Karma handelt von verhaltensmäßiger Ursache und Wirkung
Wenn wir über Karma sprechen, dann können wir sagen, dass Karma die grundlegende Erklärung dafür, wie und weshalb unser Erleben von Glück und Leid auf und ab geht – all das ist Karma. Mit anderen Worten: Wie erschafft die Verwirrung dieses Auf-und-Ab von Glücklichsein und Unglücklichsein, angenehmen und unangenehmen Erfahrungen? Noch anders ausgedrückt: Es geht um Ursache und Wirkung, und diese Ursache und Wirkung, um die es hier geht, ist ein sehr komplexes Thema. Wie Buddha sagte: Ein Eimer Wasser wird nicht durch den ersten Tropfen voll und auch nicht mit dem letzten Tropfen. Er füllt sich durch eine große Anzahl an einzelnen Tropfen. Damit vergleichbar ist, dass alles, was man im Leben erfährt, nicht das Ergebnis einer Ursache darstellt. Die Ursache ist nichts, das man jetzt gerade oder vor Ewigkeiten getan hat. Es ist das Ergebnis einer unglaublich großen Menge an auslösenden Faktoren und Bedingungen.
Die Erklärungen zu Karma sind mit einer wissenschaftlichen Sichtweise sehr konsistent, denn sie besagen, dass Dinge nicht isoliert passieren, sondern dass in Wahrheit alles miteinander verbunden ist. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Wir wären alle nicht hier in diesem Raum, um diesen Vortag zu hören, wenn die Spanier damals nicht nach Amerika gesegelt wären, nicht wahr? Das ist eine Ursache für unser Hiersein. Genauso gibt es viele verschiedene direkte und indirekte Ursachen, die zu dem beitragen, was man gerade jetzt und in jedem anderen Moment erlebt.
Karma jedoch erklärt die Ursachen, die speziell mit dem eigenen Geist verbunden sind. Aber es gibt viele andere Ursachen, die zu dem beitragen, was man erlebt – physikalische Ursachen wie das Wetter zum Beispiel und so weiter. Viele Dinge, die uns beeinflussen, stammen nicht nur aus dem eigenen Geist, sondern sind abhängig vom Bewusstsein anderer Menschen. Zum Beispiel von Politikern, die Dinge beschließen, die einen betreffen, und auch das kann mit Verwirrung behaftet sein, nicht wahr?
Karma meint nicht Schicksal, Fügung und Vorbestimmung und ähnliche Dinge, sondern es geht darum, wie man Dinge erlebt, und wie sich die eigene Einstellung auf die Erfahrungen, die wir im Leben machen, auswirkt. Der Begriff Karma wird in einem sehr allgemeinen Sinn gebraucht und bezieht sich auf alles, was mit verhaltensbedingten Ursachen und deren Wirkungen zusammenhängt. Anders ausgedrückt: Es meint die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, die aus unserem Verhalten und unseren Geisteshaltungen resultiert. „Karma“ kann sich auf das gesamte Gebiet von verhaltensbedingten Ursachen und Wirkungen im Allgemeinen, oder sehr speziell auf einen Aspekt des gesamten Prozesses beziehen. Wenn man also die Mechanismen des Karma verstehen möchte, muss man es etwas genauer im Detail betrachten.
Verschiedene Erklärungssysteme für Karma
Wenn man beginnt, genauere Erklärungen innerhalb des Buddhismus zu betrachten, dann entdeckt man sehr schnell, dass es nicht nur eine Erklärung gibt. Einige Menschen aus dem Westen empfinden das als etwas unangenehm. Wenn wir jedoch ein Problem oder eine Situation haben, Können wir sie auf verschiedene Weise erklären – abhängig vom eigenen Standpunkt. Im Abendland gehen wir auch so vor. Wir können Sachverhalte aus einer sozialen, psychologischen oder wirtschaftlichen Perspektive betrachten – das ist nichts Besonderes.
Diese unterschiedlichen Erklärungen helfen uns, auf eine umfassendere Weise zu verstehen, was los ist. Und jede dieser Erklärungsmöglichkeiten in Bezug darauf, was wir erleben, basiert auf einem bestimmten Gedankensystem – einem psychologischen, einem politischen, einem wirtschaftlichen und so weiter. Im Buddhismus gibt es etwas ähnliches, und darum erkennen wir, dass es in verschiedenen philosophischen Lehrsystemen unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten in Bezug darauf gibt, wie Karma funktioniert. Im Westen gibt es das auch, sogar innerhalb einer Fachrichtung, wie etwa der Psychologie – es gibt eine Erklärung aus der freudianischen Perspektive, eine aus der jungianischen Perspektive; wir können Dinge auf eine sozialistische Art oder eine kapitalistische Art erklären. Im Buddhismus gibt es das auch, und es ist recht hilfreich, mehrere dieser Systeme zu betrachten, denn sie geben uns verschiedene Einsichten in Bezug darauf, wie Karma wirkt. Für unsere Zwecke ist es nicht nötig, auf die Details der verschiedenen Systeme einzugehen, aber es ist hilfreich, sich bewusst zu sein, dass es unterschiedliche Systeme gibt.
Das bedeutet natürlich implizit auch, dass wir genauso auch westliche Erklärungssysteme heranziehen können um zu erklären, was wir erleben. Das widerspricht dem, was wir über Karma sagen, nicht.
Karma als der Geistesfaktor „Drang“
Das Karma selbst – wenn man darüber als spezifischen Begriff, als eine spezifische Sache spricht – bezieht sich, wenn wir einem der Erklärungssysteme folgen, auf einen Geistesfaktor. Was versteht man unter einem „Geistesfaktor“? Ein Geistesfaktor ist eine Art, sich einer Sache gewahr zu sein. Ein Beispiel: Wir sehen jemanden und gehen auf ihn zu. Es gibt viele Geistesfaktoren, die an dieser Erfahrung beteiligt sind, wie beispielsweise verschiedene Aspekte des Wissens über diese Person. Manche dieser Erkenntnisaspekte sind sehr grundlegend, wie etwa, dass wir die Person von einer anderen Person unterscheiden können, oder auch, dass wir die Person von einer Mauer unterscheiden können. Dann ist da das Interesse, das wir an der Person haben. Der Geistesfaktor „Interesse“ begleitet unsere Begegnung mit der anderen Person. Auch der Geistesfaktor „Konzentration“ kann anwesend sein, und verschiedene andere Emotionen. All dies sind Geistesfaktoren, die in einer vernetzten Art und Weise zusammenarbeiten, sobald wir die andere Person sehen und auf sie zugehen.
Was für ein Geistesfaktor ist Karma? Karma ist der Geistesfaktor, der einen in die Richtung dieser Person zieht. Es ist der Drang, der das Sehen und das Zugehen auf diese Person begleitet. Darum wird Karma in manchen Theorien auch fast wie eine physische Kraft beschrieben. Natürlich können auch andere Geistesfaktoren, wie etwa eine Intention, vorhanden sein. Wie möchten wir dieser Person begegnen? Vielleicht wollen wir sie umarmen oder ihr ins Gesicht schlagen.
