Lam-rim: Dharma "light" (leicht) und die echte Version

Praktiken, die auf das Hören der Lehren vorbereiten

Beginnen wir diese Sitzung mit einigen Vorübungen. Um zur Ruhe zu kommen, konzentrieren wir uns als erstes auf den eigenen Atem. Wir atmen ganz normal durch die Nase. Ist unser Geist sehr abgelenkt zählen wir unsere Atemzüge. Ist unser Geist relativ ruhig, dann konzentrieren wir uns einfach auf das Gefühl des Atems, der durch die Nase ein- und ausfließt.

Dann erneuern wir unsere Motivation. Dies bedeutet, dass wir aufs Neue bekräftigen, wonach wir streben. Wir kommen hierher um im eigenen Leben einen Schritt in eine sichere und positive Richtung zu tun. Die Richtung, in der wir an uns selbst arbeiten um die eigenen Probleme und ihre Ursachen zu überwinden und um all die eigenen Potentiale zu verwirklichen. Als Hilfe für das Erreichen dieses Zieles möchten wir etwas über den Lam-rim, die graduellen Stufen des Pfades, lernen. Einerseits können wir dies auf einer „Dharma light“-Ebene tun. In diesem Fall sind wir daran interessiert, dieses Leben zu verbessern und es als Trittbrett zu benutzen, um dann auch zukünftige Leben zu verbessern und schließlich Befreiung und Erleuchtung zu verwirklichen. Dies setzt natürlich voraus, dass wir ein rudimentäres Verständnis der Bedeutung zukünftiger Leben, der Befreiung und der Erleuchtung haben. Oder wir erkennen zumindest die Wichtigkeit davon, diese Dinge zu verstehen und beabsichtigen an der Entwicklung eines solchen Verstehens zu arbeiten. Andererseits können wir dies mit einer „der echte Dharma“- Absicht tun: um die Befreiung aus der unkontrollierbaren Widergeburtenkette zu erlangen und den erleuchteten Buddhazustand zu erreichen, damit wir allen dabei helfen können, dasselbe zu verwirklichen. Auf welcher Stufe auch immer wir stehen, was auch immer das eigene Ziel ist, wir sollten diese Ziele nicht nur zum eigenen Vorteil erreichen, sondern um allen bestmöglich helfen zu können.

Genauer genommen sind wir hier, um etwas über den Stufenweg des Pfades zu lernen, als eine Methode um in die sichere Richtung des Buddha, des Dharma und des Sangha zu gehen. Mit anderen Worten gehen wir in die Richtung der Dharmazuflucht. „Dharmazuflucht“ bezieht sich auf die wahre Beendigung (wahre Aufhebung) unserer Probleme und ihrer Ursachen und auf die wahren Ebenen des Pfadgeistes (wahrer Pfad) die als Weg in Richtung Befreiung oder Erleuchtung dienen. Bei diesen letzten handelt es sich um wahre Einsichten in die Realität, die wahre Beendigungen herbeiführen und die die vollkommene Verwirklichung und Nutzung der eigenen Potentiale möglich machen. Etwas über die gestuften Ebenen zu lernen wird uns helfen, uns in diese Richtung zu bewegen, den Pfad zu beschreiten, den die Buddhas vollständig und der Arya Sangha (diejenigen, die die Realität in einer nicht-konzeptuellen Weise wahrgenommen haben) teilweise vollendet haben. Wir tun dies mit Mitgefühl, mit dem Wunsch, den anderen bei der Bewältigung, ihrer wahren Probleme und deren wahren Ursachen zu helfen. Um ihnen bestmöglich zu helfen, müssen wir Buddhas werden. So heben wir auch die Bodhichitta-Motivation. Kurz gesagt wollen wir etwas über die Stufen des Pfades lernen, um allen bestmöglich helfen zu können.

Mit diesem Ziel vor Augen bringen wir das siebengliedrige Gebet dar. Als erstes stellen wir uns vor, dass wir Niederwerfungen machen. Wir werfen uns vollständig in diese Richtung, mit vollem Respekt für diejenigen, die sie bereits eingeschlagen haben und tatsächlich diese Ziele erreicht haben, mit vollem Respekt für die eigene zukünftige Erleuchtung, die wir durch Bodhichitta erreichen wollen, mit vollem Respekt gegenüber dem eigenen Buddha-Natur-Potential, das es uns erlauben wird, dieses Ziel zu erreichen.

Wir bringen Opfergaben dar. Wir sind bereit, alles zu geben – unsere eigene Zeit, Energie und unser Herz, damit wir dazu fähig werden, uns weiter und weiter zu entwickeln, damit wir wirklich allen bestmöglich helfen können.

Wie der Sakya-Meister Chögyal Pagpa (tib. Chos-rgyal 'Phags-pa) bringen wir die „Opfergaben der Konzentration“ dar, was sich auf die verschiedenen Aspekte der eigenen Praxis bezieht. Zum Wohl aller bringen wir alles, was wir gelesen und gelernt haben, in Form von Wasser dar. Was auch immer wir lernen wollen wir einsetzen, um dazu fähig zu werden, den anderen hilfreich zu sein. Als nächstes bringen wir alles Wissen, dass wir durch die eigene Lektüre und das eigene Lernen erworben haben, in Form von Blumen dar. Die Disziplin auf der Grundlage dieses Wissens zu meditieren, bringen wir als duftende Wolken von Weihrauch dar. Die Einsichten, die wir durch diese disziplinierte Praxis gewinnen, bringen wir in Form des Lichtes von Kerzen und Butterlampen dar. Die feste Überzeugung, die wir dank diesen Einsichten erlangen, bringen wir in Form erfrischenden Parfüms dar. Die Konzentration, die wir dank der Grundlage der festen Überzeugung, die frei von Zweifeln ist, entwickeln können, bringen wir in Form von Nahrung dar. Schließlich bringen wir die Unterweisungen, die wir anderen auf der Grundlage von alledem geben, in Form von Musik dar.

Als nächstes geben wir mit vollkommener Ehrlichkeit uns selbst gegenüber offen zu, dass wir Schwierigkeiten damit haben, im eigenen Leben dieser Art von Pfad zu folgen. Oft haben wir keine Lust zu üben. Wir verstehen nicht, warum wir üben sollten. Wir werden wütend, wir handeln egoistisch, wir entwickeln Begierde, Anhaftung, und so weiter. Manchmal wissen wir nicht richtig, was wir mit unserem Leben tun. Wir bedauern dies. Wir wünschen uns wirklich, es wäre nicht so. Wir wollen unser Bestes geben, um diese Verhaltensweisen nicht zu wiederholen. So bekräftigen wir aufs Neue die positive Richtung, in die wir uns bewegen. Was auch immer wir über diesen Stufenpfad lernen, versuchen wir möglichst als Gegenmittel anzuwenden, um den Schwierigkeiten und Problemen zu begegnen, mit denen wir konfrontiert werden.

Wir freuen uns über die Tatsache, dass wir Buddha-Natur besitzen, dass wir die Fähigkeit haben, uns zu entwickeln, die eigenen Schwierigkeiten samt ihrer Ursachen zu überwinden und die eigenen Potentialitäten zu verwirklichen. Die Natur unseres Geistes ist rein. Unsere Schwierigkeiten und Verwirrungen gehen nicht sehr tief. Sie sind wie der Tabakgeruch, der am Atem eines Rauchers haftet. Sie sind künstlich. Sie sind nur zeitweise da; sie werden vergehen. Sie entsprechen nicht unserer tiefsten Natur. Wir alle haben Buddha-Natur. Wir haben alle die Fähigkeit, uns zu entwickeln. Darüber freuen wir uns.

Wir freuen uns auch über die Buddhas und die großen Meister, die dazu fähig waren, alle Potentialitäten ihrer Buddha-Natur zu verwirklichen. Wir freuen uns über die Tatsache, dass sie uns gelehrt haben, wie wir diesem Pfad tatsächlich selbst folgen können: „Dies ist wirklich wundervoll. Ich danke euch!“

Wir bitten um die Lehren: „Bitte, ich möchte lernen. Ich habe es wirklich nötig, zu lernen. Ich möchte lernen, dazu fähig zu sein, den anderen und mir selbst zu helfen.“

Wir bitten sie zu bleiben: „Mir ist es ernst. Geht nicht fort. Bitte tretet nicht ins Parinirvana ein. Ich möchte den ganzen Weg bis zur Erleuchtung gehen. Ich bin nicht einfach ein Dharma-Tourist.“

Schließlich wünschen wir uns, dass jede Einsicht und jede positive Kraft, die wir durch diese vorbereitenden Übungen und durch das Hören der folgenden Lehren und durch ihre Praxis aufbauen, Ursachen dafür werden, dass wir die Buddhaschaft erlangen, damit wir wirklich allen die größtmögliche Hilfe bieten können. Mögen sie nicht lediglich zu Ursachen werden, durch die wir unser Samsara verbessern.

Dann fassen wir den bewussten Entschluss mit voller Konzentration zuzuhören. Wenn die eigene Aufmerksamkeit wandert, bringen wir sie zurück. Falls wir schläfrig werden, versuchen wir uns selbst zu wecken. Um dem Geist dabei zu helfen, klarer zu werden, korrigieren wir unsere Haltung und sitzen mit geradem Rücken, allerdings ohne steif zu werden.

Um den eigenen Energiepegel zu erhöhen, falls dieser etwas niedrig ist, können wir uns dann auf den Punkt zwischen den Augenbrauen konzentrieren und die Augen nach oben richten den Kopf dabei aber gerade halten.

Wenn wir etwas nervös oder verspannt sind, müssen wir unsere Energien erden. Hierzu konzentrieren wir uns auf unseren Bauchnabel und richtet den Blick nach unten, ohne hierbei den Kopf vorzubeugen. Wir atmen normal ein, halten den Atem dann aber an, bis wir ausatmen müssen.

Wenn wir wirklich die Essenz dieser vorbereitenden Praktiken verstehen und sie nicht bloß als ein leeres Ritual abspulen, können wir uns ihnen mit ganzen Herzen hingeben und sehr viel Inspiration aus ihnen gewinnen. Es handelt sich nicht um einen hingebungsvollen Akt der Verehrung gegenüber irgendjemandem, sondern sie sind vielmehr Praktiken, um die eigenen Energien wirklich in eine positive Richtung bewegen und uns aufnahmefähig dafür machen, um an uns selbst zu arbeiten, zu lernen und Fortschritte zu machen. Dies ist ihr eigentlicher Sinn. Deshalb werden sie „vorbereitende Praktiken“ genannt. Wenn wir diesen Stufenweg des Pfades studieren und mit ihm arbeiten, betonen wir, dass es gut ist, eine Meditationssitzung mit diesen vorbereitenden Übungen zu beginnen. Sie machen uns wirklich aufnahmefähig. Wir möchten wirklich etwas verstehen, etwas lernen. Daher engagieren wir uns dank dieser vorbereitenden Praktiken mit ganzem Herzen. Sogar wenn wir nicht dazu in der Lage sind, irgend eine weitere Form der Meditation zu üben, sind diese vorbereitenden Übungen als eine tägliche Praxis an sich bereits äußerst hilfreich.

