglücklichseins ist und wir uns deshalb irgendwie von diesem Ärger befreien müssen.
Das Problem, das uns unglücklich macht, könnte auch darin bestehen, dass wir uns ständig Sorgen machen. Sich zu sorgen ist ein sehr unangenehmer Geisteszustand. Niemand, der sich Sorgen macht, ist glücklich, oder? Shantideva, ein großer indischer buddhistischer Meister, sagte: Wenn du in einer schwierigen Situation bist, die du durch verändern kannst, warum sich dann sorgen? Ändere sie einfach. Sich Sorgen zu machen wird nicht helfen. Und wenn du nichts tun kannst, um die Situation zu ändern, warum sich sorgen? Das wird auch nichts helfen. Wir haben also Verwirrung in Bezug darauf, dass es sinnlos ist, sich Sorgen zu machen und deshalb machen wir uns weiterhin Sorgen. Es geht darum, dass es keinen Nutzen bringt, sich Sorgen zu machen.
Eine andere Ebene unseres Problems besteht darin, nie zufrieden zu sein. Wir erleben natürlich auch glückliche Zeiten, aber leider dauern sie nicht an und wir wollen immer mehr. Es ist niemals (wirklich) befriedigend. Wir sind nicht damit zufrieden unsere Lieblingsspeise nur einmal zu essen, nicht wahr? Wir wollen sie immer wieder. Und wenn wir zu viel davon auf einmal essen, dann wandelt sich der anfängliche Genuss in Bauchschmerzen. Das führt zu einer gewissen Verwirrung über diese Art von Glück. Anstatt es einfach zu genießen als das, was es ist, und zu akzeptieren, dass es nicht ewig währt und niemals vollständig zufrieden stellend sein wird, klammern wir uns daran. Und wenn dieses Glück vergeht, dann sind wir sehr unglücklich.
Es ist genauso, wie wenn wir mit einem geschätzten Freund oder geliebten Menschen zusammen sind und er oder sie uns dann verlässt. Natürlich verlässt er oder sie uns irgendwann einmal und deshalb sollten wir die gemeinsame Zeit genießen. Es gibt hierfür ein sehr schönes Bild, das wir manchmal benutzen. Wenn jemand ganz wunderbares, den wir sehr lieben, in unser Leben tritt, dann ist es so wie mit einem wilden Vogel, der sich an unserer Fensterbank niederlässt. Wenn dieser wilde Vogel an unserem Fenster erscheint, dann können wir die Schönheit seiner Gesellschaft genießen, aber nach einer bestimmten Zeit fliegt der Vogel natürlich wieder davon, denn er ist ja frei. Und wenn wir sehr behutsam sind, dann kommt der Vogel vielleicht zurück. Aber wenn wir den Vogel einfangen und ihn in einen Käfig setzen, ist der Vogel sehr unglücklich und stirbt vielleicht sogar. Und so wie dieser wunderschöne wilde Vogel kommen auch Menschen in unser Leben und am besten genießen wir einfach die gemeinsame Zeit mit ihnen. Wenn sie dann irgendwann und aus irgendeinem Grund wieder gehen, dann ist das einfach so. Wenn wir entspannt und ruhig damit umgehen und keine Forderungen stellen, – etwa in der Art: „Verlass mich nicht. Ich kann ohne dich nicht leben.“ – dann kommen sie wahrscheinlich wieder zurück. Ansonsten vertreiben wir sie mit unserem Klammern und unseren Forderungen.
Wenn wir verwirrt sind über die Natur unseres gewöhnlichen Glücks und der gewöhnlichen Freuden des Lebens, dann bekommen wir natürlich Probleme. Dann können wir nohc nicht einmal die Glücksmomente, die wir haben, genießen, weil wir sofort beunruhigt sind und Angst haben, dass wir sie verlieren. Wir sind dann wie ein Hund vor seinem Fressnapf – der Hund frisst und gleichzeitig schaut er sich um und knurrt, um sicher zu sein, dass niemand es ihm wegnimmt. Manchmal verhalten wir uns auch so, nicht wahr, anstatt zu genießen, was wir haben und uns damit abzufinden, wenn es vorbei ist. Natürlich ist das nicht so leicht wie es klingt – vielleicht klingt es noch nicht einmal leicht – aber es braucht eben Übung sich an eine neue Sichtweise zu gewöhnen.
Wahre Beendigung unserer Probleme
Buddha sagte, dass es möglich sei, unsere Probleme für immer los zu werden, indem wir die Ursachen beseitigen. Das ist ein sehr vernünftiger und nüchterner Ansatz. Wenn wir den Brennstoff beseitigen, erlischt das Feuer. Und Buddha sagte auch, dass es möglich sei, die Probleme auf eine Art zu beseitigen, dass sie nie mehr wieder auftreten.
Wir wollen uns nicht zufrieden geben mit vorübergehender Freiheit von diesen Problemen, nicht wahr? Das wäre wie wenn man schläft, und sich dann während des Schlafs der Probleme, die man in der Beziehung hat, nicht bewusst ist.. Das ist also keine Lösung, weil die Probleme ja wieder da sind, wenn wir aufwachen. Das wäre wie in den Urlaub zu fahren, aber du musst ja wieder nach Hause und wenn du wieder nach Hause kommst, sind die Probleme immer noch da. Also Ferien sind nicht die beste Lösung, die am längsten anhaltende Lösung.
Der Buddha hat auch nicht gesagt, dass man einfach still halten, die Probleme akzeptieren und mit ihnen leben solle, denn auch das keine gute Lösung ist, nicht wahr? Dabei würden wir uns ziemlich hilflos fühlen – es gibt nichts, was wir tun können, also geben wir auf und versuchen es noch nicht einmal. Es ist sehr wichtig, dass wir versuchen, unsere Probleme zu überwinden. Auch wenn wir keine großartigen Fortschritte machen, haben wir doch wnigstens das Gefühl es versucht zu haben.