Es gibt viele andere Faktoren, die an der Begegnung beteiligt sind, aber Karma ist einfach diese geistige Kraft eines Drangs, der zu einer bestimmten Handlung führt, wenn wir einen anderen Menschen sehen und uns ihm nähern; der Drang der dazu führt, den anderen Menschen entweder zu umarmen oder ihm eine Ohrfeige zu geben. Und bedenken Sie: dieser geistige Drang ist nicht nur für physische Handlung vorhanden, wie wenn wir den anderen umarmen oder ohrfeigen. Es kann auch eine treibende geistige Kraft vorhanden sein, wenn wir über etwas nachdenken; es geht hier nicht nur darum, etwas zu sagen oder physisch zu tun. Egal ob wir etwas denken, sagen oder tun – alle diese Handlungsweisen beinhalten eine Art des geistigen Drangs.
Die Auswirkungen karmischen Verhaltens
Der Buddhismus, wie auch die Wissenschaften, lehren uns viel über Ursache und Wirkung. Wenn also dieser Drang vom Karma initiiert wird, dann tun wir bestimmte Dinge, sagen bestimmte Dinge oder denken bestimmte Dinge. Aus diesen Handlungen ergibt sich bestimmte Wirkungen. Karma handelt nicht so sehr von den Auswirkungen, die unser Verhalten auf andere hat – obwohl da natürlich ein Wirkung vorhanden ist. Das ist deshalb so, weil in Wirklichkeit die Wirkung, die unser Verhalten auf andere hat, größten Teils von der anderen Person selber abhängt. Einige Auswirkungen des eigenen Verhaltens auf die andere Person beziehen sich einfach auf physische Faktoren: Wir schlagen jemanden und auf dessen Haut zeichnet sich ein Bluterguss ab. Das ist ein klares physisches Ursache-Wirkungs-Verhältnis. Darum geht es beim Thema Karma nicht. Aber die Wirkung, die unser Verhalten auf die andere Person hat, also wie die andere Person das erlebt, was wie zu ihr sagen oder was wir mit ihr machen, das hängt von der Person selbst ab, nicht wahr? Wenn wir zum Beispiel etwas sehr Gemeines zu jemandem sagen, können dessen Gefühle durch die Worte sehr verletzt werden. Der andere kann dann über unsere Äußerung sehr betrübt oder aufgewühlt sein. Aber er könnte genauso gut denken, dass wir ein absoluter Trottel sind. Wenn er denkt, dass wir einfach ein Trottel sind, dann schenkt er unserer Äußerung keinen Glauben, und nimmt unsere gemeine Äußerung einfach nicht ernst. Möglich wäre auch, dass er gar nicht hört, was wir sagen; oder er begreift gar nicht richtig, was wir sagen. Er könnte beispielsweise gerade mit etwas anderem beschäftigt sein. Also selbst wenn wir die üble Absicht gehabt haben, den anderen Menschen emotional wirklich zu verletzen, so gibt es doch keine Garantie dafür, dass dies auch geschehen wird. Natürlich lehrt der Buddhismus, dass wir versuchen sollten, niemanden zu verletzen. Aber das hat dann nichts mit Karma zu tun.
Wenn wir über die karmischen Wirkungen von etwas sprechen, dann sind damit die karmischen Auswirkungen gemeint, die wir selbst als Ergebnis unserer eigenen impulsiven, zwanghaften Handlungen erfahren, die wiederum mit diesen karmischen Drängen oder Antrieben verbunden sind.
Welche Auswirkungen haben karmische Handlungen nun auf unser Inneres? Eine innere Wirkung ist, – und das ist dem sehr ähnlich, was in den westlichen Wissenschaften festgestellt wird – dass wir uns selbst darauf konditionieren, in einer bestimmten Weise zu denken, zu sprechen und zu handeln. Daraus entsteht wiederum eine Neigung in uns, diese Art von Verhalten zu wiederholen. Und als Auswirkung dieser Tendenz, eine Handlung zu wiederholen, wie auch aufgrund eines Potenzials, die Handlung zu wiederholen, möchten wir diese Handlung wiederholen – wir unterscheidet hier zwischen Potenzial und Tendenz, obwohl keine Notwendigkeit besteht, hier ins Detail zu gehen.
Wie wird diese Tendenz oder dieses Potenzial nun eigentlich hervorgebracht? Die Tendenz oder Neigung bringt in mir ein Gefühl hervor – zum Beispiel das Gefühl, dass ich jetzt zu dem Menschen da drüben hingehen möchte, um ihn zu umarmen. Oder die Tendenz erzeugt in mir das Gefühl, zu der Person hinzugehen und ihr etwas Gemeines zu sagen. Und wenn wir uns danach fühlen, so zu handeln, haben wir natürlich immer noch die Wahl, ob wir so handeln wollen oder nicht. Wenn wir uns aber bewusst dafür entscheiden, so zu handeln oder ob wir nicht mal darüber nachdenken. ob wir etwas tun oder nicht, dann ist das der Augenblick, in dem das Karma ins Spiel kommt. Karma ist der Drang, der Antrieb, der Zwang mit dem wir dann tatsächlich etwas tun.
Darüber hinaus gibt es viele andere Dinge, die aus diesen Tendenzen heranreifen. Eine Sache, die daraus heranreift, ist der Inhalt dessen, was wir erleben. „Inhalt“ ist ein umfangreicher Ausdruck. Ich glaube, man muss an dieser Stelle etwas genauer sein. Hier in diesem Zusammenhang hat es zum Beispiel etwas damit zu tun, dass wir diese bestimmte Person treffen und nicht eine andere. Es bezieht sich auch auf die Art und Weise, wie sich Menschen uns gegenüber verhalten. Wir müssen sehr sorgfältig vorgehen, wenn wir über diesen Sachverhalt sprechen und ihn präzisieren wollen. Das eigene Karma führt nicht dazu, dass wir von andern Menschen angeschrien werden – die anderen Menschen schreien uns aufgrund ihrer eigenen Neigung an, andere anschreien zu müssen. Aber unser eigenes Karma ist dafür verantwortlich, dass wir die Erfahrung machen, von anderen Menschen angeschrien zu werden.
