Es gibt verschiedenen Arten von Übungen, die im Zusammenhang damit angeführt werden, wie wir uns darin üben können, unserem Leben tatsächlich diese sichere Richtung zu geben, die in Richtung Buddha, Dharma und Sangha führt. Denn diese Übungen geben sehr klare Hinweise auf die praktische Anwendung all dessen im täglichen Leben. Was tun wir wirklich, um diese Richtung beizubehalten?
Dafür gibt es zwei Listen mit Übungen. Die eine ist einem Text entnommen, der von dem altehrwürdigen indischen Meister namens Asanga verfasst wurde: „Der alles umfassende Text für Vergewisserungen“ (tib. „gTan-la dbab-pa bsdu-ba“, Skt. „Vinishcaya-samgraha“). Die andere stammt aus so genannten Quintessenz-Lehren. „Quintessenz-Lehren“ können schriftlich oder auch nur mündlich erteilt werden, aber jedenfalls enthalten sie keine Angaben darüber, dass sie aus einem bestimmten Text hergeleitet sind. Beide Listen sind in zwei Bereiche unterteilt. Hier haben wir eine Liste mit Punkten, die im Zusammenhang mit jedem einzelnen der drei Juwelen stehen, und mit Punkten, die im Zusammenhang mit allen dreien gemeinsam stehen.
Asangas Liste
Lassen Sie uns zuerst die Liste mit Anweisungen aus jenem Text von Asanga durchgehen. In jeder der zwei Unterteilungen gibt es vier Übungen.
Uns einem spirituellen Lehrer anvertrauen
Parallel dazu, dass wir unsere sichere Richtung an den Buddhas orientieren, gehen wir eine tiefgehende Verbindung zu einem spirituellen Lehrer ein.
Hauptsächlich geht es darum, ein Vorbild zu haben und davon inspiriert zu werden. Dafür brauchen wir einen spirituellen Lehrer. Ein spiritueller Lehrer ist nicht nur jemand, der uns Informationen gibt – Informationen können wir auch aus einem Buch oder aus dem Internet bekommen - sondern jemand, der uns durch sein lebendiges Beispiel wirklich inspiriert, natürlich auch unsere Fragen beantwortet usw., und uns korrigiert, wenn wir Fehler machen.
Wenn wir noch keinen spirituellen Lehrer gefunden haben, müssen wir ein paar Anstrengungen unternehmen, um einen zu finden. Ja, das ist sehr schwierig, vor allem, wenn die Auswahl begrenzt ist, wenn nicht viele Lehrer an den Ort kommen, wo wir leben. Und sogar wenn sie kommen, bleiben sie nur für ein paar Tage und reisen dann weiter zum nächsten Ort ihrer Vortragsreise. Vielleicht gibt es auch so viele andere Schüler, dass die betreffenden Lehrer keine Zeit haben, mit mir Einzelgespräche zu führen. Doch es gibt viele verschiedene Ebenen spiritueller Lehrer. Es kann Lehrer geben, die uns nur mit Informationen versorgen. Es gibt Lehrer, die uns zeigen, welche Sitzhaltung am angemessensten ist usw. Es gibt Lehrer, die uns einfach durch Gespräche helfen. Es gibt Lehrer, die uns tatsächlich spirituelle Anleitung geben, uns Gelübde übertragen und von denen wir Rat für unseren spirituellen Weg bekommen.
[Siehe: Unterschiedliche Ebenen spiritueller Lehrer und Schüler]
Aber wovon hier eigentlich die Rede ist, ist der Lehrer, der uns persönlich inspiriert. Solch einem Lehrer vertrauen wir uns mit ganzem Herzen an. Vielleicht ist er für sonst niemanden inspirierend. Und bloß, dass andere einen bestimmten Lehrer großartig finden, heißt noch lange nicht, dass auch wir ihn besonders inspirierend finden. In der westlichen Umgangssprache ausgedrückt: Die Chemie muss stimmen, oder, um es in buddhistischer Terminologie auszudrücken: Eine Art karmische Verbindung besteht. Dieser Lehrer, den wir so inspirierend finden, ist es, der uns wirklich die Energie für den Pfad gibt.
Die Verbindung muss nicht dergestalt sein, dass er derjenige ist, von dem wir tatsächlich eine Menge Informationen oder persönliche Anleitungen bekommen. Es könnte jemand wie Seine Heiligkeit der Dalai Lama sein, dem wir nie unter vier Augen in einem persönlichen Gespräch begegnen. Und natürlich ist es wesentlich besser, seinen Unterweisungen zu lauschen, Aufzeichnungen davon zu hören oder seine Bücher zu lesen.
Für die Zufluchtnahme gibt es eine formale Zeremonie, die durchgeführt werden kann und das Ganze zu einem besonderen Ereignis macht, ihm Nachdruck verleiht: „Nun mache ich wirklich Ernst damit, diese sichere Ausrichtung in meinem Leben einzuschlagen.“ Diese Zeremonie wird mit einem spirituellen Lehrer durchgeführt, aber das heißt nicht, dass dieser nun unbedingt unser Guru bzw. unser spiritueller Lehrer wird. Wir erweisen ihm Respekt, weil er uns in gewisser Weise die Tür öffnet, aber wir finden ihn vielleicht nicht besonders inspirierend. Das heißt auch nicht, dass wir nun zu derjenigen Traditionen des Buddhismus gehören, der dieser Lehrer angehört, welcher uns formal die Zuflucht gegeben hat. Wir treten damit nicht dem Verein dieser Person bei und sind nun ausschließlich Mitglied ihres Dharma-„Fußballteams“. Wir nehmen Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha, nicht zu der Person, die die Zeremonie durchführt.
Wenn wir in diese Richtung gehen, ist es sehr wichtig, Vorbilder zu haben, jemanden, der uns inspiriert, einen spirituellen Lehrer. Wie aus den Texten hervorgeht, ist die wesentliche Funktion des spirituellen Lehrers, für die Inspiration, die Energie zu sorgen, die uns auf den Weg bringt, uns veranlasst, auf diesem Weg zu bleiben und ihn schließlich zu vollenden. Wir können zwar theoretisch diese Inspiration auch aus dem Beispiel von Buddha Shakyamuni selbst und den Arya-Wesen gewinnen, aber für die meisten von uns ist es ziemlich schwierig, den persönlichen Bezug dazu herzustellen und wir können natürlich keinen von ihnen persönlich treffen.
Die Lehren Buddhas studieren
Um die Dharma-Richtung in unserem Leben aufrechtzuerhalten, müssen wir uns als erstes schulen, indem wir die Lehren Buddhas studieren. Das ist überaus wichtig. Seine Heiligkeit der Dalai Lama betont das immer und immer wieder: Ohne tatsächlich die Lehren zu studieren, versteht man überhaupt nichts. Man führt nur Rituale durch usw., aber ohne sie zu verstehen. Das wird nicht viel bringen.