Methoden zum Beenden unserer Probleme
Aber wenn wir es wirklich erreichen wollen, unsere Probleme wahrhaftig zu beenden, dann hilft uns die vierte Tatsache die Buddha gelehrt hat: die Notwendigkeit eine Methode anzuwenden und ein korrektes Verständnis zu erlangen, um die tiefste Ursache zu beseitigen, nämlich unsere Verwirrung. Dennoch ist es nicht genug ein gutes Verständnis zu haben, wenn wir uns nicht immer daran erinnern können, deshalb müssen wir Konzentration entwickeln. Aber, um die Konzentration zu haben, uns zu erinnern und fokussiert bleiben, benötigen wir Selbstdisziplin. Die allgemeinen buddhistischen Methoden, die wir nutzen können, um Probleme zu vermeiden, bestehen darin, den Weg der Disziplin, der Konzentration und des korrekten Verstehens (manchmal auch „Weisheit“ genannt) einzuschlagen.
Zusätzlich ist eine der größten Ursachen unserer Probleme unsere Selbstsucht. Ein Großteil unserer Selbstsucht beruht auf Verwirrung bezüglich der Realität, weil wir irgendwie glauben, dass wir die einzigen auf dieser Welt sind. Auch wenn wir einräumen, dass es noch andere gibt, sind wir doch die allerwichtigsten in diesem Universum, das Zentrum des Universums. Durch diese Fehlannahme denken wir „ich muss mich immer durchsetzen. Ich muss immer bekommen, was ich will“ und, wenn das nicht der Fall ist, bin ich sehr unglücklich.
Das ist aber ein sehr verzerrter Blick auf die Realität, weil ich eigentlich gar nichts Besonderes bin. Wir sind alle gleich, und zwar in dem Sinne, dass wir alle glücklich sein wollen. Niemand möchte unglücklich sein, jeder will haben, was er sich wünscht, und niemand möchte, dass ihm etwas Wünschenswertes verwehrt bleibt. Und irgendwie müssen wir mit einander auskommen, weil wir miteinander leben. Wir müssen also Liebe, Mitgefühl Rücksichtnahme auf andere und Altruismus hinzufügen zu der Art und Weise, wie wir Probleme überwinden oder vermeiden. So wie wir es uns wünschen, dass die Anderen uns helfen, wünschen sich auch die Anderen unseren Beistand.
Der Umgang mit störenden Emotionen
Natürlich ist nicht jeder ein Heiliger oder Bodhisattva, das stimmt schon. Jeder ist auf die eine oder andere Weise verwirrt. Weil wir verwirrt sind, handeln wir unter dem Einfluss störender Emotionen. Wenn ich z.B. denke, ich sei das Zentrum des Universums, der Allerwichtigste, dann ist das begleitende Gefühl Unsicherheit, nicht wahr? Wenn du verwirrt bist, bist du auch unsicher und du denkst: „Ich sollte doch am wichtigsten sein, aber die Menschen behandeln mich gar nicht immer so.“ Das ist die damit einhergehende Unsicherheit.
Welche Strategien können wir gegen diese Unsicherheit anwenden – welche Strategien würden uns ein sichereres Gefühl vermitteln? Eine wäre: „Wenn ich nur genügend Dinge um mich herum ansammle, würde mir das irgendwie ein sichereres Gefühl geben. Hätte ich nur genügend Geld, genügend Zuwendung, genügend Liebe, dann würde mich das irgendwie glücklich machen.“ Aber wir haben ja schon vorhin gesehen, die Natur dieser Art von Glück ist es, dass wir (davon) nie genug bekommen, wir sind nie zufrieden und wollen immer mehr.
Denken Sie darüber nach, es macht Sinn. Wollen wir wirklich, dass unser Geliebter oder unsere Geliebte nur einmal sagt „ich liebe dich“. Wenn er/sie es einmal sagt, wäre das genug, müsste er oder sie es dann nie wieder sagen? Wir würden uns damit niemals sicher fühlen. Wir möchten es immer und immer wieder hören, nicht wahr? Und wir würden niemals den Punkt erreichen, an dem wir sagen würden: „Du brauchst es mir nicht immer wieder sagen, ich weiß es jetzt.“ Wenn wir uns also über Gier unterhalten, meinen wir damit nicht nur die Gier nach Dingen oder Geld. Wir gieren auch nach Liebe und die meisten von uns sind besonders gierig nach Aufmerksamkeit. Wir können das bei kleinen Kindern beobachten. Das ist also einer der Mechanismen: wenn wir nur genügend Dinge ansammeln könnten, würde uns das Sicherheit geben. Und das wird niemals funktionieren.
Der nächste Mechanismus ist Ärger und Abneigung. „Wenn ich nur die Dinge loswerden könnte, die ich als bedrohlich empfinde, dann könnte ich mich sicher fühlen.“ Aber wir fühlen uns niemals sicher, wir fühlen uns immer bedroht und wir sind immer auf der Hut für den Fall, dass irgendjemand etwas tut, dass wir nicht mögen – dann werden wir wütend und jagen denjenigen davon. Das kann manchmal sehr kontraproduktiv sein. Ich denke da z.B. an eine Beziehung. Wenn wir das Gefühl haben, dass die andere Person uns nicht genügend Aufmerksamkeit widmet oder genügend Zeit, dann brüllen wir sie an: „Du sollst dich mehr um mich kümmern! Und sollst mehr Zeit mit mir verbringen!“ Und was erreichen wir damit? Normalerweise weicht die Person noch weiter zurück. Oder sie tut uns einen Gefallen und bleibt noch ein bisschen bei uns, aber es ist spürbar, dass sie sich dabei nicht wohl fühlt. Wie können wir nur denken, dass auf jemanden böse zu werden dazu führen könnte, dass er oder sie uns größere Zuneigung entgegen bringt? Das ist doch absurd, oder? Viele dieser Mechanismen, die wir anwenden, um uns ein sichereres Gefühl zu geben, machen alles nur noch schlimmer.
Ein weiterer Mechanismus, den wir anwenden, ist Mauern aufzubauen. Es basiert auf Naivität, darauf dass wir denken, wenn uns mit dem Problem nicht beschäftigen, dann würde es nicht existieren oder von selber verschwinden. „Ich will das nicht hören“ drückt diese innere Einstellung aus, und man baut eine Mauer auf. Natürlich führt diese naive Haltung auch nicht zum Ziel. Das Problem verschwindet nicht, nur weil wir es ignorieren und es uns nicht eingestehen.