Das ist natürlich nicht einfach zu verstehen, aber ich glaube, man kann das anhand eines Beispiels gut nachvollziehen. Wenn ein Baby eine Windel trägt und diese schmutzig ist, dann muss das Baby damit leben. Das Baby muss mit der vollgekackten Windel leben, die es selbst vollgemacht hat. Lassen wir die Überlegung beiseite, ob jemand die Windel des Babys wechselt oder nicht. Der Punkt hier ist, dass wenn wir Dreck, Unordnung oder Chaos erzeugen, dann müssen wir diese auch erleben. Wir machen Windeln voll, hinterlassen Dreck oder richten Chaos in unserem Leben an; und wenn das Leben dann weitergeht, erleben wir eine schmutzige Umgebung oder chaotische Lebensumstände. So läuft es im Wesentlichen ab. Genauer ausgedrückt verhält es sich so: Wir verhalten uns anderen gegenüber auf eine bestimmte Weise; zu späterer Zeit erleben wir dann, dass andere Menschen sich uns gegenüber auf ähnliche Weise verhalten. Ein weiteres, wichtiges Prinzip in Bezug auf Karma ist hier, dass sich die Auswirkungen unserer Handlungen nicht sofort einstellen werden. So kann es sein, dass wir mit jemandem sehr freundlich und sanft sprechen, unser Gegenüber jedoch beginnt, uns wie verrückt wütend anzuschreien.
Wenn wir die Wirkungsmechanismen des Karma wirklich verstehen möchte, dann müssen wir das Thema der Wiedergeburt mit einbeziehen, nämlich dass es sehr, sehr lange dauert, bis die Dinge einen Effekt haben, und das muss nicht unbedingt in diesem Leben geschehen. In Wirklichkeit ist es meistens so, dass es sehr lange dauert, bis sich eine Wirkung einstellt. Das ist für uns Abendländer nicht gerade einfach zu akzeptieren. Für manche Menschen hört es sich so an, als würde der Buddhismus sagen: „Tu Gutes in diesem Leben, und im Leben danach wirst du die Wirkungen deines Handelns im Himmel erleben. Tu Schlechtes und du wirst die Folgen deines Handelns in der Hölle erleben.“
Wir müssen diesen Punkt wirklich sehr genau untersuchen: Sagt der Buddhismus dies so oder ist etwas anderes gemeint? Das ist kein einfaches, sondern ein sehr kompliziertes Thema, denn wenn wir karmische Ursachen und Wirkungen verstehen wollen, dann müssen wir auch die Wiedergeburt verstehen – das buddhistische Konzept der Wiedergeburt. Wer ist das überhaupt, der karmische Ursachen und Wirkungen produziert und diese erlebt? Gibt es da ein „Ich“, das belohnt oder bestraft werden kann?
Das Thema der Wiedergeburt und wer die Wiedergeburt überhaupt erlebt beiseite lassend: Wir müssen wissen, wie ich bereits erwähnt habe, dass man im Buddhismus nicht von einem System spricht, das Belohnung und Bestrafung auf der Grundlage des Gehorsams bezüglich bestimmter Gesetze kennt. Der Buddhismus geht nicht davon aus, dass dieses Leben eine Art Prüfung ist und man die Ergebnisse dieser Prüfung im nächsten Leben erhält. Der Buddhismus geht einfach davon aus, dass die Dinge eine lange Zeit brauchen, um Auswirkungen in unserem Leben hervorzubringen. Wir können das in Bezug auf das Thema Umwelt ganz gut erkennen. Wir verhalten uns auf eine bestimmte Weise und das hat Auswirkungen auf uns in unserer jetzigen Lebenszeit, wird jedoch noch viel schrecklichere Auswirkungen auf die Leben zukünftiger Generationen haben. Das ist in etwa damit vergleichbar.
Glücksgefühle und Unglücklichsein
Eine ganz andere Dimension in der Karma heranreift, oder anders ausgedrückt, eine andere Dimension, in der sich diese karmischen Handlungen zeigen, hat damit zu tun, worüber am Anfang des Vortrags schon gesprochen wurde, nämlich mit der ganzen Bandbreite zwischen Glücksgefühl und Unglücklichseins. Wenn wir bestimmte Handlungen wiederholen, dann erlebt wir, dass uns bestimmte Dinge widerfahren – zum Beispiel, dass sich Menschen uns gegenüber auf eine bestimmte Weise verhalten, oder dass ein Fels von einer Klippe abbricht und einem auf den Kopf fällt. Wir erleben diese Dinge im Kontext dessen, dass wir entweder glücklich sind, oder aber im Kontext dessen, dass wir uns unglücklich fühlen. Denken Sie darüber nach. Es gibt Menschen, die glücklich sind, wenn sie eine Kakerlake zertreten: „Endlich hab ich dieses schreckliche Viech erwischt!“ Andere Menschen, die auf eine Kakerlake treten, empfinden das als schrecklich und sind sehr unglücklich und traurig darüber. Manche Menschen sind unglücklich und traurig, wenn sie jemand schlägt oder anschreit, und andere Menschen freuen sich darüber: „Ja, ich bin ein Sünder, ich bin nicht gut, ich bin ein schlechter Mensch. Ich verdiene es, angeschrien und geschlagen zu werden.“
Sie kennen dieses Sprichwort. Ich glaube, es stammt hier aus Mexiko. Oder vielleicht hat es jemand einfach erfunden, und ich habe es ihm geglaubt. Auf jeden Fall lautet es folgendermaßen: „Wenn mein Ehemann mich schlägt, dann bedeutet das, dass er mich wirklich liebt. Wenn er mich nicht schlägt, dann bedeutet das, dass ich ihm egal bin.“
Dieses Glücklich- und Unglücklichsein scheint fast eine andere Art von Dimension zu sein, nicht wahr? Eine Dimension bezieht sich darauf, was mit uns geschieht, wenn wir zwanghaft handeln, wenn wir etwas zwanghaft wiederholen, und auch darauf, was uns als Auswirkung unserer Handlungen widerfährt, die Dinge, die uns passieren – das ist die eine Dimension. Und die andere Dimension ist, wie wir diese Dinge tatsächlich erleben, ob wir glücklich sind oder ob wir unglücklich sind. Diese beiden Dimensionen – diese Dinge, die uns widerfahren und wie wir das erleben, was uns widerfährt – reifen beide aus karmischen Handlungen der Vergangenheit heran, allerdings aus jeweils verschiedenen karmischen Handlungen. Wenn wir nur auf die Dimension „glücklich/unglücklich“ schauen, ist das eine sehr allgemeine Größe. Sie resultiert daraus, ob wir auf konstruktive oder destruktive Weise handeln. Wenn wir destruktiv handeln, wird die Folge davon sein, dass wir uns unglücklich fühlen. Wenn wir konstruktiv handeln, wird die Folge davon sein, dass wir uns glücklich fühlen.
Konstruktives und destruktives Verhalten
Es ist sehr interessant, wenn man untersucht, was im Buddhismus unter konstruktivem und destruktivem Handeln verstanden wird. Natürlicherweise gibt es dafür verschiedene Erklärungen. Aber wie wir schon sehen konnten, kann man nicht wirklich die Natur einer Handlung in Bezug auf die Wirkung, die sie auf andere hat, beschreiben, denn keiner weiß, was sie für eine Auswirkung auf andere haben wird. Es spielen dabei sehr viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Konstruktives und destruktives Handeln hat etwas mit der Geisteshaltung zu tun, in der man eine Handlung ausführt.