Um in eine bestimmte Richtung zu gehen, müssen wir wissen, was diese Richtung ist. Wir müssen lernen, welches die Methoden dafür sind. Wenn wir das nicht gelernt haben – wie soll es dann möglich sein, in diese Richtung zu gehen? Wenn wir lesen möchten, müssen wir lesen lernen. Da führt kein Weg dran vorbei.
Die Aufmerksamkeit besonders auf die Lehren lenken, um störende Emotionen zu überwinden
Die zweite Schulung in Verbindung mit dem Dharma besteht darin, unsere Aufmerksamkeit auf die Aspekte der Lehren zu lenken, in denen es speziell darum geht, wie wir unsere störenden Emotionen überwinden können. Es gibt Lehren über alles Mögliche, aber z.B. bloß zu lernen, wie lange in den unterschiedlichen Bereichen die jeweilige Lebensspanne dauert, mag ja ganz interessant sein, aber es wird uns nicht sonderlich viel dabei helfen, unseren Ärger zu überwinden oder unsere Gier oder Selbstsucht. Um in die Richtung des tiefsten Dharmajuwels zu gehen – wahre Beendigung und wahrer Pfadgeist – konzentrieren wir uns also dann innerhalb der Lehren auf diejenigen Aspekte, die uns helfen, unsere störenden Emotionen und Verhaltensweisen abzulegen.
Dem Beispiel der hoch verwirklichten Arya-Sangha folgen
Um die Richtung im Zusammenhang mit dem Sangha – was sich hier auf den Arya-Sangha bezieht, die Praktizierenden mit weit fortgeschrittenen Erkenntnissen und Verwirklichungen – aufrechtzuerhalten, übt man sich darin, ihrem Beispiel zu folgen. Dabei geht es nicht um das Beispiel der Ordinierten. Es ist nicht so, dass wir Mönche oder Nonnen werden müssen. Denn schließlich können hoch verwirklichte Wesen ordiniert sein oder auch nicht. Aber sie bringen überaus große Anstrengungen auf, zu lernen und zu praktizieren, sodass sie diese hohe Ebene der Erkenntnis und Verwirklichung erreichen, nämlich die unbegriffliche Wahrnehmung der Leerheit, der vier edlen Wahrheiten usw., und dann unternehmen sie weiterhin große Anstrengungen bis hin zur Befreiung und Erleuchtung. Das ist das Beispiel, dem wir zu folgen haben.
Die Bedeutung dieser vier Schulungen im täglichen Leben
Die Bedeutung dessen im täglichen Leben ist folgendermaßen: Ich habe eine Art Vorbild, einen spirituellen Lehrer; das inspiriert mich sehr, wenn ich in einer schwierigen Situation stecke. Und ich lerne die Methoden des Dharma und konzentriere mich dabei vor allem auf die Methoden, die mir helfen, meinen Ärger zu überwinden, meine Gier, Selbstsucht usw. Ich folge dem Beispiel des Arya-Sangha, diese Methoden die ganze Zeit in die Tat umzusetzen, wann immer Schwierigkeiten auftreten, und auch dann, wenn gerade keine Schwierigkeiten auftreten, als eine Art Vorsorge, um zu verhindern, dass Schwierigkeiten entstehen. Ich mache es einfach, auf eine nicht-dualistische Weise. Diese Praxis, meinem Leben eine sichere Ausrichtung zu geben, liegt die Motivation zugrunde, dass es nicht noch schlimmer wird. Ich verstehe, dass es mir helfen wird, ein glücklicherer Mensch zu sein und Probleme zu vermeiden, wenn ich diese sichere Richtung einschlage. Und all das zu tun fühlt sich richtig an. Ich fühle mich glücklicher und habe mehr inneren Frieden. Ich bin nicht nur Opfer der Schwierigkeiten, die in meinem Leben auftreten; ich arbeite in gewisser Weise daran, sie zu überwinden und durch meine Zuflucht in Buddha, Dharma und Sangha bekomme ich eine Art Kraft und mir stehen die Methoden zur Verfügung, dies umzusetzen.
Sich vom Streben nach Sinnesgenüssen abwenden
Parallel zu der sicheren Richtung, die sich an allen drei Juwelen als Gesamtheit orientiert, wenden wir als erstes unseren Geist vom Streben nach Sinnesgenüssen ab und machen es uns stattdessen zur Hauptaufgabe im Leben, an uns zu arbeiten. Einer meiner Lehrer, Geshe Ngawang Dargye, sagte immer: „Wir sollten aufhören, Tourist in Samsara zu sein“ – nämlich jenem Gefühl nachzugeben, dass wir losgehen müssen und alle möglichen Dinge tun müssen, die das samsarische Leben bietet. Denn bloß nach Sinnesgenüssen und dergleichen zu streben, beinhaltet, genauer betrachtet, das, was „das Leiden der Veränderung“ genannt wird, weil es uns nie zufriedenstellen wird; Sinnesfreuden dauern nicht, wir wollen immer noch mehr, und wenn wir zu viel davon genießen, wird uns übel. Stimmt's? Wenn z.B. unser Lieblingsessen wahres Glück wäre, wären wir umso glücklicher, je mehr wir davon essen. Aber offensichtlich gibt es da Grenzen.
Wenn wir es stattdessen zu unserem Hauptanliegen machen, an uns zu arbeiten und zu versuchen, das zu überwinden, was bewirkt, dass wir unseren inneren Frieden verlieren, werden wir als Folge davon ganz offensichtlich mehr inneren Frieden haben. Tatsächlich werden wir auf eine viel stabilere Weise glücklich sein. Sie wird vielleicht nicht so dramatisch wie eine sexuelle Begegnung sein, aber sie ist wesentlich dauerhafter und gefestigter.
Das heißt nicht, dass wir jegliche Vergnügungen, alles gute Essen, sexuelle Erfahrungen und all das völlig aufgeben müssen, all unser Geld verschenken usw., sondern es geht darum, das in eine bestimmte Perspektive zu rücken. Manchmal müssen wir uns entspannen. Wir brauchen Entspannung, um dann weitermachen und effektiver arbeiten zu können. Aber wir gönnen uns diese Entspannung fast wie eine Art Medizin. In einem der Widmungsgebete wird das im Zusammenhang mit Nahrung zum Ausdruck gebracht: Ich nehme diese Nahrung nicht aus Gier zu mir, nicht aus Verlangen usw.; ich nehme sie zu mir wie Medizin, die mir Kraft geben kann, damit ich weiterhin anderen helfen kann.
Wenn wir das, wodurch wir uns entspannen – ins Kino gehen oder was immer es sein mag -, als eine Art Medizin betrachten, durch die sich unsere Energie regeneriert, wunderbar. Dann hält sich das in gewissen Grenzen, in Maßen, und wir überbewerten das Vergnügen nicht, das wir daraus gewinnen.
