Entsagung als Grundlage für Mitgefühl

Definition von Liebe, Mitgefühl und Bodhichitta

Heute wurde ich gebeten, zu Ihnen über die Praxis und die Methoden des Gleichsetzens und Austauschens unserer geistigen Einstellungen uns selbst und anderen gegenüber zu sprechen. Liebe und Mitgefühl, sowie die Entwicklung eines hingebungsvollen Bodhichitta-Herzens, ein Herz, dass allen anderen, sowie der Erleuchtung gewidmet ist, sind die wichtigsten Punkte des weitreichenden Fahrzeugs der Belehrungen, des Mahayana.

Was ist ein hingebungsvolles Bodhichitta-Herz? Es ist ein Herz, das ganz und gar dem Erreichen eines Zustandes von vollkommener geistiger Klarheit und voller Entfaltung gewidmet ist. Mit anderen Worten bezieht es sich darauf, das vollste Potential zu erreichen und den erleuchteten Zustand eines Buddhas zu erlangen. Wenn unser Herz nun einzig dem Erlangen von Erleuchtung gewidmet ist, könnten wir uns fragen, ob dies allein die Bedeutung eines hingebungsvolles Bodhichitta-Herzens ist. Nein, das ist sie nicht, denn zusätzlich ist es notwendig, ein Herz haben, welches vollends anderen gewidmet ist, ihr Glücklichsein bewirkt und zum Wohle anderer tätig ist. Wenn diese zwei Geisteshaltungen zusammenkommen, bezeichnen wir dies als hingebungsvolles Bodhichitta-Herz.

Um dieses hingebungsvolle Herz zu entwickeln, müssen wir erst einmal die Einstellung haben, jedem zu wünschen, glücklich, sowie frei von allen Problemen, Leiden und Unglück zu sein, um somit allen von Nutzen sein zu können. Bevor wir also eine Geisteshaltung entwickeln können, mit der wir uns wünschen, allen hilfreich und nützlich zu sein, ist es erst einmal notwendig, die Geisteshaltungen von Liebe, also dem Wunsch, alle mögen glücklich sein, und Mitgefühl, dem Wunsch, alle mögen frei von ihren Problemen sein, zu haben.

Das Leiden von unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt

Bevor wir diese Geisteshaltung des Mitgefühls, dem Wunsch, alle mögen frei von ihren Problemen sein, haben können, ist es notwendig, zunächst über die eigenen Probleme nachzudenken und uns über sie bewusst zu werden. Wenn wir nicht über unsere eigenen Probleme nachdenken und den Wunsch entwickeln, die zu überwinden und zu lösen, ist es sehr schwierig, den Wunsch zu entwickeln, andere mögen frei von ihren Problemen sein. Bevor wir uns wahrhaft wünschen können unsere Probleme zu überwinden, ist es notwendig zu erkennen, dass, egal in welcher Art von Situation man wiedergeboren werden mag, eine unkontrollierbar sich wiederholende Situation in Samsara nichts als Probleme mit sich bringt. Es ist wichtig zu erkennen, dass wir stets nur Probleme haben werden, egal wie reich wir sein oder wie viele Besitztümer wir haben mögen.

In welcher Situation wir uns auch befinden, wie viel Geld oder Besitz wir unser Eigen nennen, all dies führt einfach nur zu Problemen. Dies ist jedoch etwas, was wir gern ignorieren. Wir neigen dazu zu denken, wir wären tatsächlich glücklich, dabei haben wir jede Menge Probleme mit diesen Dingen. Denn wenn wir uns in einer unkontrollierbar sich wiederholenden Situation befinden, sind mit diesen Situation zahlreiche Probleme verbunden, auch wenn wir eine sehr hohe Position innehaben. Wir haben Probleme, weil wir befürchten, diese Position zu verlieren und zurückgestuft zu werden. Wir machen uns Sorgen, ob wir befördert werden oder nicht und sind im Grunde nie zufrieden. Diese ganze Situation erfüllt uns mit großer Sorge.

Ebenso muss jeder, der geboren wurde, irgendwann sterben, aber die meisten von uns tendieren, durch die Kraft unserer starken Neigungen dazu, die Tatsache zu ignorieren, dass sich unsere Situation im Leben immer ändern wird und nie etwas bleibt, wie es ist. Die Dinge werden immer vergänglich sein, aber wir greifen nach diesen Dingen, als würde alles ewig währen. Wir greifen nach ihnen, als wären sie statisch und dauerhaft. In Wirklichkeit unterliegen sie jedoch einem ständigen Wandel.