Wenn die Handlung auf Gier, Anhaftung, Wut oder einfach gänzlich auf Unwissenheit basiert, dann ist sie destruktiv. Wenn die Handlung auf der anderen Seite nicht auf Wut, Gier, Anhaftung oder Naivität basiert, dann ist sie konstruktiv. Zudem ist es auch offensichtlich, dass eine Handlung, die auf Liebe, Mitgefühl und Freigiebigkeit etc. basiert, gleichfalls konstruktiv ist.
Es gibt auch noch weitere Faktoren. Es ist recht interessant, diese Faktoren, die eine Handlung konstruktiv bzw. destruktiv machen, anzuschauen. Ein Faktor ist eine innere Haltung des Respekts vor sich selbst, ein moralisch gesunder Respekt vor sich selbst. Das hat mit dem Selbstbild und dem entsprechenden Respekt sich selbst gegenüber zu tun. Wenn man keinen Respekt vor sich selbst verspürt, dann kümmert man sich nicht um die Folgen, die das eigene Verhalten für einen selbst haben wird. Es spiegelt die Einstellung „Ist mir doch egal“ wider. Wenn wir, begleitet von dieser Art von geringem Selbstwertgefühl, handeln, dann ist unser Handeln destruktiv. Mit anderen Worten: Wenn ich positiv über mich selbst denke, wenn ich mir selbst gegenüber als Mensch Respekt empfinde, dann werde ich mich nicht wie ein Idiot aufführen. Ich werde keine dummen oder grausamen Dinge tun, weil ich mich durch diese Handlungen nicht selbst herabsetzen möchte. Wir denken stattdessen über uns: „Ich bin der Meinung, dass ich mich besser verhalten kann.“ Das ist der Punkt, um den es hier geht: Nämlich ob wir ein Gespür von ethischer Würde uns selbst gegenüber haben, oder ob wir ein solches Gefühl für ethische Selbst-Würde nicht besitzen. Der Faktor der ethischen Würde uns selbst gegenüber ist ein äußerst wichtiger Faktor, der bestimmt, ob eine Handlung konstruktiv ist oder ob wir destruktiv handeln ist.
Ein weiterer Geistesfaktor ist, sich darum zu kümmern, wie sich unser Verhalten auf andere Lebewesen auswirkt. Wovon sprechen wir hier? Wenn wir uns als Mexikaner hier auf unschöne Weise verhalten, was werden dann andere Menschen über die Mexikaner im Allgemeinen denken? Wenn wir Buddhist sind, uns betrinken und auf eine Schlägerei einlassen: Was denken die Menschen dann über den Buddhismus oder über Buddhisten? Weil wir Respekt vor der Familie haben, oder vor der Gemeinschaft, der wir uns zugehörig fühlen, werden wir von uns destruktiver Handlungen enthalten. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Art von Gemeinschaft wir uns zugehörig fühlen, ob wir uns also einer Religionsgemeinschaft, einem Land oder unserer Stadt zugehörig fühlen. Wenn wir diesen Respekt vor Familie und Gemeinschaft nicht empfinden, werden wir uns eher destruktiv verhalten. Das ist im Buddhismus ein außergewöhnlich tiefe Einsicht. Was sind dabei die ausschlaggebenden Faktoren? Respekt vor uns selbst, ein gesundes Selbstwertgefühl und ein Gefühl der Wertschätzung für unsere Gemeinschaft.
Das erlaubt einen Einblick in einige Faktoren, die z. B. bei dem Thema Terrorismus zu bedenken sind. Wenn man einer Person und deren Gemeinschaft allen Respekt nimmt, indem man ihnen das Leben schwer macht und schlechte Dinge über sie denkt, dann entsteht in ihnen das Gefühl, dass es ganz egal ist, was sie tun. Wenn sie kein Gefühl von Selbstwert haben, oder von Wertschätzung für die Gemeinschaft, warum sollten sie dann davor zurückschrecken, destruktiv zu handeln? Sie haben das Gefühl, dass sie nichts zu verlieren haben. Es ist meiner Meinung nach sehr hilfreich, diesen Punkt zu bedenken, wenn es darum geht, wie wir mit anderen Menschen umgehen, das gilt insbesondere für die problematischen Gebiete dieser Welt. Es ist wichtig, einem Menschen nie seines Selbstwertes zu berauben oder ihm die Wertschätzung für die Gemeinschaft, der er sich zugehörig fühlt, zu nehmen.
Das sind einige der Geistesfaktoren, die dafür ausschlaggebend sind, ob eine Handlung destruktiv wird oder ob sie konstruktiv wird. Es hat auch damit zu tun, dass wir die Tatsache ernst nehmen, dass unser eigenes Verhalten einen Einfluss auf andere Lebewesen hat. Das bezieht sich dann darauf, ob wir anderen Menschen gegenüber aufmerksam sind, auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nehmen, und sorge für sie tragen – eine solche Einstellung bezeichne ich als eine „fürsorgliche Geisteshaltung“. Manchmal sind wir jedoch sehr naiv: Wir denken, dass wir anderen einfach alles in Gesicht sagen können, und dass dies gar nichts ausmacht. Wir nehmen die Gefühle unseres Gegenübers nicht ernst. Dann fehlt es an einer fürsorglichen Geisteshaltung.
Wenn wir in Verbindung mit dieser Art von Geistesfaktoren handeln – also mit Gier, Wut, ohne Selbstwertgefühl, und ohne daran zu denken, wie unser Verhalten auf andere wirkt, und auch ohne sich um andere zu kümmern, ohne es ernst zu nehmen, welche Auswirkungen das Handeln auf einen selbst und auf andere hat – was ist dann das Ergebnis davon? Wir fühlen uns unglücklich! Dieses Unglücklichsein, diese Frustration ist jedoch keine Bestrafung.
Man muss wirklich genau darüber nachdenken. Kann dieser Geisteszustand, der von all diesen negativen Geistesfaktoren begleitet wird, wirklich ein glücklicher Geisteszustand sein, und kann er tatsächlich dazu führen, dass wir Glück erfahren? Wenn wir weiter darüber nachdenken, dann erschließt sich uns, dass ein negativer Geisteszustand, darauf hinausläuft, dass wir unglücklich sind. Und wenn wir uns in einem entgegengesetzten Geisteszustand befinden, wird das dazu führen, dass wir glücklich sind. Es gibt also diese allgemeinen Kategorien des Verhaltens – konstruktiv und destruktiv – und diese führen zu unserem Erleben von Glücksgefühlen und Unglücklichsein.
Darüber hinaus gibt es noch spezifische Arten von Verhalten: Jemanden anschreien oder freundlich zu jemanden zu sein etc. Und auch diese Verhaltensweisen haben ihre Wirkung in Bezug darauf, diese Tendenzen, diese Verhaltensweisen zu wiederholen, und sich in Situationen zu begeben, in denen andere sich einem selbst gegenüber entsprechend verhalten.