Es gibt da so einen Witz: Wer am Ende des Lebens am meisten Spielsachen und Besitztümer angehäuft hat, gewinnt … Das trifft nicht zu. Es ist nicht so, dass der ganze Sinn des Lebens darin besteht, so viele Apparate und elektronische Geräte anzusammeln wie möglich, mehr Filme als jeder andere gesehen zu haben oder ein Bankkonto mit einer höheren Summe als irgendjemand sonst zu haben oder mehr gegessen zu haben als andere. Das ist nicht der Sinn des Lebens, oder? Und es wird uns keine dauerhafte Befriedigung verschaffen, insbesondere wenn wir an zukünftige Leben denken.
Es gibt also unserem täglichen Leben eine ganz andere Wendung, dass wir den Schwerpunkt nicht mehr auf Unterhaltung legen – immer mehr Musik hören oder so etwas. Sie kennen sicher auch solche Leute, die süchtig danach sind, den ganzen Tag Musik zu hören und nur noch mit ihrem iPod herumlaufen. Wenn wir unserem Leben die sichere Richtung der Zuflucht gegeben haben und uns dann die ganze Zeit mit Musik ablenken, wird uns das sicher nicht helfen, in diese Richtung zu gehen. Wenn wir diese Richtung einschlagen wollen, besteht das Wesentliche in unserem Leben darin, zu versuchen, unsere Anhaftungen, unsere Gier, unsere Selbstsucht usw. zu überwinden. Aber, noch einmal: Nicht auf die perfektionistische Weise. Wir können durchaus noch Vergnügen haben.
Das ist ein sehr interessanter Begriff. Was ist überhaupt Vergnügen? Eine meiner Lieblingsgeschichten ist: Ich war mit meinem Lehrer, dem alten Serkong Rinpoche auf Reisen, und wir wohnten in Holland bei einer reichen Familie. Die Familie besaß eine riesige Yacht, die in einem sehr kleinen See lag. Sie machten mit uns einen Ausflug in ihrer Yacht und wir fuhren, zusammen mit vielen anderen Yachten, auf diesem kleinen See herum. Wir fuhren nur sehr langsam im Kreis herum, wie in einer Art Kinderkarussell auf einem Rummelplatz. Rinpoche nahm mich zur Seite und fragte mich auf Tibetisch: „Ist es das, was sie als Vergnügen betrachten?“ – Was ist Vergnügen eigentlich?
Shantideva sagt, wenn unsere Dharma-Arbeit uns ein Vergnügen ist, sind wir nicht glücklich, ohne diese Art von Arbeit zu tun – anderen helfen, an uns arbeiten usw. Das ist es, worum sich das Thema Ausdauer dreht: Freude an dem zu haben, was man tut. Wenn wir Freude an dem haben, was wir tun, werden wir damit weitermachen.
Und sich weiterzuentwickeln ist mit einer Menge Freude verbunden. Wir werden vielerlei störende Emotionen und innere Konflikte los oder verringern sie zumindest – das kann sehr viel Freude bringen. Harte Arbeit, aber erfreulich. Und während wir mehr und mehr Resultate davon erleben – was natürlich nicht linear verläuft, sondern auf und ab geht -, entdecken wir: Toll, das ist Klasse! Ich bin tatsächlich dabei, etwas zu bewegen.
Ich denke dabei an die Analogie von jemandem, der eine Sportart trainiert. Es ist harte Arbeit, dauernd zu schwimmen oder zu laufen usw. Aber wenn wir durch das Training länger durchhalten und weiter oder schneller laufen, fühlen wir uns wirklich großartig, nicht wahr? Trotz der Schwierigkeiten haben wir Freude daran. Genauso ist es hier in unserem Fall: Ich übe und übe und – Mensch, toll, ich habe es tatsächlich geschafft, ein Familientreffen mit lauter nervtötenden Verwandten zu überstehen, ohne wütend zu werden. Ich war imstande, die Geduld zu wahren, und das war gut so. Ich habe das Essen bestens überstanden. Ich habe es sogar tatsächlich genossen. Trotz des Geredes meiner Mutter oder meines Vaters: „Warum hast du noch nicht geheiratet?“ und „Wann willst Du denn endlich Kinder?“ und „Warum verdienst du nicht mehr Geld?“ und „Warum rufst du nicht öfter an?“, konnte ich innerlich ruhig bleiben und ganz gut damit umgehen. Es gibt einem wirklich ein gutes Gefühl, dass man das so hinkriegen kann.
Zusammenfassend ging es darum, unseren Geist von Streben nach Sinnesfreuden abzuwenden und um den Punkt, dass Dharma-Praxis tatsächlich mehr Freude machen kann.
Buddhas ethische Maßstäbe anwenden
Der nächste Punkt von Asangas Liste der Übungen, die im Zusammenhang mit allen Drei Kostbaren Juwelen gemeinsam steht, ist, die ethischen Maßstäbe anzuwenden, die der Buddha gesetzt hat. Das ist eine sehr wichtige Sache. Um diese Richtung in unserem Leben einzuschlagen, müssen wir destruktives Verhalten vermeiden und konstruktiv handeln. Auf diese Weise folgt man der grundlegenden buddhistischen Ethik. Denn wenn wir, aufgrund unserer störenden Emotionen, destruktiv handeln, schaffen wir nur noch mehr Unglück, vor allem für uns selbst und vielleicht auch für andere. Wenn wir konstruktiv handeln, führt das zu mehr Glück.
Buddhistische Ethik beruht nicht auf Gehorsam. Das ist hier nicht das Prinzip der Ethik. In anderen Systemen gibt es Gesetze, die entweder von einer göttlichen Macht oder durch Gesetzgebung erlassen wurden, und denen man als ethischer Mensch Gehorsam leisten muss, indem man sie befolgt. So ist es im Buddhismus nicht. Das Wesentliche ist vielmehr, selbst unterscheiden zu lernen, was hilfreich und was schädlich ist. Das ist sehr wichtig. Es geht einzig und allein darum, was hilfreich und was schädlich ist, nicht was gut oder böse, was legal oder was illegal ist. Auf der Grundlage dieser Unterscheidung – wir nennen das unterscheidendes Gewahrsein – unterlassen wird dann das, was schädlich wäre.
Schädlich ist, was selbstzerstörerisch wäre, was dazu führen würde, dass es immer schlimmer mit uns wird, wie etwa zunehmend von einer bestimmten destruktiven Gewohnheit abhängig zu werden, wie beispielsweise in gesundheitlicher Hinsicht vom Rauchen. In sozialer Hinsicht gibt es jedoch auch destruktive Verhaltensweisen, destruktive Emotionen oder destruktive Geisteshaltungen. Einfach ausgedrückt ist eine sichere Ausrichtung etwas, das dazu beiträgt, sich weiterzuentwickeln, und die eigenen Fähigkeiten verbessert, anderen von Nutzen zu sein.
