Kollektives Karma und Naturkatastrophen

Alexander Berzin im Dialog mit Jonathan Landaw

Landaw: Viele Menschen stellen sich heutzutage Fragen wie: „Kann kollektives Karma etwa ein Erdbeben verursachen, wie zum Beispiel das Erdbeben in Haiti?”
Diese Frage wird üblicherweise dahin gehend beantwortet, dass das kollektive Karma aller Wesen auf diesem Planeten dafür verantwortlich ist, welche allgemeinen Eigenschaften der Planet aufweist und aus welchen Elementen sich dieser Planet zusammensetzt. Mit dem Erscheinen der Elemente übernehmen die unpersönlichen Naturgesetze die Regie. Wenn beispielsweise Hitze im Erdinneren aufsteigt, resultieren daraus verschiedene Bewegungen, wie etwa die Drift der Kontinentalplatten. Eine Manifestation einer solchen Bewegung ist ein Erdbeben. Aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet sind Erdbeben das unaufhaltsame Resultat der Entwicklungsgeschichte unseres Planeten; und die Entwicklungsgeschichte selbst ist das Resultat des sehr umfassenden Karmas aller Wesen, die jemals auf diesem Planeten gelebt haben. Könntest Du diese Aussage bitte kommentieren?

Dr. Berzin: Karma, oder genauer gesagt: positive oder negative karmische Kräfte (tib. bsod-nams oder sdig-pa) und karmische Tendenzen (tib. sa-bon) reifen zu verschiedenen Arten von Wirkungen heran, und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich dabei um individuelles oder kollektives Karma handelt. Eines dieser Resultate ist eine beherrschende Wirkung (tib. bdag-po’i ‘bras-bu; maßgebliche Folge oder Auswirkung). Eine beherrschende Wirkung (oder maßgebliche Folge) unseres Karmas kann beispielsweise Folgendes sein: die Umwelt in der wir leben, der Kulturkreis, in den wir hineingeboren werden, oder auch, wie wir mit unserer jetzigen Lebenssituation zurecht kommen. Die beherrschende Wirkung umfasst ferner auch, was mit unseren Besitztümern geschieht.

Im Fall der beherrschenden Wirkungen des kollektiven Karmas – der Fachausdruck ist eigentlich „gemeinsames Karma“ (tib. thun-mong-gi las) – einer Gruppe beschränkter Wesen, bezieht sich dies meist auf deren gemeinsames Erleben ihrer Umwelt oder der gesellschaftlichen Situation, in der sie sich gemeinsam befinden, oder es bezieht sich darauf, was sich ereignet, wenn diese Gruppe von Lebewesen diese spezielle Umgebung oder gesellschaftliche Situation erlebt. Doch wir können auch sagen, dass die maßgebliche Auswirkung des kollektiven Karmas sich auch auf die Umweltbedingungen oder die soziale Situation einer Gruppe bezieht, oder auf die Geschehnisse, welche die Umstände dafür schaffen, dass diese Gruppe von Menschen die Geschehnisse erlebt. Das Karma wird in der entsprechend verschiedenen Arten von Umgebung und gesellschaftlicher Situation erfahren.

Die letzte Aussage bedeutet nicht, dass das kollektive Karma einer Gruppe der einzige Grund für die Lebensumwelt ist, die die Menschen erleben, wenn sie diese erleben. Die Umwelt, wie beispielsweise die Beschaffenheit der Erde und des Universums, die von einer Gruppe von Menschen erfahren wird, ist das Resultat von unzählbaren anderen Ursachen und Bedingungen. Im Falle des Universums ist der Urknall die herbeiführende Ursache (tib. nyer-len-gyi rgyu) – namentlich das, wovon wir das Universum in Nachfolge erhalten und welches aufhört zu existieren, wenn wiederum dessen Nachfolger entsteht. Wir können die herbeiführenden Ursachen in jene unterteilen, die vor einer langer Zeit stattfanden, wie den Urknall, und in jene Ursachen, die unmittelbar vor dem jetzigen Augenblick stattfanden, wie zum Beispiel ein Erdbeben, das gerade erst durch eine tektonische Plattenbewegung verursacht wurde. Die kleinen Veränderungen, die sich in unserer Umwelt von Augenblick zu Augenblick ereignen – nachdem das Universum erst einmal entstanden ist – sind jedoch Folge der physikalischen Gesetze des Universums. Wenn beispielsweise ein bestimmtes Blatt von einem Baum herabfällt, so ist das Herabfallen des Blattes eine Folge der Naturgesetze des Universums. Dennoch gibt es auch von Menschenhand hervorgebrachte Auswirkungen (tib. skyes-bu byed-pa’i ‘bras-bu), die unsere Lebensumwelt betreffen, wie zum Beispiel die Luftverschmutzung als eine Folge unseres menschlichen Handelns. Zudem sind die Bestandteile (des Universums) zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie zum Beispiel die Materie und die Energie des Universums in diesem Augenblick, die gleichzeitig entstehenden Ursachen (tib. lhan-cig ‘byung-ba’ rgyu) für die (Existenz) des Universums in diesem Augenblick.