Und auch wenn wir uns unserer Sterblichkeit und des Todes bewusst sind, gibt es viele Menschen, die danach streben, in ihrem nächsten Leben als ein prachtvoller Gott oder als der reichste Mensch wiedergeboren zu werden. Viele Menschen trachten danach. Nehmen wir einmal an, wir werden als ein Gott wiedergeboren; beispielsweise in einem der drei Götterbereiche. Es gibt Götter in der Dimension der Sinnesbegierden, in der Dimension der ätherischen Formen und in der Dimension der formlosen Wesen.

Jeder dieser Götterbereiche ist prachtvoller, je höher man steigt; die Götter, die Paläste, in denen sie leben und alles andere, stellen die Ebenen, die sich unter ihnen befinden, bei weitem in den Schatten und die niedrigeren Bereiche sehen im Vergleich zu den höheren Bereichen ziemlich minderwertig aus. In diesen verschiedenen Götterbereichen leben die Götter ein äußerst langes Leben, welches angefüllt ist mit jeder Menge Glück und es scheint, als hätten sie keine Probleme. Aber irgendwann ist ihre Zeit verstrichen und die positiven Potenziale, die sie angesammelt haben, um solch ein glückliches Leben als ein Gott genießen zu können, sind aufgebraucht.

Dann werden sie sich bewusst, dass nun die Zeit angebrochen ist, in der die negativen Potenziale der Vergangenheit Früchte tragen und sie sind sich bewusst, dass sie von den Götterbereichen herunterfallen und nun in einem furchtbaren Zustand wiedergeboren werden. Wenn den Göttern die Zeichen ihres herannahenden Todes erscheinen, sind sie voller Kummer und Pein. Ihre Blumengirlanden beginnen zu verblassen und welken. Ihre Körper fangen an, einen übelriechenden Geruch zu verströmen und ihre Freunde, die für gewöhnlich immer bei ihnen waren, wollen nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Alle werden ihnen den Rücken zukehren und sie allein zurücklassen. Das mentale Leid und die Qualen, die diese Götter erleben, sind einfach überwältigend.

Die Paläste, in denen die Götter leben sind überaus prachtvoll. Sie bestehen aus wunderschönen Juwelen und geschliffenen Steinen. Aber es ist äußerst leidvoll und sie sind so unglücklich, weil sie sehen, dass sie dieses wunderschöne Zuhause, diese tollen Freunde usw. zurücklassen müssen. Ihr Leid ist einfach unerträglich. Die Wiedergeburt als ein Gott ist das Beste, was wir uns vorstellen können und doch ist es wichtig zu erkennen, dass man sogar als ein Gott nichts als Probleme hat. Wir müssten dieses ganze Unglücklichsein durchleben.

Entsagung: Die Entschlossenheit frei zu sein

Wenn wir uns all diese herrlichen und prachtvollen Situationen ansehen, in denen wir wiedergeboren werden könnten und erkennen, dass sie alle mit unkontrollierbar sich wiederholenden Situationen verbunden und voller Probleme sind, entwickeln wir eine Art Geisteshaltung, in der wir denken: „Ich muss mich aus all diesen Arten von problematischen Situationen befreien“ und das bezeichnet man als Entschlossenheit, frei zu sein, oder als Entsagung. Es geht um die Entschlossenheit, frei von allen Problemen zu sein.

Diese Art der Entschlossenheit, frei zu sein, nennt man die Entschlossenheit, mit der man sich von der Besessenheit hinsichtlich zukünftiger Leben abwendet. Wenn man aber meditiert und all dies zu einer nützlichen Gewohnheit des Geistes werden lässt, kann man tatsächlich solch eine Entschlossenheit entwickeln, frei von den eigenen Problemen zu sein. Bevor wir jedoch diese Entschlossenheit entwickeln können, mit der wir uns von unserer Besessenheit hinsichtlich zukünftiger Leben abwenden und mit der wir uns entschließen, uns von all diesen Problemen in Bezug auf die Wiedergeburt als ein Gott oder eine reiche Person in zukünftigen Leben zu befreien, ist es notwendig, die Entschlossenheit zu entwickeln, mit der wir uns von unserer Besessenheit von Dingen dieses Lebens abwenden, denn wenn wir dies nicht tun, wird es recht schwierig sein, uns von der Besessenheit von zukünftigen Leben abzuwenden.

Wenn wir einmal über die Situation nachdenken, mit der wir alle in diesem Leben konfrontiert sind, sehen wir, dass wir vier grundlegende Arten von Problemen oder Schwierigkeiten begegnen. Worum handelt es sich bei diesen vier Arten von problematischen Situationen? Es geht darum, geboren zu werden, zu erkranken, alt zu werden und zu sterben.