Mitgefühl haben
Der nächste Punkt ist, zu versuchen, so einfühlsam und mitfühlend gegenüber anderen zu sein wie möglich. Ich glaube nicht, dass dieser Punkt sonderlich viel Erklärung erfordert. Selbst wenn wir nur auf unsere eigene Befreiung hinarbeiten, müssen wir mit Sicherheit anderen gegenüber freundlich sein, sie unterstützen usw.
An buddhistischen Feiertagen besondere Gaben darbringen
Der letzte Punkt ist, an Tagen, die im Buddhismus eine besondere Bedeutung haben, z.B. am Jahrestag von Buddhas Erleuchtung, spezielle Gaben von Früchten, Blumen usw. darzubringen. Das ist eigentlich ein interessanter Punkt, denn wir haben vielleicht die Einstellung, dass man keine besonderen Feiertage zu begehen braucht. Wozu soll das gut sein? Denken wir an das Beispiel, zu was für einer kommerziellen Angelegenheit Weihnachten in den westlichen Ländern geworden ist. „Wozu brauche ich das? Ist das jetzt die buddhistische Version davon, einen Weihnachtsbaum aufzustellen? Und statt Lichter am Weihnachtsbaum anzubringen stelle ich jetzt kleine Schälchen auf einen Altar – ich meine, was soll das alles?“
Ich denke, der Sinn des Ganzen ist hier, dem Buddha eine Ehre zu erweisen, sowie auch der Tradition, den Meistern usw. Es ist einfach eine Geste des Respekts. Man braucht keine riesengroße Sache daraus zu machen. Und wir brauchen auch nicht auf einen bestimmten buddhistischen Feiertag zu warten, um diesen Respekt zum Ausdruck zu bringen. Das ist etwas, was wir jeden Tag tun können. Wir sollten das nicht so handhaben wie: „Ich gehe nur sonntags zur Kirche, und den Rest der Woche mache ich, was ich will.“ Aber einen religiösen Feiertag zu begehen gibt uns auch das Gefühl, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein; ähnlich wie eine unterstützende Gruppe hat das also auch eine Art soziale Funktion.
Wenn wir diese Übungen betrachten, stellen wir fest, dass darin Manches enthalten ist, das nicht speziell buddhistisch anmutet. Dass es ratsam ist, mitfühlend und einfühlsam gegenüber anderen zu sein, eine gewisse Ethik zu befolgen usw. – dass ist so ziemlich überall gültig, nicht wahr?
Ich denke, was es zu etwas speziell Buddhistischem macht, sind die früheren Punkte auf dieser Liste: das Beispiel großer buddhistischer Meister als Vorbild anzusehen, die Lehren zu studieren, insbesondere die Lehren, die darauf abzielen, unsere störenden Emotionen zu verringern, und dem Beispiel der weit fortgeschrittenen Wesen mit hohen Erkenntnissen und Verwirklichungen zu folgen und wirklich große Anstrengungen in diese Richtung zu unternehmen. Und in diesem Kontext hat das Gesamtbild seine Bedeutung, indem man ethischen Richtlinien folgt, einfühlsam und gütig ist, nicht übermäßig den Sinnesbegierden folgt, sondern ganz klare Prioritäten setzt, Respekt für die Tradition zeigt usw.
Die Liste der Quintessenz-Lehren
Wir hatten also hier in der Liste, die aus Asangas Text stammt, eine Gruppe von Übungen für jedes einzelne der drei Juwelen und dann eine für alle drei gemeinsam. Ähnlich sind auch in den richtungsweisenden Anleitungen einige Übungen für jedes der drei Juwelen im Einzelnen und einige für alle drei zusammen enthalten. Was die einzelnen Juwelen betrifft, so gibt es für jedes jeweils eine Handlung, die zu vermeiden ist, und eine, die anzuwenden ist. Als erstes die Handlungen, die es zu vermeiden gilt.
In Bezug auf die Buddhas vermeiden, die letztendliche Ausrichtung woanders zu suchen
Wenn unsere sichere Richtung auf den Buddha ausgerichtet ist und wir dies in unser Leben einbringen wollen, ist das, was wir vermeiden müssen, unsere wesentliche Orientierung anderswohin auszurichten. Es ist interessant, das an sich selbst zu beobachten: Wenn ich mich wirklich schrecklich fühle – mich mies fühle, missmutig bin, wenn die Dinge in konventioneller Hinsicht nicht gut laufen – zu was nehme ich dann Zuflucht, welchem Trost wende ich mich zu? Ist es Schokolade, zum Beispiel? Ich fühle mich wirklich elend, und deshalb gehe ich los, stopfe mir einen großen Schokoladenriegel in den Mund, und irgendwie gibt mir das ein bisschen Freude, dann ist es nicht so schlimm. Wenn es nicht so gut läuft, wollen wir dann mit einem Freund oder einer Freundin reden? Oder wollen wir Sex haben? Was ist es? Sind wir wie ein kleiner Hund, dem man über den Kopf streicheln muss, und dann wedeln wir mit dem Schwanz?
In diesem Zusammenhang heißt es: nun gut, es ist in Ordnung, sich etwas Schokolade zu gönnen, wenn man ein bisschen deprimiert ist usw., aber es ist nicht so, dass die letztliche Quelle, von der wir unsere Richtung im Leben beziehen – Schokolade ist. Wie wäre es damit, die Methoden des Dharma anzuwenden, um mit der schwierigen Situation umzugehen?
Ich finde es recht seltsam, dass Leute, die – vermeintlich – so stark mit dem Dharma befasst sind, sogar die westlichen Dharma-Lehrer, wenn sie Schwierigkeiten in ihrer Ehe haben oder was auch immer, eher eine Psychotherapie anfangen als zu versuchen, die Methoden des Dharma anzuwenden. Ich bin dann immer ein bisschen erstaunt. Denn wenn wir ernsthaft diese Richtung in unserem Leben einschlagen, sind wir doch vermutlich überzeugt, dass der Dharma eine Lösung für die Probleme bietet, die wir im Leben haben. Das heißt natürlich nicht, dass wir, wenn wir an Krebs erkranken oder so etwas, einfach nur da sitzen und meditieren und dann wird der Dharma das schon in Ordnung bringen. Seien wir nicht albern. So ist es nicht gemeint. Natürlich gehen wir zum Arzt. Aber die Dharmapraxis kann uns dabei helfen, etwaige Depressionen zu überwinden, wenn wir Krebs haben.
Wenn wir das Gefühl haben, dass wir eine Therapie brauchen, damit wir mit jemandem über unsere Probleme sprechen können, einen anderen Blickwinkel bekommen usw., schön. Aber das spielt eine untergeordnete Rolle, es ist lediglich eine Art Ergänzung in dem Sinne, dass wir eigentlich versuchen, die Methoden des Dharma anzuwenden. Doch die eigentliche Zuflucht, die hauptsächliche Richtung, das Wesentliche, woran ich mich ausrichte, um meine Unzulänglichkeiten zu überwinden, sind die Methoden des Dharma. Vielleicht brauche ich etwas Anleitung dafür, wie ich sie anwende, aber ich vertraue darauf, dass Buddha erkannt hat, wie man Probleme beseitigt.