Eine weitere Folge des karmischen Verhaltens – wobei es nicht nötig ist, an dieser Stelle weiter ins Detail zu gehen – betrifft die Art der Wiedergeburt, die wir erfahren: Werden wir mit dem Körper und dem Geist eines Hundes, einer Kakerlake oder eines Menschen wiedergeboren? Welche Art von Körper und Geist werden wir als Grundausstattung für unser nächstes Leben erhalten, um damit die Dinge zu erleben, die uns widerfahren. Und welche Grundausstattung werden wir für unsere Handlungen zur Verfügung haben? Es gibt noch verschiedene andere Details. Aber ich möchte in diesem einführenden Vortrag nur auf die allgemeinen Prinzipien eingehen.
Determinismus oder freier Wille
Auf der einen Seite erleben wir also bestimmte, sich wiederholende Handlungsweisen und Dinge, die uns passieren. Auf der anderen Seite erleben wir dies alles mit einem Auf-und-Ab von Glücksgefühlen und Unglücklichsein, das manchmal zu unserem Verhalten passt und manchmal so gar nicht. Und das alles geht auf und ab, auf und ab, die ganze Zeit, und wir wissen nicht, was sich als nächstes ereignet. Und was einem im Leben widerfährt, wird natürlich nicht nur durch das eigene Karma verursacht. Es hat auch etwas damit zu tun, was mit allen anderen Lebewesen, die sich in unserem Universum befinden, geschieht, und auch damit, was sie tun. Und es hat auch damit zu tun, was mit dem physischen Universum selbst passiert – mit den Elementen des Universums, mit dem Wetter, durch Erdbeben und all diesen Dingen. Deshalb ist es auch so schwierig vorherzusagen, was wir als nächstes erleben werden. Die Faktoren, die dies beeinflussen, sind einfach viel zu komplex; und der Buddha hat gesagt, dass Karma die am schwersten zu verstehende Sache überhaupt ist.
Wir müssen uns an dieser Stelle sehr präzise ausdrücken, denn viele Menschen haben die folgende Frage in Bezug auf Karma: „Gibt es Determinismus oder haben wir einen freien Willen?“ Weder das eine noch das andere stimmt. Beides sind Extreme. Determinismus würde bedeuten, dass jemand anderes bestimmt hat, was wir erleben werden – ein anderes Wesen, ein höheres Wesen, eine höhere Macht oder was auch immer. Der Buddhismus geht davon aus, dass dies nicht der Fall ist. Es gibt niemand anderen, der darüber entscheidet, was wir tun. Wir sind keine Marionetten, die das Schauspiel vorführen, dass jemand anderes für uns geschrieben hat.
Der freie Wille auf der anderen Seite ist ein bisschen mit einer Person vergleichbar, die vor einer Speisekarte im Restaurant sitzt und entscheiden möchte, was sie bestellt. So funktioniert das Leben jedoch nicht. Sich vorzustellen, dass das Leben so funktionieren würde, ist dem Buddhismus zufolge nach falsch. Freier Wille ist die Vorstellung eines verwirrten Geistes. Es mag so erscheinen und sich so anfühlen, als gäbe es ein getrenntes „Ich“ – ein „Ich“, das vom Rest des Lebens getrennt ist, das unabhängig von der Erfahrung ist, die ihm gerade widerfährt. Es erscheint uns so, als könne dieses „Ich“ auf diese möglichen Erfahrungen blicken wie auf eine Speisekarte und sich die Speisen auf der Karte beliebig aussuchen. Es gibt jedoch kein „Ich“, das unabhängig vom Leben oder unabhängig von unserer Erfahrung ist. Es gibt kein „Ich“, dass unabhängig davon ist, was uns passiert. Die Erfahrungen existieren nicht wie kleine Gerichte oder Portionen auf einer Speisekarte, die wir auswählen können, so als würde wir dasitzen und dann einfach einen Knopf drücken, und die gewünschte Erfahrung kommt dann einfach aus dem Automaten, oder etwas in der Art. Ich glaube, dies ist ein brauchbares Bild, um zu verstehen wie dumm eine solche Haltung ist. Es ist nicht so, dass Erfahrungen wie Schokoriegel in einem Automaten existieren und wir einfach denjenigen Schokoriegel wählen, den wir gerne haben möchten. Wir drücken den Knopf, stecken Geld in den Automaten und der Schokoriegel kommt heraus. Das Leben ist nicht so, stimmt’s? Es ist nicht so, dass wir im Voraus entscheiden können: „Heute möchte ich Glück erleben; und ich wünsche mir, dass alle freundlich zu mir sind.“ Dann stecken wir das Geld in den Automaten des Lebens und heraus kommt, was wir ausgewählt haben. Das wäre der freie Wille. Oder? Es ist der freie Wille zu entscheiden, was mit uns geschehen wird, was uns widerfahren wird und was wir tun werden. Aber was mit uns passiert ist weitaus subtiler und umfassender als diese beiden Extreme von Determinismus und freiem Willen.
Verwirrung als Ursprung für die Entstehung von Karma
Zu einem früheren Zeitpunkt des Vortrages wurde gesagt, dass es einzigartig im Buddhismus ist, dass der Buddha die Ursache für dieses dauernden Auf-und-Ab-Erfahrungen gelehrt hat. Der Buddha hat das Auf-und-Ab von Gefühlen des Glücks und der Frustration erläutert, und gelehrt, dass es eine Ursache für all die Arten von Dingen gibt, die einem passieren und die wir nicht wirklich erleben möchte, über die wir aber keinerlei Kontrolle haben. Die Ursache für dieses Auf-und-Ab ist die Verwirrung. Die Verwirrung ist Teil eines jeden Moments der Erfahrung und setzt dieses ganze Syndrom in Zukunft weiter fort: Und nicht nur das: Wenn wir aus Verwirrung heraus handeln – egal ob destruktiv oder konstruktiv – so verstärkt dieses Handeln das, was wir als „Gewohnheit“ bezeichnen – nämlich die Gewohnheit, konstant aus Verwirrung zu handeln – und deshalb fahren wir weiter fort damit, jeden einzelnen Moment wieder aus Verwirrung heraus zu handeln.
