Karma: Wer trägt die Schuld?

Themen der Analyse: Karma, ich und die Schuld 

Es gibt drei Themen, die geklärt werden müssen, um die Frage: „Karma: Wer trägt die Schuld?“ – Karma, ich und die Schuld – zu beantworten. Alle drei gilt es durch Analyse zu klären, da diesbezügliche falsche Annahmen zu großen Leiden führen, wie zum Beispiel zu leidvollen Schuldgefühlen. Eine wahre Beendigung dieses Leidens zu erlangen, erfordert ein korrektes Verständnis und um zu diesem korrekten Verständnis zu kommen, benötigen wir eine gründliche Analyse. Wie Seine Heiligkeit der Dalai Lama stets betont, ist die analytische Meditation die wirksamste Art der Meditation, um Leiden zu beseitigen.  

Karma

Karma bezieht sich auf den Zwang, der mit einer Handlung verbunden ist – also auf die zwanghaften Arten des Denkens, Sprechens und Verhaltens. Obgleich das tibetische Wort für Karma, “las,” das umgangssprachliche Wort für „Handlung“ ist, bezieht sich Karma nicht auf unsere Handlungen selbst. Karma ist etwas, das wir loswerden müssen, um Befreiung und Erleuchtung zu erlangen. Würde Karma einfach nur Handlungen bedeuten, müssten wir nur aufhören zu denken, etwas zu sagen oder zu tun, und wären damit von allen Leiden befreit. Das ergibt jedoch keinen Sinn. 

Obwohl es im Theravada eine besondere Darstellung in Bezug auf karmische Ursache und Wirkung gibt, wird sie von den Tibetern im Allgemeinen nicht studiert. Stattdessen folgen sie zwei Sanskrit-Darstellungen:

Die ältere ist die Madhyamaka-Darstellung, die man in Nagarjunas „Wurzelversen zum Mittleren Weg, genannt Unterscheidendes Gewahrsein“ (tib. dBu-ma rtsa-ba shes-rab, Skt. Prajñā-nāma-mūlamadhyamaka-kārikā) findet und zu denen es Ausführungen von indischen Meistern des Sautrantika-Svatantrika und des Prasangika gibt. Sie basiert auf Sarvastivada-Sutras, wie dem „Edlen großen Mahaparinirvana Sutra“ (tib. ’Phags-pa yongs-su mya-ngan-las ’das-pa chen-po’i mdo, Skt. Āryamahāparinirvāṇa Sūtra) und (dem Sutra der) „Festen Ausrichtung der Vergegenwärtigung auf den edlen heiligen Dharma“ (tib. ’Phags-pa dam-pa’i chos dran-pa nye-bar gzhag-pa, Skt. Āryasaddharmasmṛtyupasthāna), sowie auf mehreren Texten des Sarvastivada Abhidharma-Korbes. In „Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“ (tib. Chos mngon-par mdzod, Skt. Abhidharmakośa) gaben Vasubandhu und dessen Kommentatoren ebenfalls ihre Ausführungen zu diesem Sutra und den Abhidharma-Quellen im Kontext des Vaibhashika-Lehrsystems. 

Die andere Sanskrit-Darstellung stammt von Kumaralata, dem Begründer des Sautrantika-Lehrsystems, der die Sarvastivada-Abhidharma-Quellen aufgrund anderer Sarvastivada-Sutra-Quellen ablehnte, die nicht ins Tibetische übersetzt und somit nicht im Kangyur bewahrt wurden. Diese Sutra-Quellen befürworten eine andere Erklärung des Karmas, die sich ausschließlich auf den Geist bezieht. Vasubandhu führte die Sautrantika-Einwände bezüglich der Vaibhashika-Version in seinem Kommentar zu „Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“ (tib. Chos mngon-pa’i mdzod-kyi bshad-pa, Skt. Abhidharmakośa-bhāṣyā) aus und Asanga gab in „Eine Anthologie spezieller Themen des Wissens“ (tib. Chos mngon-pa kun-las btus-pa, Skt. Abhidharmasamuccaya) zu dieser Sautrantika-Version des Karmas weitere Ausführungen und setzte sie in den Kontext des Chittamatra-Lehrsystems. Diese Chittamatra-Version wurde von den Yogachara Svatantrika-Meistern anerkannt, jedoch im Kontext der anderen Behauptungen ihres eigenen Lehrsystems. 

Sowohl im Madhyamaka-Vaibhashika als auch im Sautrantika-Chittamatra-System kann Karma destruktiv, konstruktiv und unspezifisch sein. „Unspezifisch“ bedeutet, dass Buddha nicht festlegte, ob es destruktiv oder konstruktiv ist; abhängig vom motivierenden Geisteszustand könnte es in beide Richtungen gehen. In allen drei Fällen wird es durch das Greifen nach einem unmöglich existierenden „Ich“ herbeigeführt und begleitet.

  • Destruktiv – herbeigeführt und begleitet von einer störenden Emotion oder Geisteshaltung und dem Greifen nach einem unmöglich existierenden „Ich“ – bezieht sich beispielsweise darauf, aus Wut verletzende Worte zu jemandem zu sagen und nicht zu mögen, was andere über uns sagen. 
  • Konstruktiv – herbeigeführt und begleitet von einer konstruktiven Emotion und dem Greifen nach einem unmöglich existierenden „Ich“ – bezieht sich beispielsweise darauf, keine verletzenden Worte zu jemanden zu sagen, weil ich die leidvollen Auswirkungen nicht erfahren möchte, oder jemandem ohne Anhaftung zu helfen, weil ich gut sein und stets hilfreich sein möchte. 
  • Unspezifisch – herbeigeführt und begleitet durch das Greifen nach einem unmöglich existierenden „Ich“ ohne eine zusätzliche störende oder konstruktive Emotion – bezieht sich beispielsweise darauf, eine heiße Mahlzeit mit einer Suppe zum Mittag zu essen, weil ich denke, dass „ich“ jemand bin, der oder die immer eine heiße Mahlzeit mit einer Suppe zum Mittag haben muss, und zwar genau um 12 Uhr. 

Das Selbst oder „Ich“

Es ist somit klar, dass alle drei Arten karmischen Verhaltens mit dem Greifen nach einem unmöglich existierenden „Ich“ verbunden sind. Es ist also ausschlaggebend, wie das Selbst, das „Ich“, existiert, welches karmische Handlungen begeht und dessen Auswirkungen erfährt. Auch ist es wichtig, welche Verbindungen zwischen verhaltensbedingter Ursache und Wirkung und dem „Ich“ als Ausführenden einer karmischen Handlung, sowie demjenigen bestehen, der dessen Auswirkungen zu spüren bekommt.

Das Verständnis bezüglich verhaltensbedingter Ursache und Wirkung und dem „Ich“ hängt von den Behauptungen des Lehrsystems ab und somit muss die Analyse von Karma und dem „Ich“ im Kontext desselben Lehrsystems stattfinden, damit es keine Widersprüche gibt. Obwohl die Sautrantika-Chittamatra-Erklärung in Bezug auf Karma einfacher ist, als jene des Madhyamaka-Vaibhashika und oftmals zuerst gelehrt wird, gibt es in deren Sicht der Leerheit des Selbst zahlreiche Mängel. Im Chittamatra vertritt man:

  • das grundlegende Bewusstsein (tib. kun-gzhi rnam-shes, Skt. ālayavijñāna) und das reflexive Gewahrsein (tib. rang-rig); 
  • alle karmischen Hinterlassenschaften – karmische Kräfte, karmische Tendenzen und karmische ständige Gewohnheiten – sowie das Selbst als Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des grundlegenden Bewusstseins; 
  • das grundlegende Bewusstsein, die karmische Hinterlassenschaft, das Selbst und das reflexive Gewahrsein, die allesamt eine selbst-begründete Existenz haben, die unabhängig von den Worten und Konzepten, die sich auf sie beziehen, wahrhaft begründet ist; 
  • wahrhaft existierendes, selbst-begründetes grundlegendes Bewusstsein, welches die auffindbaren definierenden Eigenschaften von sich und dem wahrhaft existierenden, selbst-begründeten Selbst hat; 
  • Befreiung von Karma und Leiden, die die wahre Beendigung des bloßen Greifens nach einem Selbst erfordern, welches nicht-statisch, teilelos und unabhängig existierend von den Aggregaten, sowie eigenständig erkennbar ist – damit widerlegt man kein wahrhaft existierendes, selbst-begründetes Selbst;
  • physische Objekte, kognitive Sensoren, Bewusstsein, Geistesfaktoren, reflexives Gewahrsein und das Selbst in einem Moment der geistigen Aktivität, die nicht aus unterschiedlichen Ursprungsquellen stammen (tib. rdzas) –  sie alle entstehen als eine „Gesamtheit“ aus der gleichen karmischen Tendenz und haben alle eine wahrhaft existierende, selbst-begründete Existenz. 

Im Sautrantika folgt man Asangas Darstellung, jedoch ohne diese Aspekte seiner Chittamatra-Behauptungen zu akzeptieren, die nicht mit den eigenen Sichtweisen übereinstimmen.

Im Madhyamaka widerlegt man im Allgemeinen diese Chittamatra-Behauptungen. Da wir hier insbesondere im Rahmen des Prasangika-Madhyamaka-Verständnisses der Leerheit des Selbst analysieren wollen, um Befreiung oder Erleuchtung zu erlangen, muss dieses Verständnis zu den Madhyamaka-Behauptungen passen.

Schuldzuweisungen

Um das zu widerlegende Objekt bezüglich des Selbst zu identifizieren, gilt es zu untersuchen, wie wir uns selbst, das „Ich“ betrachten, welches der Ausführende von Karma ist. Da sich Karma auf die Zwanghaftigkeit unseres Verhaltens bezieht, ist es notwendig, diesen zwanghaften Faktor zu identifizieren. Dann müssen wir prüfen, ob unser zwanghaftes Verhalten etwas ist, was wir nicht selbst unterbinden können. Untersuchen wir es auf diese Weise, haben wir eine dualistische Sicht von uns selbst als ein schlechtes „Ich“, das wie ein Polizist ist. Betrachten wir uns selbst auf diese dualistische Weise, gilt es herauszufinden, ob das zu Problemen und Leiden führt.

Haben wir das Gefühl, dass wir nicht damit aufhören können, auf bestimmte Weise zwanghaft zu handeln, sollten wir uns fragen, ob wir selbst, andere oder irgendwelche äußeren Faktoren, wie die Wirtschaft, daran schuld sind. Dafür müssen wir die Rolle des Selbst und die Rolle von Ursachen, Bedingungen und Umständen analysieren, die mit unserem zwanghaften Ausführen verschiedener Handlungen und dem Erfahren der Auswirkungen zu tun haben.

Schuldgefühle haben mit Schuld zu tun, was bedeutet, dass (1) ich ein schlechter Mensch bin, (2) du ein schlechter Mensch bist oder (3) die Gesellschaft schlecht ist, weil sie mich dazu bringt, auf bestimmte Weise zu handeln oder ein karmisches Resultat zu erfahren. Das bedeutet zu denken, dass (1) ich dafür bestraft werden muss, was ich getan habe, (2) du dafür bestraft werden musst, was du getan und wozu du mich verleitet hast oder (3) die gesellschaftliche Ordnung zerstört werden muss, weil sie mich dazu gebracht hat, zu stehlen oder Drogen zu nehmen.

Dann gilt es den Unterschied zwischen Schuldzuweisungen und Verantwortung in Bezug auf Karma und dem Verständnis des „Ichs“ zu untersuchen. Das sind die Themen, denen wir uns zuwenden werden, um die Frage zu beantworten: „Karma: Wer trägt die Schuld?“

Komponenten des Karmas: Die Madhyamaka-Darstellung 

Ein karmischer Impuls des Geistes: Ein zwingender geistiger Drang

Geistiges Karma ist der geistige Faktor eines zwingenden geistigen Drangs (tib. sems-pa); nennen wir ihn einen „karmischen Impuls des Geistes“. Es ist der Geistesfaktor, der eine der Bewusstseinsarten zusammen mit seinen anderen begleitenden Geistesfaktoren einem Objekt zuführt. Im Allgemeinen bringt er das geistige Kontinuum dazu, ein Objekt kognitiv aufzunehmen. Ein geistiges Kontinuum (Geistesstrom) ist eine individuelle, immerwährende Abfolge von Momenten der Erfahrung, die aus fünf Aggregaten besteht.

Karmische Impulse des Geistes umfassen:

  • einen auslösenden karmischen Impuls (tib. sems-pa’i las)ein zwingender geistiger Drang, der das geistige Bewusstsein einem Objekt zuführt, um die geistige Handlung des Denkens darüber, ob man eine Handlung von Körper oder Rede in Bezug auf das Objekt ausführen sollte, einzuleiten, aufrechtzuerhalten und zu beenden, und mit dem man zu dem Entschluss kommt, sie zu begehen, ob man es nun tut oder nicht;
  • einen bloßen karmischen Impuls des Geistes für eine Handlung des Geistes – ein zwingender geistiger Drang, der das geistige Bewusstsein einem Objekt zuführt, um die geistige Handlung des Denkens darüber, ob man eine Handlung von Körper oder Rede in Bezug auf das Objekt ausführen sollte, einzuleiten, aufrechtzuerhalten und zu beenden, und mit dem man zu keinem Entschluss kommt;
  • einen bloßen karmischen Impuls des Geistes für eine Handlung von Körper oder Rede – ein zwingender geistiger Drang, der das Sinnesbewusstsein einem Objekt zuführt, um den Körper oder die Rede zum Einleiten, Aufrechterhalten und Beenden einer physischen oder verbalen Handlung in Bezug auf das Objekt zu bringen, ob dieser geistiger Drang nun durch einen auslösenden karmischen Impuls des Geistes herbeigeführt wurde oder nicht. 