Oftmals, wenn dieser Punkt angesprochen wird – dass wir unsere höchste bzw. letztendliche Ausrichtung nicht an etwas anderem orientieren als an Buddha, Dharma und Sangha -, ist das, was erwähnt wird, die Anweisung, nicht letztendlich Zuflucht zu weltlichen Göttern zu nehmen. Vom buddhistischen Gesichtspunkt aus gesehen, sind die Götter anderer Religionen, weltliche Götter. In den verschiedenen anderen Religionen würde man das natürlich nicht so sehen.
Als Serkong Rinpoche einmal in Italien von jemandem gefragt wurde: „Ich bin jetzt Buddhist, aber kann ich trotzdem weiterhin zur Kirche gehen?“, antwortete Rinpoche: „Stehen die christlichen Lehren über Liebe im Widerspruch zu den buddhistischen Lehren über Liebe?“ Natürlich ist das nicht der Fall. Wenn man zur Kirche gehen möchte, ist das also kein Problem. Sondern worauf es ankommt, ist: Welches ist die letztendliche Richtung, die ich meinem Leben gebe? Man trifft eine Art Entscheidung in Bezug darauf, was man tut. Das heißt nicht, dass man alles andere ausschließen muss, sondern man macht sich einfach klar, was man im Leben tut. Wenn es etwas Positives gibt, das wir von anderen Traditionen lernen können, wunderbar. Das ist kein Problem.
Aber wenn es um die Praxis geht – vermischen Sie bitte nicht alles zu einem Eintopf. Wir gehen z.B. nicht in eine Kirche und machen dort ausgestreckte Niederwerfungen, und wenn in der Kirche gerade Rituale abgehalten werden, sitzen wir nicht da und murmeln „Om Mani Padme Hum“ und so etwas. Was das betrifft, tun wir die Dinge jeweils einzeln in ihrem jeweiligen Kontext und am geeigneten Ort.
Doch wovon hier in den Texten immer die Rede ist, sind die weltlichen Geister, die manchmal als Schützer angegeben werden. Diese sind nicht verlässlich. Sie können einen im Stich lassen. Und wir wollen nicht in eine Art Geisterverehrung verfallen. Dieser Punkt ist vielleicht eher für tibetische oder indische Zielgruppen von Belang, aber es gibt auch einige Westler, die von diesen verschiedenen Geistern – diesen Schützern usw. – fasziniert sind und sich damit beschäftigen.
Insbesondere dieses Wort „Schützer“ klingt so, als würden sie uns Schutz geben. Nun heißt es natürlich in einigen Traditionen innerhalb des tibetischen Buddhismus, dass manche Schützer Emanationen von Buddhas sind usw. Da müssen wir vorsichtig sein. Man trifft da auf eine nahezu biologische Klassifizierungslehre der unterschiedlichen Arten von Geistern und der unterschiedlichen Arten von Schützern, und das Ganze mutet fast an wie eine Biologiestunde.
Wir müssen jedoch erkennen, was das Grundlegende ist, das wir tun können, um Schutz vor Leiden zu erlangen. Das Wesentliche, worauf wir uns stützen müssen, ist im Grunde unser Karma. Mit anderen Worten: die Inspiration und das Beispiel von Buddha, Dharma und Sangha – und was wir dann tun, wie wir dann handeln, wird das beeinflussen, was wir in Zukunft erleben. Was diese Schützer bewirken können, ist vielleicht, gewisse Umstände oder Gelegenheiten zu schaffen, die es uns ermöglichen, einiges von den negativen Potenzialen zu verbrennen, indem wir sie in geringem Maße erleben, sodass die positiven Potenziale dann schneller reifen können. Dasselbe gilt, wenn man Rituale für den Medizin-Buddha durchführt: Sie können lediglich Umstände oder Gelegenheiten dafür schaffen, dass eventuelle positive Potenziale für die Überwindung der Krankheit – falls wir solche Potenziale haben – heranreifen. Aber der Punkt ist: Wenn wir nicht durch früheres Verhalten solche positiven Potenziale aufgebaut haben, spielt es keine Rolle, wieviel wir uns auf einen Schützer oder auf den Medizin-Buddha oder was auch immer stützen – wir haben nicht die Basis dafür, eine günstigere Situation zu erleben.
Es ist also sehr wichtig für unsere buddhistische Praxis, dass sie nicht zu einem Schützer-Kult wird – und übrigens auch nicht zu einem Buddha-Kult. Alles hängt davon ab, was wir selbst tun – wie wir uns verhalten, wie wir kommunizieren, wie wir denken. Wir haben Vorbilder dafür; wir haben Lehren; wir haben ein Ziel, das wir erreichen können, usw. Aber wir müssen tatsächlich entsprechend handeln und diese Richtung ansteuern. Kurz gesagt müssen wir uns also darüber im Klaren sein, was unsere letztendliche Richtung ist. Und auch wenn wir uns vorübergehend anderen Dingen zuwenden können, um etwas Hilfe zu bekommen, ist es wichtig auf der wesentlichen Spur bleiben.
In Bezug auf den Dharma vermeiden, anderen Schaden zuzufügen
Im Zusammenhang mit der sicheren Richtung des Dharmas ist das, was wir vermeiden müssen, andere – seien es Menschen, Tiere oder was auch immer – zu verletzen oder ihnen Schaden zuzufügen. Wir versuchen ja, anderen zu helfen, nicht, ihnen etwas zuleide zu tun. Das ist natürlich ziemlich schwierig, denn es kann ja sein, dass wir in bester Absicht etwas zu jemandem sagen und uns nichts Böses dabei denken, und aus irgendeinem Grund fühlt sich der- oder diejenige zutiefst verletzt von dem, was wir gesagt haben, hat es missverstanden und wird ganz empört oder wütend. Und wenn wir auf dem Erdboden herumlaufen, werden wir unweigerlich auf etwas drauftreten. Der Punkt ist, den Schaden, den wir anderen zufügen, so weit wie möglich zu verringern, und auf jeden Fall nicht absichtlich zu schaden. Doch aufgrund dieser eingeschränkten Hardware, mit der wir alle ausgestattet sind, werden wir zwangsläufig anderen schaden. Worauf es ankommt, ist, das so weit wie möglich zu verringern.