Einteilen der Lehren Buddhas

Das Thema dieses Abends ist die Struktur des Lam-rim, der gestuften Stadien des Pfades. Genauer gesagt bedeutet „Lam-rim“ „die gestuften Ebenen des Pfadgeistes“. Dies sind die fortschreitenden Verständnisebenen, die als Pfade dazu dienen, uns bis zu den Zielen der Befreiung und der Erleuchtung zu führen. Doch wir können sie einfach als Stufenweg bezeichnen.

Woher stammen die Lehren des Lam-rim? Nun, Buddha lehrte zahlreiche verschiedene Themen. Diese sind in die Methoden des Sutras und des Tantra unterteilt. Die Sutramethoden sind die grundlegenden. Das Sanskritwort Sutra bedeutet „ein Thema des Übens“. Die Tantras sind fortgeschrittene Lehren, die auf den Sutras basieren. Sie erlauben uns, die Aspekte der eigenen Buddha-Natur zu verwirklichen, indem sie all die verschiedenen Sutralehren gleichzeitig miteinander verknüpfen.

Buddha lehrte die Sutramethoden in unterschiedlichen Weisen an verschiedene Schüler. Viele der Lehren fanden in Form von Dialogen statt: der Buddha spricht, andere stellen Fragen, der Buddha antwortet und so weiter. Aus diesem Grund sehen die Sutras nicht besonders systematisch aus. Eine Aussage des Buddhas an einem Ort kann aussehen, als wiederspreche sie einer anderen Aussage an einem anderen Ort. Es ist schwierig zu sehen, wie sie alle zusammenpassen. Außerdem, da zur Zeit des Buddha nichts niedergeschrieben wurde bestand die Tradition darin, alles was Er sagte auswendig zu lernen und zu rezitieren. Daher gibt es in den Sutras zahlreichen Wiederholungen als Hilfe, um sich an die wichtigsten Punkte zu erinnern.

Ferner geht aus den Sutras nicht so deutlich hervor, wie man die Lehren praktisch anwenden soll. Aus diesem Grund schrieben die großen indischen Meister verschiedene Kommentare zu den Sutras, in denen sie in detaillierter Weise auseinander setzten, was Buddha beabsichtigte. Sie ordneten die Inhalte so an, dass sie etwas leichter verdaut und in die Praxis überführt werden konnten. So gibt es beispielsweise fünf Texte von Maitreya, dem zukünftigen Buddha. Seine Lehren wurden Asanga offenbart und von diesem niedergeschrieben. In diesen Schriften beginnen wir die Struktur zu erkennen, die wir später, als sich die Methoden zur Darstellung der Lehren Buddhas entwickelten, beobachten können. Diese Struktur gliedert sich in eine Art Einleitung, eine knappe Darstellung der Lehre, eine ausführliche Darstellung und eine abschließende Zusammenfassung. Bei den ausführlichen Darstellungen handelt es sich um verschiedene Listen. Buddha selbst listete Dinge auf; wir sollten daher nicht denken, es handele sich hierbei gänzlich um eine tibetische Erfindung. Wir finden diese Art von Struktur in vielen Darstellungen des Lam-rim -Materials.

Bei einigen grundlegenden Themen handelt es sich um die grundlegenden Sutraübungen. Sie wurden auf viele unterschiedliche Weisen eingeteilt. Es gibt beispielsweise die „Vier Gedanken, die den Geist dem Dharma zuwenden“, die in der Tradition der Nyingma gefunden werden, dann die „Vier Themen des Gampopa“ in der Kagyütradition und das „Sich-Trennen von den Vier Arten der Anhaftung“ in der Sakyatradition. Die Sakyatradition ordnet dasselbe Material auch entsprechend der Vier Edlen Wahrheiten. Ausgehend von Atisha wird dieses Material in der Kadamtradition und, später, in der Gelugtradition sowie in der Shangpa-Kagyütradition entsprechend der „drei Bereiche der Motivation“ organisiert. Dies ist was wir „Lam-rim“ nennen. Wir sollten nicht meinen, der Lam-rim sei die einzige Weise in der das Material, das er enthält, dargestellt werden kann. Es gibt zahlreiche andere Weisen, dies zu tun.

Drei abgestufte Ebenen der Motivation

Was ist der besondere Nutzen davon, wenn die Inhalte – kostbares menschliches Leben, Zuflucht, Karma, Entsagung, Bodhichitta, Leerheit und so weiter – im Lam-rim im Kontext von drei Ebenen der Motivation präsentiert werden? Einer der Hauptvorteile scheint mir zu sein, dass durch den Hinweis, dass es Stufen gibt, die dem „echten Dharma“ vorangehen, ein Zugang zu den Lehren geschaffen wird. Ich möchte dies ausführen.

Wenn wir über den Buddhismus sprechen, sprechen wir über die Zuflucht, die ich gerne als „das Einschlagen einer sicheren Richtung im Leben“ bezeichne. Was ist der tatsächliche Wegweiser in diese Richtung? Es ist das Dharmajuwel. Das Juwel des Dharma bezieht sich auf die dritte und vierte der Vier Edlen Wahrheiten, nämlich auf die wahren Aufhebungen der Probleme und ihrer Ursachen und auf die wahren Ebenen des Pfadgeistes der nichtkonzeptuellen Verwirklichung der Leerheit. Die Buddhas haben diese beiden Aspekte in ihrem geistigen Kontinuum vollkommen verwirklicht. Mit anderen Worten besitzen die Buddhas in ihrem geistigen Kontinuum alle wahren Beendigungen und wahren Ebenen des Pfadgeistes. Die Mitglieder der Arya Sangha dagegen haben begonnen, einige dieser wahren Beendigungen und wahren Ebenen des Pfadgeistes zu verwirklichen, haben dies aber noch nicht in vollständiger Weise getan.

Denken wir als ein Beispiel an einen altmodischen Röhrenfernseher, der schlecht funktioniert. In diesem Fall wäre das Entfernen der fehlerhaften Röhren analog zu den wahren Beendigungen und die Installation der funktionalsten Röhren analog zu den wahren Ebenen des Pfadgeistes. Durch die Erleuchtung haben sich die Buddhas von allen defekten Röhren befreit und all die funktionalsten installiert. Arhats sind einige der fehlerhaften Röhren losgeworden und haben sie ersetzt – das ist Befreiung. Durch die nichtkonzeptuelle Erkenntnis der Leerheit werden wir zu einem Arya, d.h. wir befreien uns von den allerersten defekten Röhren und ersetzen sie. Die Dharmazuflucht wird von der gesamten Spannweite der Errungenschaften gebildet, von der Aryaschaft über die Arhatschaft bis zur Buddhaschaft.

Die „Vier Gedanken, die den Geist dem Dharma zuwenden“ – kostbares menschliches Leben, Tod und Vergänglichkeit, Karma und die Nachteile des Samsara – handeln davon, wie wir unseren Geist auf die Dharmazuflucht richten. Spezifischer betreffen sie die Schritte, die nötig sind, um die Entsagung, den Wunsch nach der Befreiung, zu erlangen. Wenn wir die „Vier Gedanken, die den Geist dem Dharma zuwenden“ in den Lam-rim-Kontext übersetzen, stellen wir fest, dass sie auf der mittleren Motivationsebene ansetzen: dass wir mit Entsagung an der Befreiung arbeiten. Auf die „Vier Gedanken“ folgen dann stets die Unterweisungen zur Entwicklung des Bodhichitta und das Verständnis von Leerheit, damit wir Erleuchtung erlangen. Der einzigartige Vorteil der Lam-rim-Darstellung in gestuften Ebenen des Pfades ist, dass sie eine Anfängerebene der Motivation mit einschließt. Diese besteht darin, dass Bemühungen zum Nutzen zukünftiger Leben zu einem Trittbrett, auf dem Weg zur Arbeit an der Befreiung und an der Erleuchtung gemacht werden. So gibt der Lam-rim den Hinweis auf ein Trittbrett, von dem aus wir auf die Befreiung und die Erleuchtung, die tatsächlichen buddhistischen Ziele hinarbeiten können.

In der Sakyatradition des „Sich-Trennen von den Vier Anhaftungen“ finden wir ebenfalls das Abwenden des Geistes von der Anhaftung an dieses Leben und das Reflektieren über zukünftige Leben. Es handelt sich also nicht nur um eine dem Lam-rim eigene Darstellung. Doch die Tatsache, dass im Lam-rim das Arbeiten für künftige Leben als eine der drei Motivationsebenen angesehen wird, ist ein viel klarerer Hinweis darauf, dass es sich um ein Trittbrett handelt. Mir scheint, dies ist für uns Westler äußerst bedeutend, wenn wir uns dem Dharma nähern.

„Dharma light“ als ein Trittbrett

Im Lam-rim ist der fortgeschrittene Motivationsgrad ein Grad, der ausschließlich zum Mahayana gehört, doch dem Mahayana-Sutra und dem Mahayana-Tantra gemeinsam ist. Er besteht darin, dass man auf Erleuchtung hinarbeitet. Der mittlere Motivationsgrad, durch den wir für die Befreiung arbeiten, ist allen buddhistischen Traditionen, sowohl aus dem Hinayana wie aus dem Mahayana, gemein. Der anfängliche Motivationsgrad besteht lediglich darin, dass wir an der Verbesserung zukünftiger Leben arbeiten. Dieser Schritt wird auch mit zahlreichen anderen Religionen geteilt.

Nach Aussage zahlreicher buddhistischer Texte liegt die Grenze zwischen Dharma und Nicht-Dharma darin, ob wir etwas Nützliches für unsere zukünftigen Leben tun oder nicht. Ferner wird ein Buddhist als jemand bezeichnet, der bzw. die im eigenen Leben eine sichere Richtung einschlägt, jemand der Zuflucht nimmt. Wie gerade erwähnt wurde, ist die tatsächliche Zuflucht das Dharmajuwel und dieses kann sich auf die Befreiung und die Erleuchtung oder auf die Aryastadien der Annäherung an Befreiung und Erleuchtung beziehen. Wie passen diese Punkte zusammen? Die Antwort liegt darin, dass die Zufluchtslehren auf der anfänglichen Ebene präsentiert werden.