Auf Grund dieser störenden Emotionen also verhalten wir uns auf die unterschiedlichste Weise destruktiv. Wir schreien. Möglicherweise schlagen wir sogar jemanden. Wenn man das Gefühl hat: „Ich bin so arm, ich habe gar nichts“, dann stiehlt man vielleicht sogar, weil man denkt, das könnte helfen. Oder wenn ich z.B. an Indien denke, wo ich viele Jahre lebte: Indien ist das Land der Insekten – es gibt eine Menge Insekten, in allen nur erdenklichen Arten. Die kann man nicht alle umbringen, diesen Kampf kann man nicht gewinnen. Die einzige Lösung besteht darin zu lernen mit ihnen zu leben. Wenn man die diversen Insekten in seinem Zimmer nicht leiden kann, dann schläft man unter einem Moskitonetz, das einem einen Schutzraum verschafft. Das ist eine friedfertige Lösung anstatt sich auf eine Jagd zu begeben, um alle Moskitos im Zimmer zu töten und sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, weil es immer noch eine gibt, die es zu erschlagen gilt. Es kommen immer wieder welche durch die Ritze unter der Tür oder durch ein nicht ganz fest schließendes Fenster. Aber dieser Impuls für das destruktive entsteht wie unter Zwang aus: „Ich muss sie loswerden.“
Es gibt eine Menge destruktiver Verhaltensformen. Lügen, grobe Ausdrucksweise, Ehebruch, Vergewaltigung – das gibt es alles. Und wenn wir uns destruktiv verhalten, verursacht das grundsätzlich Unglücklichsein, nicht nur für andere sondern ganz besonders auch für uns selbst. Wenn man darüber nachdenkt, sagt der Buddhismus sehr eindringlich dass man nicht töten sollte, nicht wahr? Der Punkt ist nämlich, wenn man sich angewöhnt alles umzubringen, was einem nicht behagt, wie z.B. die Moskitos, dann wird das zur ersten, automatischen Reaktion, nicht wahr? Und das gilt nicht nur für das Töten. Wenn uns etwas nicht gefällt, dann reagieren wir gleich sehr heftig, entweder verbal, körperlich oder emotional anstatt zu lernen mit einem ruhigen Geisteszustand zu handeln.
Manchmal kann es allerdings sein, dass man töten muss. Wenn z.B. Insekten die ganze Ernte bedrohen oder eine Krankheit verbreiten. Der Buddhismus ist nicht fanatisch. Aber man sollte auch nicht naiv sein. Versuchen Sie, es ohne Wut oder Hass zu tun – also nicht: „Ich hasse diese Malaria-Moskitos!“ Und man sollte auch nicht naiv sein, was die negativen Konsequenzen betrifft, die folgen werden. Hier nur ein kleines Beispiel: wenn wir Insektizide für unser Gemüse und Obst anwenden und es essen, dann kann das Krankheiten verursachen. Es gibt also negative Nebenwirkungen. Zurück zu unserem Ausgangspunkt: es ist also großen Wert darauf zu legen, dass unsere Methoden der Disziplin, Konzentration und rechtes Verständnis durch Liebe und Mitgefühl ergänzt werden.
Ethische Selbstdisziplin
Wie wenden wir diese vorbeugenden Maßnahmen an, um Probleme in unserem Leben zu vermeiden? Die erste Stufe, das erste was wir tun, ist ethische Selbstdisziplin anzuwenden, indem wir vermeiden destruktiv zu handeln. Destruktiv zu handeln ist Handlung unter dem Einfluss der störenden Emotionen – Wut, Gier, Anhaftung, Eifersucht, Naivität, Arroganz und so weiter. Das bedeutet, wenn wir destruktiv handeln wollen, dann entscheiden wir uns mit aller Klarheit: „Nein, so will ich nicht handeln!“
Wenn ich dich anschreien möchte, weil du einen Fehler begangen hast, dann weiß ich, dass Schreien die Situation nur noch verschlechtert. Ich muss dich vielleicht korrigieren oder mit dem Fehler irgendwie umgehen, aber Schreien macht doch alles nur schlimmer, oder? Besonders Beschimpfen und Fluchen wird die Situation nicht verbessern. Ethische Selbstdisziplin bedeutet, sobald wie möglich, noch bevor wir etwas tun, zu merken, dass wir im Begriff sind zwanghaft in einer destruktiven Art zu handeln. Da ist der Handlungsimpuls aber wir unterscheiden: „Das wird gar nicht hilfreich sein“ und halten uns so davon zurück, den Impuls umzusetzen.
Wir sagen aber nicht, dass man die Wut in sich halten soll, wo sie an einem nagt, und man sie solange hält, bis man explodiert. Das ist nicht die Methode. Und wenn wir nicht damit umgehen können und der Druck steigt – dann lassen wir es nicht an einer anderen Person aus und auch nicht an einer Wand, dass wird nur unserer Hand schaden, ist also dumm. Lassen wir es woanders ab. Auf ein Kissen boxen oder alle Fußböden im Haus wischen – die „Hausfrauenart“ mit Wut und Frustration umzugehen, indem man anstrengende Hausarbeit macht oder einen Dauerlauf macht oder sich im Fitnessstudio verausgabt, all das ist hilfreich die Energie von Frust und Wut abzubauen.
Vergegenwärtigung und Konzentration
Wenn wir uns mehr und mehr an diese Art des Verhaltens gewöhnen und wir uns davon zurückhalten, destruktiv zu handeln, wenn es uns danach wäre, dann nutzen wir unser „unterscheidendes Gewahrsein (tib: shes-rab). Wir unterscheiden zwischen dem, was hilfreich und dem was schädlich ist und auf dieser Grundlage können wir ruhig bleiben und nicht nur den Ärger in uns behalten. Die Hauptsache, die wir kultivieren, wird normalerweise als „Vergegenwärtigung (tib: dran-pa) übersetzt“. Es bedeutet „sich zu erinnern“. Es ist wie mentaler Klebstoff, um an der Disziplin dran zu bleiben – was möchte ich tun, wie möchte ich sein, wie möchte ich im Leben handeln – sich daran zu halten und es nicht zu vergessen. Das ist Vergegenwärtigung. Es ist dasselbe Wort wie „aktiv erinnern“.
