In dem Text „Filigranschmuck der Verwirklichung“ (tib. mNgon-rtogs rgyan, Skt. Abhisamayalamkara), zählt Maitreya sechsundvierzig Störungen auf, die Hindernisse bei der Entwicklung der für Bodhisattvas anwendbaren Weisheiten (tib. sbyor-ba’i skyon) verursachen. Diese Störungen können bis in die siebte Stufe des Bhumi-Geistes eines Arya-Bodhisattva auftreten, worauf in der Svatantrika-Sammlung hingewiesen wird. Obgleich sie in Bezug auf das Studium der Prajnaparamita-Schriften (Tiefgreifendes Unterscheidendes Gewahrsein, Vervollkommnung der Weisheit) erwähnt werden, können diese Störungen auch andere Aspekte des Dharma-Studiums und der Dharmapraxis betreffen.
20 Störungen, die nur Schüler betreffen
12 allgemeine die Schüler betreffende Störungen
1. Dass man viel Zeit braucht und große Schwierigkeiten hat, Prajnaparamita zu verstehen. Dies bezieht sich sowohl auf die auf die inneren als auch die äußeren Hindernisse, die diese Störung verursachen.
2. Sehr schnell zu lernen und sich deshalb stolz fühlen, aber dabei das Lernen der Details zu vernachlässigen.
3. Beim Niederschreiben der Prajnaparamita-Lehren oder beim Malen eines Thanka, physische Hindernisse wie Gähnen, Lachen, Scherzen und Sich-lustig-Machen erfahren.
4. Beim Niederschreiben der Prajnaparamita-Lehren, geistige Hindernisse erfahren, wie schlampig arbeiten oder nur mit der halben Aufmerksamkeit arbeiten, während die übrige Aufmerksamkeit einer Person oder anderen Dingen zugewandt ist.
5. Hindernisse der Rede erfahren, wie zum Beispiel ein Sutra rezitieren oder eine Puja zu feiern.
6. Sich von der Mahayana-Praxis abzuwenden und einer anderen Tradition zu folgen obwohl wir bereits dem Mahayana-Weg folgen und wir einsehen, dass er richtig ist, aber wir entmutigt werden, weil kein Buddha uns voraussagt wo und wann wir erleuchtet werden.
7. Unsere Vertrauen in den Mahayana-Weg zu verringern, obwohl wir anfangs große Begeisterung für ihn hatten – doch dann werden wir entmutigt, weil wir feststellen, wie schwierig er ist und wie lange er dauern wird.
8. Anstatt ein angemessenes Gefühl (engl. taste, Geschmack) für die Lehre des Buddhas über Prajnaparamita zu bekommen, sind wir sehr in weltliche Dinge verstrickt (kosten von ihnen ausgiebig).
9. Versuchen, das allwissende Bewusstsein eines Buddha mithilfe der Hinayana-Praxis zu erlangen.
10. Obwohl man die wichtigsten Teile der Mahayana-Lehre verstanden hat , ihr nicht zu folgen, sondern stattdessen zum Hinayana zu wechseln, weil es einfacher ist.
11. Glauben, dass wir Erleuchtung erlangen könnten, indem wir nur den Hinayana-Lehren folgen.
12. Glauben, dass Hinayana und Mahayana dasselbe sind und die gleichen Resultate erbringen.
8 Störungen, die geistiges Abschweifen verursachen
13. Viele parteiische, voreingenommene oder befangene Gedanken bekommen, weil man von begehrenswerten Sinnesobjekten angezogen wird.
14. Beim Kopieren oder Niederschreiben von Büchern, wie dem Prajnaparamita, anstatt das Buch als nur ein Buch zu betrachten, das betreffende Buch als die wahre Weisheit der Buddhas anzusehen.
15. Versuchen, Sicherheit in nichtzugeschrieben existierenden Phänomenen zu finden, wie zum Beispiel in Büchern.
16. Von Bücher allgemein angezogen zu sein und an ihnen zu haften.
17. Von mündlichen Belehrungen und Rezitationen angezogen zu sein und an ihnen zu haften und sie (dabei) als die wahren Weisheiten der Buddhas (ansehen).
18. Von schönen Orten, schönen Anblicken und Geld angezogen zu sein und an ihnen zu haften.
19. Zufriedenheit zu verspüren weil wir gelobt oder geschmeichelt werden und darüber geistig abzuschweifen, wie wundervoll wir sind.
20. Versuchen, Befreiung durch das Befolgen der Worte von Mara (dämonische Kräfte) zu erlangen, der die Gestalt von Mönchen angenommen und Falsches unterrichtet hat.
23 Störungen, die sowohl die Schüler als auch ihre Lehrer betreffen
Diese Störungen treten auf , nachdem wir, als Schüler, einen spirituellen Lehrer gründlich geprüft und ihn als unseren Lehrer angenommen haben. Im Nachhinein stellen wir aber fest, dass der Lehrer verglichen mit uns selber die folgenden Fehler hat, was uns keine Ruhe mehr lässt. Natürlich müssen wir solch einen Lehrer meiden, wenn wir diese Fehler bei ihm finden, bevor wir ihn als unseren Lehrer annehmen.