Wenn wir sagen, die Trennlinie, die den Dharma abgrenzt, sei das Arbeiten für künftige Leben, denke ich nicht, dass dies zur Aussage berechtigt, dass es sich bei den Bemühungen eines Christen, um in den Himmel zu kommen oder bei denen eines Moslems, um ins Paradies zu kommen, um Buddhadharma handele. Die Tatsache, dass die Zuflucht in Rahmen der anfänglichen Motivationsebene besprochen wird, scheint mir ein Hinweis darauf zu sein, dass wenn wir davon sprechen, dass die Trennungslinie die den Dharma ausmacht mit dem Arbeiten für den Nutzen zukünftiger Leben beginnt. Dies bedeutet spezifisch, dass die Verbesserung zukünftiger Leben ein Trittbrett dazu ist, auf dem Pfad fortzuschreiten – dazu, erst ein Arya zu werden, dann die Befreiung und schließlich die Erleuchtung zu erlangen. So betrachtet überwinden wir den scheinbaren Wiederspruch, dass auf der einen Seite die Bemühung zum Nutzen zukünftiger Leben ein Ziel ist, dass auch mit den nichtbuddhistischen Religionen geteilt wird und andererseits die Trennlinie zwischen Buddhadharma und Nicht-Dharma bildet.

Die Motivation auf der anfänglichen Ebene ist ein Trittbrett in die tatsächliche Richtung der Arbeit an der Verwirklichung wahrer Beendigungen, dem Dharmajuwel. Aus dieser Darstellung der anfänglichen Ebene als einem Trittbrett habe ich das Konzept des „Dharma light“ abgeleitet, als ein noch vorangehendes Trittbrett, das diesem vorausgeht. Mir scheint, dass die Struktur des Lam-rim eine Ebene vor der Anfangsmotivation zulässt. Eine Ebene, zu der Westler viel leichter Zugang zum Stufenpfad finden können. Es ist die Motivationsebene mit der wir daran arbeiten, diese Lebensspanne zu verbessern als ein Trittbrett um zukünftige Leben zu verbessern. Mit „Dharma light“ arbeiten wir auf dieser Motivationsebene bevor wir die Anfangsebene der Lam-rim-Motivation entwickeln.

Der Dharma ist wie ein in Fahrt befindlicher Bus. Es ist äußerst schwierig einfach drauf zu springen. Wenn wir den Lam-rim betrachten, setzt das Ziel der anfänglichen Motivationsebene – die Verbesserung zukünftiger Leben – ein grundlegendes Verständnis und einen grundlegenden Glauben an zukünftige Leben voraus. Die traditionellen Texte machen sich noch nicht einmal die Mühe, die Existenz vergangener und zukünftiger Leben zu erklären oder zu versuchen, diese zu beweisen. Es wird angenommen, dass jeder bereits diesen Glauben hat. Für Westler, die nicht aus diesem Milieu kommen, ist es sehr schwierig, einfach anzunehmen, dass es vergangene und zukünftige Leben gibt – ganz zu schweigen davon, dass diese Kette anfangslos sein soll. Die traditionellen buddhistischen Texte stellen diese Schwierigkeit nicht heraus, doch Seine Heiligkeit der Dalai Lama erklärt es mündlich auf diese Weise.

Genau wie die anfängliche Motivationsebene auch den nichtbuddhistischen Religionen gemein ist, so ist, wenn wir noch einen Schritt zurückgehen, der „Dharma light“, d.h. die Arbeit an der Verbesserung dieses Lebens, dem Mahayana und dem Hinayana, den Therapien, der säkularen Philosophie, der humanistischen Philosophie usw. ebenso wie den anderen Religionen gemein. Es ist eine breitere gemeinsame Basis. Eine Praktik wird zu einer „Dharma light“-Praktik, wenn es sich um ein Trittbrett in Richtung Arbeit für zukünftige Leben, für die Befreiung und die Erleuchtung innerhalb der allgemeinen Struktur der Zuflucht und der sicheren Richtung handelt. Wir können durch „Dharma light“-Praktiken beginnen, uns in diese Richtung zu bewegen. Wenn die tatsächliche sichere Richtung eine Autobahn wäre, so wäre „Dharma light“ die Autobahnauffahrt.

Die Bedeutung der Motivation

Die Struktur gestufter Ebenen der Motivation ist äußerst wichtig. „Motivation“ bezieht sich nicht auf die emotionalen Gründe, aus denen wir etwas machen. Es geht hier um die eigene Absicht, um das eigene Ziel. Was ist die Absicht, die hinter unserem Studieren und Praktizieren steht? Welches Ziel möchten wir hierdurch erreichen? Die Struktur des Lam-rim weist auf einen Wachstumsprozess hin und dieser muss an seinem Anfang begonnen werden. Ein großer Fehler, den viele machen, ist, einfach die ersten Ebenen zu überspringen und direkt auf dem fortgeschrittenen Level des Mahayana anzusetzen. Diese Menschen behaupten stolz: „Ich arbeite, damit alle Wesen die Befreiung und die Erleuchtung erlangen können.“ Wenn wir allerdings nicht schon zuvor die anfänglichen Motivationsebenen besitzen, trivialisiert dies die Arbeit für alle fühlenden Wesen und das eigene Üben wird „Dharma light“. Wir arbeiten nicht wirklich daran, dass alle fühlenden Wesen die Erleuchtung erlangen, da wir gar nicht wissen, was dies bedeutet; wir haben keine Vorstellung davon, was Erleuchtung bedeutet. Und wir arbeiten mit Sicherheit nicht daran, jedes Insekt im Universum von der unkontrollierbaren Wiedergeburt zu befreien, wenn wir noch nicht einmal an die Wiedergeburt glauben! Wenn wir uns selbst ehrlich prüfen, stellen wir fest, dass wir nur daran arbeiten, einigen Wesen zu helfen und dass wir ihnen nur dabei helfen, ihr Leben zu verbessern – dieses Leben. Obgleich eine solche Motivation äußerst positiv und nützlich ist, wäre es eine Schmälerung des Mahayana, dies als eine fortgeschrittene Mahayana-Motivation zu bezeichnen. Mir scheint der Schwerpunkt muss wirklich darauf liegen, dass wir das Ziel jeder Motivationsebene des Lam-rim sehr ehrlich, von Herzen entwickeln, eine nach der anderen, in fortschreitender Ordnung, ohne vorzugeben, dass wir einen fortgeschrittenen Motivationsgrad besitzen, wenn dies nicht tatsächlich der Fall ist.

„Dharma light“ und das Anfangsstadium als Trittbrette zu betrachten bedeutet, dass wir eine sehr klare Ahnung davon haben, wie wichtig es ist, Wiedergeburt, Befreiung und Erleuchtung zu verstehen. Wir erkennen an, dass wir diese Dinge jetzt nicht begreifen, doch wir sind uns ihrer Wichtigkeit bewusst sie zu verstehen und beabsichtigen von ganzem Herzen, sie zu erfassen. Sind wir noch nicht ganz bereit dazu, die Wiedergeburt und so weiter zu akzeptieren, so legen wir sie vorerst beiseite, doch wir bewegen uns in Richtung darauf, sie zu verstehen.

Wir könnten die gesamten Lehren des Lam-rim mit einer „Dharma light“ Motivation oder sogar mit einer Motivation der Anfängerebene durchmachen. Dabei gibt es überhaupt kein Problem. Altruismus, Großzügigkeit, anderen zu helfen, die störende Emotionen zu verstehen, eine Vorstellung der Leerheit und so weiter – dies ist alles hilfreich für dieses Leben, oder? Ohne das Element anfangsloser Wiedergeburt werden wir nicht dazu in der Lage sein, das tiefgehendste Verständnis hiervon zu gewinnen, doch wir können sie als „Dharma light“-Version haben.

Ohne vergangene und zukünftige Leben macht Karma (die Lehren über die Ursachen und Wirkungen des Verhaltens) keinen wirklichen Sinn. Dies liegt daran, dass wir unser ganzes Leben lang in einer positiven Weise handeln können – und dann von einem Erdebeben getötet werden können. Solche Dinge ergeben keinen Sinn, wenn wir sie ausschließlich aus der Perspektive dieses Lebens betrachten. Dies bedeutet aber nicht, dass die Lehren über Karma in diesem Leben nicht nützlich sind. Sie sind es. Doch wir gewinnen kein tiefes Verständnis von Karma, wenn wir nicht an vergangene und zukünftige Leben denken. Auch ist es etwas absurd, ohne ein Verständnis der Wiedergeburt anerkennen zu wollen, dass alle Wesen die eigene Mutter gewesen sind, doch viele der Bodhichittalehren basieren darauf. In einer ähnlichen Weise können wir kein wirklich tiefes Verständnis der Leerheit entwickeln, wenn wir nicht mit der Vorstellung arbeiten, dass der Geist kein Anfang und kein Ende hat. Ein anfangsloser Geist impliziert die Wiedergeburt, nicht wahr?

Es ist von grundlegender Bedeutung, die Motivation auf jeder Ebene ehrlich zu verspüren. Wenn wir diese Anfangsebenen der Motivation überspringen, verpassen wir den eigentlichen Kern des Lam-rim. Die Themen der anfänglichen Motivationsebene, etwa das kostbare menschliche Leben, Tod, Vergänglichkeit und so weiter, leiten sich direkt von den Sutren ab. Die verschiedenen tibetisch-buddhistischen Traditionen und Meister präsentieren sie in zahlreichen unterschiedlichen Gliederungen. Sie sind nicht nur dem Lam-rim eigen. Was jedoch im Lam-rim einzigartig ist, ist die Struktur gestufter Ebenen der Motivation.

Den Kontext des Lam-rim verstehen

Die verschiedenen tibetischen Traditionen erklären ein gesundes Verhältnis zum spirituellen Lehrer an verschiedenen Stellen in ihren Darstellungen des Materials des Lam-rim-Typs. Die Lam-rims der Gelug-Tradition beispielsweise platzieren das gesunde Verhältnis vor die Darstellung der gestuften Ebenen.

Als Nebenbemerkung sollte ich erwähnen, dass nicht bloß ein Text als „Lam-rim“ bezeichnet wird. In der Gelug-Tradition gibt es sieben oder acht Hauptversionen des Lam-rim. Tsongkhapa selbst schrieb drei Versionen. Dann gibt es auch Versionen vom Dritten Dalai Lama, von Fünften Dalai Lama, vom Vierten Panchen Lama sowie vom Fünfen Panchen Lama. Eine der neuesten ist die von Pabongka. Ferner gibt es mehrere, die zwischen den Texten des Fünfen Panchen Lama und Pabongkas verfasst wurden. Wir könnten in eine ausführliche Besprechung der historischen Entwicklung des Lam-rim begeben, doch wir wollen dies hier nicht tun. Ein bedeutender Punkt ist allerdings, dass sich der Stil der Darstellung mit der Zeit gewandelt hat.