Ein karmischer Impuls des Geistes – der zwingende geistige Drang – eine der Bewusstseinsarten einem Objekt zuzuführen, um eine physische, verbale oder geistige Handlung in Bezug auf das Objekt auszuführen, wird stets von anderen Geistesfaktoren begleitet, die es mit sich zieht. Die wichtigsten Geistesfaktoren sind das auseinanderhaltende Gewahrsein, die Absicht und eine störende Emotion, eine konstruktive Emotion oder eine unspezifische verblendete Auffassung. Abhängig von der begleitenden Absicht und Emotion ist der karmische Impuls des Geistes destruktiv, konstruktiv oder unspezifisch.  

  • Absicht (tib. ’dun-pa) ist der Geistesfaktor des Wünschens (tib. ’dod-pa, Skt. abhilāṣa), eine beabsichtigte Handlung bezüglich des Objektes auszuführen. Sie ist immer spezifisch, denn sie wird stets von dem Geistesfaktor des auseinanderhaltenden Gewahrseins (tib. ’du-shes, Skt. saṃjñā) begleitet, der das beabsichtigte Objekt und die beabsichtigte Handlung bestimmt.  
  • Die Absicht kann damit verbunden sein, ein Objekt zu bekommen, etwas damit zu tun, ein Ziel zu erreichen oder etwas mit einem Objekt zu tun, wenn man es bekommen hat, oder mit einem Ziel zu tun, wenn man es erreicht hat. Sie kann auch damit verbunden sein, sich zu wünschen, nichts dergleichen zu tun. 
  • Diese Absicht kann entweder entschieden oder unentschieden sein. Wenn die Absicht zur geistigen Handlung des Denkes darüber führt – mit den Geistesfaktoren des Erforschens (tib. rtog-pa, Skt. vitarka), des Prüfens (tib. dpyod-pa, Skt. vicāra) und des unterscheidenden Gewahrseins (tib. shes-rab, Skt. prajñā) – ob man die Absicht umsetzen sollte, und die entschieden ist, wird die Absicht auch durch den Geistesfaktor der festen Überzeugung (tib. mos-pa, Skt. adhimokṣa) begleitet. 
  • Das beabsichtigte Objekt kann einfach irgendjemand oder eine bestimmte Person sein. Die beabsichtigte Handlung mag darin bestehen, nur mit ihr zu reden oder ihr bestimmte Worte zu sagen. 

Der Pfad eines karmischen Impulses (eine karmische Handlung)

Ein karmischer Impuls des Geistes ist nicht dasselbe wie eine karmische Handlung. Eine karmische Handlung ist gleichbedeutend mit dem Pfad eines karmischen Impulses (tib. las-lam) oder einem „karmischen Pfad“. Eine karmische Handlung ist das, was durch einen karmischen Impuls des Geistes angetrieben wird und umfasst die gesamte Handlung, von Anfang bis Ende. Somit ist der karmische Impuls des Geistes – ob ein auslösender oder ein bloßer karmischer Impuls des Geistes für eine Handlung von Körper, Rede oder Geist – nicht Teil des Pfades eines karmischen Impulses des Geistes. Daher ist er nicht Teil einer karmischen Handlung, wie in der Liste der zehn destruktiven und zehn konstruktiven karmischen Handlungen, die Pfade eines karmischen Impulses sind.  

Wie ein Schachspiel die Kombination all seiner Figuren, Interaktionen und Züge ist, so ist auch der karmische Pfad eines karmischen Impulses die Kombination einer Reihe von Momenten, die Folgendes haben:

  • eine Grundlage (tib. gzhi) – das Objekt, mit dem die Handlung ausgeführt wird;  
  • einen motivierenden geistigen Rahmen (tib. bsam-pa): (a) ein auseinanderhaltendes Gewahrsein (tib. ’du-shes) der Grundlage, (b) eine Absicht (tib. ’dun-pa), (c) eine destruktive störende Emotion, eine konstruktive Emotion oder einfach eine unspezifische verblendete Auffassung (tib. lta-ba nyon-mongs-can);
  • das Umsetzen (tib. sbyor-ba) einer Methode, die eine Handlung stattfinden lässt; und
  • ein Endziel oder Ergebnis, (tib. mthar-thug) das durch die Handlung erreicht wird. 

Die Resultate und die Intensität der Resultate hängen von der Vollständigkeit all dieser Komponenten ab. 

So, wie ein Schachspiel ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage eines Schachbretts, der Spieler, aller individuellen Figuren und Züge ist, ist auch der karmische Pfad eines karmischen Impulses, der eine karmische Handlung ausmacht, ein Zuschreibungsphänomen, das eine Synthese der Reihe von Momenten aller oben genannten Komponenten – einer Grundlage usw. – ist, von denen manche Formen physischer Phänomene (die Grundlage) sind, und andere Weisen, sich etwas gewahr zu sein (auseinanderhaltendes Gewahrsein, Absicht usw.). Diese Art des Zuschreibungsphänomens eines karmischen Pfades ist somit eine nicht-kongruente beeinflussende Variable, die weder die Form eines physischen Phänomens, noch eine Weise, sich etwas gewahr zu sein, ist. 

  • Ein Zuschreibungsphänomen (tib. btags-pas ’dogs-pa) ist ein Phänomen, das an eine Grundlage der Zuschreibung (tib. gtags-gzhi) gebunden ist und das weder unabhängig von dieser Grundlage existieren, noch gültig erkannt werden kann, wie beispielsweise ein Ganzes und dessen Teile. Die Grundlage der Zuschreibung des Pfades eines karmischen Impulses ist das Kontinuum seiner vier Komponenten, die Teile der fünf Aggregate des Ausführenden der Handlung sind.  
  • Im Gegensatz zu Weisen, sich etwas gewahr zu sein, wie Wut, teilen nicht-kongruente beeinflussende Variablen (tib. ldan-min ’du-byed), die in einem Moment der Wahrnehmung auftreten, mit dem Bewusstsein und den Geistesfaktoren dieser Wahrnehmung keine fünf Dinge miteinander. Sie teilen nicht: (1) die gleiche Stütze (kognitiver Sensor), (2) das gleiche Objekt der Ausrichtung, (3) das gleiche geistige Hologramm (Aspekt), (4) die gleiche Zeit (Entstehen, Verweilen, Vergehen), (5) die gleiche Ursprungsquelle (jeder Faktor im Moment der Wahrnehmung stammt aus seiner eigenen Tendenz). 

Während dem Verlauf einer karmischen Handlung von Körper, Rede oder Geist gibt es zwei Komponenten, die sich in jedem Moment ändern:

  • der zwingende geistige Drang (der karmische Impuls des Geistes), der das geistige Kontinuum antreibt, sich mit einem Objekt zu befassen, um eine karmische Handlung mit Körper, Rede oder Geist gegenüber dem Objekt zu beginnen, fortzusetzen und zu beenden, sowie
  • der vierteilige karmische Pfad des karmischen Impulses des Geistes.  

Ein karmischer Impuls des Körpers oder der Rede: eine zwingende offenbarende Form

Karmische Impulse des Körpers und der Rede umfassen:

  • eine zwingende offenbarende Form (tib. rnam-par rig-byed-kyi gzugs) einer Handlung des Körpers oder der Rede; und
  • in vielen Fällen eine zwingende nicht-offenbarende Form (tib. rnam-par rig-byed ma-yin-pa’i gzugs) einer Handlung des Körpers oder der Rede. 

Sowohl offenbarende als auch nicht-offenbarende Formen sind Formen physischer Phänomene, die Teile des Aggregats der Formen physischer Phänomene der Person sind, welche die karmische Handlung begeht. 

  • Im Fall einer karmischen Handlung des Körpers ist die zwingende offenbarende Form die Bewegung des Körpers, der seine Form verändert, um eine Methode zu nutzen, welche die Handlung des Körpers stattfinden lässt, ob diese körperliche Handlung nun ihr beabsichtigtes Ziel erreicht oder nicht. 
  • Im Fall einer karmischen Handlung der Rede ist die zwingende offenbarende Form das Benutzen der Stimme mit den sich ändernden Lauten der Rede, um eine Methode zu nutzen, welche die Handlung der Rede stattfinden lässt, ob diese verbale Handlung nun ihr beabsichtigtes Ziel erreicht oder nicht.  

Eine zwingende offenbarende Form:

  • offenbart den ethischen Status des Bewusstseins, das sie in Erscheinung treten lässt. Dieser ethische Status hängt vom ethischen Status der Emotion ab, welche das Bewusstsein begleitet. Die offenbarende Form offenbart jedoch nicht unbedingt die spezifische Emotion, die das Bewusstsein begleitet.  
  • Entsprechend des ethischen Status des Bewusstseins, das sie in Erscheinung treten lässt, ist sie destruktiv, konstruktiv oder unspezifisch.  
  • Sie dauert nur so lange an, wie die Methode zum Ausführen der körperlichen oder verbalen Handlung genutzt wird. 

Sowohl offenbarende Formen als auch der anfängliche Moment nicht-offenbarender Formen umfassen:

  • einen ausgelösten karmischen Impuls (tib. bsam-pa’i las) von Körper oder Rede – einen, der durch einen bloßen karmischen Impuls des Geistes herbeigeführt wurde, der sich aus einer geistigen Handlung ergeben hat, die durch einen auslösenden karmischen Impuls des Geistes, nämlich einer geistigen Handlung, hervorgebracht wurde, mit der man zu dem Entschluss gekommen ist, die Handlung von Körper oder Rede auszuführen; sowie
  • einen bloßen karmischen Impuls von Körper oder Rede – einen, der durch einen bloßen karmischen Impuls des Geistes herbeigeführt wurde, der sich nicht aus einer geistigen Handlung ergeben hat, die durch einen auslösenden karmischen Impuls des Geistes hervorgebracht wurde.  

Während dem Verlauf einer körperlichen oder verbalen Handlung haben wir nun drei Komponenten, die sich alle jeden Moment ändern:

  • den zwingenden karmischen Impuls des Geistes (einen geistigen Drang), der das Geisteskontinuum einem Objekt zuführt, um die körperliche oder verbale Handlung in Bezug auf das Objekt zu beginnen, fortzusetzen und zu beenden; 
  • den karmischen Impuls von Körper oder Rede (eine offenbarende Form), mit dem eine Methode genutzt wird, um diese Handlung stattfinden zu lassen; und
  • den vierteiligen Pfad der beiden oben genannten karmischen Impulse des Geistes und die oben genannten karmischen Impulse von Körper oder Rede.  

Ein karmischer Impuls des Körpers oder der Rede: eine zwingende nicht-offenbarende Form

Eine zwingende nicht-offenbarende Form wird von Bhavaviveka (tib. Legs-ldan ’byed) in seinem Werk „Lampe für unterscheidendes Gewahrsein“ (tib. Shes-rab sgron-ma, Skt. Prajñāpradīpam) als etwas definiert, das die Wesensnatur der Form eines physischen Phänomens hat, sowie von etwas, das etwas tut. Das entspricht Vasubandhus Behauptung einer nicht-offenbarenden Form als etwas, das eine funktionelle Natur der Form eines physischen Phänomens und eines karmischen Ausführenden hat. Sie offenbart sich nicht selbst oder den ethischen Status des Bewusstsein, das sie entstehen lässt, wie es offenbarende Formen tun. 

Avalokitavrata (tib. sPyan-ras-gzigs brtul-zhugs) erklärt weiter in seinem „Ausführlichen Unterkommentar zu (Bhavavivekas) Lampe für unterscheidendes Gewahrsein“ (tib. Shes-rab sgron-ma rgya-cher ’grel-pa, Skt. Prajñāpradīpam-ṭīkā), dass eine nicht-offenbarende Form die nicht wahrnehmbare Form eines physischen Phänomens ist, welche durch eine offenbarende Form des Körpers oder der Rede erzeugt wird. Sie vergrößert allerdings unser positives karmisches Potenzial (Verdienst) aus den weiteren konstruktiven Handlungen von uns oder anderen, die von dieser offenbarenden Form oder dem Objekt stammen, das mit der konstruktiven Handlung verbunden ist, mit der sie hervorgebracht wurde, oder vergrößert unser negatives karmisches Potenzial aus den weiteren destruktiven Handlungen von uns oder anderen, die von dieser offenbarenden Form oder dem Objekt stammen, das mit der destruktiven Handlung verbunden ist, mit der sie hervorgebracht wurde.

Es gibt drei Arten nicht-offenbarender Formen:

  • gelobte Enthaltungen (tib. sdom-pa);
  • bekennende Nicht-Enthaltungen (tib. sdom-pa ma-yin-pa); und
  • mittlere nicht-offenbarende Formen (tib. bar-ma), die entweder konstruktiv oder destruktiv, aber keine gelobten Enthaltungen oder bekennenden Nicht-Enthaltungen sind. 

Gelobte Enthaltungen umfassen die Pratimoksha-, Bodhisattva-  und tantrischen Gelübde. Pratimoksha-Gelübde werden nur für unser gegenwärtiges Leben abgelegt. Bodhisattva- und tantrische Gelübde werden für alle Leben, bis hin zum Erlangen der Erleuchtung abgelegt. Das Vaibhashika, das ein Hinayana-Lehrsystem ist, vertritt keine Bodhisattva- oder tantrischen Gelübde. So lange sie nicht aufgegeben werden, erfüllen gelobte Enthaltungen weiter die Funktion, die Person, die sie abgelegt hat, davor zu bewahren, eine Handlung zu begehen, die sie gelobt hat zu vermeiden. 

Bekennende Nicht-Enthaltungen gelten für das Leben und umfassen beispielsweise die Verpflichtung Fische zu töten, wenn man als Mitglied der Fischer-Kaste geboren wird oder dieser Kaste beitritt. So lange sie nicht aufgegeben werden, erfüllen bekennende Nicht-Enthaltungen weiter die Funktion, die Person, die sie abgelegt hat, davor zu bewahren, eine Handlung, zu der sie sich bekannt hat, nicht zu begehen.