Das kollektive Karma, welches ursächlich zur Formung der Erde und der physikalischen Gesetze beitrug, bezieht sich nicht nur auf das Karma der Wesen, die hier gelebt haben, sondern auch auf die Lebewesen, die hier zurzeit leben und noch in Zukunft hier leben werden. Jedoch ist die Erde ein Teil des Universums und die Gesetze der Physik gelten nicht nur auf der Erde, sondern im ganzen Universum, deshalb müssen wir kollektives Karma aus einem größeren Blickwinkel heraus betrachten – nämlich als das kollektive Karma von allen Wesen, die in unserem Universum je gelebt haben, zurzeit leben und zukünftig leben werden. Letzten Endes entspricht es jedoch der physikalischen Natur unseres Universums, dass viele, wenn nicht sogar alle Planeten unseres Universums, die aus fester Materie bestehen, instabil sind und früher oder später Erdbeben ausgesetzt sein werden.

Wir reden hier über die Entstehung des Universums. Das kollektive Karma, das zum Entstehen des Universums geführt hat und das dazu geführt hat, dass viele Lebewesen dieses Universum als ihre Umwelt erleben, muss sich bereits vor dem Urknall dieses Universums aufgebaut haben, und zwar durch all die Lebewesen, die das Karma haben, in dieses Universum geboren zu werden.

Aber was ist mit den Menschen, die genau an einem solchen Ort leben, wo sich ein schreckliches Erdbeben ereignet hat, wie in Haiti vergangene Woche? Um dies zu verstehen, ist es notwendig, sich daran zu erinnern, (1) dass nicht jedes Lebewesen auf diesem Planet die zerstörerische Auswirkung dieses Erdbebens erlebt hat, und (2) auch in Haiti nicht jeder durch das Erdbeben starb oder verletzt wurde. Selbst durch die weitläufige Zerstörung, die das Erdbeben hervorrief, wurde nicht jeder getötet oder verletzt. Dies zeigt an, dass diejenigen, die ernsthaft verletzt wurden, genug Karma angesammelt hatten, um die Verletzungen zu erleben, die sie durch das Beben erlitten haben. Sie haben sowohl einzeln als auch kollektiv das Karma angesammelt, solches Leid und Unheil zu erfahren, wohingegen es auch Menschen gab, die solches Karma nicht angesammelt hatten und relativ unberührt vom Beben blieben.
Heißt das nicht, dass diejenigen die getötet wurden, irgendwie „schlechtere“ Menschen waren, als diejenigen, die entkommen sind. Wir alle haben enorme Ansammlungen von Karma in unserem Bewusstseinsstrom – sowohl positives als auch negatives Karma – und die Umstände, die bestimmen welches Karma zu einer bestimmten Zeit reif wird, sind vielfältig und verschieden. Jemand hat vielleicht „wundersamerweise“ das große Erdbeben überlebt, nur um an nächsten Tag, im nächsten Jahr oder im nächsten Leben, von einem anderen Unglück getötet zu werden. Können wir unterscheiden zwischen einem „breit angelegtem“ kollektiven Karma, welches wir mit all den Wesen auf dem Planeten teilen, und einem relativ „eng begrenztem“ kollektivem Karma, welches wir nur mit bestimmten Wesen, die auf diesem Planten leben, teilen?

Ja, wir können diese Unterscheidung machen. Es gibt einerseits das breit angelegte kollektive Karma, welches zur Bildung dieses Universums geführt hat. Dieses breit angelegte kollektive Karma wird von jedem Lebewesen, das in diesem Universum leben wird, geteilt. Innerhalb dieser Menge aller Lebewesen, gibt es die Teilmenge der Lebewesen, welche das kollektive Karma haben, auf der Erde zu leben. Dies hat zur spezifischen Entstehung des Planten Erde geführt. Innerhalb dieser Teilmenge, gibt es eine weitere Teilmenge, die das kollektive Karma hatte, dass Erdbeben in Haiti zu erleben. Dieses Karma hat in gewisser Weise auch dazu geführt, dass überhaupt ein Erdbeben aufgetreten ist.