Als weitere Nebenbemerkung denke ich, dass es nützlich ist, wenn ich etwas über Pabongka Rinpoches Version des Lam-rim sage, so wie sie von seinem Schüler Trijang Rinpoche niedergeschrieben wurde. Obwohl es die erste Version war, die auf English übersetzt wurde und sie daher recht verbreitet ist, ist es eine eher fundamentalistische Herangehensweise an den Lam-rim. Sie ist fundamentalistisch Gelugpa. Damit will ich nicht sagen, dass sie gut oder schlecht ist, sondern nur identifizieren, worum es sich handelt. Wir sollten nicht denken, dass sie für die gesamte Lam-rim-Tradition oder für die gesamte Gelug-Tradition repräsentativ ist. Sie enthält beispielsweise einige sehr starke Aussagen gegen die Bönpos. Auch die Betonung von Dingen, wie dass wir als Huftier wiedergeboren werden, wenn wir mit geballten Fäusten Niederwerfungen machen, reflektiert eine fundamentalistische Herangehensweise. Es ist nicht unsere Aufgabe zu beurteilen, ob etwas gut oder schlecht ist, sonder einfach zu wissen, worum es sich handelt. Für viele Menschen ist Fundamentalismus angebracht, für andere nicht. Der Lam-rim der Hauptströmung der Gelug ist allerdings Tsongkhapas „Lamrim-chenmo“. Wenn wir die Gelug Tradition kennen lernen wollen ist dies das richtige Buch. Seine Heiligkeit der Dalai Lama betont immer diese Version. Auch sie ist jetzt auf Englisch erhältlich.

Um zurück zum Ausgangspunkt zu kommen, stehen zu Beginn der Gelug-Lam-rims die Vorübungen (vorbereitenden Übungen) und das Verhältnis zum spirituellen Lehrer. In einigen Versionen kommen zuerst das Verhältnis mit dem spirituellen Lehrer und dann die Vorübungen und in anderen ist es anders herum. Wie auch immer, warum kommen diese beiden Themen zu Anfang? Wenn wir darüber nachdenken wird uns klar, dass diese Art der Darstellung nicht für Neuankömmlinge gedacht ist, die ohne viel vom Buddhismus zu wissen in ein Dharmazentrum kommen. Wie könnte ein Neuankömmling sofort mit Niederwerfungen, Zuflucht, Bodhichitta und dem siebengliedrigen Gebet anfangen? Muss ein Neuankömmling sobald er oder sie ein Dharmazentrum betritt, den Lehrer als einen Buddha sehen? Es ist offensichtlich, dass westliche Neuankömmlinge nicht das beabsichtigte Publikum sind, an die sich der Lam-rim richtet. Was dies sogar noch deutlicher macht ist die Tatsache, dass an der Textstelle, an der besprochen wird, dass wir den Lehrer als einen Buddha sehen sollte, die Lam-rim texte Tantras zitieren. „Vajradhara sagte…“ Hier geschieht etwas, dass wir verstehen müssen.

Wo wurden diese Lehren ursprünglich vermittelt und in welchem Kontext? Das Publikum bestand aus Mönchen, die sich dem buddhistischen Pfad vollkommen widmeten, die Gelübde abgelegt hatten und so weiter. Sie wurden darauf vorbereitet, eine tantrische Ermächtigung, eine Initiation zu erhalten. Das Verleihen einer tantrischen Initiation erfordert, dass man zuvor eine Übersicht über den Sutrapfad gibt, der die Grundlage der Tantrapraxis darstellt. Der Lam-rim wurde also als eine Wiederholung der grundlegenden Sutralehren an engagierte Mönche gelehrt, die kurz davor standen, eine tantrische Initiation zu erhalten. Außerdem kam das Publikum aus einem kulturellen Umfeld, in dem die Wiedergeburt akzeptiert wurde; sie hatten bereits ein bestimmtes Verhältnis zum Lehrer und sie waren bereits dazu vorbereitet, von diesem Lehrer eine tantrische Einweihung zu erhalten. In diesem Kontext ergeben all die Lehren über das Verhältnis zum Lehrer einen Sinn. Und die Vorübungen machen offensichtlich Sinn, da es sich um Mönche handelte: sie praktizierten ohnehin diese Rituale.

Ein weiterer Hinweis ist, dass Tsongkhapa das gesunde Verhältnis zum spirituellen Meister als die „Wurzel des Pfades“ bezeichnet. Es ist nicht die Wurzel, die als erstes an einer Pflanze wächst: eine Pflanze entsteht aus einem Samen. Tsongkhapa nennt das Verhältnis zum Lehrer nicht „den Samen des Pfades“. Wenn eine Pflanze bereits gewachsen ist, ist die Wurzel der Teil, der sie stützt und der ihr Nahrung liefert. Ein spiritueller Meister ist nicht das, woraus der gesamte Pfad wächst. Obwohl das Verhältnis zum spirituellen Meister als erstes in Tsongkhapas Präsentation steht, bedeutet dies also nicht, dass es für Neuankömmlinge an erster Stelle kommt. Tsongkhapa gibt eine Darstellung des Pfades für Menschen, die sich bereits auf ihm befinden. Für sie ist die Unterstützung und die Nahrung auf dem Pfad das Verhältnis, das sie bereits zum Lehrer haben. Deshalb stellt Tsongkhapa dies allem anderen voran.

Dies sind meine Anfangsgedanken darüber, was wir über die Struktur des Lam-rim wissen sollten: warum er in gestuften Ebenen eingeteilt ist; dass es möglich ist, eine weitere Ebene den drei traditionellen voranzustellen; dass die Anordnung der drei traditionellen Ebenen dieses zusätzliche Vorstadium erlaubt und welche Auskünfte die Struktur über das Verhältnis mit dem Lehrer und über die Vorübungen gibt.

Was erforderlich ist, bevor wir in das traditionelle Anfangsstadium des Lam-rim eintreten

Was müssen wir verstanden und praktiziert haben, bevor wir auf die erste Motivationsebene des Lam-rim gelangen können?

Sönam Tsemo (tib. bSod-nams rtse-mo), einer der fünf Begründer der Sakya-Linie, stellte eine Liste von drei Dingen zusammen, die wir brauchen, um in die Lehren einzutreten. Das erste ist die Erkenntnis des Leidens. Das zweite ist das Vertrauen in die Möglichkeit, sich aus dem Leiden zu befreien. Das dritte ist das Vertrauen, dass der Dharma zeigt, wie wir dies verwirklichen können. Wenn wir dies durchdenken ergibt es vollkommen Sinn. Können wir im eigenen Leben überhaupt kein Problem feststellen, so werden wir uns sicher nicht dem Dharma zuwenden. Wenn wir Probleme feststellen, aber nicht glauben, dass es irgend einen Weg aus ihnen heraus gibt, werden wir uns ebenso wenig dem Dharma zuwenden. Und wenn wir nicht der Meinung sind, dass der Dharma eine Lösung bietet, werden wir sicherlich nicht im Dharma nach einer Lösung suchen. Diese drei Dinge sind es, die uns tatsächlich dazu motivieren, den buddhistischen Pfad finden zu wollen und ihm zu folgen. Die Implikation des dritten Punktes ist, dass wir den Dharma zuerst etwas studieren müssen, damit wir irgend einen Hinweis darauf erhalten, dass er eine gangbare Lösung bietet. Bevor wir uns daher tatsächlich von Herzen auf den Dharma einlassen können, müssen wir etwas darüber lernen.

Könnten Sie bitte mehr sagen zur Analogie zwischen dem Samen und der Wurzel im Verhältnis zum spirituellen Lehrer? Was ist der Samen? Wie entwickelt er sich zur Wurzel? Wenn Sie sagen, dass wir zuerst eine gewisse Kenntnis des Dharma haben müssen, bevor wir uns darauf einlassen, wie ist es dann möglich, dass wir uns ganz zu Beginn einem spirituellen Lehrer verschreiben?

Nehmen wir ein Beispiel. Die drei Punkte, die Sönam Tsemo erklärte, sind wie ein Samen. Aus ihnen wird der Eintritt zum Dharma erwachsen. Um aber zu verstehen, wie eine Wurzel aus einem Samen entstehen kann, sollten wir Sönam Tsemos dritten Punkt betrachten – Die Notwendigkeit, eine gewisse Kenntnis des Dharma und einen gewissen Grad an Überzeugung zu haben, dass er eine Lösung unserer Lebensprobleme bereithält.

Was meine eigene Erfahrung angeht, so studierte ich den Buddhismus zuerst sieben Jahre lang an der Universität, in einer sehr professionellen Weise, was das Erlernen der klassischen Sprachen mit einschloss. Obwohl ich instinktiv spürte, dass dies die richtige Richtung war, musste ich erst nach Indien gehen und Seine Heiligkeit den Dalai Lama treffen und danach einige Seiner Lehrer, um zu erkennen, dass der Buddhismus als eine lebendige Tradition fortbestand. Es handelte sich nicht nur um ein totes Thema, in Texten, die Professoren wie ein Kreuzworträtsel zu entziffern suchten, wie dies in den 1960er Jahren allgemein getan wurde. Hier war ein lebendiger Meister; die Lehren waren lebendig und ihnen zu folgen konnte tatsächlich zu Ergebnissen führen. Ich erfuhr den Hauptsinn und die Hauptfunktion eines Lehrers, wie sie in den traditionellen Texten erklärt wird: zu inspirieren. Zu sehen, dass die buddhistische Praxis möglich und lebendig war, brachte mich dazu, mich tatsächlich in die Praxis zu engagieren im mich dem Buddhismus von Herzen zu verschreiben.

Aus diesem Grund ist der spirituelle Lehrer sehr hilfreich und notwendig dafür, dass wir wirklich in die Lehren eintreten können. Ich glaube nicht, dass wir dies wirklich von Herzen tun können, indem wir bloß Dharmabücher lesen, obwohl uns dies in diese Richtung bringen könnte und wir davon etwas inspiriert werden könnten. Die stärkste Inspiration kommt vom lebenden Beispiel eines Lehrers. Dann wird das Lernen von einem Lehrer (Sönam Tsemos dritter Punkt) als ein Same zur Wurzel, da die Inspiration durch den Lehrer einen über die gesamte Dauer des Pfades hinweg unterstützt. Doch damit die Begegnung mit einem spirituellen Lehrer zu einem Samen und dann zu einer Wurzel werden kann, muss der Lehrer wirklich qualifiziert sein. Es darf sich nicht bloß um einen charismatischen Scharlatan handeln.

Wenn wir bloß einem unqualifizierten Lehrer begegnen, der einen „begeistert“ und wir selbst wenig vom Buddhismus wissen – reicht das aus um in den Pfad einzutreten? Ich würde sagen nein. Genau wie die Lektüre von Büchern über den Buddhismus ohne das Vorhandensein eines lebendigen Beispiels jemanden in die Richtung des Dharma führen und einen gewissen Grad an Inspiration verleihen mag, kann dies auch durch das Treffen eines Lehrers, selbst eines unqualifizierten Lehrers, geschehen. Doch wir werden uns nur in einer stabilen Weise in diese Richtung bewegen wenn wir nicht nur inspiriert werden, sondern wenn wir vom Buch oder vom Lehrer auch etwas lernen.