Was wir also versuchen, ist wacher zu sein. Das Wort Buddha bedeutet eigentlich „Jemand, der vollkommen erwacht ist“. Wir versuchen wach zu sein für die Gefühle, die wir haben. Wir versuchen wach zu sein für die zwanghaft in unserem Geist aufsteigenden Antriebe, ,die uns dazu bringen, dieses oder jenes zu tun. Wir wollen versuchen, uns von diesen Dingen nicht unterjochen zu lassen, sondern zu erkennen, dass wir mit Verständnis wählen können, wie wir handeln wollen. Wenn ich in schlechter Stimmung bin, dann kann sich das ändern, ich kann etwas tun, um es zu verändern.
Manchmal ist die Lösung für schlechte Laune ganz einfach. Eine der einfachsten Methoden ist „das unleidliche Baby ins Bett zu bringen“. Wir fühle uns wie ein Baby, das zu lange auf war und – „Wahhhhh“ – es weint die ganze Zeit und so weiter. Wenn wir schlechte Laune haben sind wir oft auch so. Also legen wir uns hin, machen ein Nickerchen, gehen schlafen. Wenn wir wieder wach sind, geht es meistens besser.
Oder wenn Sie eine Meinungsverschiedenheit mit jemandem haben und ein sehr kritischer Punkt erreicht ist, eine Situation in der der andere Ihnen nicht mehr wirklich zuhört und Sie dem anderen auch nicht, dann ist es besser, die Unterhaltung zu beenden. – „Lass uns später fortfahren, wenn wir uns beruhigt haben“. – gehen spazieren, oder etwas in der Art, und beruhigen Sie sich.
Dies sind ganz einfach Methoden. Der Buddhismus unterrichtet noch viel tiefer gehende Methoden, aber dies hier ist ein Anfang. Wir müssen einen Anfang machen, indem wir Methoden anwenden, die wir auch wirklich umsetzen können. Aber das Prinzip ist das Wichtige, und das Prinzip besteht darin, die Ursache des Problems zu suchen und etwas zu tun, um das Problem zu überwinden. Seien Sie nicht einfach ein Opfer des Problems, sondern nehmen Sie gewissermaßen ihr Leben in deine eigene Hand.
Wenn wir also Vergegenwärtigung entwickeln, um unser Verständnis zu schulen, was an unserem Verhalten hilfreich oder schädlich ist, wenn wir unsere Aufmerksamkeit lenken auf das, was gerade geschieht, und uns erinnern, wie wir handeln wollen, und uns korrigieren, wenn wir es körperlich oder in Worten nicht tun, dann haben wir die Stärke entwickelt es auch mit unserem Geist zu tun, mit unserem Denken.
Wenn wir also beginnen, diesen sorgenvollen Gedankengang oder Gedanken wie: „Ich Armer, niemand liebt mich“ und so weiter, dann sagen wir: „Ich bitte dich! Ich will nicht auf diesen Trip des Selbstmitleids, der Sorgen und so weiter gehen. Das macht mich nur unglücklich“, und lenken unsere Aufmerksamkeit wieder auf etwas Positives. Es gibt eine Menge positivere Dinge, die wir körperlich oder geistig machen können, anstatt nur da zu sitzen und sich Sorgen zu machen. Es gibt eine Menge positivere Dinge, über die wir nachdenken können, anstatt zu denken, wie schrecklich alles sein könnte und sich darüber Sorgen zu machen. Denn, was wir hier versuchen, ist die Konzentration zu entwickeln, damit wir unsere Aufmerksamkeit zurückholen, wenn sie weg driftet.
Wenn wir uns z.B. mit jemanden unterhalten und unser Geist abschweift, das muss nicht wegen Sorgen sein, es kann auch einfach Folgendes sein: „Wann hört er endlich auf zu reden“ oder „Was mache ich mir heute Abend zum Essen“, es kann alles Mögliche sein, aber wir hören auf, der anderen Person unsere Aufmerksamkeit zu schenken, oder wir kommentieren in unserem Kopf „was er eben gesagt hat ist Blödsinn“, dann bringen wir unsere Aufmerksamkeit zurück und fokussieren uns einfach nur darauf ihm zuzuhören.
Das ist eine sehr praktische Anwendung von Konzentration aber es braucht Disziplin, die wir zuerst über unser körperliches und verbales Verhalten entwickeln. Wenn man diese Fähigkeiten erworben hat, nämlich die Aufmerksamkeit zurück zu bringen und die Abweichungen zu korrigieren, kann man es in allen möglichen Situationen anwenden. Das ist wirklich sehr, sehr hilfreich. Beispielsweise kann man beginnen, sich die Körperhaltung zu vergegenwärtigen. Wenn die Schultern verkrampft und hochgezogen sind und der Nacken steif ist und so weiter – wenn man darauf achtet und es feststellt, kann man die Schultern wieder herunter bringt und entspannen. Es ist nur eine Frage der Achtsamkeit, sich zu erinnern und etwas Entsprechendes dagegen zu unternehmen. Oder wenn man sich über etwas erregt, das völlig unangebracht ist in dieser Situation, wenn man anfängt jemanden immer lauter und lauter und aggressiver anzugehen, bemerkt und verändert man es. Man beruhigt sich, wie wenn man die Schultern entspannt, nur eben auf einer energetischen und emotionalen Ebene.
Das ist das ganze Geheimnis der Anwendung der Dharma-Methoden im Alltag. Man muss sich nur erinnern und genügend Disziplin aufbringen, um sie anzuwenden. Und man macht das nicht, weil man gut sein will oder den Lehrer zufrieden stellen möchte oder so. Sondern man tut es, um Probleme und Schwierigkeiten zu vermeiden; weil wie wir wissen: wenn wir nichts dagegen unternehmen, macht man sich nur selbst unglücklich, und das macht keinen Spaß, nicht wahr? Also müssen wir unsere Selbstdisziplin auf den geistigen Bereich in Bezug auf Konzentration anwenden sogar in Bezug darauf, wir mit Gefühlen umgehen. Der Umgang mit Gefühlen ist natürlich sehr heikel und viel schwieriger. Aber, wie ich schon sagte, wenn man zu erregt ist, kann man sich beruhigen.