Mittlere nicht-offenbarende Formen umfassen jene, die durch Folgendes herbeigeführt werden:

  • ein Gebrauchsobjekt herzustellen oder zu geben, durch das wir und andere positives oder negatives karmisches Potenzial aufbauen, wenn wir oder sie es nutzen. Was positives karmisches Potenzial betrifft, so sind solche Gebrauchsobjekte Dharmabücher, Stupas und buddhistische Tempel. Bauen wir negatives karmisches Potenzial auf, zählen zu solchen Gebrauchsobjekten Waffen und Schlachthäuser. Diese nicht-offenbarenden Formen erfüllen die Funktion, uns und anderen die Umstände dafür zu verschaffen, positives oder negatives karmisches Potenzial aufzubauen, wenn wir und sie diese Objekte benutzen. Darüber hinaus schaffen diese nicht-offenbarenden Formen sogar in zukünftigen Leben weiter positives oder negatives karmisches Potenzial in unserem Geisteskontinuum, wenn wir oder andere das Objekt nutzen, das wir hergestellt oder dargebracht haben. 
  • Eine Unterkategorie des oben genannten besteht darin, jemanden anzuweisen, destruktive Handlungen zu begehen, wie ein Militärkommandant, der den Soldaten befiehlt, den Feind anzugreifen und zu töten. Diese nicht-offenbarende Form erfüllt die Funktion, den Soldaten die Umstände dafür zu verschaffen, negatives karmisches Potenzial aufzubauen, wenn sie den Befehl ausführen und einen Feind töten. Außerdem baut diese nicht-offenbarende Form weiter negatives karmisches Potenzial im Geisteskontinuum des Kommandanten auf, wenn einer dieser Soldaten den Befehl ausführt, sogar wenn der Kommandant gestorben und wiedergeboren wurde. 
  • Sich zu verpflichten, für eine begrenzte Zeit eine konstruktive Handlung auszuführen, wie jeden Tag zu meditieren oder eine bestimmte Art des unangemessenen sexuellen Verhaltens zu unterlassen, jedoch nicht alle Arten. In ähnlicher Weise sich zu verpflichten, für eine begrenzte Zeit eine destruktive Handlung auszuführen, wie das Töten feindlicher Truppen, während man bei der Armee ist. Die nicht-offenbarende Form dieser Verpflichtung erfüllt die Funktion, der Person, welche die Verpflichtung eingegangen ist, die Umstände dafür zu verschaffen, weiter die versprochene Handlung auszuführen, und schafft jedes Mal weiteres karmisches Potenzial, wenn die Person die Handlung wiederholt. Sie setzt sich nicht in zukünftigen Leben fort. 
  • Mit einem starken geistigen Drang und einer starken konstruktiven Emotion, wie dem Darbringen von Respekt, eine konstruktive Handlung auszuführen, die nicht mit einer gelobten Enthaltung verbunden ist, wie das Ausführen von Niederwerfungen mit einer starken Zufluchtnahme. In ähnlicher Weise mit einem starken geistigen Drang und einer starken destruktiven Emotion eine destruktive Handlung auszuführen, die nicht mit einer bekennenden Nicht-Enthaltung verbunden ist, wie dem Zerstören persönlichen Eigentums mit großer Wut. Zusätzlich dazu das Ausführen einer der drei destruktiven Handlungen des Körpers und der vier destruktiven Handlungen der Rede, sogar mit einem schwachen geistigen Drang und einer schwachen störenden Emotion. Die nicht-offenbarende Form all solcher Handlungen erfüllen die Funktion, jede Wiederholung der Handlung zu bewirken, um noch stärkeres karmisches Potenzial aufzubauen, jedoch nur in diesem Leben. 

Außerdem gilt Folgendes für eine nicht-offenbarende Form: 

  • Sie muss entweder destruktiv oder konstruktiv, jedoch nicht unspezifisch sein. 
  • Sie offenbart nicht den ethischen Status des Bewusstseins, der sie in Erscheinung treten lässt. 
  • Sie ist Teil eines Geisteskontinuums, wird jedoch in diesem Geisteskontinuum nicht empfunden. In der westlichen Fachsprache würde man sagen, dass sich die Person, die sie besitzt, nicht über sie bewusst ist. 
  • Sie besteht nicht aus Teilchen der groben Elemente Erde, Wasser, Feuer oder Wind. 
  • Sie kann nur ein Objekt geistiger Wahrnehmung sein. 
  • Sie ist keine statische Kategorie, zu der alle offenbarenden Formen der karmischen Pfade für alle Instanzen der gleichen Art karmischer Handlungen gehören, wie ein Muster. 
  • Sie ist nicht-statisch, wird von Ursachen und Bedingungen beeinflusst und ändert sich somit von einem Augenblick zum nächsten, wird dadurch jedoch nicht schwächer oder erschöpft sich. 
  • Sie entsteht abhängig vom ersten Augenblick des Entstehens einer offenbarenden Form und setzt sich weiter mit einem Geisteskontinuum fort, nachdem die offenbarende Form nicht mehr gegenwärtig ist. Sie setzt sich so lange mit dem Geisteskontinuum fort, wie die Person, die sie besitzt, weiter von den Handlungen ablässt, die sie gelobt hat zu meiden, nicht von den Handlungen ablässt, die sie nicht gelobt hat zu meiden, oder weiter die Handlungen begeht, die sie sich verpflichtet hat, mit einem starken geistigen Drang und einer starken geistigen Emotion zu begehen. Sie setzt sich auch so lange fort, wie das Gebrauchsobjekt, das die Person hergestellt oder dargebracht hat, weiter zur Verfügung steht. In ähnlicher Weise setzt sie sich auch so lange fort, wie andere die Handlungen ausführen, die von der Person angewiesen wurden. Im Fall von nicht-offenbarenden Formen, die aus Handlungen entstehen, die mit einem starken geistigen Drang und großem Respekt, einer starken störenden Emotion oder, wie im Fall der sieben destruktiven Handlungen von Körper und Rede, mit einer schwachen störenden Emotion ausgeführt werden, setzen sie sich so lange fort, wie die Person die Handlungen weiter ausführt.  
  • Sie verschwindet aus dem Geisteskontinuum, wenn die Person, die sie besitzt, die gelobte Enthaltung oder bekennende Nicht-Enthaltung aufgibt oder sie verliert, wenn sie stirbt, oder wenn sie damit aufhört, die Handlung zu wiederholen, der sie sich verpflichtet hat, wenn das Gebrauchsobjekt, das sie hergestellt oder dargebracht hat, vernichtet wird oder nicht mehr zur Verfügung steht, oder wenn der Befehl, die Handlung auszuführen, außer Kraft gesetzt oder nicht mehr befolgt wird. Nicht-offenbarende Formen, die aus Handlungen mit einem starken geistigen Drang usw. entstehen, verschwinden, wenn die Person damit aufhört, die Handlung zu wiederholen. 
  • Im Fall der Bodhisattva- und tantrischen Gelübde und vermutlich der mittleren nicht-offenbarenden Formen des Herstellens oder Darbringens eines Gebrauchsobjektes oder dem Befehlen anderer, eine destruktive Handlung zu begehen oder eine Handlung mit einem starken geistigen Drang usw. zu begehen, verschwinden sie, wenn die Person, die sie besitzt, stirbt.  
  • Aus einer Sutra-Perspektive gehen nicht-offenbarende Formen, wie Bodhisattva- und tantrische Gelübde, die sich in zukünftige Leben fortsetzten, mit dem begleitenden subtilen geistigen Bewusstsein in der gleichen Form über, wie während dieses Lebens, nämlich als äußerst subtile Formen physischer Phänomene, ähnlich den äußerst subtilen Formen formloser Wesen. Aus einer Anuttarayoga-Tantra-Sicht gehen sie als Teil des subtilsten lebenserhaltenden Energiewindes über.  

Während dem Verlauf des karmischen Pfades einer körperlichen oder verbalen karmischen Handlung gibt es somit vier Komponenten, die sich in jedem Moment ändern:

  • den zwingenden karmischen Impuls des Geistes (einen geistigen Drang), der das Geisteskontinuum einem Objekt zuführt, um die körperliche oder verbale Handlung in Bezug auf das Objekt zu beginnen, fortzusetzen und zu beenden; 
  • der karmische Impuls von Körper oder Rede (die offenbarende Form), mit dem eine Methode genutzt wird, um diese Handlung umzusetzen;  
  • der karmische Impuls des Körpers oder der Rede (die nicht-offenbarende Form), die abhängig vom ersten Augenblick dieser offenbarenden Form entsteht;  
  • der vierteilige Pfad der beiden oben genannten karmischen Impulse des Geistes und die oben genannten zwei Arten von karmischen Impulsen von Körper oder Rede (eine offenbarende und eine nicht-offenbarende Form).  

Die Dauer einer karmischen Handlung des Körpers oder der Rede 

Das Umsetzen einer Methode, um eine körperliche oder verbale Handlung stattfinden zu lassen (die offenbarende Form der Handlung) hat drei Phasen:

  • eine vorbereitende (tib. nyer-bsdogs) oder vorausgehende (tib. sbyor-ba) Phase, wie sich bei der Jagd an ein Reh anzuschleichen; 
  • eine hauptsächliche (tib. dngos) Phase, wie das Abgeben des tödlichen Schusses auf das Reh; 
  • eine nachfolgende (tib. mjug) Phase, wie das Heimbringen der Beute, das Enthäuten, Zubereiten und Essen. 

Die offenbarende Form der Handlung entsteht mit der vorbereitenden Phase und endet mit der nachfolgenden Phase, wenn es eine gibt. Gibt es sie nicht, endet sie mit der Hauptphase. 

Findet die vorbereitende Phase mit einer starken Motivation statt, entsteht die nicht-offenbarende Form zu Beginn dieser vorbereitenden Phase. Ansonsten entsteht sie mit dem Beginn der Hauptphase. Die nicht-offenbarende Form setzt sich während der nachfolgenden Phase fort, wenn solch eine Phase auftritt und dauert, wie anschließend erklärt werden wird, auch danach fort, bis sie auf eine der oben genannten Weisen endet.

Der Pfad eines karmischen Impulses von Körper oder Geist – zum Beispiel die destruktive Handlung des Tötens eines Rehs – umfasst nur die Hauptphase. Darüber hinaus findet die offenbarende Form dieser Hauptphase nur während dem Umsetzen der Methode statt, durch welche das Töten direkt herbeigeführt wird – das Abgeben des tödlichen Schusses. Die offenbarende Form der Hauptphase dauert nicht an, bis das Endziel – der Tod des Rehs – erreicht ist, was auch irgendwann später stattfinden kann, nachdem auf das Reh geschossen wurde.   

Karmische Handlungen des Geistes haben keine vorbereitenden oder nachfolgenden Phasen. 

Karmische Hinterlassenschaft 

Es gibt drei Arten der „karmischen Hinterlassenschaft“ – ein Begriff, den ich für die folgenden drei Dinge geprägt habe: 

  • positive oder negative karmische Kraft (karmisches Potenzial);
  • karmische Tendenzen (tib. sa-bon, Skt. bīja); und 
  • ständige karmische Gewohnheiten (tib. bag-chags, Skt. vāsana). 

Karmische Kraft oder karmisches Potenzial 

Wir können diese Art der karmischen Hinterlassenschaft als „karmische Kraft“ bezeichnen (wenn wir sie als Kraft eines karmischen Pfades und die daraus resultierende Kraft sehen) oder als „karmisches Potenzial“ (wenn wir sie als ein Potenzial sehen, das ein Resultat hervorbringt). Um es zu vereinfachen, werden wir diese Art der karmischen Hinterlassenschaft einfach als „karmisches Potenzial“ bezeichnen.

  • Karmisches Potenzial ist immer entweder destruktiv oder konstruktiv, nie unspezifisch. 

Somit gibt es positives karmisches Potenzial (tib. bsod-nams, Skt. puṇya; Verdienst) und negatives karmisches Potenzial (tib. sdig-pa, Skt. pāpa; Sünde).

Das karmische Potenzial einer geistigen Handlung

Das karmische Potenzial einer geistigen Handlung hat zwei Phasen:

  • das offensichtliche karmische Potenzial, das eine geistige Handlung ist – der karmische Pfad eines karmischen Impulses des Geistes;   
  • das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das sich fortsetzt, nach dem die geistige Handlung aufgehört hat.  

Der karmische Impuls des Geistes (ein geistiger Drang), der das geistige Bewusstsein zu einem Objekt hinzieht, um eine geistige Handlung in Bezug auf das Objekt zu beginnen, fortzusetzen und zu beenden, ist kein karmisches Potenzial. 

Das offensichtliche karmische Potenzial, das die geistige Handlung ist – eine Gedankenkette mit all ihren kognitiven und emotionalen Komponenten – ist offensichtlich (tib. mngon-’gyur; manifestiert) in dem Sinne, dass es durch den Geistesfaktor der Wachsamkeit (shes-bzhin) festgestellt werden kann. Endet dieser karmische Pfad der Gedankenkette, wird das karmische Potenzial nicht offensichtlich (tib. lkog-’gyur; verschleiert) in dem Sinn, dass es nur durch schlussfolgernde Wahrnehmung erkannt werden kann.

Beide Phasen des karmischen Potenzials sind Zuschreibungsphänomene – besonders die Art von Zuschreibungsphänomen, die keine nicht-kongruente beeinflussende Variable ist. 

  • Das offensichtliche karmische Potenzial ist ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des Kontinuums der vier Komponenten eines karmischen Pfades, wie sie im Kontext der fünf Aggregate der Person erfahren werden, die die Handlung begeht.  
  • Das nicht offensichtliche karmische Potenzial ist ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des Kontinuums der Person, des „Ichs“, das wiederum ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des Kontinuums der fünf Aggregate der Person ist, die die Handlung begangen hat. 