Was ist gefährlicher, anzufangen indem wir einfach über den Buddhismus lesen oder indem wir einfach von einem Dharmalehrer beeindruckt werden? Beides hat seine Gefahren. Wenn wir einfach nur lesen, können wir zu eigenen Interpretationen des Dharma kommen, die möglicherweise nichts mit den tatsächlichen Lehren zu tun haben. Wenn wir einfach nur einem Lehrer folgt, gibt es die große Gefahr, dass wir jemandem zum Opfer fallen, der uns sehr inspiriert aber nicht wirklich qualifiziert ist. Wir können in die Irre geleitet werden. Selbst wenn die Person qualifiziert ist, können wir derart viele Fantasien auf ihn oder sie projizieren, dass wir durch die eigenen Fantasien irregeleitet werden.

Egal wie wir anfangen, wir müssen versuchen, sowohl Studium als auch Inspiration zu erhalten. Die anfängliche Inspiration durch einen Lehrer ist nicht dasselbe wie ein gesundes Verhältnis zu einem spirituellen Lehrer. Das kommt viel später, wenn wir bereits fest auf dem Pfad stehen, schon recht engagiert sind und den Lehrer äußerst gut geprüft haben. Die Texte sagen, dass wir ein formelles Verhältnis mit einem Lehrer besiegeln wenn wir bei ihm oder ihr Gelübden ablegen, handle es sich um Pratimoksha-, Bodhisattva- oder tantrische Gelübde. Diesen Punkt zu erreichen setzt einiges an vorangehender Entwicklung voraus, damit wir die Gelübde nicht aufgrund von Gruppendruck oder aus irgendwelchen neurotischen Gründen ablegen, damit wir nicht einfach eine Zeremonie durchmachen ohne irgendein Verständnis für das zu haben, was geschieht. Wenn wir wirklich aus ganzem Herzen eine solche Verpflichtung eingehen können, dann erst können wir anfangen, von der Art von Verhältnis zu einem spirituellen Lehrer zu sprechen, die in den traditionellen Texten diskutiert wird. Es wird oft wiederholt, dass der spirituelle Lehrer am Anfang, in der Mitte und am Ende des Pfades wichtig ist. Doch wir müssen verstehen, was dies auf jeder Ebene bedeutet. Es bedeutet nicht, dass wir den Guru zu Beginn des Pfades als einen Buddha sieht.

Wertschätzung für das kostbare menschliche Leben

Wir haben hier nicht genügend Zeit, um die einzelnen Punkte des Lam-rim im Detail zu besprechen. Stattdessen werden wir einfach durch die Struktur der gestuften Stadien gehen. Wir wollen dies tun, indem wir ausschließlich zwei verschiedene Herangehensweise an diese Stadien vergleichen: die „Dharma light“-Herangehensweise, die die meisten von uns haben, und die „der echte Dharma“-Herangehensweise.

Wir fangen damit an, dass wir Wertschätzung für das kostbare menschliche Leben, das wir besitzen, entwickeln. Das hier gebrauchte tibetische Wort kostbar ist dasselbe wie in der Formulierung „die Drei Kostbaren Juwelen“. Die Konnotation ist, dass ein voll ausgestattetes menschliches Leben nicht nur kostbar sondern auch selten ist. Wenn wir über unsere eigene Situation nachdenken ist diese unglaublich: Es könnte soviel schlimmer sein, als es jetzt ist. Es ist so außerordentlich, dass wir nicht geistig zurückgeblieben, missgebildet, körperlich oder geistig beeinträchtigt,, geisteskrank und so weiter sind. Wir befinden uns nicht in einen schrecklichen Kriegsgebiet, wir hungern nicht zu Tode, wir werden nicht in einem Konzentrationslager gefoltert und so weiter. Viele Menschen haben sich in solchen Situationen befunden oder befinden sich in ihnen. Es ist außerordentlich, dass wir davon frei sind, doch wir sehen es einfach als normal.

Die gegenwärtige Weltlage ist eigentlich äußerst nützlich, um die Erkenntnis der Kostbarkeit unseres menschlichen Lebens zu gewinnen. Es stehen Methoden zur Verfügung, durch die wir an uns selbst arbeiten können und wir sind tatsächlich daran interessiert, sie zu erlernen und sie zu praktizieren. Obwohl diese Methoden verfügbar sind, interessieren sich die meisten Menschen nicht dafür. Und für viele Menschen sind sie noch nicht einmal verfügbar. Es ist auch unglaublich, dass wir zusätzlich zu unserem Interesse auch die Gelegenheit haben, diese Methoden zu studieren und zu praktizieren. Vergleichen wir unsere Situation mit anderen Teilen der Welt können wir feststellen, dass die Dinge viel schlechter laufen könnten.

Wenn wir uns der kostbaren Gelegenheit bewusst sind, die wir haben, um an uns zu arbeiten, motiviert uns dies dazu, diese Gelegenheit auszunutzen. Es ist so wichtig, eine solche Möglichkeit nicht zu verschwenden. Sie ist sehr fragile und sehr selten. Diese Gelegenheit einfach zu vergeuden, indem wir die meiste Zeit in Kneipen, mit Fernsehen oder mit was auch sonst immer verbringen ist eine unglaubliche Verschwendung. Wir sind dermaßen privilegiert, frei dazu zu sein, produktivere, nützlichere Dinge mit unserem Leben zu verwirklichen. Die meisten von uns haben etwas Geld. Wir sind keine Sklaven. Wir sind gesund. Wir sind privilegiert. Dies gilt in gleicher Weise, ob wir „Dharma light“ oder den „echten Dharma“ üben.

Dies ist ein Ausgangspunkt. Er kommt vor den tatsächlichen gestuften Ebenen der Motivation. Obwohl wir mit dem Studium des gesamten weiteren Pfades fortschreiten können, ist es sehr schwierig, irgend einen wirklichen Fortschritt zu machen, wenn dieser erste Punkt nicht wirklich von Herzen verstanden wurde, wenn er nicht zu einer tief empfundenen Realität für uns geworden ist – auf einer tiefen, emotionalen Ebene, nicht bloß intellektuell. Wird dies nicht in ehrlicher Weise von Herzen empfunden, so wird der gesamte spirituelle Pfad leicht zu einer bloßen Art von Sport. Eine Aktivität wie Kegeln oder Gymnastik. Wir sehen nicht die tiefe Relevanz, die es für unser eigenes Leben hat. Aber tatsächlich muss die Arbeit an uns selbst unser Leben sein!

Dies bedeutet nicht, dass wir an diesem Punkt anhalten und solange nichts anderes mehr lernen, bis die Wertschätzung für das eigene kostbare menschliche Leben sich wirklich in uns verfestigt hat. Es wird Jahre dauern, bevor wir dies tief in seinem Herzen verwurzelt haben. Worauf es ankommt ist, dass wir es nicht trivialisieren. Obwohl wir wirklich daran arbeiten müssen, dass wir unser kostbares menschliche Leben schätzen und es richtig nutzen, müssen wir keine Dharmafanatiker zu werden. Dies ist zum Scheitern verurteilt. Natürlich müssen wir uns entspannen.

Wir haben diese seltene Gelegenheit, dieses kostbare menschliche Leben. Dies ist umso gültiger, wenn wir die Gelegenheit hatten, qualifizierte Lehrer zu treffen und von ihnen zu lernen. Wie können wir das einfach vergeuden? Es ist ein solches Privileg lernen zu können und solche Lehrer zu treffen.

Sich bessere Wiedergeburten zum Ziel nehmen

Die erste Motivationsebene besteht darin, dass wir versuchen, schlechtere Wiedergeburtsumstände zu vermeiden und bessere Umstände für unsere zukünftigen Leben zu schaffen. Dies gilt im Hinblick auf die Anschauung, nach der es neben der menschlichen viele andere Lebensformen gibt, in die wir wiedergeboren werden können. Doch ein himmlisches Götterreich zu erreichen und eines der Höllenreiche zu vermeiden ist nicht das letztendliche Ziel. Dies als letztendliches Ziel anzusehen ist kein Buddhismus.

Wie weit können wir realistisch gesehen in einem Leben kommen? Wir werden nicht alles erreichen. Um einen bedeutenden Fortschritt auf dem buddhistischen Pfad zu machen werden wir lange brauchen. Daher müssen wir uns weitere kostbare menschliche Wiedergeburten sichern. Wir müssen uns weitere Umstände sichern, die als Trittbretter hilfreich sind, um die höheren Ziele des Buddhismus zu erreichen. Deshalb basiert der Wunsch, zukünftige Leben zu verbessern auf der Erkenntnis der Kostbarkeit des menschlichen Lebens; wir besitzt ein kostbares menschliche Leben und möchte auch in Zukunft solche besitzen.

Wenn wir die Wiedergeburt nicht wirklich verstehen oder nicht an sie glauben – nicht zu sprechen von der Existenz unsichtbarer Reiche wie der Himmel und Höllen – könnte eine „Dharma light“-Version darin bestehen, dass wir zukünftigen Generationen helfen möchten. Genau wie wir selbst ein kostbares menschliches Leben besitzen, könnten wir wünschen, dass zukünftige Generationen kostbare Gelegenheiten haben, egal ob wir nur an die eigene Familie oder in größeren Begriffen denken. Die Vorstellung, zukünftigen Generationen zu dienen, findet sich zwar nicht in den buddhistischen Texten, doch sie ist harmonisch mit den Dharmalehren. Deshalb denke ich, dass wir als Westler die Sache in dieser Weise angehen können. Mir scheint, dass ein solches Ziel zu haben vollkommen gültig und vollkommen hilfreich ist, so lange wir nicht behaupten, dass dies ist, was der Buddhismus lehrt und die tatsächlichen Aussagen des Buddhismus, nämlich das Arbeiten zum Nutzen künftiger Leben, abstreiten.

Als nächstes arbeiten wir mit dem Gewahrsein des Todes. Wir nehmen den Tod ernst. Wir werden mit Sicherheit sterben. Wer auch immer geboren wurde, muss sterben und wir haben keine Ahnung, wann dies geschehen wird. Würden wir bloß an den Tod denken, ohne dass es etwas weiteres gäbe, so könnte dies deprimierend sein. Worum es beim „echten Dharma“ geht ist, dass es nach diesem Leben weitere geben wird – sind wir darauf vorbereitet? Wenn wir jetzt sofort sterben würden, würden wir uns für das, was als nächstes kommt, bereit fühlen? Bedauern wir, was wir mit unserem Leben getan haben? Haben wir es verschwendet? Wenn dies unsere letzte Stunde wäre, wären wir glücklich darüber, wie wir unser Leben verbracht haben? Dies sind Dinge über die es wichtig ist, nachzudenken.