Wahres Verstehen
Wenn man einmal das Werkzeug der Konzentration zu einem Mindestmaß entwickelt hat, dann möchte man vor allem zu Folgendem in der Lage sein: auf ein wahres Verständnis dessen konzentriert zu bleiben, was gerade passiert. Wir haben eine Menge Verwirrungen bezüglich der Realität – wie wir existieren, wie andere existieren und wie die Welt existiert. Aufgrund dieser Verwirrungen haben wir viele Projektionen dessen, was tatsächlich irreal ist. Wir könnten projizieren: „Ich bin nicht gut. Ich bin ein Versager“ oder wir könnten projizieren: “Ich bin das Tollste auf der Welt“, oder: „Ich Arme, niemand liebt mich“, aber wenn wir alles in unserem Leben analysieren würden, würde das bedeuten, meine Mutter hätte mich nie geliebt, mein Hund hätte mich nie geliebt – niemand hätte mich je geliebt. Das ist wahrscheinlich nicht der Fall.
Wir projizieren diese Fantasien und halten sie für wahr; das ist das Schlimme daran. Wir denken, dass wir zu einer Verabredung zu spät oder gar nicht kommen könnten, ohne dass es etwas ausmachen würde. „Du hast keine Gefühle“, nicht wahr? Und dann sind wir auch anderen gegenüber sehr rücksichtslos. Aber jeder hat Gefühle, genau wie ich auch. Niemand möchte missachtet werden. Niemand hat es gern, wenn bei einer Verabredung der Andere sich nicht meldet oder zu spät kommt. Das findet niemand gut. Also, was wir tun müssen ist Folgendes: Wir müssen unsere Konzentration nutzen, um diese Fantasien zu durchtrennen und mit diesen unsinnigen Projektionen aufzuhören, dass unser rücksichtsloses Verhalten andere nicht verletzen würde, denn das ist wirklich die tiefste Ursache unserer Probleme: „Ich bin das Zentrum des Universums. Ich muss mich immer durchsetzen. Ich bin der/die Wichtigste.“ Das ist ganz offensichtlich eine Projektion unserer Fantasie. Niemand ist der/die Wichtigste. Aber wenn wir glauben, dass unsere Fantasie wahr ist, dann sind wir egoistisch. Wenn wir unseren Egoismus überwinden wollen, müssen wir unsere Fantasien demontieren und die Projektionen beenden. Auch wenn es sich so anfühlt, als ob ich das Zentrum des Universums wäre und es außer mir nichts gäbe (da ich, wenn ich die Augen schließe, eine Stimme in meinem Kopf höre und da ich niemanden sonst sehe, scheint es so, als ob ich ganz allein wäre), muss ich mich erinnern, dass das eine Illusion ist und versuchen, sie nicht zu glauben. „Es ist nicht so. Es scheint nur so.“
Buddha sagte: stets bei diesem Verständnis zu bleiben ist der wahre Pfad zum Erreichen der wahren Beendigung unserer Probleme. Wenn wir dieses korrekte Verständnis immer hätten, gäbe es keine Verwirrung. Und wenn es keine Verwirrung gäbe, hätte wir keinen Ärger, wir hätten keine Anhaftung, keine Gier usw. Und wenn wir keine dieser störenden Emotionen hätten, würden wir nicht destruktiv handeln. Und wenn wir nicht destruktiv handeln würden, würden wir uns und anderen auch nicht alle möglichen Probleme bereiten. Das ist die grundlegende buddhistische Methode, wie wir mit Schwierigkeiten im Alltag umgehen.
Wenn wir glücklichere Beziehungen haben möchten, müssen wir erkennen:
- Ich bin Mensch, du bist Mensch. Wir haben alle dieselben Gefühle usw.
- Jeder hat Stärken und Schwächen. Ich habe sie und du auch.
- Niemand ist der Traumprinz oder die Traumprinzessin (der auf einem weißen Pferd vorbeikommen wird).
Gibt es dieses Bild in deinen Fantasien? Man sucht immer nach dem perfekten Partner, der- oder diejenigen auf dem weißen Pferd, aber das ist ein Märchen. Das gibt es nicht, aber wir projizieren es. Weil wir an dieses Märchen glauben, denken wir, das ist der Prinz oder die Prinzessin, und wenn sie dann nicht so sind, werden wir ärgerlich auf sie oder weisen sie manchmal sogar zurück. Und dann projizieren wir auf den nächsten potentiellen Partner, den wir treffen, dass er oder sie der Prinz oder die Prinzessin wäre. Aber wir werden den Prinzen oder die Prinzessin niemals finden, weil es sie nicht gibt.
Wenn wir also eine gesunde Beziehung haben möchten, müssen wir die Realität akzeptieren. Und die Realität ist, wie schon gesagt, dass jeder Stärken und Schwächen hat und wir müssen lernen, irgendwie miteinander zu leben, und keiner ist das Zentrum des Universums. Und die allgemeinen Lehren, die man in allen Religionen oder jeden humanistischen Philosophie findet, ist gütig zu sein, rücksichtsvoll, liebend, geduldig, großzügig und versöhnlich. Jede Religion und jede humanistische Philosophie lehrt (in Bezug darauf) dasselbe und der Buddhismus auch.
Dieselben Grundsätze gelten auch für unsere Beziehungen am Arbeitsplatz. Wenn du freundlich zu den Menschen bist, mit denen du im Büro arbeitest (oder als Arbeitgeber freundlich mit deinen Angestellten), geht alles reibungsloser. Wenn du in einem Laden arbeitest und zu deinen Kunden nett und freundlich bist, dann ist doch die ganze Stimmung viel angenehmer, oder? Und wenn man ehrliche Geschäfte macht – ohne zu betrügen usw. – dann läuft doch alles besser. Das bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen, Gewinn zu erzielen und unseren Unterhalt zu verdienen, aber es kommt darauf an, nicht gierig zu sein.