Jede Person in dieser Teilmenge der Teilmenge hat wiederum ein unterschiedliches Erleben vom Erdbeben als Folge seines individuellen Karmas (tib. thun-mong ma-yin-pa’i las; ungeteiltes Karma); jedoch können wir noch weitere Unterteilungen des kollektiven Karmas in noch kleinere Gruppen von Lebewesen finden. Manche Menschen starben beispielsweise durch das Beben, wohingegen andere überlebten. Die Verstorbenen hatten das kollektive Karma durch das Erdbeben zu sterben, und nicht nur das Karma, ein Erdbeben zu erleben. Unter den Verstorbenen hatten einige das kollektive Karma mit anderen gemein, durch den Einsturz ein und desselben Gebäudes zu sterben. Also wenn wir von individuellem Karma reden, bezieht sich das auf die Erfahrung von etwas Einzigartigem, auf eine Erfahrung, die man nicht mit anderen gemein hat, wie beispielsweise, dass man fünfzehn Minuten, nachdem man von einem ganz bestimmten Balken am Kopf getroffen wurde, stirbt.

Um für einen Moment kosmisch zu werden: Lebewesen, die ihr Karma ausreichend gereinigt haben und ein starkes Vertrauen entwickelt haben, können im sogenannten „Reinen Land“ oder „Buddhafeld“ wiedergeboren werden, wie zum Beispiel im Reinen Land von Buddha Amitabha. Dort finden die Lebewesen sich in einer Welt wieder, die nicht von solchen brutalen Umbrüchen betroffen ist. Es wird gesagt, dass alle Dinge, die man bei einer Wiedergeburt in einem solchen reinen Land erlebt, wie das Geräusch des Windes in einem Baum, die Dharma-Lehren in sich trägt, welche die Wesen in diesem reinen Land näher zur Erleuchtung bringen. Ich erwähne dies nur, um den Punkt hervorzuheben, dass zwischen den Eigenschaften eines Ortes und den der Lebewesen, die dort leben, einen Zusammenhang besteht.

Um es kurz zu sagen: Die Lebewesen, deren Bewusstsein unter dem Einfluss der drei Geistesgifte – Ignoranz, Gier und Hass – stehen, finden sich selbst in einer Welt wieder, die erfüllt ist von Leiden jeder Art. Während diejenigen, die einen gewissen Grad von Freiheit von diesen schädlichen Verblendungen erlangt haben, eine Umwelt erleben, in der Leid seltener vorkommt, oder, wie im Falle einer Wiedergeburt in einem reinen Land, vollkommen abwesend ist.

Die herbeiführende Ursache für die Entstehung eines reinen Landes, wie das Reine Land von Buddha Amitabha, liegt in der positiven Kraft, welche Amitabha vor seiner Erleuchtung aufgebaut hat und in den Gebeten, welche er vor seiner Erleuchtung dargebracht hat. Mit diesen Gebeten hat er sein Netzwerk von positiver Kräfte gewidmet, was ihm ermöglichte, in einer Nirmanakaya-Form erscheinend, Nicht-Aryas zu unterrichten. Diese Nicht-Aryas müssen das Karma gehabt haben, Unterweisungen von einem Buddha in Nirmanakaya-Gestalt zu empfangen, und sie müssen überdies das Karma gehabt haben, in einem Reinen Land des Nirmanakaya geboren worden zu sein, um diese Unterweisungen dort zu erhalten. Zudem werden seine Gebete dahin gehend gerichtet gewesen sein – eine Sambhogakaya-Form annehmend – Arya-Bodhisattvas zu unterweisen, die das mit entsprechende Karma gehabt haben, Unterweisungen von einem Sambhogakaya-Buddha zu empfangen, und die insbesondere das Karma gehabt haben, in einem Reinen Land des Sambhogakaya wiedergeboren worden zu sein und dort diese Unterweisungen zu erhalten. Da Amitabha diese Gebete – schon lange vor seiner Buddha-Werdung – als ein Bodhisattva dargebracht haben wird, kann sein reines Land auch als beherrschende Wirkung seines Netzwerkes positiver Kraft betrachtet werden.