Eine „Dharma light“-Version bestünde einfach darin, die Tatsache ernst zu nehmen, dass wir jederzeit sterben können. In der gegenwärtigen Weltlage wird uns dies sogar noch klarer. Welches Erbe werden wir den künftigen Generationen hinterlassen? Was haben wir vollbracht? Hinterlassen wir bloß ein finanzielles und emotionales Desaster oder etwas Positives? Wie werden sich die Menschen an uns erinnern?

Nachdem wir über den Tod nachgedacht haben überlegen wir, was nach dem Tod geschehen könnte. Wir denken an schlechtere Wiedergeburten. Möchten wir als Kakerlake wiedergeboren werden, so dass wer auch immer uns sieht, uns zertreten will? Wir können mit unseren Vorstellungen über schlimmerer Umstände recht weit gehen. Es braucht nicht in den Tierreichen zu sein, es könnte ebenfalls in den menschlichen Reichen sein, als jemand, der Gegenstand schrecklicher Vorurteile ist, der keine Möglichkeiten hat und so weiter. Wenn wir feststellten, dass wir jetzt so kostbare Gelegenheiten und ein solch wundervolles Glück haben und wir uns vorstellen, dass wir solche Gelegenheiten in unseren künftigen Leben nicht mehr haben könnten, bekommen wir das Gefühl, dass dies schrecklich wäre! Wir wollen nicht, dass dies geschieht. Wenn wir wirklich auf diese Weise denken, werden wir sehr stark an der Vorbereitung der eigenen zukünftigen Leben arbeiten. Wir möchten die Dinge in einer guten Weise vorbereiten.

Dies ist für die meisten Westler sehr schwierig nachzuvollziehen, da wir keine Vorstellung davon haben, was Wiedergeburt tatsächlich bedeutet. Und haben wir davon irgendeine Vorstellung, so handelt es sich höchst wahrscheinlich um eine simplizistische, die mit Sicherheit nicht derjenigen entspricht, die vom Buddhismus vertreten wird. Es ist sehr schwierig, das Ganze wirklich und ehrlich zu spüren, sehr schwierig. Wie ich erwähnte, besteht eine „Dharma light“-Version darin, dass wir an zukünftige Generationen denken, doch wir könnten ebenfalls vermeiden wollen, dass sich die Dinge in unserem eigenen Leben später verschlechtern. Möchten wir in einem Altenheim im Rollstuhl enden, ohne etwas Sinnvolles in unserem Leben vollbracht zu haben, vollkommen deprimiert, alleine und unfähig dazu, die Leiden des hohen Alters zu ertragen? Wenn wir uns das überlegen – es wäre schrecklich. Wir sollten eine emotionale Grundlage und Verstehen als eine Art Basis vorbereiten, dank derer wir dazu fähig sein werden, mit dem, was unausweichlich ist (außer wenn wir plötzlich morgen sterben), umzugehen: mit Krankheit, Gedächtnisverlust, Verlust der körperlichen Sinne, Kontrollverlust über die eigenen Ausscheidungen, Abhängigkeit von Anderen, Tod. Wie werden wir mit diesen Dingen umgehen und die eigene Würde bewahren, anstatt in Depressionen zu fallen, wie es die meisten Menschen tun? Wir müssen dies wirklich ernst nehmen und es nicht einfach verdrängen. Verdrängung hilft nicht. Dies ist ein bedeutender Punkt. Der Dharma besteht nicht nur darin, dass wir die netten Dinge betrachten. Wir betrachten die schrecklichen Dinge und versuchen, sie entweder zu vermeiden oder in einer Weise mit ihnen umzugehen, bei der das Leiden weitmöglichst reduzieren wird.

Der nächste Schritt besteht in der „sicheren Richtung“, beziehungsweise in der Zuflucht. Egal ob wir schlimmere Wiedergeburten vermeiden wollen, schlimmere Umstände am Ende unseres Lebens oder für die zukünftigen Generationen vermeiden wollen: wir erkennen, dass Buddha, Dharma und Sangha den Lösungsweg aufzeigen. Die Buddhas haben sich vollkommen von allen störende Emotionen und Schwierigkeiten befreit; die befreiten Arhats und hoch verwirklichten Aryas haben dies teilweise vollbracht. Wir selbst arbeiten auf dieses Ziel der tatsächlichen Befreiung oder Erleuchtung hin. Wenn wir daran arbeiten, ein besseres Leben zu verwirklichen, dann weist die Zuflucht darauf hin, wie wir dies verwirklichen können, damit wir im Laufe zahlreicher Leben tatsächlich Befreiung und Erleuchtung erreichen können. Um es in einer einfachen Sprache auszudrücken ist es die Richtung des Arbeitens an sich selbst.

In einer „Dharma light“-Version ist an uns selbst zu arbeiten und in diesem Leben in diese Richtung zu gehen ein Trittbrett. Es ist schwierig wirklich überzeugt zu sein, dass wir uns von aller Verwirrung befreien und alle Potentiale verwirklichen können. Wir wissen noch nicht einmal, was dies bedeutet. Um wirklich auf dies hinzuarbeiten müssen wir es verstehen und überzeugt sein, dass das Erreichen der Befreiung und der Erleuchtung möglich ist. Im Rahmen einer „Dharma light“-Version arbeitet wir also daran, dass wir ein Verständnis dafür gewinnen, wie es möglich ist, die gesamte Verwirrung und alle störenden Emotionen, die wir haben, zu überwinden und dass wir uns davon überzeugen, dass es möglich ist, dies zu tun. Inzwischen können wir uns zumindest in diese Richtung bewegen. Wir wissen nicht, ob wir den ganzen Pfad verwirklichen können, doch wir können erkennen, dass es gut ist, in diese Richtung zu gehen.

Nun haben wir einen Sinn und eine Richtung im Leben. Deshalb wird dieser Schritt der Zuflucht so außerordentlich betont: er macht einen enormen Unterschied, egal ob wir eine „Dharma light“-Version oder eine „echte Dharma“-Version praktiziert. Wirklich zu wissen, was wir mit dem eigenen Leben machen, ist wirklich ein ganz schöner Schritt! Es verleiht einen enormen Grad an Sicherheit und Reife. Es geht nicht um die unreife Haltung mit der wir „O Buddha, Buddha, rette mich!“ rufen, während wir nichts tun. Das ist kein Buddhismus.

Um in die sichere Richtung von Buddha, Dharma und Sangha zu gehen, müssen wir das Karma (die Ursachen und Wirkungen des Verhaltens) verstehen und das eigene Handeln dementsprechend verändern. Wenn wir in einer destruktiven Weise handeln, müssen wir dies erkennen, uns davon zurückhalten und in konstruktiverer Weise handeln. Die Weise in der wir handeln wird die Erfahrungen, die wir machen, beeinflussen. Wenn wir wie ein Dummkopf handeln, werden die Menschen uns wie einen Idioten behandeln. Wenn wir grausam sind, können wir dann erwarten, dass die Menschen nett zu uns sind? Wenn wir uns grausam verhalten, die anderen verletzen und reinlegen, dann werden andere dasselbe mit uns tun. Wenn wir freundlich zu unseren Familien sind, werden die Dinge flüssiger laufen.

Als eine „Dharma light“-Version können wir daran denken, wie die eigene Handlungsweise die Erfahrungen, die wir in diesem Leben machen werden, beeinflussen, doch es ist nicht so offensichtlich, dass dies der Fall ist. Wir können sehr freundlich zur eigenen Familie sein und trotzdem viele Probleme und Schwierigkeiten haben. Oder wir können sehr verdorben sein, durch die eigene Korruptheit zu großem Reichtum kommen und nie erwischt werden. So können wir zwar im Allgemeinen sagen, dass die Dinge in diesem Leben besser laufen werden, wenn wir freundlich sind und schlechter wenn wir nicht freundlich ist, doch es gibt hierfür keine Garantie. Der “echte Dharma“- beinhaltet, dass wir in den Begriffen von vergangenen und zukünftigen Leben denken, da die meisten Ergebnisse nicht in dieser Lebensspanne heranreifen und das, was in diesem Leben heranreift, größtenteils nicht aus dem resultiert, was wir in dieser Lebensspanne getan haben.

Eine andere „Dharma light“-Version der Karma-Lehren wäre zu versuchen, den anderen zu helfen und sie nicht zu verletzen. Dies ist mit dem Dharma im Einklang. Doch wie können wir wissen, was die Wirkung unserer eigenen Handlungen sein wird? Wir können beispielsweise ein wundervolles Mahl zubereiten, um jemandem eine Freude zu machen und dann verschluckt er oder sie sich an einem Knochen und stirbt. Das einzige, was sicher ist, sind die Wirkungen, die unsere eigenen Handlungen auf uns selbst haben, d.h. auf die tatsächlichen Erfahrungen, die wir machen. Das ist es, wovon das Karma eigentlich handelt.

All dies geschieht im Kontext des Denkens an zukünftige Leben und des Wunsches, zu vermeiden, dass diese mangelhaft sein werden, damit wir in jedem von ihnen eine kostbare menschliche Wiedergeburt erlangen und weiter und weiter auf die Befreiung und die Erleuchtung hinarbeiten können.

Die mittlere Ebene der Motivation

Mit einer Motivation mittlerer Ebene zielen wir auf die Befreiung aus der unkontrollierbaren Wiedergeburtenkette. Wenn wir die Wiedergeburt nicht verstehen oder nicht an sie glauben, wie können wir uns dann davon befreien wollen? Das ist ein Witz. Eine „Dharma light“-Version besteht darin, dass wir darauf zielen, in diesem Leben von jeder Art von Problemen befreit zu werden, doch das ist recht vage. Sprechen wir in den Begriffen des „echten Dharma“ so achten wir auf der Anfangsebene lediglich darauf, die groben Ebenen des Leidens zu vermeiden, speziell das Leiden der schlechteren Wiedergeburtzustände. Hier auf der mittleren Ebene denken wir an die Probleme, die mit dem gewöhnlichen Glück verbunden sind, das als Leiden der höheren Reiche charakterisiert wird. Sogar in den Reichen der Götter oder der Menschen erfahren wir alle möglichen Arten von Leiden. Wir betrachten auf der mittleren Ebene auch das „allumfassende Leiden“, das der allgemeinen samsarischen Situation entspricht. Dies ist die Tatsache, dass was auch immer wir in einer Wiedergeburt erfahren mögen von der Verwirrung konditioniert wird, von der Verwirrung begleitet wird und zum Fortbestand und der Schaffung von noch mehr Verwirrung führt. Doch aus einer „Dharma light“-Perspektive können wir diese zwei Arten von Leiden allgemeiner betrachten, damit sie sich ebenfalls auf dieses Leben beziehen lassen.