Und wenn andere uns auch betrügen – weil ja nicht alle auf diese Weise handeln – nun, was kann man schon erwarten? Aber von einem buddhistischen Blickwinkel aus, würden wir nicht sagen, dass das schlechte Menschen sind, wir würden nur sagen, sie sind verwirrt. Sie sind verwirrt und verstehen nicht, dass diese Art zu Handeln ihnen nur immer mehr Probleme einbringen wird, denn niemand wird sie mögen. Deshalb sind sie ein Objekt unseres Mitgefühls und nicht unseres Hasses. Wenn wir sie als Objekt unseres Mitgefühls betrachten und Geduld mit ihnen haben, dann leiden wir nicht gefühlsmäßig, wenn sie uns betrügen, aber dann versuchen wir mit den nächsten vorsichtiger zu sein, damit wir nicht noch einmal betrogen werden. Aber was kann man von den Menschen erwarten? Eine Menge Menschen sind so. Das ist die Realität. Die Projektion ist, dass jeder ehrlich ist. Aber nicht jeder ist ehrlich! Es wäre schön, wenn jeder ehrlich wäre, aber nicht jeder ist es. Also können wenigstens wir versuchen ehrlich zu sein.
Können Nicht-Buddhisten diese Methoden nutzen?
Nun, müssen wir auf einem streng buddhistisch spirituellen Pfad von Meditation und Ritualen folgen, um diese Methoden anwenden zu können? Eigentlich nicht. Wir müssen keinem strikten, standardisierten spirituellen Pfad folgen, um diese Dinge anwenden zu können. Seine Heiligkeit der Dalai Lama spricht immer von säkularer Ethik und menschlichen Werten – freundlich zu sein, achtsamer zu sein, nicht naiv zu sein, keine Fantasiegebilde zu projizieren und so weiter. Das sind generelle Richtlinien, an die sich jeder halten kann.
Und wenn es um Meditation geht, dann geht es (hier) nur um die Methode, uns vertraut zu machen mit dieser Art zu denken, indem wir uns hinsetzen und versuchen so zu denken, und wenn unsere Aufmerksam umherschweift, sie wieder zurück zu bringen. Das kann man tun, während man in Meditation sitzt und sich auf Buddha konzentriert oder auf den Atem, oder auch, während man ein Buch liest oder kocht oder sonst etwas tut. Wenn Sie kochen, dann bleiben Sie aufs Kochen fokussiert, und wenn Ihnen verrückte Gedanken kommen, dann bringe Sie Ihren Geist einfach zurück zum Kochen. Es muss keine formale buddhistische Meditationspraxis sein. Es gibt sehr viele Wege, wie wir uns mit diesen zuträglicheren Denk- und Handlungsweisen usw. vertraut machen können, ohne irgendein buddhistisches Ritual oder ein buddhistisches Umfeld.
Das ist also wie wir den Dharma – vorbeugende Maßnahmen – anwenden können, um uns zu helfen, Probleme zu vermeiden.
Fragen
Darauf achten, was in uns und was außen vorgeht
Um Probleme zu vermeiden, müssen wir nur ständig konzentriert sein?
Gewissermaßen ja. Aber das ergibt noch nicht die ganze Geschichte. Wir könnten z.B. voll konzentriert jemanden anschreien oder auf jemanden einschlagen, also ist das nicht alles. Wir müssen wach sein im Sinne eines Gewahrseins für die innere Prozesse – unsere Gedanken, unsere Gefühle usw. – und zugleich auch wach und aufmerksam sein dafür, was mit den anderen Menschen um uns herum passiert. Wenn jemand nachhause kommt – ein Familienmitglied oder ein geliebter Mensch oder wer auch immer – kann er oder sie möglicherweise sehr müde sein. Dafür muss man aufmerksam sein. Das ist dann nicht die richtige Zeit, um eine große Diskussion über ein wichtiges Thema anzufangen – er oder sie ist müde. Als sollte man immer aufmerksam bleiben, konzentriert und den Blick darauf richten, was um uns herum passiert. Was ist mit den anderen los und nicht nur, was ist mit mir los.
Wir wollen es also nicht bis zu dem Extrem treiben, dass wir nur uns selbst aber nicht mehr die anderen wahrnehmen, oder das andere Extrem, nur die anderen wahrzunehmen und nicht uns selbst. Dieses Extrem ist auch zu vermeiden. Es gibt viele Menschen mit dem Syndrom nicht „nein“ sagen zu können und deshalb engagieren sie sich immer für andere, für ihre Familie oder sonst wen, bis sie völlig müde und erschöpft zusammenbrechen oder bis sie verbittert sind. Es ist wichtig, auch auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu achten. Wenn wir eine Pause brauchen, dann ruhen wir uns aus. Wenn wir sagen müssen: „Nein, tut mir leid, ich kann das nicht tun. Es ist mir zu viel. Ich bin dazu nicht in der Lage,“ dann sagen Sie „nein“. Wenn wir „nein“ sagen, sollten wir idealer Weise, wenn möglich, eine Alternative anbieten. Man kann den Vorschlag machen: „Aber vielleicht kann diese Person helfen.“
Kurz gesagt, seien Sie wachsam für alles, was geschieht, im Innern wie im Außen, und dann wenden Sie rechtes Verständnis und Liebe und Mitgefühl an.
Mit Wut umgehen
Sie haben darüber gesprochen den Fußboden zu wischen als Methode, um mit Wut oder anderen destruktiven Gefühlen umzugehen, aber Sie haben auch darauf hingewiesen, dass es im Buddhismus eine Menge tiefer gehender Methoden gibt. Können Sie uns wenigstens einen eine Andeutung machen, in welcher Richtung wir danach suchen sollen.
Gut, um ein bisschen tiefer zu gehen: eine Ebene des Umgangs mit Wut, wenn wir auf jemanden wütend sind, ist es Geduld zu entwickeln. Nun, wie können wir Geduld entwickeln? Da gibt es sehr viele Methoden, aber eine ist z.B. die Geduld, die wie ein Ziel ist: „Wenn ich keine Zielscheibe aufgestellt hätte, hätte sie auch niemand treffen können.“ Wenn ich z.B. jemanden bitte, etwas für mich zu tun und er macht es nicht richtig, dann würde ich dazu neigen, wütend zu werden. Oder es wird überhaupt nicht gemacht. Aber wessen Schuld wäre das? Es wäre eigentlich meine Schuld, weil ich zu faul war, es selbst zu tun und deshalb bat ich jemanden anderen. Was kann man erwarten? Wenn wenn man jemanden darum bittet, etwas zu tun, was erwartet man da? Angenommen, Sie bitten ein kleines zweijähriges Kind, Ihnen eine Tasse heißen Tee zu holen und es verschüttet den Tee. Natürlich wird es ihn verschütten. Also wieder – was erwarten wir, wenn wir jemanden bitten etwas für uns zu tun?