Eine gleichzeitig wirkende Bedingung (tib. lhan-cig byed-pa’i rkyen) für das Entstehen von Amitabhas reinem Land, wäre das Leiden aller begrenzten Wesen, das Amitabha dahin gehend motiviert haben wird, Mitgefühl zu empfinden. Eine weitere gleichzeitig wirkende Bedingung wären auch die Gebete, die er gemacht hat, bevor er Erleuchtung erlangt hat. Eine gleichzeitig wirkende Bedingung ist etwas, das schon vor dem Entstehen von etwas existiert, und die dabei behilflich ist, dass sich das Entstehen von etwas ereignet. Eine gleichzeitig wirkende Bedingung verwandelt sich jedoch nicht in das, was entsteht.

Die Reinigungsübungen eines Menschen, der in Amitabhas reinem Land wiedergeboren werden wird, können jedoch nicht als der Grund für das Entstehen des reinen Landes von Amitabha angesehen werden. Der Grund dafür ist, dass Amitabhas reines Land bereits vor dem Zeitpunkt existierte, zu dem die Person die Reinigungsübungen durchführt hat. Die Reinigungsübungen, die ein Mensch im Leben unmittelbar vor einer Wiedergeburt in einem reinen Land durchgeführt hat, wie auch Gebete, die man in diesem Lebens dargebracht hat, um eine Wiedergeburt in einem reinen Land zu erlangen, können der letzte „Tropfen“ eines Netzwerkes positiver Kräfte sein, die man in zahlreichen vorherigen Leben aufgebaut hat, welche diesen Menschen nun zu einer Wiedergeburt in einem reinen Land führen. Nur die Gebete, mit denen man sich wünscht, ganz allgemein in einem reinen Land wiedergeboren zu werden, die von Personen dargebracht wurden, die das Karma gehabt haben in Amitabhas reinem Land wiedergeboren zu werden und die zu der Zeit lebten als Amitabha noch ein Bodhisattva war, können als Ursachen dafür dienen, dass das Entstehen des reinen Landes von Amitabha als ihr beherrschende Wirkung heranreift. Dies wäre jedoch nur der Fall in Verbindung mit Gebeten, die Amitabha vor dem Erlangen seiner Erleuchtung gemacht hätte. Nur wenn die betenden Personen Amitabha auch schon als einen Bodhisattva gekannt haben, und nur wenn sie speziell dafür Gebete gesprochen haben, im reinen Land von Buddha Amitabha wiedergeboren zu werden, nachdem der Buddha Amitabha seine Erleuchtung bereits erlangt hatte, können ihre Gebete zu einer Wiedergeburt im reinen Land von Amitabha als ihre umfassende Wirkung geführt haben.

Ich lese in einigen Dharma-Texten von Erdbeben, welche mit Unausgewogenheiten im Erdelement der fühlenden Wesen in Beziehung gebracht werden. Dies ist interessant, aber ich weiß nicht, wie ich diese Aussage interpretieren soll. Kannst Du mir helfen?

Ich habe diese Aussage bislang nicht gehört, aber ich denke wir können sie anhand der Erläuterungen im Kalachakra-System verstehen. Nach Aussagen im Kalachakra-System gibt es unzählige Universen, und jedes dieser Universen durchläuft einen Kreislauf von Äonen (oder Zeitaltern) der Entstehung, Äonen des Bestehens, Äonen des Zerfalls und Äonen von Leerheit. Während das eine Universum sich in der Phase der Formierung befindet, kann ein anderes Universum gerade zerfallen. Die Zyklen, welche die Universen durchlaufen, sind nicht notwendigerweise synchron zueinander.

Während der leeren Äonen, also in den Phasen zwischen der Anwesenheit von Universen, kollabieren die fünf Elemente eines jeden Universums zu Raumteilchen (tib. nam-mkha’i rdul-tshan). Ein Raumteilchen erinnert uns an ein schwarzes Loch; es gibt jedoch sicherlich Unterschiede. Die fünf Elemente sind: Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde. Wir können uns diese fünf Elemente auch vorstellen als: Raum, Gas oder Energie, Hitze, Flüssiges und Festes. Darüber hinaus bestehen die Raumpartikel aus einer Spur der gröberen Elementarteilchen eines Universums, welches nicht mehr existiert. Die physikalischen Gesetze des vergangenen Universums haben ihre Gültigkeit verloren und wirken auch nicht mehr auf die verbliebenen Spuren der Elemente ein. Das Raumteilchen eines Universums, welches noch nicht existiert, fungiert gleichzeitig auch als Grundlage für die gröberen Partikel der fünf Elemente des Universums, das sich erst im Entstehen befindet.