Die gewöhnlichen Arten des Glücks, die wir erfahren, sind mangelhaft. Warum? Weil sie nie befriedigen. Wir haben nie genug. Wir wollen nicht nur einmal Sex haben. Wir wollen nicht nur einmal essen. Wir wollen diese Dinge wieder und wieder tun. Das wirklich Furchtbare ist, dass wir manchmal sogar die eigenen Lieblingsdinge nicht mögen. Es gibt keine Garantie dafür, dass wir das gleiche Gericht jedes Mal mögen oder dass wir Sex jedes Mal genießen werden. Was sogar noch furchtbarer ist, ist, dass wir keine Ahnung haben, was als nächstes geschehen wird. In einem Augenblick sind wir in einer wunderbaren Stimmung und im nächsten in einer furchtbaren. Es ist äußerst unbefriedigend.

Wir müssen unbedingt den Geisteszustand überwinden, der versucht, jedes nur mögliche Vergnügen um jeden Preis zu erhalten. Was sich normalerweise dahinter verbirgt, ist der Mythos, die Fantasievorstellung, wonach wir im Essen, im Sex, in unseren Freundschaften, im Geld oder was auch immer irgend eine Form perfekten Glücks finden werden. Doch solch ein Glaube hat seinen Ursprung in der Verwirrung. Er liegt zugrunde, wenn wir diese Dinge verfolgen. Und wenn diese Dinge einen nicht befriedigen, führt er zu noch mehr Verwirrung. Wir denken, dass wir vielleicht das nächste Mal wenn wir diese Dinge erhalten vollkommenes Glück erfahren werden. Wir müssen zum Punkt gelangen, an dem wir das haben, was wir als „Entsagung“ bezeichnen. Entsagung ist nicht bloß der Entschluss, sich aus diesem von selbst laufenden Zirkel zu befreien; Entsagung basiert auf der Langeweile und dem Eckel vor all jenem. Es ist einfach dumm und langweilig, immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand zu stoßen und zu versuchen, durch diese Art von Dingen irgend ein ewiges Glück zu finden. Durch Entsagung sind wir entschlossen, frei zu sein und dies basiert auf dem Verstehen, dass es eine Möglichkeit gibt, frei zu sein. Es gibt eine Alternative.

Durch Entsagung erkennen wir, dass es keinen Ort im Universum gibt, an den wir uns wirklich begeben wollen. Alles ist mehr oder weniger gleich. Einige Orte sind netter als andere, doch es ist alles Müll. Es gibt kein Dharmazentrum von dem wir denken, wir müssten ihm angehören um das Glück zu erlangen. Wir erkennen, dass kein Zentrum vollkommen sein wird und dass unausweichlich jedes Zentrum in internen politischen Müll verwickelt wird. Es gibt kein Kloster dem wir angehören wollen. Jedes Kloster wird ebenfalls unausweichlich in internen politischen Müll verwickelt sein. Es gibt keine bestimmte Freundschaft, die wir pflegen wollen, da jede Freundschaft unausweichlich mit Problemen und Schwierigkeiten erfüllt sein wird.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass wir uns einfach umbringen, da alles so deprimierend ist. Wenn wir nicht mehr von irgend etwas angezogen werden und den Mythos aufgegeben haben, der besagt, wir würde das ideale Dharmazentrum oder Kloster, die idealen Freunde, den idealen Lebensort, den idealen Job, Partner usw. finden, dann werden wir vielmehr nach dem suchen, was am hilfreichsten ist, um weitere Fortschritte auf dem Pfad der Befreiung zu machen. Mit diesem Kriterium wählen wir ein Dharmazentrum, ein Kloster, einen Lebensort, usw. ohne diese aufzubauschen, indem wir sie als die Wunderbarsten der Welt ansehen. Nichts ist das Wunderbarste der Welt. Es ist Samsara. Samsarische Situationen sind nie befriedigend, nie perfekt; sie gehen immer auf und ab. Wir müssen die Entsagung in diese Weise verstehen.

Die „Dharma light“-Version der Entsagung ist der Wunsch, sich in diesem Leben aus dem Leiden zu befreien. Die Version des „echten Dharma“ beinhaltet außerdem das Denken an zukünftige Leben, nicht nur an dieses Leben. Die drei Arten des Leidens gehen ein Leben nach dem anderen weiter, außer wenn wir etwas tun, um uns aus dem sich unkontrollierbar wiederholenden Zyklus zu befreien.

Wir können hier feststellen, dass alle Lehren wie die verschiedenen Teile eines Puzzles sind, die mit jedem anderen Teil in zahlreichen verschiedenen Weisen kombiniert werden können. Wenn wir beispielsweise das Puzzlestück des kostbaren menschlichen Lebens nicht mit dem der Entsagung kombinieren kommen wir an einen Punkt an dem wir den Eindruck haben, dass kein Ort gut ist. Wir möchten nirgendwo mehr hingehen, alles erscheint als Müll und wir haben keine Lust mehr, irgendetwas zu tun. Darum geht es bei Entsagung nicht. Die Entsagung ist eine Hilfe, um das kostbare menschliche Leben besser zu nutzen.

Wenn wir eine Motivation mittlerer Ebene besitzen, betrachten wir als nächstes die Ursachen all dieser Probleme, Schwierigkeiten und störenden Emotionen. Sie entstehen alle aus der Verwirrung. Der Dharma gibt eine unglaublich ausgeklügelte Erklärung dafür, wie dies alles funktioniert. Ein einfaches Beispiel: die Vorstellung vom bezaubernden Prinzen oder der bezaubernden Prinzessin auf dem weißen Pferd verursacht die Projektion von allerlei Idealisierungen auf andere Menschen. Aufgrund dessen entwickeln wir Anhaftung und werden wütend wenn er oder sie den eigenen unmöglichen Erwartungen nicht entspricht oder wir werden eifersüchtig weil jemand anderes unseren Prinzen oder unsere Prinzessin bekommt. Der Buddhismus bietet eine komplette Analyse davon, woher dies stammt. Es ist fantastisch.

Die „Dharma light“-Version sucht die Ursache für diese Syndrome ausschließlich im Rahmen dieser einen Lebensspanne und dehnt dies möglicherweise aus, indem sie in den Einflüssen vergangener Generationen Ursachen sucht. So ist die „Dharma light“-Version tendenziell eine psychologische Analyse, was nicht tief genug geht. Die „echte Dharma“-Version betrachtet diese Syndrome und ihre Ursachen als Muster aus vergangenen Leben. Dies nur aus dem Blickwinkel dessen zu betrachten, was einem in dieser Lebensspanne geschehen ist, reicht nicht aus, um alles vollständig zu erklären. Es ist bloß partiell.

Das nächste Thema im Lam-rim ist die Besprechung der zwölf Glieder des abhängigen Entstehens. Es ist eine äußerst ausgefeilte, komplexe Analyse davon, wie der Wiedergeburt funktioniert; wie die störenden Emotionen zusammen mit dem Karma bestimmte Muster aktivieren, die dann in verschiedenen Leben als Neigungen, als Persönlichkeitszüge und so weiter wieder auftauchen. Nur durch dieses Gesamtbild erhalten wir wirklich eine Vorstellung davon, wie abscheulich und absurd der ganze samsarische Wiedergeburtsprozess ist. Wir können uns zwar aus einer „Dharma light“-Perspektive heraus eine bestimmte Vorstellung davon machen, wie sich die eigenen Muster in diesem Leben wiederholen, doch der „echte Dharma“ spricht davon, wie Wiedergeburt funktioniert. Dies ist, was hier die Tiefe dieses Themas ausmacht.

Um aus diesem schrecklichen Kreis auszubrechen, brauchen wir die drei höheren Schulungen: die Schulung ethischer Selbstdisziplin, die Schulung der Konzentration und die Schulung im unterscheidendem Gewahrsein (Weisheit). Hier bezieht sich die Bezeichnung „ethische Selbstdisziplin“ auf das Ablegen von Gelübden der individuellen Befreiung (als Laie, Mönch oder Nonne). Da wir uns wirklich aus Samsara befreien wollen, verpflichten wir uns dazu, bestimmte Dinge zu vermeiden, die die Befreiung behindern. Wir brauchen hier nicht in eine tiefe Diskussion des Ablegens von Gelübden zu führen. Wenn wir diese individuellen Gelübde der Befreiung ablegen, impliziert dies, dass wir zuvor eine wie auch immer geartete Vorstellung davon haben müssen, dass Befreiung möglich ist und dass es eine große Hilfe ist, wenn wir uns in diese Richtung bewegen wollen, wenn wir uns absolut dazu verpflichtet, destruktives Verhalten zu vermeiden. Es basiert sehr stark auf der Entsagung, auf dem Aufgeben von destruktivem Verhalten, da wir erkennen, dass destruktives Handeln, Sprechen und Denken uns von dieser Orientierung abbringt.

Die Tatsache, dass die Besprechung der Gelübde auf die Besprechung der störenden Emotionen und Geisteshaltungen folgt, impliziert, dass wir die Gelübde nicht aus neurotischen Gründen ablegen, wie etwa aus den Gedanken heraus „Ich möchte ein guter Mensch sein“, „Ich möchte meinem Lehrer gefallen“ und so weiter. Wenn wir die Gelübde ablegen, da wir wissen, dass Befreiung möglich ist und dass die Gelübde die Grenzen markieren, die wir nicht überschreiten sollten, um dieses Ziel zu erreichen, dann schwanken wir nicht mehr in unentschlossener Weise bezüglich der eigenen Handlungsweise. Zum Beispiel trinken wir keinen Alkohol, da wir einsehen, dass es den Geist vernebelt und wir daher nicht dazu in der Lage sind, Konzentration zu erreichen. Wir müssen Grenzen setzen. Es hat nichts mit Gehorsamsein zu tun. Das Ablegen von Gelübden basiert auf einem starken unterscheidenden Gewahrsein, dass es nützlich ist, den Leitlinien der Gelübde zu folgen. Auf der Grundlage dieser ethischen Selbstdisziplin entwickeln wir dann Konzentration und später, mit unterscheidendem Gewahrsein, konzentrieren wir uns auf Leerheit, die tiefste Sicht der Realität um uns von der Verwirrung zu befreien, die die unkontrollierbar wiederkehrenden Wiedergeburten verursacht. Konzentration und Leerheit werden auf der mittleren Motivationsstufe nicht im Detail besprochen, sondern nur erwähnt.

Die fortgeschrittene Ebene der Motivation

Die fortgeschrittene Ebene der Motivation besteht darin auf Erleuchtung hinzuarbeiten. Wenn wir einmal den Punkt erreicht haben, an dem wir daran arbeiten, Befreiung zu erlangen, uns von der unkontrollierbaren Wiedergeburtenkette zu befreien, so müssen wir bis zu dem Punkt fortschreiten an dem wir noch weiter in der eigenen Entwicklung gehen wollen, damit wir dazu fähig werden, auch allen anderen zu helfen. In der „Dharma light“-Version dieser Motivation möchten wir bloß nett zu allen sein und allen helfen. Es geht hier allerdings nicht bloß darum. Es geht darum, allen zu helfen, die unkontrollierbar wiederkehrenden Wiedergeburten zu überwinden. Es ist viel mehr als einfach bloß nett zu sein.