Was ist nun diese Verwirrung? Das ist ein tiefgreifendes Thema im Buddhismus. Wenn man es ganz einfach ausdrückt, dann geht es um die Verwirrung die wir in Bezug auf unsere eigenen Existenz haben und die wir auch in Bezug auf die Seinsweise aller anderen Dinge und Lebewesen haben. Zum Beispiel glauben wir, dass wir das Zentrum des Universums seien, dass wir die wichtigste Person überhaupt sind, dass wir immer zu unserem Recht kommen sollten, dass wir immer Recht haben, und alle anderen Menschen immer Zeit für uns haben sollten. Wir können diese Einstellung gut am täglichen Gebrauch von Handys erkennen: Wir meinen, dass wir jeden Menschen zu jeder Zeit anrufen können, und wir glauben, dass wir ihn unabhängig davon, was er gerade tut, unterbrechen können, und dass dieser Mensch stets für uns verfügbar sein müsse, weil das, was wir zu sagen haben, so viel wichtiger sei als alles, was die andere Person möglicherweise gerade tut. Auf dieser Verwirrung basierend, können wir uns anderen Menschen gegenüber destruktiv verhalten – sie anschreien, gemein sein – und wir tun das, weil sie nicht das tun, was wir gerne von ihnen möchten; oder sie tun etwas, das wir nicht mögen. Oder aber – basierend auf der selben Verwirrung können wir jemandem etwas Gutes tun und freundlich zu ihm sein, weil wir von ihm gemocht werden wollen, oder weil wir möchten, dass der andere mit uns eine fröhliche Zeit verbringt. Wir möchten uns gebraucht fühlen, indem wir etwas für jemanden tun, von dem wir glauben, dass er es bräuchte. Deshalb erklären wir unserer Tochter, wie sie ihre Kinder erziehen soll und wie sie ihren Haushalt führen soll. Ist das etwa kein hilfreiches Verhalten? Es ist uns egal, ob die Tochter den Rat oder die Hilfe gerne möchte oder nicht, denn wir glauben, die wichtigste Person zu sein, und wir möchten gebraucht werden. Und wir wissen offensichtlich sowieso besser als unsere Tochter, wie man Kinder erzieht, und deshalb muss sie uns auch zuhören.
Es herrscht also Verwirrung. Verwirrung liegt sowohl den destruktiven als auch den konstruktiven Handlungen zugrunde. Aufgrund dieser Verwirrung setzt sich dieses Auf-und-Ab, der Kreislauf von Auf-und-Ab-Bewegungen immer weiter fort. Deshalb muss man untersuchen, wie man davon loskommt.
Sich von der Verwirrung befreien
Wenn wir die Mechanismen betrachten, wie diese karmischen Tendenzen und Gewohnheiten, insbesondere die Tendenzen, heranreifen, dann fällt auf, dass das alles mit unserer Haltung gegenüber dem Auf-und-Ab von Glück und Leid zu tun hat, das wir ständig erleben. Es gibt zwei Geistesfaktoren, die dieses Erleben von Glücksgefühlen und Unglücklichsein begleiten und die hier relevant sind. Der erste wird „Begierde“ genannt. Wenn wir Glück erleben, dann sehnen wir uns danach, davon nicht getrennt zu werden – das bedeutet, dass wir das ganz starke Verlangen verspüren, dieses Glück auch weiterhin zu erleben. „Geh nicht weg. Bleib für immer bei mir. Kannst du nicht noch länger bleiben?“ So in der Art fühlt es sich an, wenn wir es genießen, mit jemandem zusammen zu sein. Oder wir genießen es oder empfinden Glück, wenn wir Schokolade essen, und wir möchten von diesem Glücksgefühl nicht abgeschnitten sein. Deshalb isst man immer mehr davon, nicht wahr? Das ist Begehren. Und wenn wir dann unglücklich sind, frustriert sind oder Leid erleben, dann möchten wir davon so schnell wie möglich getrennt werden. Diesen beiden liegt der zweite Geistesfaktor zugrunde, nämlich die hartnäckige Einstellung, es gäbe ein solches solides „Ich“ mit dem wir diese Erfahrungen machen. Ich möchte dieses Glücksgefühl auch weiterhin erleben, und von dem, was mir dieses Glücksgefühl ermöglicht, möchte ich immer mehr haben und nicht davon getrennt sein. Ich möchte von den Dingen getrennt sein, die ich nicht mag. Ich mag nicht, was du sagst, deshalb hältst du besser den Mund oder ich werde dich anschreien.
Wenn wir nun dieses Auf-und-Ab von Glück und Leid im Leben in Verbindung mit all dieser Begierde und der starken Identifikation mit einem soliden „Ich“ erlebt – die ja auf Verwirrung basiert – dann verursacht dies ein Heranreifen karmischer Tendenzen. Auf diese Weise führen wir das Auf-und-Ab und Auf-und-Ab von Glücksgefühlen und weiter fort und wiederholen alle vorhergehenden Verhaltensweisen, da diese aus den Tendenzen heranreifen. Das wirklich Schreckliche daran ist, dass diese Verwirrung jeden Moment des Glücklich- und Unglücklichseins begleitet. Und es bringt weitere Augenblicke von Glück und Leid hervor, die von Verwirrung begleitet sind. Die Verwirrung, die wir gerade jetzt erfahren, ist das Resultat der Verwirrung im Augenblick davor, als wir Glücksgefühle und Unglücklichsein erlebt haben.
Dieser unkontrollierbare, sich wiederholende Kreislauf – das ist es, was der Buddhismus als “Samsara” bezeichnet. Wenn wir diese Verwirrung los werden, dann fällt das gesamte Karma-System auseinander, und wir sind vom Samsara befreit. Wenn wir Konfusion durch ein korrektes Verstehen ersetzen – und ich werde jetzt nicht ins Detail gehen, was das bedeutet, sondern nur eine allgemeine Vorstellung vermitteln – wenn wir also die Verwirrung durch ein korrektes Verständnis ersetzen, dann gibt es keine Grundlage mehr für dieses solide „Ich“ – keine Grundlage für dieses: „Ich muss unbedingt das haben und das nicht.“ Es gibt kein Begehren und deswegen gibt es nichts, was diese Tendenzen und Gewohnheiten aktiviert. Und wenn es nichts gibt, was diese Tendenzen und Gewohnheiten aktiviert, dann können wir nicht mehr sagen, dass wir diese noch haben.
Ich versuche ein Beispiel zu geben: Wenn man eine Tendenz hat, Dinosaurier zu sehen und diese werden dann ausgerottet, dann gibt es auch keine Tendenz mehr, Dinosaurier zu sehen, wenn man durch den Urwald geht, oder? Es gab dann diese Tendenz: „Immer wenn ich durch den Urwald ging, habe ich Dinosaurier gesehen.“ Nun gibt es keine mehr, und deshalb gibt es auch keine Tendenz mehr, sie zu sehen. Und wenn keine karmischen Tendenzen heranreifen, weil es keine Tendenzen mehr gibt, dann erleben wir auch dieses Auf-und-Ab von Glück und Leid nicht mehr und wir erleben sicherlich auch keine Verwirrung mehr, die mit dem Auf-und-Ab verbunden ist; auch diese Verwirrung ist dann nicht mehr da.
Auf diese Art können wir uns aus dieser ganzen samsarischen Situation befreien. Wir werden dann diese Unzufriedenheit nicht mehr erleben, auch nicht die Unsicherheit, die durch das Auf-und-Ab von Gefühlen des Glücks und des Unglücklichseins entsteht. Wir erleben stattdessen eine ganz andere Art von stetigem Glück, eine ganz andere Qualität von Glück – nicht die Art von Glücksgefühlen, die mit Verwirrung vermischt sind, und nicht die Art von Glücklichsein im Sinne von: „Ich habe das Spiel gewonnen und das ist meine Belohnung.“ Es ist eine Art von Glücksgefühl, das wir erfahren, weil wir keine schwierigen Situationen mehr erleben. Ich glaube ein einfaches, wenn auch kein genau zutreffendes Beispiel, um sich dem, worum es hier geht, anzunähern, ist das Glücksgefühl, das wir empfinden, wenn wir am Ende des Tages unsere engen Schuhe ausziehen – es ist ein Gefühl der freudigen Erleichterung, dass wir dann frei von diesen Schmerzen sind.