In den Kalachakra-Lehren wird auch von den karmischen Winden (tib. las-kyi rlung) gesprochen, welche sich auf die subtilen Energien beziehen, die die karmischen Kräfte und Neigungen eines jeden Individuums in sich bergen. sind. Am Ende des leeren Zeitalters, also kurz vor dem Urknall unseres Universums, hat das kollektive Karma der Lebewesen, die das Karma hatten in diesem Universum geboren zu werden, die Raumpartikel unseres Universums beeinflusst. Dies hat bewirkt, dass diese Raumpartikel mit dem Urknall explodiert sind und sich zu unserem Universum entwickelt haben – mit eben den spezifischen Eigenschaften, die unser Universum aufweist, und den spezifisch in unserem Universum geltenden Naturgesetzen.

Im Augenblick des Urknalls, sind die Wesen, die das Karma hatten in unserem Universum geboren zu werden, und die durch ihr kollektives Karma die Entstehung unseres Universums beeinflusst haben, in einem anderen Universum platziert gewesen. Als samsarische Wesen, wären die fünf Elemente ihrer Körper aus dem Gleichgewicht geworfen worden. Als Konsequenz würden die Winde ihres kollektiven Karmas die Raumpartikel unseres Universums in einer solchen Art und Weise beeinflussen, dass die fünf gröberen Elemente unseres Universums auch aus dem Gleichgewicht gebracht worden wären. Auf diesem Wege könnten wir erklären wie das Ungleichgewicht des Erdelements der Lebewesen, die das Karma haben in dieses Universum hineingeboren zu werden, zu einem Ungleichgewicht im Erdelement auf unserem Planeten beigetragen hat, welches sich wiederum in einem Erdbeben äußert.

In den Kalachakra-Lehren wird die Beziehung zwischen kollektivem Karma und der Tatsache erläutert, dass die steinigen Planeten in unserem Universum zu Instabilität und Erdbeben neigen. Aber was wäre ein Beispiel für kollektives Karma, welches bewirkt, dass eine Gruppe von Menschen ein spezielles Erdbeben erlebt? Ist das Erdbeben etwas, das diese Individuen durch ihr Handlen selbst verursacht haben, wie im oft zitierten Beispiel von den Dorfbewohnern, die Sand auf Mönche warfen und dann später von einem Sandsturm begraben wurden, oder ist es subtiler und tiefgreifender als dies?

Das ist auf jeden Fall eine schwierig zu beantwortende Frage. Eine Gruppe von Lebewesen, welche zusammen ein spezifisches Ungleichgewicht des Erdelements dieses Planeten erlebt, hätte spezifische Handlungen tun müssen, um dieses kollektive Karma aufzubauen. Diese Handlungen müssten ein Ungleichgewicht des Erdelements in einem ganz bestimmten Gebietes verursacht haben, welches von anderen dann erfahren wurde und bei dem andere leiden mussten. Diese zerstörerische Handlung könnte zum Beispiel ein Projekt von Menschen gewesen sein, welche durch ihre Arbeit die Umwelt geschädigt haben und dadurch Berge zum Einstürzen gebracht und Schlammlawinen bzw. Murenabgänge hervorgerufen haben. Die Gruppe von Menschen könnte beispielsweise in Sprengarbeiten in einer Mine involviert gewesen sein.

Wie auch immer es sich abgespielt hat, bitte behalten Sie im Sinn, dass samsarische Wesen auf unzählbaren Planeten und in unzählbaren Universen gelebt haben. Das kollektive Karma der Lebewesen, welche ein spezifisches Erdbeben auf einem spezifischen Planeten erleben, muss nicht zwingend durch eine zerstörerische Handlung dieser Gruppe auf diesem Planeten entstanden sein. Die Wesen könnten diese Handlung auch auf einem anderen Planeten, irgendwann einmal in der Vergangenheit, begangen haben. Ich bin mir sicher, dass samsarische Lebewesen – aufgrund von Habsucht und Naivität – die Umwelt unzählbar oft auf unzählbar vielen Planeten zerstört haben. Jedoch nur ein Buddha weiß, welche spezifische karmische Handlung zu einer entsprechenden karmischen Wirkung führt. Karma, in all seinen Einzelheiten und Detailfragen, ist immerhin das am schwierigsten zu verstehende Thema von allen.

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