Technisch gesehen ist die Art von Phänomen, die das karmische Potenzial wird, nachdem die geistige Handlung endet, ein „positives karmisches Potenzial, das die Wesensnatur einer karmischen Tendenz angenommen hat“ (tib. sa-bon-gyi ngo-bor gyur-ba’i bsod-nams) oder ein „negatives karmisches Potenzial, das die Wesensnatur einer karmischen Tendenz angenommen hat“ (tib. sa-bon-gyi ngo-bor gyur-ba’i sdig-pa). Wie eine karmische Tendenz (tib. sa-bon), über die wir gleich sprechen, entsteht es als eine nicht-kongruente beeinflussende Variable ausschließlich nachdem das Umsetzen einer karmischen Handlung aufgehört hat. Doch im Gegensatz zu einer karmischen Tendenz bleibt das karmische Potenzial entweder konstruktiv oder destruktiv. Karmische Tendenzen selbst sind unspezifische Phänomene. 

Das karmische Potenzial einer körperlichen oder verbalen Handlung

Das karmische Potenzial einer körperlichen oder verbalen karmischen Handlung hat sieben Aspekte: 

  • das offensichtliche karmische Potenzial, das die grobe Form eines physischen Phänomens ist – eine offenbarende Form (ein karmischer Impuls des Körpers oder der Rede); 
  • das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz hat, die sich fortsetzt, nachdem die offenbarende Form aufgehört hat;  
  • das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das die subtile Form eines physischen Phänomens ist – eine nicht-offenbarende Form (ein karmischer Impuls des Körpers oder der Rede); 
  • das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz hat, die eine nicht-offenbarende Form schafft, während diese Form im Geisteskontinuum präsent bleibt – wenn andere beispielsweise einen buddhistischen Tempel nutzen, den wir erbaut haben; 
  • das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz hat, die sich fortsetzt, nachdem eine nicht-offenbarende Form aufgehört hat;  
  • das offensichtliche karmische Potenzial, das die körperliche oder verbale Handlung selbst ist – der karmische Pfad eines karmischen Impulses des Körpers oder der Rede; sowie
  • das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz hat, die sich weiter fortsetzt, nachdem eine körperliche oder verbale Handlung aufgehört hat. 

Hier sollte man wiederum darauf achten, dass karmische Impulse (Karma) des Körpers und der Rede karmische Potenziale sind, während karmische Impulse des Geistes keine karmischen Potenziale sind. Karmische Impulse können konstruktiv, destruktiv oder unspezifisch sein, während karmische Potenziale nur konstruktiv oder destruktiv sind. Somit sind unspezifische karmische Impulse des Körpers oder der Rede keine karmischen Potenziale.  

Was die Arten von Phänomenen betrifft, so gilt für diese karmischen Potenziale:

  • Offenbarende Formen und nicht-offenbarende Formen, als offensichtliches karmisches Potenzial, sind Formen physischer Phänomene.  
  • Körperliche oder verbale Handlungen, die andauern, bis ihr Endziel erreicht ist, sind nicht-kongruente beeinflussende Variablen – Zuschreibungsphänomene auf der Grundlage des Kontinuums der vier Komponenten eines karmischen Pfades, wie sie im Kontext der fünf Aggregate der Person erfahren werden, die die Handlung begeht. Das Endziel der Handlung mag jedoch, wie im Fall des Todes eines Wesens, das man tötet, nicht vom Ausführenden der Handlung erlebt werden. 
  • Die drei Arten des nicht offensichtlichen karmischen Potenzials, welche die offenbarenden und nicht-offenbarenden Formen und karmischen Handlungen des Körpers oder der Rede hervorbringen, wenn sie enden, sowie das nicht offensichtliche karmische Potenzial, das durch die nicht-offenbarenden Formen aufgebaut wird, während sie präsent sind, sind ebenfalls nicht-kongruente beeinflussende Variablen – Zuschreibungsphänomene auf der Grundlage des Kontinuums der fünf Aggregate der Person, welche die Handlung ausgeführt hat. Diese vier Arten des nicht offensichtlichen karmischen Potenzials sind karmisches Potenzial, das die Wesensnatur einer karmischen Tendenz angenommen hat. 

Das Netzwerk des karmischen Potenzials

Ein Netzwerk (tib. tshogs, Ansammlung, reichhaltiger Vorrat) karmischen Potenzials oder ein Netzwerk karmischer Kraft ist eine Synthese der verschiedenen Arten karmischen Potenzials, das durch all unsere zuvor begangenen körperlichen, verbalen und geistigen karmischen Handlungen seit anfangsloser Zeit aufgebaut wurde und nicht aus unserem Geisteskontinuum verschwunden ist. Somit umfasst es:

  • offensichtliches karmisches Potenzial als karmische Handlungen (karmische Pfade) des Körpers, der Rede und des Geistes; 
  • offensichtliches karmisches Potenzial als offenbarende Formen; 
  • nicht offensichtliches karmisches Potenzial als nicht-offenbarende Formen; und
  • nicht offensichtliches karmisches Potenzial, das die Wesensnatur einer karmischen Tendenz angenommen hat – wenn eines der drei aufhört, sowie der nicht-offenbarenden Formen, während sie präsent sind. 

Weil ein Netzwerk karmischen Potenzials eine Synthese von Formen physischer Phänomene und nicht-kongruenter beeinflussender Variablen ist, ist ein Netzwerk selbst eine nicht-kongruente beeinflussende Variable. Als solche ist sie eine nicht-statische Zuschreibung auf der Grundlage eines konventionellen „Ichs“. 

All unser positives karmisches Potenzial bildet unser Netzwerk positiven Potenzials (tib. bsod-nams-kyi tshogs, Ansammlung von Verdienst). Abhängig vom Widmen kann ein Netzwerk positiven Potenzials (Ansammlung von Verdienst) (1) samsarabildend, (2) befreiungsbildend oder (3) erleuchtungsbildend sein. Von diesen Dreien ist nur ein Samsarabildendes karmisch. Obgleich es keinen Fachausdruck für die Synthese all unseres negativen karmischen Potenzials gibt, können wir auch von einem Netzwerk negativen Potenzials sprechen. 

Das Prasangika-System vertritt als einziges den Standpunkt, dass ein erleuchtungsbildendes Netzwerk positiven Potenzials – das Netzwerk positiven Potenzials, das mit Bodhichitta der Erleuchtung gewidmet wird – der sich entwickelnde Faktor der Buddha-Natur (tib. rgyas-’gyur-gyi rigs; die sich entwickelnde Buddha-Familieneigenschaft) ist, der als die herbeiführende Ursache (tib. nyer-len-gyi rgyu) für die Formkörper eines Buddhas wirkt. 

  • Eine herbeiführende Ursache ist das, was sich nachfolgend in ein Ergebnis umwandelt und damit aufhört zu existieren. Die Verbindung von Same und Eizelle zweier Menschen ist beispielsweise die herbeiführende Ursache für einen menschlichen Körper.  

Nicht-kongruente beeinflussende Variablen können nicht als herbeiführende Ursache dienen, die sich in Formen physischer Phänomene umwandeln; nur Formen physischer Phänomene können diese Funktion erfüllen. Daher können nur Formen physischer Phänomene die herbeiführende Ursache für andere Formen physischer Phänomene sein. 

Die herbeiführende Ursache für einen Körper oder Geist muss sich in derselben Kategorie von Phänomenen befinden, wie der nachfolgende Körper oder Geist, der aus ihnen herbeigeführt wird. Dazu wird das Beispiel angeführt, dass nur der letzte Moment des Geistes eines vergangenen Lebens die herbeiführende Ursache für den ersten Moment des Geistes des nächsten Lebens dieser Person sein kann. Dieser erste Moment des Geistes kann nicht aus einer physischen herbeiführenden Ursache als dessen Nachfolge entstehen. Die Verbindung von Same und Eizelle kann zum Beispiel nicht zu einem Geist werden und in ähnlicher Weise kann ein Geist nicht zu einem Körper als dessen Nachfolge werden.

Da das erleuchtungsbildende Netzwerk positiven Potenzials sowohl aus Formen physischer Phänomene (nicht-offenbarende Formen) als auch aus nicht-kongruenten beeinflussenden Variablen besteht, gehe ich davon aus, dass die nicht-offenbarende Form eines Bodhisattva-Gelübdes selbst als eine herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas betrachtet werden kann. Diese Hypothese würde auch den Mechanismus erklären, durch den bestimmte konstruktive Handlungen eines Bodhisattvas die Ursachen für die 32 hervorragenden Zeichen (tib. mtshan bzang-po, Hauptmerkmale) des Sambhogakaya und höchsten Nirmanakaya sind, welche der Bodhisattva erlangt, und die, wenn sie nicht der Erleuchtung gewidmet werden, die Ursachen für diese Zeichen sind, wenn man als ein Chakravartin-Herrscher wiedergeboren wird. Die nicht-offenbarenden Formen dieser konstruktiven Handlungen wären die herbeiführenden Ursachen für diese körperlichen Zeichen.  

Aus dem Beispiel der 32 hervorragenden Zeichen wird klar, dass ein Netzwerk positiven Potenzials, dem das positive Potenzial der nicht-offenbarenden Form eines Bodhisattva-Gelübdes fehlt, nicht als die herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas dienen kann. Das bestärkt die Hypothese, dass es innerhalb eines Netzwerks erleuchtungsbildenden positiven Potenzials die nicht-offenbarende Form eines Bodhisattva-Gelübdes ist, die sich in die Formkörper eines Buddhas entsprechend dem Prinzip transformiert, dass nur die Form eines physischen Phänomens zu einer anderen Form eines physischen Phänomens als dessen Nachfolge werden kann. Das ist vergleichbar mit der Form eines physischen Phänomens – nämlich eines Illusionskörpers (tib. sgyu-lus) – welche im Anuttarayoga-Tantra die herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas ist. 

Wenn meine Hypothese korrekt ist, kann damit die enorme Betonung darauf erklärt werden, niemals Bodhichitta und die Bodhisattva-Gelübde aufzugeben, auch nicht, wenn es unser Leben kostet. Seit anfangslosen Leben haben wir unzählige Male die Bodhisattva-Gelübde genommen, aber sie auch unzählige Male aufgegeben. Das ist der Grund, warum wir nicht bereits Erleuchtung erlangt haben. Um Erleuchtung zu erlangen ist es daher ausschlaggebend, nie unser Bodhisattva-Gelübde aufzugeben und somit nicht die nicht-offenbarende Form, die dieses Gelübde ausmacht, in unserem Geisteskontinuum zu verlieren.  

Karmische Tendenzen 

Eine karmische Tendenz (karmischer Same) ist ebenfalls eine nicht-kongruente beeinflussende Variable. Sie entsteht mit dem Beenden des Umsetzens einer Methode, um eine körperliche oder verbale Handlung stattfinden zu lassen, und setzt sich mit dem Geisteskontinuum als ein nicht-statisches Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des konventionellen „Ichs“ fort.  

  • Im Gegensatz zu karmischen Potenzialen, die immer entweder destruktiv oder konstruktiv sind, sind karmische Tendenzen stets unspezifisch.
  • Im Gegensatz zu karmischen Potenzialen ergeben sich karmische Tendenzen nicht nur aus destruktiven und konstruktiven karmischen Handlungen, sondern auch aus unspezifischen. 

Karmische ständige Gewohnheiten 

Eine karmische ständige Gewohnheit ist auch eine nicht-kongruente beeinflussende Variable, die eine nicht-statische Zuschreibung auf der Grundlage des konventionellen „Ichs“ ist. Sie entsteht mit dem Beenden des Umsetzens einer Methode, um eine körperliche, verbale oder geistige Handlung stattfinden zu lassen und setzt sich als Teil der kognitiven Schleier fort, die Allwissenheit verhindern ( tib. shes-sgrib). Karmische ständige Gewohnheiten sind erst mit dem Erlangen der Erleuchtung vorbei.

Im Gegensatz zu nicht-offenbarenden Formen, karmischen Potenzialen und karmischen Tendenzen, die alle drei nur in Abständen Resultate hervorbringen – wie etwas zu stehlen oder darauf zu verzichten, wenn wir es tun wollen – bringen karmische ständige Gewohnheiten ihre Resultate fortwährend, ohne Unterbrechung, hervor. Sie sind für unser begrenztes, verengtes Gewahrsein und dessen Hervorbringen von Erscheinungen selbst-begründeter Existenz verantwortlich. 

Wenn karmische Potenziale die Wesensnatur von karmischen Tendenzen haben und karmische Tendenzen selbst aufhören, ihre Resultate hervorzubringen, werden sie zu karmischen ständigen Gewohnheiten. Negative karmische Potenziale mit der Wesensnatur von karmischen Tendenzen werden auch zu karmischen ständigen Gewohnheiten, wenn sie mit dem Anwenden der vier Gegenkräfte und der Vajrasattva-Meditation zu „verbrannten Samen“ werden. 

Resultate der karmischen Hinterlassenschaft 

Karmische Potenziale, welche die Wesensnatur karmischer Tendenzen angenommen haben, und karmische Tendenzen selbst führen, oft in Verbindung miteinander, zu verschiedenen karmischen Resultaten. Hier gilt es zu beachten, dass karmische Potenziale und karmische Tendenzen im Laufe der Zeit ein oder mehrere karmische Resultate hervorbringen können, und jedes karmische Resultat, das entsteht, kann aus einem oder mehreren karmischen Potenzialen, karmischen Tendenzen oder der Kombination von beiden hervorgerufen werden. 

Des Weiteren wirken die karmischen Potenziale, die offenbarende und nicht-offenbarende Formen sind, sowie körperliche, verbale und geistige karmische Handlungen (karmische Pfade karmischer Impulse von Körper, Rede und Geist) nicht als unmittelbar vorangehende Ursachen (tib. dngos-rgyu), welche ihr Resultat direkt im nächsten Moment hervorrufen. 