In Bezug auf den Sangha vermeiden, enge Beziehungen zu negativ eingestellten Menschen zu pflegen
Indem wir unsere sichere Richtung am Sangha orientieren, ist das, was wir vermeiden wollen, uns eng mit Menschen zusammenzutun, die sehr negative Einstellungen oder Verhaltensweisen haben. Dieser Punkt ist eine sehr heikle Sache. Worum es geht, ist: „Wenn wir auf unserem spirituellen Weg noch nicht stark gefestigt sind, können die Menschen, in deren Gesellschaft wir uns befinden, uns leicht in der einen oder anderen Richtung beeinflussen. Wir wollen hier also vermeiden, Gemeinschaft mit solchen Menschen zu haben, die ständig negative und schädliche Handlungen ausführen. Das könnte beispielsweise eine Clique sein, in der Kleinkriminalität an der Tagesordnung ist, oder eine Gruppe von Freunden, die ständig Drogen nehmen oder sich betrinken usw. Auf dieser Stufe unserer Entwicklung ist es recht schwierig, sich nicht von den Menschen beeinflussen zu lassen, mit denen wir Gemeinschaft pflegen. Wir möchten akzeptiert werden, wir wollen sie nicht vor den Kopf stoßen usw. Also trinken wir, nehmen Drogen, zerkratzen Autos, verschmieren alles mit Graffiti und all so etwas. Nach einer Weile verfallen wir selbst diesem Verhalten.
Der Punkt, der hier angesprochen wird, bedeutet nicht, dass wir ihn sagen sollen, was für schreckliche Menschen sie sind usw., sondern dass wir nicht mit ihnen herumhängen und unsere ganze Zeit mit ihnen verbringen, wenn sie wirklich negativen Einfluss auf uns haben. Wenn wir tatsächlich schwach sind, ist es das Beste, sie ganz zu meiden. Ähnlich wie man z.B. als Alkoholiker, wenn man seine Sucht loswerden möchte, aufhören muss, mit anderen Alkoholikern herumzuhängen. Man verbringt seine Zeit besser mit einer anderen Gruppe, etwa den Anonymen Alkoholikern, sodass man mit Leuten zusammen ist, die einen dabei unterstützen, von der Sucht loszukommen. Das ist in etwa vergleichbar.
Sehr interessant ist, dass all diese Punkte miteinander in Verbindung stehen. Wir können anfangen, indem wir uns fragen: Was ist das Wichtigste in meinem Leben? Ist es das Wichtigste in meinem Leben, von dieser Gruppe von Freunden akzeptiert und gemocht zu werden, die sehr negative Gewohnheiten haben? Ist es das, was mir im Leben am wichtigsten ist? Wird es mir zu dauerhaftem Glück verhelfen? Oder eher, diese Unzulänglichkeiten in mir selbst zu überwinden und dadurch besser imstande zu sein, anderen zu helfen usw. – ist das vielleicht wichtiger?
Das heißt natürlich nicht, dass wir aufhören, Interesse an jenen Freunden zu haben, liebevolle Gefühle für sie zu haben usw. Natürlich haben wir das. Und wir möchten, dass sie glücklich sind. Aber wir müssen aufpassen, meine ich. Einerseits möchten wir nicht von ihnen beeinflusst werden und in dasselbe Muster verfallen, aber andererseits möchten wir auch nicht in das andere Extrem verfallen, das wir bereits aufgezeigt haben, nämlich: „Ich bin Buddhist; ich bin viel besser als ihr“ usw., „und schließlich werde ich euch von euren Sünden befreien, von eurem sündigen Leben.“ Solch eine Einstellung ist natürlich furchtbar.
Aber Menschen entwickeln sich auseinander. Das ist etwas ganz Natürliches, das im Leben passiert. Ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass wir sie missbilligen oder dass sie nichts taugen oder so, kommt es hier darauf an, dass es, wenn wir stark von ihnen beeinflusst werden können, das Beste ist, sie zu meiden. Das heißt nicht, dass wir fortan in einer frommen buddhistischen Gemeinschaft leben müssen, weiße Kleidung tragen und Veganer werden müssen. So ist es nicht gemeint. Wir achten einfach darauf, wovon wir beeinflusst werden, welchen Einflüssen wir uns aussetzen. Wir versuchen so weit wie möglich schädliche Einflüsse zu vermeiden. Solche schädlichen Einflüsse können nicht nur von Leuten ausgehen, sondern beispielsweise auch vom Fernsehen, vom Betrachten pornographischer Inhalte im Internet, brutalen Kinofilmen, martialischen Video-Spielen und dergleichen mehr. Es geht um die Art von Einfluss, die unsere Begierde oder Feindseligkeit anstachelt.
Drei respektvolle Handlungen, die anzuwenden sind
Die Quintessenz-Lehren in Bezug auf die sichere Ausrichtung umfassen drei Handlungen, die als Zeichen des Respekts anzuwenden sind: Was den Buddha betrifft, so zeigen wir Respekt für Statuen, Bilder und andere künstlerische Darstellungen von Buddhas. Und wir zeigen Respekt für alle Bücher, insbesondere Dharma Bücher, im Hinblick auf die am Dharma orientierte Richtung. In Bezug auf die Sangha haben wir außerdem Respekt gegenüber allen Personen mit Ordinations-Gelübden, den buddhistischen Ordensgelübden und sogar auch nur gegenüber den Roben für Ordinierte.
Als Zeichen von Respekt vermeiden wir auch respektloses Verhalten. Wir hängen uns nicht ein Bild vom Buddha ins Badezimmer. Wir setzen uns nicht auf Dharma-Bücher oder schieben sie unter einen Stuhl oder Tisch, damit er nicht wackelt. Wenn es in unserem Dharma-Zentrum Mönche oder Nonnen gibt, behandeln wir sie nicht wie Bedienstete oder als diejenigen, die uns mit all den Einrichtungen versorgen sollen, weil wir die großen Praktizierenden sind und sie diejenigen, die Tee kochen, an der Tür das Geld einsammeln und anschließend saubermachen – wie es leider in vielen Dharma-Zentren üblich ist. Die Ordinierten sind am meisten daran interessiert, die Unterweisungen zu hören, und allzu oft sind sie diejenigen, die nicht daran teilnehmen können, weil sie die administratorischen und organisatorischen Aufgaben zu erledigen haben. Das ist natürlich nicht in Ordnung.
Dieser Punkt bedeutet nicht, dass wir Statuen verehren und anbeten, und wir glorifizieren auch nicht die Bücher, oder die Mönche und Nonnen, oder ihre Roben. Der Sinn des Ganzen ist, Respekt zu zeigen, denn sie stehen für Buddha, Dharma und Sangha.
Diese Übungen im Leben integrieren
Um noch einmal kurz zu rekapitulieren, was wir gerade besprochen haben: Wir wollen unserem Leben diese sichere Richtung geben – was tun wir also?
- Wir vermeiden, unsere Richtung primär an etwas anderem auszurichten.
- Wir fügen grundsätzlich anderen keinen Schaden zu.
- Wir vermeiden negative Einflüsse von anderen Menschen.
- Wir erweisen den Symbolen Respekt, die für die Richtung stehen, in die wir gehen.