Das Leid von Geburt, Krankheit, Altern und Sterben

Nun, worum geht es bei dieser problematischen Situation, geboren zu werden? Es geht darum, dass es jede Menge Leid und Unglücklichsein mit sich bringt, aber da wir sehr klein waren, als es geschah, können wir uns nicht wirklich daran erinnern. Was hängt eigentlich damit zusammen, geboren zu werden? Der erste Moment der Existenz bezieht sich im Grunde auf den Augenblick der Empfängnis, wenn unser Strom des Gewahrseins gewissermaßen in die Grundlage unseres zukünftigen Körpers eingeht. Das ist der Moment der Empfängnis und er ist es, den man als Existenz der Geburt bezeichnet. Vom nächsten Moment an, gleich nach der Empfängnis, beginnt der ganze Prozess des Alterns und wir haben all die Probleme und Leiden, die mit dem Altern einhergehen.

Das Leiden der Krankheit ist etwas, mit dem wir alle vertraut sind. Die verschiedenen Erkrankungen können in einem System von 404 Krankheiten unterteilt werden und zusätzlich dazu gibt es viele neue Krankheiten, von denen gesagt wurde, dass sie zu späteren Zeiten der Degeneration erscheinen werden und wir können sehen, dass dies tatsächlich passiert.

Wenn man einmal darüber nachdenkt, wird jeder, der jemals geboren wurde, auf das Problem des Sterbens stoßen. Wenn wir das in Betracht ziehen, sehen wir, dass wir zum Zeitpunkt des Todes all unsere wunderschöne Kleidung und all unsere Lieblingsspeisen aufgeben müssen und wir uns in einer trostlosen Situation befinden werden, in der wir aus diesem Leben scheiden. Es gibt auch keine gesicherte Reihenfolge, in der die verschiedenen Probleme des Alterns, der Krankheit und des Todes auftreten werden, denn es ist möglich, schon kurz nach der Empfängnis zu sterben, während man sich noch im Leib der Mutter befindet und nur ein paar Momente gelebt hat.

Und auch wenn man diese ganze Zeit im Mutterleib überlebt hat, sollte man darüber nachdenken, wie man für neun Monate auf sehr kleinem Raum eingeengt ist. Wir sollten versuchen uns vorzustellen wie das wäre, in einer winzigen Kammer, ohne Fenster und Türen, eingesperrt zu sein. Auch wenn wir nur drei oder vier Tage dort gefangen wären, würde es äußerst schwierig für uns sein, das auszuhalten.

Stellen wir uns vor wie es war, als wir als kleine Säuglinge aus dem Leib unserer Mutter herauskamen. Wir hatten keine Zähne, keine Kleidung und wir waren vollkommen hilflos. Wir konnten rein gar nichts für uns selbst tun. Wir waren völlig abhängig von der liebevollen Fürsorge unserer Mutter und weil man sich um uns gekümmert hat, als wir kleine Säuglinge waren, haben wir diese unglaublich schwierige Zeit überlebt und sind jetzt noch am Leben. Als wir noch ganz klein waren, wussten wir nicht wie man irgendetwas tut und hatten daher jede Menge Probleme. Man kann erkennen, mit wie vielen Schwierigkeiten man als kleines Kind und als Säugling konfrontiert war, wenn man einmal darüber nachdenkt; es war kein Spass.

Der eigentliche Vorgang der Geburt selbst ist überaus schmerzhaft und mit einer ganzen Menge Leid verbunden. Aber obwohl es so schmerzhaft war, erinnern wir uns nicht daran.

Wenn man lange genug lebt, wird man alt und die Probleme des Alterns sind die Art von Schwierigkeiten, die am längsten andauern. Sie könnten sich über das gesamte Leben erstrecken. Sagen wir einmal wir werden achtzig Jahre alt, dann werden wir furchtbare Probleme haben, wenn wir immer älter werden. Diese Probleme des Alterns kommend schleichend, ohne das wir es mitbekommen. Das Altern geschieht ganz allmählich, über einen langen Zeitraum hinweg und wir sind uns nicht einmal bewusst darüber. Würden die Schwierigkeiten und Probleme des Alterns nicht nach und nach, sondern ganz plötzlich und mit einem Male auftauchen, wäre das ganz furchtbar. Stellen wir uns einmal vor, wir sind sechzehn Jahre alt und wachen am nächsten Tag im Alter von achtzig Jahren auf, als würden wir uns die Maske eines alten Menschen aufsetzen. Wir sollten erkennen, dass wir uns allmählich ändern und dann mit der Zeit so aussehen.