Karmische Resultate umfassen:

  • gereifte Resultate (tib. rnam-smin-gyi ’bras-bu, Skt. vipākaphalam);
  • Resultate, die ihrer Ursache ähneln (tib. rgyu-mthun-gyi ’bras-bu, Skt. niṣyandaphalam), entweder in unserem Verhalten oder in unserer Erfahrung – der Sanskrit-Begriff dafür, utpatti, bedeutet „Fortlauf“ und sie sind in dem Sinne ein Fortlauf, da sie aus ihrer Ursache folgen;  
  • dominierende Resultate (tib. bdag-po’i ’bras-bu, dbang-gi ’bras-bu, Skt. adhipatiphalam), auch übersetzt als umfassende Resultate oder beherrschende Resultate.  

Es gibt eine komplexe buddhistische Analyse zu den verschiedenen Arten von Ursachen und dazu, welche Arten von Resultaten sie in Verbindung mit den Prinzipien karmischer Ursache und Wirkung hervorbringen können. Beide karmischen Potenziale, welche die Wesensnatur karmischer Tendenzen angenommen haben, und karmische Tendenzen selbst wirken als mehrere Arten von karmischen Ursachen für mehrere Arten von karmischen Resultaten, wobei sich jedes Resultat auf mehrere Arten karmischer Resultate mehrerer Arten karmischer Ursachen, sowie auf die nicht-karmischen Resultate nicht-karmischer Ursachen bezieht. Der Körper eines Menschen oder Säugetiers ist beispielsweise auch das von Menschenhand geschaffene Resultat (tib. skyes-bu byed-pa’i ’bras-bu) des Samen und der Eizelle der Eltern als dessen herbeiführende Ursache. Es ist nicht notwendig, hier in alle Einzelheiten zu gehen. 

Gereifte Resultate

Gereifte Resultate sind stets unspezifisch. Sie beziehen sich auf die unspezifischen Elemente in den fünf Aggregaten des Wiedergeburtszustands (Mensch, Fliege, himmlisches Wesen, Höllenwesen usw.), den unser Bewusstsein erfährt, wenn wir wiedergeboren werden. Diese Elemente umfassen den Körper, dessen kognitive Sensoren, die Arten des Bewusstseins, das mögliche Spektrum von Gefühlen des Glücklichseins oder Unglücklichseins und das mögliche Spektrum der anderen unspezifischen Geistesfaktoren, wie Konzentration und Intelligenz, die mit der Art von Körper und Geist des Wiedergeburtszustands zusammenhängen. Die spezifischen Geistesfaktoren, die in jedem Moment auftreten, entstehen aus ihren Ursachen und sind keine gereiften Resultate karmischer Hinterlassenschaft.

Die gereiften Resultate sind insbesondere das, was durch den Mechanismus der zwölf Glieder des abhängigen Entstehens in Erscheinung tritt, mit dem elften Glied, dem Glied der Empfängnis (tib. skye-ba; Geburt), das nur einen Augenblick andauert. Somit sind während dem Augenblick der Empfängnis nur der Körper und das Bewusstsein als vierter Link, dem Link der benennbaren Geisteskräfte mit oder ohne fester Form (tib. ming-dang gzugs; Name und Form) manifest. Die kognitiven Sensoren, die spezifischen Bewusstseinsarten und die unspezifischen Geistesfaktoren sind nur als Tendenzen für sie präsent.

  • Die gereiften Resultate umfassen nicht die destruktiven störende Emotionen oder die konstruktiven Emotionen des Wiedergeburtszustandes, die auch als Tendenzen im Moment der Empfängnis präsent sind. Die Emotionen stammen aus ihren eigenen Tendenzen, die keine karmischen Tendenzen sind.  
  • Die gereiften Resultate umfassen auch keine karmischen Impulse für karmische Handlungen.   

Da sie unspezifisch sind, können gereifte Resultate nur aus reifenden Ursachen (tib. rnam-smin-gyi rgyu) entstehen, die entweder konstruktiv oder destruktiv sein müssen. Somit reifen nur positive oder negative karmische Potenziale mit der Wesensnatur von Tendenzen – und keine karmischen Tendenzen selbst, die stets unspezifisch sind – in gereifte Resultate. 

  • Das Wort „reifen“ (tib. smin-pa) wird als ein allgemeiner Begriff für eine karmische Ursache benutzt, die zu einem Punkt heranreift, an dem sie ein Resultat hat. Es sollte nicht mit dem spezifischen Gebrauch des Wortes „reifen“ im Sinne von „reifenden Ursachen“ und „gereiften Resultaten“ verwechselt werden. 

Die Weise, auf die der Körper und Geist eines Wiedergeburtszustandes zur Zeit des elften Glieds, dem Moment der Empfängnis, entstehen, wie es in den zwölf Gliedern des anhängigen Entstehens beschrieben wird, ist folgende: 

  • Zunächst wird ein karmische Potenzial oder eine Reihe von karmischen Potenzialen mit der Wesensnatur einer Tendenz zum Zeitpunkt des Todes durch das achte und neunte Glied – die Glieder der Begierde (tib. sred-pa, Skt. tṛṣṇā; Dürsten) und einer herbeiführenden Geisteshaltung (tib. len-pa, Skt. upadāna; Greifen) aktiviert. Das aktivierte karmische Potenzial, das entsteht, ist ein „werfender karmischer Impuls“ (tib. ’phen-byed-kyi las), der das zehnte Glied, das Glied der Weiterexistenz (tib. srid-pa, Skt. bhava; Werden) bildet. Der werfende karmische Impuls ist nicht das gereifte Resultat dieses karmischen Potenzials. Das geistige Bewusstsein, welches den werfenden karmischen Impuls begleitet, und es in eine nächste Wiedergeburt treibt, ist der letzte Moment der kausalen Phase des dritten Gliedes, dem Glied des aufgeladenen Bewusstseins (tib. rgyu-dus-kyi rnam-shes). 
  • Die gegenwärtig stattfindenden großen Elemente Erde, Wasser, Feuer und Wind der Sensoren der Sinneswahrnehmung des Körpers in diesem Moment des Sterbens sind die angeeigneten (tib. zin-pa, Skt. upātta) konstituierenden Komponenten (tib. khams, Skt. dhātu) der Wahrnehmung in diesem Moment des Sterbens. Der Körper selbst, außer den Haaren und Nägeln, ist der kognitive Sensor der körperlichen Wahrnehmungen. In der weltlichen Sprache werden diese Elemente als „belebte Materie“ (tib. sems-pa-dang bcas-pa, Skt. sacetana) (wörtlich als Dinge, die mit einem karmischen Impuls des Geistes, einem geistigen Drang verbunden sind) und „lebendiger Materie“ (tib. srog-dang bcas-pa, Skt. sajīva) (wörtlich als Dinge, die mit einer Lebenskraft verbunden sind) bezeichnet. Sie sind das, was das geistige Bewusstsein, der geistige Drang des werfenden Karmas und die anderen begleitenden Geistesfaktoren sich aneignen oder gewissermaßen unter sich als ihre physische Stütze (tib. rten, Skt. adhiṣṭhāna) annehmen. 
  • Die Kraft des angeeigneten Wind-Elementes des Körpers im Augenblick des Todes treibt das ursächliche aufgeladene Bewusstsein dazu, die großen Elemente des Körpers des Wiedergeburtszustandes als dessen verwendete physische Stütze anzunehmen, die noch nicht in Sensoren der Wahrnehmung differenziert werden. Zusammen mit dem Aneignen dieser physischen Stütze findet die resultierende Phase des dritten Glieds, des Glieds des aufgeladenen Bewusstseins (tib. ’bras-dus-kyi rnam-shes) und der elfte Link der Empfängnis statt.  
  • Die großen Elemente eines Wiedergeburtszustands – zum Beispiel die groben Elemente eines bestimmten verbundenen Paars von Same und Eizelle – die nun vom resultierenden geladenen Bewusstsein als dessen physische Stütze verwendet werden, sind Fortlauf- (tib. rgyu-thun-pa-las byung-ba, Skt. niḥṣyanda) Elemente der vorangegangenen Momente des eigenen Kontinuums dieser Elemente. Sie sind nicht der Fortlauf der großen Elemente der Sensoren der Sinneswahrnehmung des Körpers im Moment des Sterbens. Hier gilt es zu beachten, dass die tibetische Übersetzung des Sanskrit-Wortes für „Fortlauf“ bedeutet: „etwas, das entsprechend seiner Ursache entsteht“. „Entsprechend“ heißt, von gleichem ethischen Status – in diesem Fall unspezifisch – zu sein.  

Der Wiedergeburtskörper, den man als gereiften Körper (tib. rnam-smin-gyi lus) kennt, ist das gereifte Resultat des karmischen Potenzials, das zum Todeszeitpunkt aktiviert wird. Die groben Elemente der Vereinigung von Same und Eizelle im Augenblick, der dem Auftreten des Gliedes des resultierenden geladenen Bewusstseins unmittelbar vorangeht, sind die herbeiführende Ursache (tib. nyer-len-gyi rgyu) des gereiften Körpers. Das ursächliche geladene Bewusstsein ist die gleichzeitig wirkende Bedingung (tib. lhan-skyes rkyen). Sie ist die treibende Kraft (tib. byed-pa-po) der Wiedergeburt. 

Obgleich dies die normale Erklärung der Wiedergeburt, des zehnten Glieds, des Glieds der Weiterexistenz ist, hat sie vier Phasen – Bardo-Existenz (tib. bar-do’i srid-pa) Empfängnis-Existenz (tib. skye-srid), Existenz vor dem Tode (tib. sngon-dus-kyi srid-pa) (die Periode vom Moment nach der Empfängnis bis zum Tod) und die Todes-Existenz (tib. ’chi-srid). Das elfte Glied findet somit nur während dem ersten Moment der Existenz vor dem Tode statt. 

Da dieses zehnte Glied die werfenden karmischen Impulse ausmachen, bilden sie alle vier Phasen. Das bedeutet, dass ein Kontinuum des karmischen Potenzials, das im Moment des Sterbens aktiviert wird, sich auf alle vier Phasen des zehnten Glieds erstreckt und in jedem Moment dieser vier Phasen weitere werfende karmische Impulse hervorbringt. Dieses karmische Potenzial setzt sich im geladenen Bewusstsein fort, bis es keine weiteren gereiften Resultate mehr entstehen lässt. Manche karmischen Potenziale bringen als ihre gereiften Resultate die gereiften Körper einer Reihe von Wiedergeburten hervor.

  • Somit treibt sie die Kraft des gegenwärtig stattfindenden Wind-Elementes, welches die verwendete körperliche Stütze des gegenwärtig stattfindenden Bewusstsein und der begleitenden Geistesfaktoren ist, während seiner Existenz vor dem Tode an, den Fortlauf der großen Elemente des nächsten Momentes der Sensoren der Sinneswahrnehmung dieses Körpers als ihre physische Stütze anzunehmen.  
  • So lange die Lebenskraft (tib. srog, Skt. jīva) für dieses nächste Leben weiter andauert, werden alle Momente der großen Elemente der Sensoren der Sinneswahrnehmung des Körpers dieses nächsten Lebens weiter als die physische Stütze des Bewusstseins und der begleitenden Geistesfaktoren dieses Lebens verwendet werden.  
  • Wenn sich die Lebensspanne für ein bestimmtes Leben zum Zeitpunkt des Todes erschöpft hat, kann das weitere Kontinuum der großen Elemente der Sensoren der Sinneswahrnehmung dieses Körpers nicht mehr vom Bewusstsein und den begleitenden Geistesfaktoren der Person als physische Stütze verwendet werden. Diese Elemente sind dann nicht länger belebte, lebendige Materie und infolgedessen wird der Körper zu einer Leiche.  

Obwohl die Sutra-Darstellung der zwölf Glieder die Bardo-Existenz zu den vier Phasen des zehnten Glieds hinzuzählt, gibt es für gewöhnlich keine ausführliche Analyse dazu, wie die werfenden karmischen Impulse während dieser Bardo-Existenz funktionieren. Wir können sie mit der Anuttarayoga-Tantra-Darstellung des Bardo ergänzen und daraus eine mögliche Sutra-Darstellung ableiten:

  • In der Anuttarayoga-Tantra-Darstellung sind das kausale und resultierende geladene Bewusstsein der subtilste Geist klaren Lichts. 
  • Bevor das resultierende geladene Bewusstsein die groben großen Elemente des Wiedergeburtskörpers als verwendete physische Stütze annimmt, nimmt es zunächst den Bardo-Körper als verwendete physische Stütze. Der Bardo-Körper ist das gereifte Resultat des karmischen Potenzials, das im Moment des Sterbens aktiviert wird. Die herbeiführende Ursache des Bardo-Körpers ist der subtilste Energiewind, der die physische Stütze des subtilsten Geist klaren Lichts im Moment des Sterbens ist. Der subtilste Energiewind des ersten Moments der Bardo-Existenz ist der Fortlauf des subtilsten Energiewinds des unmittelbar vorangehenden Moments des Sterbens. Der subtilste Geist klaren Lichts im Moment des Sterbens dienst als gleichzeitig wirkende Bedingung für den Bardo-Körper, wobei der subtilste Geist klaren Lichts und der subtilste Energiewind, der dessen physische Stütze ist, ein untrennbares Paar bilden. 
  • Ein so genannter „kleiner Tod“ tritt am Ende der Bardo-Existenz auf. Die Kraft des subtilsten Energiewinds des Bardo-Körpers im Moment dieser Existenz des kleinen Todes treibt das resultierende geladene subtile Bewusstsein des klaren Lichtes an, die groben großen Elemente einer Verbindung von Same und Eizelle als nächste verwendete physische Stütze anzunehmen, um als ein Mensch wiedergeboren zu werden.  
  • Das untrennbare Paar des subtilsten Geist klaren Lichts und der subtilste Energiewind dienen als die gleichzeitig wirkende Bedingung für den gereiften Körper der nächsten Wiedergeburt. In der Sutra-Darstellung sind die groben großen Elemente der Verbindung von Same und Eizelle im Moment, welcher dem Moment der Empfängnis der nächsten Wiedergeburt unmittelbar vorangeht, die herbeiführende Ursache der fortlaufenden Elemente des gereiften Körpers dieser nächsten Wiedergeburt. 