So erkenne ich, dass es meine Faulheit war, die das Problem verursacht hat. Dann brauche ich nicht auf die andere Person ärgerlich zu werden. Und es ist mir bewusst: wenn ich jemanden bitte, etwas für mich zu tun, ist es, weil ich selbst zu faul bin es selbst zu tun – entweder zu faul oder weil ich keine Zeit habe, was auch immer. Aber das Wesentliche ist: wenn ich jemand anderen darum bitte, sollte ich nicht erwarten, dass es perfekt gemacht wird – oder so gemacht, wie ich es mache würde, was ja schlussendlich auch nicht richtig sein könnte. auch ich mache Fehler. Und wenn ich es selbst mache und mir ein Fehler unterläuft, gibt es ja auch keinen Grund auf mich selbst ärgerlich zu sein. „Ich bin nicht perfekt – niemand ist perfekt – also mache ich natürlich auch Fehler.“ Und wenn ich es ändern kann, dann mach ich das. Ich werde nicht auf mich ärgerlich. Es gibt keinen Grund sich über sich selbst zu ärgern. Einfach korrigieren, sofern möglich. Und wenn es nicht möglich ist, dann ist es so – lass es gut sein und versuche, denselben Fehler zukünftig nicht noch einmal zu machen.
Eine noch viel tiefere Ebene mit Ärger umzugehen besteht darin, die Realität über uns selbst zu verstehen. Ich spreche jetzt von einer sehr einfachen Ebene, aber sogar auf dieser einfachen Ebene ist es hilfreich. „Ich bin nicht das Zentrum des Universums. Warum sollte sich alles um mich drehen? Warum? Was ist so einzigartig an mir, dass ich mich immer durchsetzen muss und nicht jemand anderes?“ Mit solchen Gedanken kann man dieses solide Sichtweise vom „ich“ als wichtigsten Ding des Universums aufbrechen. Das solide „ich“. Dann kann man es natürlich immer weiter und weiter und weiter abbauen. Wenn man diese Sichtweise eines „ichs“ als solides Ding hier hat und dass ich mich immer durchsetzen muss, dann wird man natürlich wütend, wenn man nicht seinen Willen bekommt, oder?
Buddhismus sagt eine Menge darüber aus, wie wir, und alle anderen auch, existieren. Wir existieren, aber wir existieren nicht auf diese unmöglichen Arten, wie wir meinen zu existieren, zum Beispiel nicht als kleines „ich“, das im Kopf sitzt und der Autor der Stimme in meinem Kopf ist. Es scheint so, als gäbe es da ein kleines „ich“ in mir, das spricht und sich beklagt: „Was soll ich jetzt tun? Oh, ich mache das“, und dann bewegst du irgendwie deinen Körper, als ob der Körper eine Maschine wäre. Aber das ist eine Illusion. Ich kann kein kleines „ich“ in mir drinnen finden, oder? Nichtsdestotrotz gibt es mich – ich rede, ich handle. Also müssen wir mit unserem Glauben an diese Projektionen aufhören, weil es nur so erscheint, als ob sie mit der Realität korrespondierten. Es scheint so. Da gibt es diese Stimme, also muss da jemand in mir sprechen.
Also, Buddhismus hat auf dem Gebiet, das wir „Psychologie“ nennen, eine Menge anzubieten.
Mit unserem Körper arbeiten
Frage: Ich habe zwei Fragen. Die erste ist: vielleicht können Sie uns etwas mehr darüber erzählen, wie man mit dem Körper arbeitet. Sie haben erwähnt, dass wir unseren Körper entspannen müssen, aber vielleicht ist noch mehr nötig? Und die zweite Frage ist: Was ist der Ursprung all dieser Projektionen? Zum Beispiel diese Person, die in unserem Kopf spricht – warum erscheint sie warum erscheint sie?
Alex: Es gibt natürlich viele Wissenszweige, die wir für unser körperliches Wohlbefinden (Gesundheit) anwenden können. Es gibt z.B. die buddhistische Medizin, die man in der tibetischen Tradition findet, die viel damit zu tun hat, die Energien in unserem Körper ins Gleichgewicht zu bringen. Unsere Energien und unsere Gesundheit generell haben sehr viel mit unserer Ernährung und unserem Handeln zu tun – wenn wir z.B. in die Kälte gehen ohne uns warm genug zu kleiden (anzuziehen), dann werden wir krank. Um diese Art von Handeln geht es. Oder, wenn wir zu viel arbeiten – diese Art des Handelns macht uns krank.
Wir versuchen auch Gewahrsein in Bezug auf den Zustand unseres Körpers aufrechtzuerhalten. Je stiller man innerlich wird, desto wacher wird man nicht nur für seinen Geisteszustand sondern auch für den Energie-Zustand im Körper. Wenn Sie z.B. bemerken, dass Ihre Energie unruhig wird – das kann man am schnellen Puls spüren und so weiter – dann gibt es ganz grundsätzliche Dinge, die Sie tun können, sogar einfach nur die Ernährung umzustellen. Man kann z.B. aufhören, Kaffee oder starken Tee zu trinken und man kann schwere Nahrungsmittel wie fettiges oder Käse zu sich nehmen, um die Energie herunterzubringen . Halten Sie sich warm, setzen Sie sich nicht Wind oder Zugluft aus. Und halten Sie sich nicht in der Nähe von Hochleistungsgeräten auf, die sich so anhören: „Bzzzzzzrrrrrr“. Das wird Ihre Energie noch mehr aus dem Lot bringen. Verweilen Sie in einer ruhigen Situation. Das ist diese Ebene der Praxis.