Bei der Befreiung erleben wir auch, dass unser Handeln nicht mehr länger von diesen zwanghaften Antrieben des Karma gesteuert wird, mit denen wir auf eine bestimmte Weise handeln und bestimmte Dinge erleben. Vielmehr ist es so, dass wenn wir jenseits der Befreiung weiter daran arbeiten, ein Buddha zu werden, unsere Handlungen von Mitgefühl angetrieben werden – Mitgefühl ist der Wunsch, dass auch andere frei sein mögen von Leiden und dessen Ursachen.
Zusammenfassung
Dies ist eine grundlegende Einführung in einige Prinzipien, die mit Karma zu tun haben. Es gäbe unendlich viel mehr darüber zu sagen und zu erklären. Manches kann man mit bestimmten allgemeinen Prinzipien erklären, wie, dass eine Art von Handlung einen bestimmten Effekt hervorbringt; und wenn dieser Faktor vorhanden ist, dann ist die Wirkung stärker; und wenn der Faktor nicht vorhanden ist, ist die Wirkung geringer. Und wenn wir etwas aus Versehen tun, wird sich das anders auswirken, als wenn wir etwas mit Vorsatz tun. Auch in diesem Fall wird die Auswirkung der eigenen Handlung unterschiedlich sein, und so weiter. Dazu gibt es viele Details.
Wenn man davon spricht, was gerade in diesem Moment heranreift, kann das nur sehr schwer mit Prinzipien verallgemeinert werden, denn das wird auch durch alles beeinflusst, was gerade um einen herum passiert. Was einem jetzt passiert, kann nicht einfach durch allgemeine Prinzipien hergeleitet werden, denn was jetzt passiert, wird von allem, was jetzt gerade um einen herum passiert beeinflusst. Denken Sie daran, was passiert, wenn sie einen Autounfall haben. Was hat den Unfall verursacht? Es ist das Karma, das alle, die sich gerade auf der Straße befinden, dorthin geführt hat; zudem die Verkehrsbedingungen, das Wetter und die Straßenverhältnisse. So viele Faktoren haben dieses bestimmte Ereignis, den Unfall der gerade heranreift, geschaffen.
Wenn man sich für dieses Thema interessiert, dann stehen viele Möglichkeiten im Raum, um viele verschiedene Aspekte davon zu erkunden. Je mehr wir über Karma wissen, desto hilfreicher ist es, die Kontrolle, die das Karma über einen hat, zu überwinden, sodass wir nicht nur uns selbst vom samsarischen Leid befreien, sondern besser in der Lage sind, auch anderen zu helfen.
Haben Sie noch Fragen?
Fragen
Ist in diesem Zusammenhang die Schuld außen vor? Hier geht es nicht um Schuld, oder?
Genau. Die buddhistische Erklärung von Karma hat mit Schuld nichts zu tun. Schuld basiert auf dem Denken einer starken, soliden Ich-Identität als eine separate Einheit; und das, was dieses „Ich” tut, ist dann eine weitere separate Identität. Das ist vergleichbar mit zwei Pingpongbällen. Und dann meinen wir, dass diese Entität „Ich“ schlecht sei; und wir glauben, dass das, was diese Entität „Ich“ getan hat, gleichfalls ganz schrecklich ist. Das ist Schuld. Das ist etwa so, als wenn wir den Müll im Haus nie wegbringen würden, und ihn stattdessen bei uns Zuhause aufbewahren, und dann anderen erzählen, wie furchtbar unsere Situation ist, wie sehr der Müll stinkt, wie dreckig alles ist – und trotzdem wollen wir den Müll behalten.
Das klingt sehr klar und logisch, und ich verstehe dieses ganze System und wie man die Verwirrung los wird, und den Drang, die Tendenzen und das alles. Aber ich glaube es ist nicht ausreichend, das System zu verstehen, um jetzt tatsächlich das Erleben und die Impulse des zwanghaften Handelns loszuwerden.
So ist es. Deshalb müssen wir uns auch zuerst in ethischer Selbstkontrolle üben. Erinnern Sie sich? Ich habe erwähnt, dass ein kleines Intervall existiert zwischen dem Bedürfnis zu sagen: „Du hast heute ein schreckliches Kleid an.“, und dem Moment, wo man es tatsächlich sagt. Wenn wir diese Lücke erwischen, haben wir die Möglichkeit zu erkennen, welche Wirkung es haben wird, falls wir dieser Person sagen, dass sie ein schreckliches Kleid anhat. Und wenn wir erkennen, dass es wenig produktiv ist, derartige Dinge zu äußern, dann sprechen wir sie besser nicht aus. Mit ethischer Disziplin und Selbstkontrolle fangen wir also an.
Genauso können wir untersuchen, welche Emotion wir gerade in dem Augenblick haben, wenn wir etwas tun möchten. Basiert mein Wunsch in bestimmter Weise zu handeln auf einer störenden Emotion, wie etwa Gier? Ist er auf Wut gebaut oder auf Naivität? Bin ich der Ansicht, dass die Aussage, dass das Kleid schrecklich aussieht, einen Effekt auf die Person haben wird? Oder ist es mein Wunsch, auf Grundlage von Freundlichkeit und anderen positiven Emotionen zu handeln? Deshalb ist auch die Definition einer störenden Emotion oder Geisteshaltung sehr hilfreich: Eine störende Emotion ist ein Geisteszustand, der, wenn er auftaucht, zu einem Verlust des Geistesfriedens und zum Verlust von Selbstkontrolle führt.
Wir wissen selbst sehr genau, wenn wir unseren Frieden des Geistes verloren haben: Das Herz schlägt etwas schneller, wir fühlen uns etwas unbehaglich. Darum versucht man zum Beispiel auch, so subtile Dinge zu erkennen, wie etwa ob wir etwas aus Stolz heraus sagen. Wenn etwa jemand sagt: „Ich habe das nicht verstanden.“ und wir selbst sagen: „Oh, aber ich schon!“, dann werden bei uns eine gewisse innere Unruhe feststellen, denn Stolz liegt unserer Aussage zugrunde, und auch ein bisschen Arroganz. Auf solche Dinge sollten wir Ausschau halten.
Die Realität zu verstehen, bedeutet ein Verständnis von Leerheit usw. zu entwickeln. Das ist sehr, sehr schwer. Und sogar wenn wir ein Verständnis von Leerheit erlangt haben, müssen wir uns selbst erst daran gewöhnen, damit wir es dauerhaft präsent haben können. Darum beginnen wir mit ethischer Selbstdisziplin, um uns von destruktivem Handeln abzuhalten.