Die theoretische Sutra-Darstllung, die sich daraus ableitet, ist folgende:

  • Während der Bardo-Existenz nimmt das resultierende geladene Bewusstsein die subtilen großen Elemente des Bardo-Körpers als dessen verwendete physische Stütze an. Der Bardo-Körper ist das gereifte Resultat des aktivierten karmischen Potenzials im Moment des Sterbens. Die gleichzeitig wirkende Bedingung für das Entstehen des Bardo-Körpers ist das ursächliche geladene Bewusstsein. 
  • Die herbeiführenden Ursachen des Bardo-Körpers müssen Formen physischer Phänomene sein, welche die gleiche subtile Ebene haben, wie die subtilen großen Elemente des Bardo-Körpers. Daher müssen sie auch subtile große Elemente sein. Meine Hypothese ist, dass diese herbeiführenden subtilen großen Elemente die subtilen großen Elemente im Moment des Sterbens sind.  
  • Wenn das buddhistische medizinische System die zehn Energiewinde des menschlichen Körpers aufzählt, sind fünf von ihnen die Energiewinde, die von den fünf Arten des Sinnesbewusstseins als dessen physische Stütze verwendet werden, die den groben großen Elementen der jeweiligen Sensoren der Sinneswahrnehmung zugrunde liegen. Im Gegensatz zu den groben Energiewinden des Atems sind die Energiewinde, welche die verwendete physische Stütze der fünf Arten des Sinnesbewusstsein sind, subtile Elemente. 
  • Meine Hypothese ist, dass diese subtilen Energiewinde Teil einer vollständigen Reihe von subtilen großen Elementen sind, und dass die Elemente dieser Reihe herbeiführende Elemente sind, dessen Fortlauf die subtilen großen Elemente des Bardo-Körpers sind.  
  • Diese Hypothese basiert auf dem Begründen durch Analogie. Die Körper von Göttern auf der Ebene der Sinnesobjekte des Begehrens und auf der Ebene der ätherischen Formen – einschließlich ihrer Sensoren der Sinneswahrnehmung – bestehen aus subtilen großen Elementen. Diese Götter sind in der Lage, ihre noch nicht stattfindenden Bardo-Körper kurz vor ihrem Tod zu sehen. Das legt den Schluss nahe, dass die subtilen großen Elemente ihrer Bardo-Körper der Fortlauf der subtilen großen Elemente sein werden, welche die verwendete physische Grundlage für ihre Sensoren der Sinneswahrnehmung im Moment ihres Sterbens sein wird.  

Die Resultate, die ihrer Ursache in unserem Verhalten entsprechen

In der indischen buddhistischen Literatur und der tibetischen Literatur über Karma vor Tsongkhapa (tib. Tsong-kha-pa Blo-bzang grags-pa) beziehen sich die Resultate, die ihrer Ursache ähneln nur auf das, was später als „Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln“ bezeichnet wurde. In der „Großen Darstellung des Stufenpfades“ (Lam-rim chen-mo) bemerkt Tsongkhapa jedoch, frühere Lamas – ohne ihre Namen oder Schriften zu benennen – würden die Unterteilung dieser Art von Resultaten in Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln (tib. byed-pa rgyu-mthun-gyi ’bras-bu) und Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln (myong-ba rgyu-mthun-gyi ’bras-bu) vertreten.  

Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln, sind laut Tsongkhapa, sich am Töten zu erfreuen (tib. dga’-bar ’gyur-ba), also gern zu töten, daran Freude zu finden und es zu genießen. Ein häufig gebrauchtes Beispiel dafür ist ein Kind, das schon im jungen Alter gern Insekten tötet. Das ist das Resultat davon, in früheren Leben immer wieder anderen das Leben genommen zu haben und entsteht, wenn man nach einer Wiedergeburt in einem der schlechteren Wiedergeburtszustände als Mensch wiedergeboren wird. In Bezug auf konstruktives Verhalten bemerkt Tsongkhapa nur, dass diese Art von Resultat das Gegenteil von dem destruktiven Verhaltens ist. 

Später folgen der Sakya-Meister Ngorchen (tib. Ngor-chen dKon-mchog lhun-grub) im „Ornament des Schmückens der drei Erscheinungen“ (tib. rNam-gsum mdzes-par byed-pa’i rgyan) und der Nyingma-Meister Patrul (tib. rDza dPal-sprul O-rgyan ’jigs-med chos-kyi dbang-po) in seinen persönlichen Unterweisungen des vollkommen vortrefflichen Gurus (tib. Kun-bzang bla-ma’i zhal-lung; Die Worte meines vollendeten Lehrers) Tsongkhapas Erklärungen. Ngorchen und Patrul halten fest, dass es bei diesem Resultat darum geht, eine bestimmte Art der destruktiven Handlung nicht gern zu begehen und stattdessen gern die konstruktive Handlung, davon abzulassen, auszuführen.

Nur weil wir vielleicht ein bestimmtes destruktives Verhalten in früheren Leben hatten, bedeutet allerdings nicht unbedingt, gern so zu handeln. Wir wurden vielleicht angewiesen und dazu gezwungen, im Krieg immer wieder andere zu töten, obwohl wir es nicht gern taten, oder waren aus Hunger gezwungen, immer wieder Nahrung zu stehlen, um unsere Kinder zu ernähren, auch wenn wir es nicht gern taten. Obgleich es in keinem Text, den ich gesehen habe, so festgelegt ist, würde ich folgenden Vorbehalt anfügen: Hätten wir in vergangenen Leben auf eigene Initiative wiederholt eine destruktive Handlung begangen und sie gern getan, würde das Resultat dessen, das seiner Ursache entspricht, darin bestehen, dass wir diese destruktive Handlung gern begehen. Wären wir jedoch gezwungen worden, diese Handlung unfreiwillig wiederholt zu begehen, ohne sie zu mögen, wäre das Resultat davon, diese Handlung weiterhin nicht gern auszuführen.

In „Eine Darlegung der fünf Aggregat-Faktoren (tib. Phung-po lnga’i rab-tu byed-pa, Skt. Pañcaskandhaka-prakaraṇa) zählt Chandrakirti Freude (tib. rab-tu dga’-ba) als einen Geistesfaktor auf, definiert ihn als ein Erfreuen, einen zufriedenen Geisteszustand (tib. sems-kyi mgu-ba) und gibt an, dass er sich von geistigem Glück (tib. yid-bde-ba) unterscheidet. Somit mögen wir etwas gern tun und dabei entweder glücklich oder unglücklich sein – zum Beispiel mögen wir gern ehrliche Worte sagen oder unnützes Zeug reden und dabei glücklich oder traurig sein.

Hier gilt es zu beachten, dass wir zum Beispiel gern angeln und damit Fische töten mögen, aber dieses Angeln nicht jeden Augenblick unserer Wahrnehmung begleitet und wir auch nicht ständig angeln. Kommt der Gedanke hoch, angeln zu gehen, oder wir denken darüber nach es zu tun oder gehen tatsächlich angeln, wird dies von dem Geistesfaktor gern zu angeln begleitet. 

Obgleich der Gedanke aufkommen mag, angeln zu gehen, weil wir gerne angeln, und wir darüber nachdenken und uns entscheiden, es zu tun, wiederholen wir die Handlung des Angelns und Tötens von Fischen vielleicht nicht. Oder wir gehen angeln, aber fangen nichts und töten somit niemanden. 

Daher bezieht sich das Resultat, das der Ursache im eigenen Verhalten ähnelt, nicht auf das, was wir tatsächlich tun, sondern auf einen der ursächlichen Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, was wir tun. Der Begriff für dieses Resultat ist somit ein Beispiel dafür, den Namen der Ursache dem Resultat zu geben, wie in dem Fall, wenn wir die Meditation zum Entwickeln von Shamatha als „Shamatha-Meditation“ bezeichnen.

Der Sakya-Meister Gorampa (tib. Go-ram-pa bSod-nams seng-ge) führt Tsongkhapas Erklärung in „Ein Text zum Diskurs über Geistestraining; Sich von den vier Arten des Klammerns lösen: Ein Schlüssel zu den tiefgründigen wesentlichen Punkten“ (tib. Blo-sbyong zhen-pa bzhi-bral-gyi khrid-yig zab-don gnad-kyi lde’u-mig) einen Schritt weiter. Dort behauptet er, dass Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln, sich darauf beziehen, die Handlung gern wiederholen zu wollen (tib. slar-yang byed-’dod-pa ’byung) und demzufolge in eine schlechtere Wiedergeburt zu fallen. „Etwas gern tun zu wollen“ ist die gleiche Definition, die Chandrakirti für eine Absicht (tib. ’dun-pa) anführt. „Demzufolge in eine schlechtere Wiedergeburt zu fallen“ ist ein Hinweis darauf, dass die Absicht entschieden ist, wenn die Konsequenz darin besteht, in eine schlechtere Wiedergeburt zu fallen, egal ob eine Methode angewandt wird, um die Handlung stattfinden zu lassen, oder nicht. Lediglich eine bestimmte Art der destruktiven Handlung gern zu begehen und sie lediglich begehen zu wollen, sich aber nicht dafür zu entscheiden, sie zu begehen, geschweige denn sie tatsächlich zu begehen, resultiert nicht für sich in einer schlechteren Wiedergeburt. 

Kurzum sind etwas gern zu tun oder sich daran zu erfreuen und es tun zu wollen, sowie sich dafür zu entscheiden, es zu tun, karmische Resultate, die ihrer Ursache ähneln: unserem Verhalten in früheren Leben. Dieses Resultat bezieht sich nicht darauf, die Handlung tatsächlich zu wiederholen. 

Gehen wir einmal von einer vorläufigen Analyse eines Resultates aus, das seiner Ursache in unserem Verhalten ähnelt, und beziehen uns dabei auf Tsongkhapas Erklärung, die von Gorampa ergänzt wird, und tun dies nur in Bezug auf eine Handlung des Körpers oder der Rede, die wir gern tun und an der wir uns erfreuen:

  • Zunächst entsteht ein Gedanke, eine Handlung, die wir zuvor ausgeführt haben, zu wiederholen. Der Gedanke wird von dem Geistesfaktor, diese Handlung gern auszuführen, begleitet. Wir erkennen ihn vielleicht nicht als einen Gedanken und erfahren ihn einfach nur als ein Gefühl, es gern wieder tun zu wollen, doch technisch gesehen handelt es sich dabei um eine konzeptuelle Wahrnehmung, in der das erscheinende Objekt (tib. snang-yul) die Objekt-Kategorie (tib. don-spyi) einer Handlung des Körpers oder der Rede ist, die wir zuvor ausgeführt haben. Durch diese Kategorie erscheint ein geistiges Hologramm der Bewegung des Körpers oder ein geistiges Hologramm der Äußerung der Rede, welche diese Handlung repräsentiert und etwas ähnelt, das wir zuvor als eine Methode zum Umsetzen dieser Handlung ausgeführt haben. Verschiedene Umstände können das Auftauchen dieses Gedankens bewirken, wie eine störende oder konstruktive Emotion, ein Gefühl des Unglücklichseins oder des Glücklichseins, eine angenehme oder schmerzhafte körperliche Empfindung, eine fehlerhafte Betrachtung, ein Einfluss von anderen, die Gewohnheit solcher Gedanken und so weiter. Obwohl dieser bloße Gedanke nicht dazu führen mag, überhaupt in Betracht zu ziehen, diese Handlung jetzt oder irgendwann später zu wiederholen, kann der Gefallen an dieser Handlung, wenn der Gedanke auftaucht, dennoch eine Reihe von Ereignissen auslösen. 
  • Dann entsteht eine Absicht – der Vorsatz oder Wunsch, die Handlung zu wiederholen. Die Absicht mag bereits entschieden sein oder einen geistigen Impuls des Geistes begleiten, darüber nachzudenken und zu einem Entschluss zu kommen. 
  • Wenn die Absicht entschieden ist und förderliche Umstände auftreten, wird eine Kombination eines karmischen Potenzials mit der Wesensnatur einer karmischen Tendenz und eine karmische Tendenz selbst aus früheren ähnlichen Handlungen als bloße karmische Impulse des Geistes (ein geistiger Drang) aktiviert, die Handlung zu wiederholen. 
  • Dieser bloße karmische Impuls des Geistes treibt eine der Arten des Sinnesbewusstseins (zum Beispiel das Sehbewusstsein) zusammen mit der entschiedenen Absicht, die Handlung gern auszuführen, und anderen begleitenden Geistesfaktoren an, ein Objekt wahrzunehmen, das als die Grundlage für die Handlung des Körpers oder der Rede dienen wird.  
  • Gleichzeitig oder kurz danach treibt ein karmischer Impuls des Geistes das Körperbewusstsein an, zusammen mit der entschiedenen Absicht, der Lust, die Handlung auszuführen und anderen begleitenden Geistesfaktoren, die verwendeten großen Elemente des Körpers wahrzunehmen.   
  • Ein karmischer Impuls des Geistes bringt die verwendeten großen Elemente des Körpers nun dazu, als die erzeugende Ursache (tib. skyed-pa’i rgyu, Skt. jananahetu) zu wirken, einen karmischen Impuls des Körpers oder der Rede entsprechend der entschiedenen Absicht hervorzubringen, der diesen karmischen Impuls des Geistes begleitet. Der karmische Impuls des Körpers oder der Rede ist die offenbarende Form, welche die Bewegung des Körpers oder eine Äußerung der Rede als Methode ist, die körperliche oder verbale Handlung umzusetzen. 
  • Zeitgleich mit dem Entstehen des ersten Augenblicks der offenbarenden Form der Hauptphase der Handlung wirken die gleichen verwendeten großen Elemente des Körpers, welche diese offenbarende Form hervorbringen, auch als die erzeugende Ursache, welche die nicht-offenbarende Form des Körpers oder der Rede entstehen lässt.  
  • Nachfolgende Momente der verwendeten großen Elemente des Körpers dienen als die abhängige Ursache (tib. rten-gyi rgyu, Skt. niśrayahetu) für nachfolgende Momente der offenbarenden und nicht-offenbarenden Formen der Handlung.   
  • Die bestimmte Bewegung des Körpers, mit der das Körperbewusstsein den Körper antreibt, gleicht der Form ähnlicher früherer Bewegungen des Körpers. Der Klang der Rede, mit der das Körperbewusstsein die Stimme antreibt, gleicht ähnlichen früheren Klängen der Stimme. Dennoch ist hier das Resultat, das der Ursache im eigenen Verhalten ähnelt, die Lust und der Wunsch, den Körper und die Rede auf diese Weise zu betätigen und nicht die Bewegung des Körpers oder die Äußerungen der Rede. 