Denken wir an die Probleme, auf die wir stoßen, wenn wir alt sind, wie beispielsweise in Bezug auf unsere körperliche Kraft. Obwohl wir arbeiten wollen, unser Geist sehr aktiv ist und wir den Wunsch haben, etwas zu tun, sind wir körperlich nicht dazu in der Lage und sind deswegen frustriert. Auch wenn wir einen äußerst klaren Geist hatten, als wir jung waren, fangen wir an, Dinge zu vergessen und können nicht mehr klar sehen, was einfach furchtbar ist. Auch merken wir, dass wir Speisen, die wir so sehr mochten, nicht mehr vertragen können. Obwohl wir sie gern essen würden, können wir es nicht, weil wir krank davon werden. All die Orte, an denen wir gern waren, können wir nicht mehr besuchen und die Dinge, die wir gern taten, können wir nicht mehr tun. Es ist eine schwierige und unglückliche Situation.

In ähnlicher Weise werden wir, egal wie viel Reichtum und Besitz wir uns während unseres Lebens angeeignet haben mögen, schließlich an einen Punkt kommen, an dem wir alles hinter uns lassen müssen. Das ist nicht einfach und es macht uns wirklich unglücklich und bekümmert.

Das größte Problem kommt, wenn wir dem Tod tatsächlich gegenübertreten, wenn keine Medizin, die wir einnehmen, mehr hilft. Nichts funktioniert mehr, keine medizinische Maßnahme, die wir versuchen, kann uns mehr helfen und wir müssen uns wirklich mit dem Tod konfrontieren. Wir werden alles, was wir hatten, hinter uns lassen und unser Geistesstrom wird einfach für sich allein weitergehen müssen und das ist das größte Problem und das größte Leid, auf das wir stoßen werden.

Dieses Leid, das wir zum Zeitpunkt des Todes erfahren, ist etwas sehr Intensives, aber es ist sehr kurz, da das Sterben an sich nur einen kurzen Moment dauert. Wenn dann danach alles aus und vorbei wäre, wäre das nicht so schlimm, denn das intensive Leid des Sterbens dauert nur kurz, man geht hindurch und es ist vorbei. Aber tatsächlich ist dies nicht der Fall, denn wir werden danach wieder Geburt nehmen müssen. Wir werden wieder den gesamten Kreislauf durchgehen müssen. Es ist eine unkontrollierbar sich wiederholende Situation, ohne ein Ende.

Dieser unkontrollierbar sich wiederholende Kreislauf ist eine Situation, die einfach immer wieder von Neuem beginnt. Es ist wie bei den Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und dann geht es wieder von vorn los. Es ist wie bei diesen großen Maschinen, die in den Feldern bei der Ernte eingesetzt werden und dessen Räder sich drehen, um die Pflanzen abzuernten. Später werden sie benutzt, um die Felder zu pflügen und dann um neues Saatgut auszubringen. Es ist einfach ein Kreislauf, der sich immer wieder von Neuem wiederholt.

Man mag sich fragen: „Was ist der Sinn, sich über all diese Probleme bewusst zu sein?“ Der Sinn besteht darin, dass es uns inspiriert und bewegt, tatsächlich den Wunsch zu entwickeln, all diese Probleme jetzt zu überwinden; und es gibt auch einen Weg, sich von all den Problemen, die man hat und mit denen man jemals konfrontiert werden könnte, zu befreien. Wenn es keinen Weg gäbe, diesen Problemen zu entkommen, wäre es wohl besser, sich nicht bewusst über sie zu sein und erst gar nicht an sie zu denken. In der Tat gibt es aber einen Weg, sich daraus zu befreien und deshalb werden wir versuchen, dieser Methode zu folgen, wenn wir uns darüber bewusst sind.

Wenn wir über all die Probleme nachdenken, die nur mit mit Dingen dieses Lebens verbunden sind, wie Nahrung, Kleidung und Ruhm, erkennen wir, dass es keine Sinn hat, all unsere Energie dort hineinzustecken und dann entwickeln wir eine Geisteshaltung, mit der wir uns von dieser Besessenheit von Dingen dieses Lebens abwenden und die Entschlossenheit haben, von all diesen Problemen frei zu sein. Wir sollten uns all die Probleme vor Augen führen, die wir haben würden, wenn wir in einer dieser unkontrollierbar sich wiederholenden Situationen, besonders in einer der schlimmeren Wiedergeburtszustände, geboren worden wären. Wir denken darüber nach, wie schlimm das wäre und fassen dann den Entschluss: „Ich werde mich von all diesen Problemen befreien, denn sie sind einfach schrecklich.“