Ich bin etwas verwirrt. Ich dachte, Sie hätten erwähnt, dass es zwei Emotionen gibt, die dieses Glücklichsein und Unglücklichsein am Laufen halten, auch dieses Fluktuieren? Haben Sie gesagt, dass die eine Emotion davon Begierde sei? Und was war dann die andere Emotion noch mal?
Was ich erklärt habe, waren die zwei Faktoren, die karmische Tendenzen aktivieren – sie stammen aus den Lehrreden des Buddha über die zwölf Glieder des abhängigen Entstehens. Eines der zwölf Glieder ist die Begierde. Den anderen Faktor habe ich etwas vereinfacht beschrieben; er wird in Wahrheit als „herbeiführende Geisteshaltung oder Emotion“ bezeichnet. Es gibt in Bezug darauf eine Liste von ungefähr fünf verschiedenen herbeiführenden Faktoren. Die herbeiführende Geisteshaltung und Emotion ist das, was eine Wirkung herbeiführen wird. Die bekannteste herbeiführende Geisteshaltung ist das Identifizieren eines festen „Ichs“ mit dem wir etwas erleben, bzw. dass wir das, was mit uns und um uns herum geschieht als „Ichs“ identifizieren.
Steht dieses Identifizieren eines soliden „Ichs” in Beziehung zu etwas anderem? Es ist verständlich, dass darüber Verwirrung herrscht, und dass man hier vorsichtig sein muss, um sich von dieser Verwirrung zu befreien. Aber worüber genau sind wir verwirrt, und was ist das, was uns verwirrt?
Das ist keine einfache Frage, die leicht zu beantworten ist. Wir verwechseln das „Ich“, das existiert, das konventionelle „Ich“, mit dem falschen „Ich“, das nicht existiert. Was hier vor sich geht ist, dass wir uns vorstellen dieses tatsächliche „Ich“, was wirklich existiert, würde auf eine unmögliche Weise existieren. Das ist eine Übertreibung. Wir fügen etwas hinzu, was nicht vorhanden ist. Ein Beispiel: Ich bin glücklich oder unglücklich. Das heißt nicht, dass du unglücklich bist. Ich bin unglücklich. Wenn es eine Wahrnehmung von Glücksgefühlen und Unglücklichsein gibt, dann beziehen wir uns in dem Sinn darauf, dass wir sagen: „Ich bin glücklich.“ Es heißt nicht, dass du glücklich bist oder irgendjemand anderes – Ich bin glücklich. Dieses „Ich“ ist das konventionelle „Ich“, das auch existiert.
Lassen Sie mich ein Beispiel für das konventionelle „Ich” geben. Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen Film, etwa den Film „Vom Winde verweht“. In diesem Film gibt es fröhliche und traurige Szenen. Nun, was heißt das? Die fröhlichen Szenen sind Szenen aus dem Film „Vom Winde verweht“, und die traurigen Szenen sind auch Szenen aus dem Film „Vom Winde verweht“. „Vom Winde verweht“ ist gleichzeitig auch der Titel, mit dem der ganze Film bezeichnet wird; der Film beinhaltet also alle Szenen – die fröhlichen und die traurigen Szenen. Wenn man aber von „Vom Winde verweht“ spricht, dann spricht man nicht nur von dem Titel. Man spricht über den ganzen Film, auf den sich der Titel bezieht. Das ist der konventionell existierende Film – den gibt es wirklich. Der Film ist nicht etwas getrennt Existierendes, das unabhängig von den Szenen existiert – ein Film der unabhängig von den Szenen existieren würde, wäre ein falscher Film. So einen Film gibt es nicht. Der konventionell existierende Film ist im Prinzip das, was benannt werden kann, und das, aus dem die Szenen bestehen.
Damit vergleichbar ist die Situation, dass wir glückliche Augenblicke im Leben erleben und dass wir unglückliche Momente im Leben erfahren, und wie wir uns auf diese unterschiedlichen Situationen beziehen. Wir beziehen uns darauf als „Ich“ – das konventionelle „Ich“, das es auch gibt. Nicht „Du“ sondern „Ich“. Genauso ist es mit „Vom Winde verweht“. „Vom Winde verweht“ ist nicht der Film „Star Wars”. Aber es gibt kein „Ich”, das unabhängig von den Momenten des Erfahrens von Glücklichsein und Unglücklichsein existiert. Und es gibt auch kein „Ich“, das unabhängig davon existiert, diese Augenblicke von Glück und Leid zu erleben. Das wäre das falsche „Ich“, ein „Ich“ das nicht existiert. Und „Ich“ ist einfach ein Wort. Mit „Ich“ sind vielmehr die Dinge gemeint, auf die sich das Wort „Ich“ bezieht, und zwar auf Grundlage all der Augenblicke, die wir in unserer Lebensspanne erfahren.
Die Verwirrung besteht also darin zu glauben, dass es ein getrenntes „Ich” gäbe, das sich in unserem Körper befindet, das ihn bewohnt, mit ihm verbunden ist, das die Kontrolle hat und jetzt als „Ich” einen Schmerz im Fuß erlebt, und daher unglücklich ist, und das nicht möchte. Es ist, als gäbe es ein getrenntes „Ich“, dass getrennt ist von dieser ganzen Erfahrung innerhalb dieses fremden Dings, den man Körper nennt. Auf Grundlage der Verwechslung dieses getrennten „Ichs“ – diesem falschen „Ich“ – mit dem konventionellen „Ich“, und aufgrund der Identifizierung mit diesem falschen „Ich“, empfinden wir Begierde: „Ich muss von diesem Leid loskommen, von diesem Schmerz, von dem Frust, dem Unglücklichsein, das ich zusammen mit diesem physischen Schmerz erlebe.“ Wenn wir allerdings diese falsche Vorstellung eines soliden „Ichs“ nicht haben, bedeutet das nicht, dass wir einfach nur dasitzen und weiterhin diesen Schmerz erleben. Wenn wir mit unserem Fuß in einer Feuersbrunst stehen, dann tun wir gut daran, den Fuß aus dem Feuer herauszuziehen. Aber mit dem „Ich“-Konzept im Hintergrund sieht das anders aus. Wenn wir jedoch kein solches „Ich“-Konzept haben, empfinden wir auch im Angesicht des Feuers keine Panik.
Aber dieses Konzept des falschen „Ich“ im Gegensatz zum konventionellen „Ich“ ist ein sehr komplexes Thema für Fortgeschrittene. Darum wollen wir es hiermit auch belassen. Lassen Sie uns an dieser Stelle heute Abend mit einer Widmung enden. Wir denken: Alles Verstehen, alle positive Kraft, die jetzt entstanden sind, mögen sie tiefer und tiefer gehen, und stärker und stärker werden, und als Ursache dienen, die Erleuchtung zum Wohle aller Lebewesen zu erlangen.