Es gilt zu beachten, dass die Lust und Absicht, auf bestimmte Weise zu handeln, wie ein karmischer Impuls den ethischen Status dieses Verhaltens annimmt. Somit können die Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln, destruktiv, konstruktiv oder unspezifisch sein. Daher entsteht diese Art von Resultat durch karmische Potenziale mit der Wesensnatur von Tendenzen und durch Tendenzen selbst. Nur gereifte Resultate können nicht aus karmischen Tendenzen selbst hervorgehen, da gereifte Resultate nur unspezifisch sein können und reifende Ursachen dafür nur konstruktiv oder destruktiv sein können, da karmische Tendenzen selbst stets unspezifisch sind. 

Obwohl die Geistesfaktoren, etwas gern zu tun, die Absicht es zu tun und die karmischen Impulse des Körpers und der Rede jenen in unserem früheren Verhalten gleichen, ist es so, dass die Person, die als Grundlage des karmischen Pfades dient, nicht unbedingt im Kontinuum der Person sein muss, welche als Grundlage für unsere ähnlichen früheren Handlungen da war. So mögen wir beispielsweise die Wiedergeburt von jemanden töten, den wir im vergangenen Leben getötet haben oder jemand anderen; wir mögen noch einmal die gleiche Person anlügen, die wir bereits angelogen haben, oder eine andere.

Die Resultate, die ihrer Ursache in unserer Erfahrung entsprechen

Es gibt zahlreiche Arten von Resultaten, die der Ursache in unserer eigenen Erfahrung ähneln. Wie die Resultate, die unserem Verhalten entsprechen, treten diese Resultate auf, wenn wir zum Beispiel nach einer Wiedergeburt in einem der schlechten Wiedergeburtszustände als Mensch wiedergeboren werden. Durch das Töten ist unser Leben beispielsweise kurz, voller Krankheiten und Verletzungen – vielleicht sterben wir, weil wir von einem Auto überfahren werden. Wenn das passiert, bringt ein karmischer Impuls der Bewegung unseres Körpers unsere körperlichen Sensoren in Kontakt mit dem Auto, das uns anfährt, und unser Körperbewusstsein nimmt die schmerzhafte Empfindung unseres Körpers wahr, der angefahren wird. Aufgrund der Verletzung des Körpers sind die Elemente unseres Körpers nicht mehr in der Lage, als die abhängige Ursache für die Fortsetzung unserer Lebenskraft zu dienen und wir sterben. 

Haben wir gelogen, werden wir von anderen belogen und getäuscht werden. Wenn das passiert, wird unser Hörbewusstsein angetrieben, den Klang der Worte als Objekt aufzunehmen, die von jemandem ausgesprochen wurden, der uns anlügt oder unser Sehbewusstsein wird angetrieben, solche Worte zu lesen. 

In diesen Fällen gleicht unsere Wahrnehmung der physischen Objekte, zu denen unser Sinnesbewusstseins geführt wird – unser körperliches Spüren einer schmerzhaften Empfindung, die unseren Tod herbeiführt oder unser Hören der irreführenden Worte – den Wahrnehmungen, die wir das Sinnesbewusstsein anderer haben wahrnehmen lassen. Unser Sinnesbewusstsein, das diese Objekte wahrnimmt, nimmt den ethischen Status der Emotionen an, die sie begleiten und entsteht aus den karmischen Potenzialen mit der Wesensnatur einer Tendenz und aus den Tendenzen selbst, weil wir zuvor andere dazu gebracht haben, etwas ähnliches wahrzunehmen. Diese karmischen Potenziale und Tendenzen verursachen nicht die Handlungen anderer. Sie führen nicht dazu, dass jemand uns mit dem Auto anfährt oder uns belügt. Sie führen nur dazu, dass wir die Sinnesobjekte – die schmerzhaften Empfindungen, vom Auto angefahren zu werden oder die Klänge der irreführenden Worte, die gesprochen wurden – die wir erfahren, wahrnehmen, indem sie die Grundlage dafür sind, worauf die Handlung gerichtet ist. 

Postulieren wir einmal eine vorläufige Analyse, wie unsere Erfahrung des Wahrnehmens solcher Sinnesobjekte, wie beispielsweise der schmerzhaften Empfindung, von einem Auto angefahren zu werden, entsteht: 

  • Zunächst kommt ein Gedanke auf, mit dem wir denken, uns in eine Situation zu begeben, welche die Umstände dafür bietet, auf so ein kognitives Objekt zu treffen, wie der Gedanke, zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort die Straße zu überqueren. Man beachte, dass das Ergebnis – die Erfahrung der körperlichen Empfindung, von einem Auto angefahren zu werden – nicht schon vorbestimmt in diesem karmischen Drang existiert, der den Gedanken bewirkt hat, oder in dem Gedanken und auch nicht in unserem Überqueren der Straße. Es ist nicht so, dass sich ein Resultat innerhalb einer Ursache befindet und nur darauf wartet herauszukommen. Die Ursachen für die Anwesenheit des Autos, das uns anfährt, entstehen auch nicht unsererseits – wir sind nicht die Ursache dafür, dass das Auto auf dieser Straße fährt oder dass der Fahrer des Autos uns anfährt. Vielmehr haben diese Dinge ihre eigenen Ursachen. 
  • Als nächstes entsteht eine Absicht – der Vorsatz oder Wunsch, uns in die Situation zu begeben, welche die Umstände dafür bietet, auf das Objekt zu treffen – die Absicht, die Straße zu überqueren. Die Absicht mag entschieden oder unentschieden sein.  
  • Wenn die Absicht entschieden ist und förderliche Umstände zutage treten, werden ein karmisches Potenzial mit der Wesensnatur einer karmischen Tendenz, sowie eine karmische Tendenz selbst aktiviert, um dieses Resultat, das seiner Ursache entspricht, als bloßen karmischen Impuls des Geistes (einen geistigen Drang) zu erfahren, sich in diese Situation zu begeben.  
  • Dieser bloße karmische Impuls des Geistes treibt unser Körperbewusstsein zusammen mit der entschiedenen Absicht und anderen begleitenden Geistesfaktoren an, einen karmischen Impuls der Bewegung des Körpers als eine Methode anzuwenden, Kontakt mit dem Auto herzustellen, das uns anfährt. Dieser karmische Impuls des Geistes treibt auch unser Körperbewusstsein an, die schmerzhafte körperliche Empfindung wahrzunehmen, von einem Auto angefahren zu werden. 

Dominierende Resultate

Dominierende Resultate beziehen sich auf die Umstände des Wiedergeburtszustandes, in denen wir wiedergeboren werden und die wir gemeinsam mit anderen erfahren, die in der gleichen Umgebung wiedergeboren werden. Nehmen wir beispielsweise anderen das Leben, werden wir an einem gefährlichen oder ungesunden Ort wiedergeboren, wo Speisen und Getränke rar oder von schlechter Qualität sind. Wenn wir lügen, werden wir an einem Ort wiedergeboren, an dem Ängste und Unehrlichkeit vorherrschen und Projekte meist scheitern. In den Texten wird nichts darüber gesagt, ob sich dieses Resultat auch darauf bezieht, während unseres Lebens an so einen Ort umzuziehen. Da diese Umstände des Ortes, an dem wir wiedergeboren werden können, als Resultat menschlicher Aktivität entstehen, bezeichnet Gorampa sie als „von Menschenhand geschaffene Resultate“ (tib. skyes-bu byed-pa’i ’bras-bu). 

Meine vorläufige Hypothese besteht darin, dass sich unser Erfahren dieser dominierenden Resultate in unserem Zustand der Wiedergeburt auf die Resultate bezieht, die aus dem Beenden karmischer Impulse (tib. rdzogs-byed-kyi las) entstehen, die ebenfalls zum Todeszeitpunkt aus karmischen Potenzialen mit der Wesensnatur von Tendenzen aktiviert werden. Die beendenden karmischen Impulse setzen den Umständen ein Ende, in denen die gereiften Resultate stattfinden und sind Teil des zehnten Glieds abhängigen Entstehens, dem Glied der Weiterexistenz. Wenn diese Hypothese korrekt ist, wäre die Weise, mit der unser Erfahren dieser Resultate entsteht, so, wie sie bezüglich unseres Erfahrens gereifter Resultate beschrieben wird.

Glücklichsein und Unglücklichsein

Das erste der vier Gesetze des Karmas, das Gesetz der Gewissheit des Karmas, sagt aus, dass jegliches Glücklichsein, das wir erfahren, mit Gewissheit das Resultat unserer zuvor begangenen konstruktiven Handlungen ist, und jedes Unglücklichsein, das wir erfahren, das Resultat unserer zuvor begangenen destruktiven Handlungen. Ich habe jedoch nirgends etwas darüber gelesen, welche der vier Arten von Resultaten diese Gefühle sind, die während unseres gesamten Lebens in Erscheinung treten. Meine Hypothese ist, dass diese Gefühle des Glücklichsein und des Unglücklichseins eine Unterkategorie gereifter Resultate ist, da Gefühle selbst unspezifische Phänomene sind und sie nur aus konstruktiven oder destruktiven Phänomenen entstehen. Begleiten sie jedoch ein Bewusstsein, nehmen die Gefühle bestimmter Grade von Glücklichsein oder Unglücklichsein den ethischen Status dieses Bewusstseins an, wie auch der karmische Impuls des Geistes (der geistige Drang) und andere begleitende Geistesfaktoren.

Analyse karmischer Ursache und Wirkung in Bezug auf die fünf Aggregate 

All die Komponenten, die jeden Augenblick eines karmischen Pfades, dessen karmische Hinterlassenschaft und das Erfahren der karmischen Resultate ausmachen, gehören zu den fünf Aggregat-Faktoren, die jeden Augenblick unserer Erfahrung ausmachen. Analysieren wir einmal nur körperliche und verbale Handlungen, die entweder konstruktiv oder destruktiv und nur die Hauptphasen dieser Handlungen sind.

Während der Zeit des karmischen Pfades

Das Aggregat der Formen physischer Phänomene:

  • der Anblick des Körpers oder der Klang der Stimme auf der Basis, auf die die Handlung gerichtet ist, sowie die andere Person, auf die die Handlung gerichtet ist, als ein Zuschreibungsphänomen dieses Anblicks oder Klangs. Es kann sich auch um den Anblick eines Objektes des Stehlens handeln. Das bezieht sich auf das geistige Hologramm, welches all dies repräsentiert und mit unserem Geisteskontinuum verbunden ist. Es bezieht sich nicht auf den tatsächlichen Körper, die Stimme oder des konventionelle Selbst dieser anderen Person oder auf das tatsächliche Objekt, das wir stehlen, die alle nicht mit unserem Geisteskontinuum verbunden sind. 
  • Die offenbarende Form (offensichtliches karmisches Potenzial) – die Form der zwanghaften Bewegung unseres Körpers oder der Klang der zwanghaften Äußerungen unserer Stimme während dem Umsetzen der karmischen Handlung; und
  • die nicht-offenbarende Form (nicht offensichtliches karmisches Potenzial). 

Das Aggregat des auseinanderhaltenden Gewahrseins:

  • das auseinanderhaltende Gewahrsein der Grundlage, auf welche die karmische Handlung gerichtet ist.

Das Aggregat der anderen beeinflussenden Variablen:

  • der zwingende karmische Impuls des Geistes (der geistige Drang);
  • die Absicht;
  • die motivierende Emotion;
  • die Lust, die Handlung auszuführen;
  • andere begleitende Geistesfaktoren; und
  • die karmische Handlung des Körpers oder der Rede (der Pfad des karmischen Impulses des Körpers oder der Rede, offensichtliches karmisches Potenzial), als eine nicht-kongruente beeinflussende Variable. 

Das Aggregat der Empfindung:

  • ein Grad von Glück oder Leid empfinden.

Das Bewusstseinsaggregat:

  • das Sinnesbewusstsein, das den Anblick des Körpers oder den Klang der Stimme auf der Grundlage wahrnimmt, auf die die Handlung gerichtet ist, sowie die andere Person, auf die die Handlung gerichtet ist, oder das Wahrnehmen des Anblicks eines zu stehlenden Objektes; und
  • das Körperbewusstsein, das die Elemente unseres Körpers wahrnimmt, die damit verbunden sind, die Bewegung des Körpers oder den Klang der Stimme zu erzeugen. 

Das Ende des karmischen Pfades kann in unserem eigenen Geisteskontinuum zum Beispiel erfahren werden, indem wir: (1) etwas Gestohlenes als unseres betrachten, (2) eine unangemessene sexuelle Handlung genießen, oder (3) uns in sinnlosem Geschwätz üben. 