Die tibetische Tradition betont körperliche Betätigung oder die Art der Körperarbeit nicht, wie man sie z.B. im Kampfsport des chinesischen oder japanischen Buddhismus findet. Aber bestimmte Formen des Kampfsports wie z.B. Taiji, Qigong und so weiter können sicherlich sehr hilfreich sein. Das sind auch Methoden um Konzentration durch achtsame Bewegung zu entwickeln. Die körperlichen Übungen der Tibeter sind viel subtiler, man arbeitet dabei mit den Energiesystemen auf andere Art und Weise, nicht als Kampfsport, ein bisschen anders, eher wie Yoga. So also arbeitet man mit dem Körper.
Die Ursache der Stimme im Kopf
Nun zu der Frage der Stimme im Kopf: hierbei geht es (auch) um die Natur des Geistes und das wird ein bisschen kompliziert. Wenn wir im Buddhismus über Geist sprechen, meiner wir nicht irgendein Ding. Wir sprechen dann über geistige Aktivität, und diese geistige Aktivität ist am Denken, Sehen und der Wahrnehmung von Gefühlen beteiligt. Das ist ein sehr weites Feld. Während dieser Aktivität entsteht eine Art von geistigem Hologramm. Zum Beispiel: wenn wir etwas sehen, trifft Licht auf unsere Netzhaut, dort werden elektrische Impulse und chemische Reaktionen in den Neuronen ausgelöst, die bewirken. Als Ergebnis dieser Vorgänge entsteht eine Art geistiges Hologramm davon, wie etwas aussieht. Aber es ist in Wirklichkeit ein geistiges Hologramm, das von all den chemischen und elektrischen Impulsen kommt.
Aber diese Hologramme sind nicht nur visueller Art. Diese geistigen Hologramme können auch Laute sein, z.B. Worte. Wir hören keinen ganzen Satz auf einmal sondern in kleinen Teilen, Moment für Moment und dennoch entsteht ein mentales Hologramm von dem ganzen Satz und man versteht, was es bedeutet. Genauso entstehen auch geistige Hologramme in der Form von Gefühlen, von Gedanken und auch in Form von Formulierungen – diese Sprache. Diese Dinge entstehen einfach auf. Es ist etwas Wahrnehmung beteiligt. Dies also ist Sehen, Denken oder Fühlen. So ist es. Und diese geistige Aktivität passiert ohne ein „ich“, das von dem getrennt wäre, das beobachtet oder steuert und verursacht. Es passiert einfach. Ein Teil dieses geistigen Hologramms sind Gedanken von „ich“ – „das ist meine Stimme“. Wer denkt da? Ich denke. Du bist es nicht, der denkt – ich denke. Aber es ist nur ein Teil dieses ganzen Prozesses dieser Hologramme.
Was ist die Ursache der Stimme in unserem Kopf? Es ist nur eine Eigenschaft der geistigen Aktivität. Es ist nicht notwendigerweise so, wie alle geistigen Aktivitäten von statten gehen. Die Stimme spricht nicht andauernd und ich bezweifle, dass ein Regenwurm in Form einer Stimme denkt. Der Regenwurm hat ganz sicherlich ein Gehirn und einen Geist, sieht und hört Dinge.
Hier wird es tatsächlich sehr interessant. Das Hologramm des Klangbildes einer Stimme ist eine Form der Kommunikation, nicht wahr? Es ist eine Art begriffliches Erfassen), die einen Gedanken in Form des geistigen Klangbildes von Worten ausdrückt oder kommuniziert. Die interessant Frage ist: Wenn jemand von Geburt an gehörlos (taubstumm) ist, hat er absolut kein Konzept von Geräusch – haben diese Menschen eine Stimme im Kopf oder denken sie in Zeichensprache? Das ist eine sehr interessant Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe.
Egal, ob es eine Stimme ist oder Zeichensprache, was auch immer – oder so wie die Würmer denken – die Illusion ist, dass es ein von mir getrenntes „ich“ gibt, das spricht, an der Schalttafel sitzt, und dass von den Augen aus die Information dann auf einem Bildschirm erscheint und dass die Stimme durch ein Mikrofon spricht und dann ein Knopf drückt, um meine Beine und Arme zu bewegen. Das ist durch und durch eine Illusion. Aber diese Art von „ich“, das an der Schalttafel sitzt, ist Gegenstand all dieser Gedanken: „Oh, was die Leute nur von mir denken“, und „was soll ich bloß machen?“ Dieses „ich“ an der Schalttafel ist es , um das wir uns Sorgen machen.
Wenn uns klar wird, dass dieses „ich“ wie eine Illusion ist, dann müssen wir uns keine Sorgen mehr machen. Wir sprechen, wir handeln. Na klar, das bin ich: ich spreche und handle. Und wenn es jemanden nicht gefällt, dann eben nicht. Na und? Buddha hat es auch nicht jedem recht gemacht. Nicht jeder mochte den Buddha, was erwarte ich also von mir? Wir wenden einfach Verständnis, Liebe und Mitgefühl an und handeln. Und fertig. Und machen Sie sich keine Sorgen wie: „Was denken die anderen von mir“. Aber das ist nicht so einfach getan wie gesagt.
Sich beherrschen, wenn andere ärgerlich sind
Wenn jemand anderes ärgerlich auf uns ist, wie können wir uns unsere Kontrolle behalten?
Hauptsächlich, indem wir uns daran erinnern, dass sie wie kleine Kinder sind. Wenn ein zweijähriges Kind wütend ist, wenn wir sagen: „ab ins Bett“ und es dann sagt „Ich hasse dich. Du bist gemein!“ und es dann ein Riesentheater macht, werden wir dann wütend? Naja, manche Menschen werden dann wütend. Aber es ist doch ein zweijähriges Kind, was können wir da schon erwarten? Sie versuchen den Kleinen zu beruhigen. Genauso im Falles des ärgerlichen Menschen: seien Sie einfühlsam, wie mit einem Zweijährigen. Denken Sie darüber nach: wie würden Sie mit einem Zweijährigen umgehen? Normalerweise, wenn kleines Kind sich so schrecklich aufführt, dann beruhigt es sich, wenn man es hoch nimmt, und es liebevoll im Arm hält nicht wahr? Wenn man es anschreit, brüllt es nur noch mehr. Erwachsene sind auch so – große Babys.