Unsere Konzentration und unser Verständnis der Leerheit brauchen einen enormen Unterbau an Energie, damit sie uns zur Erleuchtung bringen können. Diese Energie speist sich aus dem Bodhichitta. Einfach gesagt, ist Bodhichitta der Geisteszustand der denkt: „Ich muss allen so viel wie möglich helfen, und um dies zu tun, muss ich die Erleuchtung erreichen, daher nehme ich mir diese Errungenschaft zum Ziel.“

Zur Zeit ist unser Geist beschränkt; unser Körper ist beschränkt. Es ist, wie wenn wir uns in einem U-Boot befänden und durch ein Periskop schauten. Wir können nur sehen, was sich direkt vor den eigenen Augen befindet. Wir können die Verbundenheit zwischen absolut allen Dingen die existiert haben und die existieren werden nicht erkennen. Wenn wir andere Menschen betrachten, erkennen wir nicht, wie ihre derzeitigen Geisteszustände von jedem menschlichen Wesen und von jedem Tier, das je gelebt hat, von der Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft und so weiter beeinflusst wurden. Wir müssen all dies wissen um die korrekten Unterweisungen auswählen zu können, die genau auf dieses Wesen passen. Ebenso wenig kennen wir die Wirkung, die eine bestimmte Lehre, die wir geben, auf diejenigen, die zuhören, haben werden und wir kennen auch nicht die Wirkung, die die Personen, die durch unsere Lehren verändert wurden auf absolut alle Wesen haben werden, die sie daraufhin treffen. Bitte denken Sie darüber nach. Wir sehen die Dinge nur durch ein Periskop. Wir sehen nicht die Verbundenheit, gar nicht zu sprechen von den vergangenen und zukünftigen Leben aller. Wenn wir uns all dieser Dinge nicht bewusst sind, wie können wir dann erkennen, welches die besten Lehrinhalte für jeden sind?

Die „Dharma light“-Version hiervon betrachtet die Dinge als habe jeder bloß ein Leben. Daher werden Ursachen und Wirkungen nur im Rahmen einer Lebenspanne betrachtet. Die „echte Dharma“-Version nimmt an, dass jeder unendlich viele Leben hat und ist daher viel komplexer. Um zu wissen, wie wir allen weitmöglichst helfen können, müssen wir uns von diesem dämlichen Periskop befreien. Dies bedeutet, dass wir erleuchtet werden müssen. Selbst wenn wir vom Samsara befreit sind, schauen wir weiterhin durch ein Periskop, obwohl wir uns an diesem Punkt nicht mehr täuschen lassen und nicht mehr daran glauben, dass die Dinge in der Weise existieren, in der sie zu existieren scheinen. Wenn wir uns vom Periskop befreit haben, sind wir kein unterseebootartiges fühlendes Wesen mehr. Wenn wir nicht mindestens eine vereinfachte Vorstellung davon haben, was Erleuchtung tatsächlich bedeutet und warum wir sie erreichen sollten, wie können wir dann je Bodhichitta entwickeln? Dies ist, woran wir arbeiten.

Eine „Dharma light“-Version könnte sein „Oh, ich möchte ein Buddha werden, weil dies so wundervoll ist! Das ist das Höchste und ich werde in der Lage sein, allen zu helfen!“ Das ist ein Feenmärchen. Wir können möglicherweise so anfangen, doch wir müssen uns bewusst werden, dass hier etwas viel Tieferes geschieht.

Dann legen wir die Bodhisattva-Gelübde ab. Diese beschreiben die Handlungen und Geisteshaltungen, die zu vermeiden sind und die Dinge, die zu tun sind, um den anderen bestmöglich hilfreich zu sein und die Erleuchtung zu erlangen. Es ist wundervoll. Wir wissen, was uns auf diesem Pfad behindern wird, daher vermeiden wir diese Dinge.

Während wir auf diesem Pfad fortschreiten, arbeiten wir mit den sechs weitreichenden Geisteshaltungen, die normalerweise als die sechs Vollkommenheiten bezeichnet werden. Diese haben zwei Aspekte: einerseits helfen sie uns selbst, damit wir fähig sind, anderen Gutes zu tun; andererseits helfen wir den anderen tatsächlich. Wir müssen dazu bereit sein alles herzugeben. Das ist Großzügigkeit. Wie wären wir ohne diese Haltung dazu in der Lage, auf diesem Pfad fortzuschreiten? Dann brauchen wir Disziplin – denn wie nutzen wir ansonsten all unsere Zeit und Energie? Durch Disziplin bleiben wir auf das Meditieren, das Üben und so weiter konzentriert und halten an ihnen fest. Es werden Schwierigkeiten auftreten; wir brauchen Geduld damit wir nicht frustriert und wütend werden, während wir versuchen den Pfad zu praktizieren. Dann brauchen wir freudige Ausdauer, da die Dinge während wir praktizieren und an uns selbst arbeiten, natürlich auf und ab gehen werden. Wir dürfen uns davon nicht vom Kurs abbringen lassen. Egal was passiert, wir werden weitermachen und uns an der eigenen Dharmapraxis erfreuen, da wir erkennen, wie großen Nutzen wir aus ihr gewinnen.

Worauf wenden wir unsere Ausdauer an? Als erstes arbeiten wir an der Konzentration. Eigentlich bezieht sich dieser Begriff hier nicht nur auf Konzentration, sondern allgemein auf geistige Stabilität. Geistige Stabilität verhindert nicht nur, dass der Geist wandert oder träge wird, sondern auch, dass er durch emotionalen Müll auf und ab geht. Unser Geist und unsere Geisteszustände bleiben stabil. Wenn wir dann in eine emotional schwierige Situation geraten, verlieren wir nicht die Konzentration. In der gegenwärtigen Weltlage mit all der Spannung und Furcht sind wir dazu in der Lage, anzuerkennen, dass die Dinge traurig oder schwierig sind, doch wir verlieren nicht die eigene Konzentration. Wir wenden diese Konzentration nicht bloß auf die Beobachtung des Atems an. Wir richten sie auch auf das unterscheidende Gewahrsein der Realität, um uns von allen Projektionen unmöglicher Existenzweisen, von allen Fantasien zu befreien, um darauf konzentriert zu bleiben, was tatsächlich der Fall ist.

Was die tatsächliche Hilfe für andere angeht, geben wir mit Großzügigkeit nicht nur Materielles, sondern auch Respekt und Lernmöglichkeiten. Wir helfen, indem wir andere unterrichten. Wir geben ihnen die Freiheit keine Angst vor uns zu haben – sie brauchen keine Angst zu haben, dass wir sie ignorieren, aufgeben oder zurückweisen könnten oder dass wir an ihnen haften und so weiter. Wir geben ihnen unsere ehrliche Liebe. Wir wünschen uns wirklich, dass sie glücklich werden. Wir benutzen sie nicht einfach für unser eigenes Vergnügen. Wir benutzen Disziplin, um ihnen so sehr wir können tatsächlich zu helfen und nicht zu schaden. Wir tun was auch immer wir können. Wir versuchen zu helfen statt zu sagen: „Es tut mir Leid, ich bin beschäftigt. Ich kann dir heute nicht helfen.“ Es ist nötig, dass wir geduldig sind, da es schwierig werden wird. Einige Menschen werden es uns schwer machen. Wir brauchen die Geduld, nicht wütend oder frustriert zu werden, da wir nicht Gott sind und nicht einfach die Probleme aller durch ein Fingerschnippen verschwinden lassen können. Wir brauchen freudige Ausdauer um weiterzumachen, um weiter zu helfen, um es weiter zu versuchen, um es weiter zu versuchen, ungedacht der Tatsache, ob die Menschen sich tatsächlich verbessern und ungedacht aller Auf und Abs.

Wir brauchen Konzentration um darauf fokussiert zu bleiben, den Menschen unabgelenkt zu helfen, unabhängig davon, dass wir uns von dieser Person angezogen und von jener abgestoßen fühlen. Dann brauchen wir das unterscheidende Gewahrsein, um zwischen den eigenen Fantasien und Projektionen bezüglich der Menschen und ihrer wahren Existenzweise unterscheiden zu können. Wir müssen unterscheiden können was hilfreich und was schädlich ist.

Mit „Dharma light“ arbeiten wir nur daran, den Menschen in diesem Leben zu helfen. Beim „echten Dharma“ helfen wir den anderen und widmen die hieraus entstehende positive Kraft damit wir die eigene Periskopsicht überwinden und ihnen wirklich bestmöglich mit Liebe, Mitgefühl und so weiter helfen können.

Video: Khandro Rinpoche — „Was ist Mitgefühl?“ 
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Schluss

Dies ist die allgemeine Darstellung der Grundstruktur der graduellen Stufen des Pfades. Sie erfordern ein enormes Ausmaß an Arbeit. Wir brauchen uns weder zu schämen noch schlecht zu fühlen, wenn wir uns auf einer „Dharma light“-Ebene befinden, da dies tatsächlich die Ebene ist, auf der die meisten von uns stehen. Versuchen Sie von Herzen sich im „Dharma light“ zu engagieren, wenn es hier ist, wo Sie gerade stehen und tun Sie es mit voller Ehrlichkeit, doch immer mit dem Blick darauf, dass es sich um ein Trittbrett handelt. Wir müssen die Bedeutung davon, mit der Wiedergeburt zu arbeiten verstehen und anerkennen. So können wir schließlich wirklich für Befreiung und Erleuchtung arbeiten. Wir dürfen diese Lehren nicht trivialisieren und wir sollten nicht angeberisch sein oder so tun, als stünden wir auf einer fortgeschritteneren Motivationsebene als tatsächlich der Fall ist. Auf welcher Ebene auch immer wir uns befinden – wir versuchen immer den anderen so hilfreich wie möglich zu sein.

Widmung

Wie ich es schon oft gesagt habe: Wenn wir irgendein Verständnis, irgendeine positive Kraft durch die Diskussion dieser Dinge aufgebaut haben und es einfach dabei belassen, so wird diese positive Kraft automatisch eine Ursache dafür, nur Samsara zu verbessern. Das ist zwar sehr schön, doch wir können mit dieser Kraft viel mehr bewirken. Wir möchten nicht bloß, dass diese Kraft das Leben ein wenig leichter macht. Das wäre „Dharma light“. Wir wollen eine bewusste Widmung machen, damit es eine Ursache dafür wird, dass wir die Erleuchtung verwirklichen, damit wir nicht nur unsere störenden Emotionen überwinden, sondern auch unsere Periskopsicht, damit wir wirklich Allen so sehr wie möglich helfen können. Danke.

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