Das ergibt Sinn. Es ist etwas, das wir als Teil unseres täglichen Lebens üben können. Das alles ist von Bedeutung für unser Leben, dass wir bestimmten Dingen gegenüber respektvoll sind, Klarheit darüber bewahren, was das Wichtigste in unserem Leben ist, und auf negative Einflüsse achten, die uns ablenken und davon abbringen könnten. Zudem versuchen wir, förderliche Bedingungen zu finden, die hilfreich dafür sind, in diese Richtung zu gehen. Und indem wir Bildnissen des Buddha, Dharma-Büchern und Ordinierten Respekt erweisen, zeigen wir äußere Zeichen des Respekts, aber es ist erforderlich, auch innerlich respektvoll mit dem umzugehen, was wir tun und was wir mit unserem Leben anfangen. Das ist ebenfalls sehr wichtig, denn es kann Situationen geben, in denen wir unsere Dharma-Praxis nicht äußerlich zur Schau stellen können, sagen wir, z.B. im Gefängnis oder beim Militär, oder selbst im Krankenhaus. Wenn wir uns in öffentlichen Räumen unter den Augen anderer Menschen befinden, ist es nicht unbedingt angemessen, Räucherstäbchen anzuzünden, Buddha-Statuen aufzustellen usw.
Stellen Sie sich vor, Sie verbringen das Wochenende mit ihren Eltern in einem Ein-Zimmer-Häuschen – da ist es vermutlich keine so gute Idee, direkt vor den Eltern Niederwerfungen zu machen. Sie könnten das ziemlich seltsam finden und anfangen, alle möglichen unbequemen Fragen zu stellen. Man muss das auch nicht machen. Es ist sehr wichtig, entsprechend der jeweiligen Situation, in der wir uns befinden, flexibel zu sein und dennoch ganz klar unsere Richtung und unsere Prioritäten beizubehalten. Es ist unsere respektvolle Einstellung gegenüber uns selbst und dem, was wir tun, die von Belang ist.
Sechs Übungen, die sich auf alle beziehen
Die Übungen, die sich auf alle drei Juwelen gleichzeitig beziehen, sind in den richtungsweisenden Anleitungen folgendermaßen angegeben:
(1) Zunächst einmal vergewissern wir uns unserer sicheren Richtung, indem wir uns kontinuierlich an die guten Eigenschaften von Buddha, Dharma und Sangha erinnern. Einfach diese Richtung einschlagen – das könnte manchmal ein bisschen mechanisch werden; deswegen ist es wichtig, die Motivation noch einmal zu verstärken usw. Uns an die guten Qualitäten von Buddha, Dharma und Sangha zu erinnern, an den Nutzen, den es hat, in diese Richtung zu gehen usw., hilft uns, das alles „mit Gefühl“ zu machen, wie wir vielleicht sagen würden.
(2) Die nächste dieser Übungen ist: Aus Dankbarkeit für die Güte und die Energie, die spirituelle Nahrung, die wir mit ihre Hilfe empfangen, bieten wir jeden Tag den ersten Bissen der Mahlzeiten und den ersten Schluck heißer Getränke, die wir zu uns nehmen, Buddha, Dharma und Sangha dar. Man kann ein wenig von dem Tee oder dem Kaffee, den wir morgens als erstes trinken, in ein kleines Gefäß gießen und auf den Altar platzieren. Wir können auch etwas Obst darbringen, oder das Ganze einfach nur in unserer Vorstellung tun, das ist völlig in Ordnung. Aber wenn wir etwas opfern, lassen wir es nicht einfach dort liegen, bis es verfault, oder, wie es in Indien üblich ist, warten, dass Mäuse kommen und es auffressen. Wir bringen es voller Dankbarkeit dar. Natürlich brauchen die Buddhas unsere kleine Teeschale oder das Stückchen Obst nicht und sie werden es nicht aufessen oder trinken, sondern es ist eine Geste. Wir stellen uns daher vor, dass sie es uns nach einer Weile zurückgeben und wir es dann zu uns nehmen. Wenn es eine Darbringung von Tee oder so etwas ist, spülen wir ihn nicht einfach die Toilette hinunter. Das ist nicht sehr respektvoll. Da ist es schon besser, wenn wir ihn selbst trinken.
Nun ist natürlich die Frage, was wir mit dem Inhalt der 7 Wasserschälchen machen sollen, die viele von uns jeden Tag auf dem Altar darbringen. Wenn es sich um ziemlich viel Wasser handelt – sollen wir das dann jeden Tag trinken? Nein, brauchen wir nicht. Jeden Tag die Blumen damit gießen? Ich würde sie vermutlich ertränken, wenn ich jeden Tag das ganze Wasser dafür verwenden würde. Aber schütten wir es wenigstens ins Waschbecken, nicht in die Toilette. Und auch nicht – ich denke da gerade an ein paar Beispiele in manchen Ländern der Welt, wo man das Wasser einfach aus dem Fenster schüttet. Das ist auch nicht angemessen.
Jedenfalls ist es nicht nötig, wenn wir unseren Tee oder Nahrunsmittel darbieten, einen besonderen Vers in einer fremden Sprache zu rezitieren, die wir nicht verstehen. Vor kurzem hat Dzongsar Khyentse Rinpoche in Berlin Belehrungen gegeben und sagte, wenn die Tibeter jedesmal beim Darbringen von Gaben oder anderen Dharma-Aktivitäten einen Vers auf Deutsch rezitieren müssten, den sie nicht verstehen, würden sie das bestimmt nicht tun. Wichtig ist, irgendeine Art Opferung darzubringen. Wir können einfach sagen, wie Serkong Rinpoche immer riet: „Buddhas, erfreut euch daran.“ Das ist alles, und wir müssen es nicht einmal laut sagen. Was ich normalerweise sage, ist: „Ich bringe dies Buddha, Dharma, Sangha und allen Wesen dar. Mögen alle in den Genuss solch guter Nahrung kommen.“ Wir müssen keine große Show daraus machen – „OM AH HUM“ summen und dann dasitzen und fünf Minuten lang eine Widmung der Speisen vornehmen, während alle am Tisch fast verhungern oder nur auf uns warten: „Wann ist er denn jetzt endlich fertig damit?“ Wir machen das einfach nur im Geist. Niemand muss mitbekommen, was wir machen. Jeder kann so etwas in seinem eigenen Tempo durchführen.
Es ist also nicht nötig, unsere Dharma-Praxis zur Schau zu stellen, erst recht nicht, wenn das anderen unangenehm ist oder sie dann anfangen, sich über uns lustig zu machen. Das ist sehr wichtig. Wir wollen uns nicht in eine Lage bringen, in der andere sich über unsere spirituelle Praxis lustig machen. Das lässt die ganze Energie verpuffen. Unsere Dharma-Praxis muss wirklich unsere Privatangelegenheit sein. Dann wird sie gewissermaßen etwas Heiliges für uns, und das ist wichtig.