Mitgefühl

Dann machen wir weiter und so, wie wir diese starke Entschlossenheit haben, selbst von all unseren Problemen frei zu sein, sollten wir in Betracht ziehen, dass sich alle anderen in genau der gleichen Lage befinden. Alle anderen müssen sich mit all diesen Problemen des Lebens konfrontieren, egal wo sie wiedergeboren sind. Dann wandeln wir diese Einstellung um und statt nur an uns selbst zu denken – die Entschlossenheit zu haben, frei von unseren Problemen zu sein – sollten wir die gleiche Entschlossenheit entwickeln, dass alle anderen ebenfalls ihre Probleme überwinden mögen. Diese Art der Geisteshaltung, bei der wir uns wünschen, alle anderen mögen frei von ihrem Zustand des Unglücklichseins und Leidens sein, nennt man Mitgefühl.

Es ist äußerst wichtig, Mitgefühl in unserem Geistesstrom als Teil von uns zu entwickeln und deshalb sollten wir die Methoden kennen, mit denen wir das umsetzen können. Wenn wir uns für alle anderen wünschen, alles möge gut für sie laufen und sie mögen glücklich sein, nennt man diese Art von Gefühl und Gedanken Liebe. Dies sind Dinge, die wir praktizieren müssen, um sie zu entwickeln und wir sollten sicherstellen, sowohl Liebe, als auch Mitgefühl zu entwickeln, so dass es ein Teil von uns wird.

Wenn wir beispielsweise etwas besonders Köstliches essen, sollten wir versuchen, den Gedanken zu entwickeln: „Wäre es nicht schön, wenn alle anderen auch solche köstlichen Sachen genießen könnten.“ Wenn es kalt draußen ist und wir eine schöne warme Jacke oder einen warmen Pullover tragen, sollten wir in ähnlicher Weise an all die anderen Wesen und Menschen denken, die frieren und das Gebet oder den Wunsch formulieren: „Ich wünsche mir, jeder könnte solch eine schöne warme Jacke haben.“ Wenn wir in einem hübschen, komfortablen und warmen Haus leben, sollten wir an all die verschiedenen Wesen denken, die keine Häuser haben, in denen sie leben können und den starken Wunsch erzeugen: „Ich wünschte, jeder könnte in so einem schönen und komfortablen Haus leben.“ Wenn wir so praktizieren und solche Gebete formulieren, werden die ersten Resultate davon die sein, dass wir selbst diese Dinge bekommen werden. Diese Art von Gebeten aber aus diesem Grund darzubringen, weil wir erkannt haben, dass wir diese schönen Dinge zuerst einmal selbst bekommen, ist völlig unangemessen.

Einer der drei berühmten Brüder der Kadampa-Tradition war Geshe Chenngawa und er betete immer: „Möge ich zum Nutzen aller in einer der Höllen wiedergeboren werden.“ Als er im Sterben lag, sagte er: „Ich glaube, meine Gebete werden sich nicht erfüllen.“ Sein Begleiter fragte ihn: „Aber du hast doch dein ganzes Leben lang spirituelle Praktiken ausgeführt. Was meinst du damit, dass deine Wünsche sich nicht erfüllen werden?“ Er sagte: „Ich haben mein ganzes Leben lang gebetet, dass ich zum Nutzen aller Wesen in einem der schlimmsten Wiedergeburtszustände wiedergeboren werde und jetzt, wo ich im Sterben liege, habe ich eine Vision davon empfangen, in einem reinen Land, in einem Buddhafeld wiedergeboren zu werden. Wir sollten also Opfergaben vorbereiten.“ Dann begann er Mandala-Opfergaben mit einem runden Symbol des Universums darzubringen und starb auf diese Weise.

Es ist hervorragend, dass Sie an Belehrungen über diesen Vorgang des Austauschens der geistigen Einstellungen von uns selbst und anderen interessiert sind und darum gebeten haben. Wenn Sie Ihre geistigen Einstellungen sich selbst und anderen gegenüber gleichsetzen und austauschen möchten, ist es sehr wichtig, die Vorgänge und Gedankengänge, wie sie hier beschrieben wurden, durchzugehen. Es ist so, als wenn man einen Grundriss oder Bauplan anfertigt, bevor man beginnt ein Haus zu bauen. Wir gehen all diese Dinge als eine Art Vorbereitung durch, erstellen einen Entwurf und legen den gesamten Grundriss fest, auf dem wir dann das Haus bauen werden.

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