14 Störungen des Lehrers im Gegensatz zum Schüler
21. Wir, als der Schüler, haben ein große Begeisterung für Prajnaparamita und bewundern die Lehre, aber der Lehrer ist faul und macht nicht einmal den Versuch sie zu unterrichten. Der Lehrer ist nicht daran interessiert, sie zu unterrichten und schiebt es immer wieder hinaus.
22. Der Schüler möchte Prajnaparamita erlernen, aber der Lehrer möchte etwas anderes unterrichten. Der Lehrer geht nicht darauf ein, was der Schüler erlernen möchte oder muss, und unterrichtet nur, was er oder sie mag. Das kann auch bedeuten, dass der Schüler an einem Ort studieren möchte, und der Lehrer an einem anderen.
23. Der Schüler ist zufrieden, aber der Lehrer ist von Wünschen nach Sinnesobjekten erfüllt.
24. Der Schüler folgt den zwölf positiven Übungen, wie auf einem Friedhof leben und nicht unter einem Dach und so weiter, aber der Meister tut es nicht.
25. Der Schüler hat gute Eigenschaften wie einen überzeugten Glauben, aber der Lehrer nicht.
26. Der Schüler ist großzügig, aber der Lehrer ist geizig.
27. Der Schüler möchte dem Lehrer viele Opfergaben darbringen, aber der Lehrer lehnt es ab sie anzunehmen.
28. Der Schüler braucht nur eine kurze Erwähnung eines Themas um Sachverhalte zu verstehen und zu erlernen, aber der Lehrer braucht eine umfangreiche und ausgedehnte Erklärung.
29. Der Schüler hat Kenntnisse der Schriften in Bezug auf die zwölf schriftlichen Kategorien, aber der Lehrer nicht.
30. Der Schüler hat die sechs weitreichenden Einstellungen (sechs Vollkommenheiten), entwickelt, der Lehrer aber nicht.
31. Der Schüler ist ein Experte in den Wegen, die zur Erleuchtung führen, während der Lehrer ein Experte darin ist, weltliche Ziele zu erreichen. Mit anderen Worten: Der Schüler kennt mehr und bessere Methoden für das Erreichen der Erleuchtung, als der Lehrer.
32. Der Schüler hat die Fähigkeit, sich an die Lehren sehr gut zu erinnern, aber der Lehrer nicht.
33. Der Schüler möchte allen Prajnaparamita-Lehren niederschreiben, aber der Lehrer möchte sie nicht aufschreiben oder erlauben, dass die Lehren aufgeschrieben werden.
34. Der Schüler hat die Probleme der täglichen Hindernisse wie Müdigkeit, Zweifeln, Reue, Stolz, Einbildung und das Nachsinnen über solche Sachen wie schöne Landschaften überwunden, der Lehrer aber nicht.
3 Störungen des Schülers im Gegensatz zum Lehrer
35. Der Lehrer spricht über die qualvollen Höllenbereiche und der Schüler dreht durch und weigert sich, sich jemals die Wiedergeburt in einem solchen Bereich zu wünschen um den Wesen zu helfen, die dort gefangen sind.
36. Der Lehrer spricht über die Freuden in den göttlichen, himmlischen Bereichen, woraufhin der Schüler den Wunsch entwickelt, dort wiedergeboren zu werden.
37. Der Lehrer möchte eine kleine Gruppe Schüler unterrichten, aber der Schüler bringt entgegen dem Wunsch des Lehrers noch viele andere Schüler mit.
6 Störungen auf beiden Seiten
38. Der Lehrer ist unfair und möchte, dass der Schüler nicht bei irgend einem anderen Lehrer lernt, doch der Schüler ist anderer Meinung und studiert (trotzdem) bei anderen.
39. Der Lehrer wünscht und verlangt bestimmte Sachen vom Schüler, aber der Schüler möchte nicht sie machen.
40. Der Lehrer möchte an einen Ort gehen, an dem es gefährlich ist zu leben, aber der Schüler möchte das nicht und geht nicht mit.
41. Der Lehrer möchte an einen Ort gehen an dem es eine große Hungersnot herrscht, aber der Schüler kommt nicht mit.
42. Der Lehrer möchte an eine Ort gehen, an dem es viele Diebe und Räuber gibt, aber der Schüler kommt nicht mit.
43. Der Lehrer möchte an einen Ort gehen, wo die Leute reichlich Opfergaben und Spenden geben, aber der Schüler kommt nicht mit.
3 Störungen hinsichtlich der sogenannten Lehrer, die in Wirklichkeit irreführende Lehrer sind
44. Wenn wir die authentischen Prajnaparamita-Lehren studieren und ein sogenannter Lehrer kommt und sagt, „Was du studierst ist nicht gut. Komm, lern bei mir“, und das, was er stattdessen unterrichtet in Wirklichkeit sogenannte Prajnaparamita-Lehren sind, die von ihm selber erfunden wurden.
45. Wenn wir korrekterweise über die Leere meditieren und ein sogenannter Lehrer kommt und sagt „Meditiere nicht so. Meditiere über den hässlichen Aspekte des Körpers oder ähnliche Dinge, um Einsicht in die Leerheit zu gewinnen.“ Im Allgemeinen bedeutet dies ,dass wir einen sogenannten Lehrer treffen, der uns erklärt, dass unsere eigentlich richtigen Methoden des Meditierens falsch sind.
46. Irrtümlicherweise glauben, dass ein sogenannter Lehrer – „eine Manifestation von Mara“ – ein erleuchtetes Wesen ist.