(3) Die dritte Übung ist: Wir vergegenwärtigen uns das Mitgefühl von Buddha, Dharma und Sangha und versuchen, andere indirekt zu ermutigen, in ihre Richtung zu gehen. Das heißt nicht, dass wir losgehen wie Missionare und versuchen, jeden zu bekehren. Das ganz bestimmt nicht. Aber wenn andere dafür empfänglich sind, wenn sie interessiert sind, können wir sie darin bestärken. Und die beste Ermutigung dazu ist es, ihnen von unserem eigenen Beispiel und von unserer eigenen Erfahrung zu erzählen. „Das hat sich für mich als nützlich erwiesen. Ich weiß nicht, ob es für Sie nützlich ist oder nicht, aber mir hat es geholfen.“ Verstehen Sie? So ermutigt man andere indirekt dazu, es selbst auszuprobieren.
(4) Als vierte Übung ruft man sich die Vorteile ins Gedächtnis, die es hat, diese sichere Richtung einzuschlagen, indem man sie jeden Tag und jede Nacht dreimal bekundet. Normalerweise macht man das, wenn man morgens aufwacht und bevor man abends schlafen geht. Man wiederholt nicht nur die Worte, sondern, dass man seine sichere Richtung an Buddha, Dharma und Sangha orientiert. Man erinnert sich damit ganz explizit an diese Richtung. Oft verbindet man das mit drei Niederwerfungen, aber das muss nicht sein.
(5) Die fünfte Übung ist, egal, was passiert, sein Vertrauen in die sichere Richtung zu setzen. Wenn wir also in eine Krise geraten oder so etwas, ist es dies, worauf wir uns verlassen können. Wir fragen uns nicht bloß: „Buddha, rette mich davor“, sondern: „Was wäre der buddhistische Ratschlag, wie ich damit umgehen kann?“, und dann versuchen wir, ihn anzuwenden.
Freunde können uns vielleicht Sympathie und Unterstützung zukommen lassen, und sie können bei praktischen Dingen helfen – etwa wenn ich Probleme mit meinem Computer oder meinem Auto habe – aber bei persönlichen Problemen im Leben ist das, was Freunde uns bieten können, begrenzt. Sie haben ihre eigenen Probleme. Und leider ist es unumgänglich, dass sie uns enttäuschen. Wir haben unrealistische Hoffnungen, dass sie uns helfen werden, unsere Schmerzen oder Sorgen zu lindern, aber wir vergessen dabei, dass wir nicht das Einzige sind, was in ihrem Leben eine Rolle spielt – und warum sollten wir auch das Wichtigste sein, dem sie alle ihre Zeit und Energie zur Verfügung stellen? Das ist eine ziemlich selbstbezogene Einstellung, nicht wahr? Wenn wir diese Erwartungshaltung haben, werden sie uns unweigerlich enttäuschen. Sie haben auch noch anderes zu tun, andere Anliegen, andere Probleme.
Und unsere Lehrer sind vielleicht gerade sehr beschäftigt; es kann sein, dass sie keine Zeit haben. Vielleicht befinden sie sich gerade in einem anderen Land oder was auch immer. Aber die Inspiration, die wir durch unsere Lehrer bekommen, steht uns immer zur Verfügung – sie wird uns nicht im Stich lassen. Wenn wir wirklich empfänglich für diese Inspiration sind, werden wir diese Methoden tatsächlich in die Praxis umsetzen.
(6) Die letzte verbindliche Übung ist, diese Richtung im Leben niemals aufzugeben, ganz gleich, was passiert. Es ist die Natur von Samsara, die Natur des Lebens, dass es auf und ab geht. Schauen wir uns die Erfahrungen einiger großer Meister des tibetischen Buddhismus an. Sie haben ihr ganzes Leben lang intensiv praktiziert und dann werden sie 20 Jahre lang in ein chinesisches Konzentrationslager gesteckt. Es wäre gut möglich, dass sie einfach aufgeben, weil sie das Gefühl haben, ihre Dharma-Praxis sei nutzlos. Aber sie geben nicht auf. Oder jemand hat beispielsweise so viel im Leben praktiziert und handelt sich dann diesen schrecklichen, schmerzhaften Krebs ein. Auch er gibt nicht auf mit seiner Dharma-Praxis.
Aber, wie ein tibetischer Meister ganz lapidar sagte: Was erwarten wir von Samsara? Erwarten wir, dass alles gut läuft, dass die Dinge besser werden? Es ist nun einmal die Natur von Samsara, dass es auf und ab geht. Und manchmal geht es bergab und wir machen sehr unangenehme Erfahrungen, ungeachtet des Positiven, das wir vorher getan haben. Also versuchen wir, uns davon nicht entmutigen zu lassen und, ganz gleich, was passiert, weiter in diese positive Richtung zu gehen.
Die Tibeter haben manchmal eine Vorliebe für Beispiele aus der Tierwelt. Serkong Rinpoche ging immer gerne in den Zirkus oder besuchte Aquarien, wo man dressierte Delphine oder Seehunde sehen kann. Wenn wir unsere Dharma-Praxis machen und etwas Positives tun – erwarten wir denn, dass wir wie solch ein dressierter Seehund oder Delphin sind und der Buddha uns jedes Mal einen Fisch zuwirft? Denken wir, dass wir jedes Mal, wenn wir etwas richtig machen, dafür belohnt werden? So sollten wir diese Übungen selbstverständlich nicht praktizieren.
Das gibt uns einiges zu denken. Führen wir unsere Dharma-Praxis quasi nur als Trick aus, wie ein dressiertes Tier, um eine Belohnung zu bekommen? Oder machen wir sie, um unser Leben grundlegend zu verändern und schließlich anderen bestmöglich von Nutzen zu sein? Und ob nun alles gut läuft oder nicht, ändert nichts an der Überzeugung, dass langfristig eine Verbesserung eintreten wird. Deshalb sollten wir nie aufgeben.
Abschließende Worte
Das sind also die verschiedenen Arten von Übungen, wie sie von Asanga und in den Quintessenz-Lehren in Bezug darauf festgelegt wurden, wie wir uns üben, unserem Leben tatsächlich die sichere Ausrichtung von Buddha, Dharma und Sangha zu geben. Ich denke, sie geben uns ziemlich klare Hinweise auf die praktische Anwendung im Hinblick darauf, unserem Leben diese Richtung zu geben – auf das, was wir tatsächlich jeden Tag tun können, und Anhaltspunkte, die für jeden Tag gelten und zeigen, wie wir diese Richtung in unserem Leben einschlagen können. Es geht nicht nur darum, ein netter Mensch zu sein, sondern darum, die Lehren zu studieren, sie zu lernen, unserem spirituellen Weg gegenüber respektvoll zu sein und anderen, die ihm folgen, ebenfalls Respekt zu erweisen usw. – all diese Punkte. Es ist ein komplettes Programm, um unserem Leben eine postitive Bedeutung zu geben.