Das Ende kann aber auch nicht als Teil unseres Geisteskontinuums erfahren werden – wenn beispielsweise das Objekt unserer karmischen Handlung: (1) stirbt, (2) die Worte unserer Lüge versteht, (3) den Ausdruck unserer groben Worte versteht, oder (4) die zwei Parteien, die die Objekte unserer Zwietracht sind, nicht mehr im Einklang miteinander stehen oder sich ihre Disharmonie verschlimmert. In solchen Fällen ist es nicht notwendig, sich gewahr zu sein, dass die karmische Handlung ihr Endziel erreicht hat, doch man muss nach wie vor am Leben sein, damit die Resultate der Handlung vollständig sind.

Während der Zeit der karmischen Hinterlassenschaft

Das Aggregat der Formen physischer Phänomene:

  • die nicht-offenbarende Form (nicht offensichtliches karmisches Potenzial). 

Das Aggregat der anderen beeinflussenden Variablen:

  • das karmische Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz (nicht offensichtliches karmisches Potenzial) angenommen hat;
  • die karmische Tendenz; und 
  • die karmische ständige Gewohnheit. 

Es gibt auch die anderen drei Aggregate in jedem Augenblick der Erfahrung, einschließlich der destruktiven, befleckt konstruktiven und unspezifischen Geistesfaktoren.

Während der Zeit, wenn die karmischen Resultate entstehen

Das Aggregat der Formen physischer Phänomene:

  • die Art des Wiedergeburtskörpers (Mensch, Fliege);
  • die Art der kognitiven Sensoren unseres Wiedergeburtskörpers (die von menschlichen Augen, von Fliegenaugen);
  • als ein Objekt der Wahrnehmung, der Anblick, Klang, Geruch, Geschmack oder die körperliche Empfindung der Umgebung, in der wir wiedergeboren werden oder leben;
  • als ein Objekt der Wahrnehmung, der Anblick, Klang oder die körperliche Empfindung von etwas, was uns passiert und dem ähnelt, was wir in der Vergangenheit getan haben. 

Das Bewusstseinsaggregat:

  • die Bewusstseinsarten unseres Wiedergeburtskörpers (menschliches visuelles oder geistiges Bewusstsein, visuelles oder geistiges Bewusstsein einer Fliege);
  • der Moment des Bewusstseins, der den Anblick, Klang oder die körperliche Empfindung von etwas wahrnimmt, das uns passiert ist und dem ähnelt, was wir in der Vergangenheit getan haben. 

Das Aggregat der Empfindung:

  • die Ebene von Glücklichsein oder Unglücklichsein, die jeden Moment begleitet. 

Das Aggregat der anderen beeinflussenden Variablen:

  • der bloße karmische Impuls des Geistes (der geistige Drang), der das Bewusstsein und die begleitenden Geistesfaktoren zu dem Anblick, Klang oder der körperlichen Empfindung von etwas hinzieht, das uns passiert ist und dem ähnelt, was wir in der Vergangenheit getan haben; 
  • die unspezifischen Geistesfaktoren unserer Art von Geist der Wiedergeburt (zum Beispiel die menschliche Konzentration, die Konzentration der Fliege, das menschliche auseinanderhaltende Gewahrsein und die menschliche Intelligenz, das auseinanderhaltende Gewahrsein und die Intelligenz der Fliege);  
  • oder, im Fall eines Resultats, das der Ursache im eigenen Verhalten ähnelt, eine ähnliche Handlung ausführen zu wollen, die wir zuvor begangen haben und die entschiedene Absicht, sie zu wiederholen. 

Natürlich gibt es auch in jedem Augenblick das Aggregat des auseinanderhaltenden Gewahrseins und als Teil des Aggregats anderer beeinflussender Variablen die destruktiven, konstruktiven und unspezifischen Geistesfaktoren. 

In allen drei Situationen: Während des karmischen Pfades sind die verschiedenen Arten der karmischen Hinterlassenschaft, bevor die Resultate aufgetreten sind und während sie auftreten, anschließend auch im Aggregat der beeinflussenden Variablen so lange gegenwärtig, bis sie damit fertig sind, ihre Resultate hervorzubringen.

Das Selbst als derjenige, der Karma ausführt und dessen Resultate erlebt 

Das Selbst, das konventionelle „Ich“ als Person, ist eine nicht-kongruente beeinflussende Variable, ein nicht-statisches Zuschreibungsphänomen auf der Basis der sich ständig ändernden Aggregate in den drei Zeiträumen: während der Zeit des karmischen Pfades, während der Zeit der karmischen Hinterlassenschaft und während der Zeit, wenn die karmischen Resultate entstehen. Die karmische Hinterlassenschaft, die nicht-kongruente beeinflussende Variablen sind, sind Zuschreibungsphänomene auf der Basis dieses konventionellen Selbst – sie reiten quasi „Huckepack“ auf dem konventionellen Selbst. Sowohl das konventionelle Selbst als auch die karmische Hinterlassenschaft, die „Huckepack“ auf ihnen reiten, sind Teile der Aggregate anderer beeinflussenden Variablen. Es ist dieses konventionelle Selbst, das karmische Handlungen begeht und deren Resultate erlebt.  

Die Aggregate sind als die Grundlage der Zuschreibung nicht statisch (sie ändern sich jeden Augenblick), sie sind nicht monolithisch (sie bestehen aus vielen sich ständig ändernden Komponenten) und sie können nicht unabhängig davon existieren, der Körper, Geist usw. einer Person zu sein. In ähnlicher Weise ist das Selbst, eine Person, als die Grundlage der Zuschreibung der karmischen Hinterlassenschaft, die nicht-kongruente beeinflussende Variablen sind, ebenfalls nicht statisch (sie ist nicht unveränderlich, nicht unbeeinflusst von Dingen und nicht unfähig, etwas zu tun), nicht teilelos und kann nicht getrennt und unabhängig eines Körpers, Geistes usw. existieren. In ähnlicher Weise ist die karmische Hinterlassenschaft, die Zuschreibungsphänomene auf der Grundlage des Selbst sind, nicht statisch (sie ist nicht unveränderlich, nicht unbeeinflusst von Dingen und nicht unfähig, etwas zu tun), nicht teilelos und kann nicht getrennt und unabhängig von einer Person, einem Körper, einem Geist usw. existieren. 

  • Die völlige Abwesenheit eines statischen, teilelosen, unabhängig existierenden Selbst ist die grobe Identitätslosigkeit oder Selbstlosigkeit einer Person (tib. gang-zag-gi bdag-med rags-pa). 
  • Wäre das Selbst statisch, könnte es keine Handlung ausführen und kein Resultat erfahren. 
  • Wäre das Selbst teilelos, könnte es keine zwei getrennten Aspekte des Ausführens einer karmischen Handlung und des Erfahrens von Resultaten haben. 
  • Wäre das Selbst unabhängig und könnte getrennt für sich existieren, könnte es Dinge ohne einen Körper oder Geist tun und der Körper könnte Dinge tun, ohne das jemand sie tut. 
  • Somit gibt es kein statisches, teileloses, unabhängiges, getrenntes Selbst, das sich im Körper und im Geist befindet und diese als ihr Besitzer bedient. 
  • Die Beziehung des Selbst mit den Aggregaten ist die eines Zuschreibungsphänomens, das an eine Grundlage der Zuschreibung gebunden ist. 
  • Das Selbst ist als ein Zuschreibungsphänomen in jedem Leben an die Grundlage eines anderen jedoch zu ihm gehörenden Netzwerks von Aggregaten und in jedem Augenblick jeden Lebens an ein anderes aber zu ihm gehörendes Netzwerk von Aggregaten gebunden. 
  • Die karmische Hinterlassenschaft, die nicht-kongruenten beeinflussenden Variablen, die als ein Zuschreibungsphänomen an das Selbst gebunden ist, gehört ebenfalls in jedem Augenblick jeden Lebens dazu, aber ist doch verschieden.  

Das Selbst kann als ein Zuschreibungsphänomen, das als Grundlage der Zuschreibung an die Aggregate gebunden ist, nur zusammen mit den Aggregaten erkannt werden.

  • Die Leerheit, eigenständig erkennbar (tib. rdzas-yod) zu sein, ist die subtile Identitätslosigkeit oder Selbstlosigkeit einer Person (tib. gang-zag-gi bdag-med phra-mo). 
  • Könnte eine Person einfach für sich als „schlecht“ oder „schuldig“ gesehen werden, würde sie von jedem, der sie sieht, gültig als schuldig erkannt werden können, ohne zu wissen, warum sie schuldig ist. 

Als ein zugeschrieben erkennbares Objekt (tib. btags-yod) kann die Existenz des Selbst nur in Bezug darauf begründet werden, worauf sich die geistige Bezeichnung (das Konzept, die Kategorie) des „Selbst“ und das Wort „Selbst“ auf der Grundlage der Aggregate beziehen. Sie ist nicht selbst-begründet (tib. rang-bzhin-gyi grub-pa, inhärent existierend).

  • Geistiges Bezeichnen ist konzeptuell und geschieht durch das Medium statischer Kategorien. 
  • Benennen geschieht mit Worten, durch die Kategorien benannt werden, und durch Kategorien werden Dinge benannt, die in Kategorien passen. 
  • Die selbst-begründete Existenz von etwas ist eine Existenz, die durch eine selbst-begründende Natur (tib. rang-bzhin) begründet wird, die innerhalb des Objektes zu finden ist und es zu einem auffindbarem Bezugs-Ding (tib. btags-don) macht, das der geistigen Bezeichnung und dem Wort dafür entspricht, anstatt lediglich dem Bezugsobjekt (tib. btags-chos), auf das sich die geistige Bezeichnung und das Wort beziehen. 

Innerhalb eines jeden Augenblicks der Erfahrung, die aus Komponenten jedes der fünf Aggregate besteht, existieren die individuellen Komponenten nicht als selbst-begründete Entitäten, die getrennt voneinander wie in Plastik eingehüllt sind, genau wie im Fall des Selbst. Doch wir können sie voneinander unterscheiden, sie konzeptuell Kategorien zuordnen und ihnen Namen geben. Ihre Existenz kann ebenfalls nur als das begründet werden, worauf sich die Konzepte, Kategorien und Worte für sie konventionell beziehen.

Schuld versus Verantwortung für karmische Handlungen 

Ein Selbst, das als Schuldiger für eine karmische Handlung und derjenige betrachtet wird, der dessen Resultate erfährt, setzt voraus, dass es da eine statische, eigenständig erkennbare, wahrhaft existierende, selbst-begründete Person – das zu widerlegende Selbst – gibt, das die Handlung ausgeführt und das Resultat erfahren hat. Die Betonung der „Schuld“ liegt auf dem, was nicht mehr stattfindet (die karmische Handlung) und weder auf dem gegenwärtig stattfindenden oder noch nicht stattfindenden Erfahren des Resultates. 

Genauer gesagt basiert die „Schuld“ für karmische Handlungen auf dem Missverständnis, dass: 

  • das konventionelle „Selbst“, das die karmische Handlung begangen und dessen Resultat erfahren hat, das zu widerlegende Selbst ist. 
  • Das karmische Resultat existiert als eine vorbestimmte, selbst-begründete, statische Entität, die innerhalb (1) der gegenwärtig stattfindenden und nicht mehr stattfindenden karmischen Handlung, (2) der noch nicht stattfindenden, gegenwärtig stattfindenden und nicht mehr stattfindenden karmischen Hinterlassenschaft und (3) des noch nicht stattfindenden, gegenwärtig stattfindenden und nicht mehr stattfindenden karmischen Resultats zu finden ist.  
  • Die missverstandene karmische Hinterlassenschaft bezieht sich auf Zuschreibungsphänomene, die an die Grundlage des zu widerlegenden Selbst gebunden ist, das ein Selbst ist, welches es überhaupt nicht gibt.   

Das Selbst als dasjenige, das verantwortlich für dessen zuvor begangene karmische Handlungen ist, ist das nicht-statische, sich ständig ändernde, zugeschrieben erkennbare, abhängig entstehende konventionelle Selbst. Die Betonung der Verantwortung liegt entweder auf dem konventionellen „Ich“, das verantwortlich für das gegenwärtige Erfahren oder das Noch-nicht-Erfahren der Resultate unserer vergangenen Handlungen oder das Ändern unseres Verhaltens ist. Mit dem Anwenden der Gegenkräfte ist es beispielsweise möglich, das Erfahren der karmischen Auswirkungen zu vermeiden, die ansonsten entstehen würden.  

Schlussfolgerung 

Um solche Leiden wie Schuldgefühle zu vermeiden, ist es notwendig, die Komponenten der drei Zeiträume des Karmas (den karmischen Pfad einer karmischen Handlung, die karmische Hinterlassenschaft und die karmischen Resultate) in die fünf Aggregate zu zerlegen, die in ihnen auftreten und das konventionelle Selbst als ein Zuschreibungsphänomen zu verstehen, das als dessen Grundlage an sie gebunden ist. Wir müssen verstehen, dass all die Komponenten dieser Aggregate abhängig von ihren eigenen Ursachen, Teilen und dem entstehen, worauf sich Konzepte und Worte beziehen. Dann können wir verstehen, dass „Schuldgefühle“ gegenüber unserem Erfahren karmischer Resultate unseres Verhaltens auf den Missverständnissen beruhen, die mit dem Greifen nach einem selbst-begründeten „Ich“ zu tun haben, während „Verantwortung“ für unser Karma auf einem korrekten Verständnis der Leerheit und dem abhängigen Entstehen basieren. Mit solch einem Verständnis können wir mit den verschiedenen Faktoren arbeiten, die mit Karma zu tun haben, um für die Umstände zu sorgen, die für das Erlangen von Befreiung und Erleuchtung am förderlichsten sind.

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