Entsagen des Klammerns an die angenehmen Dinge zukünftiger Leben

Kurzer Rückblick 

Wir haben über die verschiedenen Ebenen der Entsagung gesprochen und haben die traditionelle Erklärung nur im Sinne der mittleren Ebene der Motivation im Lam-rim auf ein viel breiteres Spektrum ausgeweitet, wie es in der Sakya-Lehre des Sich-Lösens von den vier Arten des Klammerns verdeutlicht wird.

Wir wollen unser Klammern an dieses Leben, an zukünftige Leben, an unsere selbstischen Ziele und an selbst-begründete Existenz überwinden und unser Hauptinteresse zukünftigen Leben, der Befreiung, dem Schätzen anderer und der Leerheit, der Abwesenheit selbst-begründeter Existenz, zuwenden.

Vor und nach diesen Vier haben wir einen Schritt hinzugefügt. Der Schritt davor ist, entschlossen zu sein, sich vom Klammern an kurzfristige Vorteile in diesem Leben zu lösen und stattdessen den langfristigen Nutzen innerhalb dieses Lebens zu unserem Hauptanliegen zu machen. Nach dem traditionellen Sich-Lösen von den vier Arten des Klammerns wollen wir eine Entschlossenheit haben, frei von unseren gewöhnlichen Erscheinungen und dem gewöhnlichen Klammern zu sein, unsere Aufmerksamkeit den Erscheinungen reiner Buddha-Gestalten und Mandalas zuzuwenden und nicht länger an der selbst-begründeten Existenz irgendeiner Art der Erscheinung zu klammern. Das bezieht sich dann auf Tantra.

Wir sind auf die ersten zwei dieser Arten der Entsagung, in Bezug auf kurzfristige Vorteile dieses Lebens und das Klammern an nur dieses Leben selbst, eingegangen.

Entsagen des Klammerns an die angenehmen Dinge zukünftiger Leben 

Nun sind wir bereit, uns mit dem Entsagen des Klammerns an angenehme Dinge zukünftiger Leben zu befassen, was im Wesentlichen heißt, Samsara aufzugeben und stattdessen die Befreiung zu unserem Hauptanliegen zu machen. Das ist der eigentliche Ort innerhalb der Lam-rim-Struktur der drei Ebenen der Motivation, an dem es um die Entsagung geht, also auf der mittleren Ebene der Motivation.

Wir haben ein Schema zum Analysieren jeder dieser Ebenen der Entschlossenheit, frei zu sein, benutzt und werden diesem Schema ganz grob weiter folgen. Je genauer wir in der Lage sind, den Geisteszustand zu definieren, den wir hervorbringen wollen – in diesem Fall die Entschlossenheit, frei von Samsara zu sein – desto leichter wird es für uns sein, den eigentlichen korrekten Geisteszustand zu erzeugen. Es wird viel einfacher für uns sein, tatsächlich damit zu meditieren, uns darauf zu konzentrieren und ihn als Teil unseres Lebens zu integrieren. Sind wir unschlüssig und ungenau in Bezug auf unseren Geisteszustand, den wir entwickeln wollen, wird unsere Meditation unschlüssig, ungenau und nicht sehr wirksam sein. 

Darauf weist Atisha in seinem Juwelenkranz des Bodhisattvas hin. In Bezug darauf, wie man über Bodhichitta meditiert, sagt er: „Ich will all meinen unentschlossenen Wankelmut aufgeben.“ Hier geht es darum, unschlüssig zu sein und nicht wirklich zu wissen, was wir tun; keine genaue Vorstellung von dem Geisteszustand zu haben, den wir versuchen zu entwickeln.

Korrekte Identifizierung des Objektes der Widerlegung 

Wovon wollen wir frei sein? Wir müssen korrekt das Objekt der Widerlegung identifizieren, von dem wir uns lösen wollen, also die unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt zu unserem Hauptanliegen machen. 

Es ist ausgesprochen wichtig zu identifizieren, worum es hier geht, denn es bezieht sich auf etwas ganz Gewöhnliches; normalerweise denken wir nicht auf einer wirklich tiefen Ebene darüber nach. Wenn es um das Verbessern zukünftiger Leben geht, denken vielen Menschen: „Ich will weiter kostbare menschliche Wiedergeburten haben, weil ich weiter mit meinen Freunden und Lehrern zusammen sein möchte und sich alles Gute aus diesem Leben weiter in zukünftigen Leben fortsetzen soll.“

Das ist die Art der Anhaftung, die wir gewöhnlicherweise haben, wenn wir an sich wiederholender Wiedergeburt hängen. Es ist nicht einfach so, dass wir an unseren Freunden, Geliebten, Besitztümern, Lehrern und so weiter in diesem Leben hängen; wir wollen dies alles auch in zukünftigen Leben haben, weil wir das erwarten. Das ist es, was wir in zukünftigen Wiedergeburten anstreben, nicht wahr? Das ist eine leichte Verzerrung der anfänglichen Ebene, die dann zu einem großen Hindernis auf der mittleren Ebene der Motivation wird. Wie gesagt ist es notwendig, Gleichmut gegenüber allen Wesen zu haben, um Befreiung zu erlangen. Niemand ist etwas Besonderes. Wir können nicht an unseren Freunden hängen und müssen daher auf korrekte Weise erkennen, von welchem Objekt wir frei sein wollen: diese unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt, und das, was unser Klammern auf einer emotionalen Ebene wirklich ist.

Zu starke und zu schwache Widerlegung des Objektes der Widerlegung 

Eine zu starke Widerlegung in Bezug darauf wäre, zu meinen, mit der Befreiung von samsarischer Wiedergeburt würden wir nicht mehr existieren, sondern wie eine Kerze ausgehen. Ein großer Theravada-Meister, mit dem ich darüber in Thailand gesprochen habe, erklärte, dass dies nicht wörtlich bedeute, das geistige Kontinuum würde enden. Vielmehr geht es dabei darum, dass die samsarische Art von geistigem Kontinuum wie eine Kerze ausgeht. Diese Position im Theravada ist nicht nihilistisch, wie manche Menschen denken mögen.

Eine zu schwache Widerlegung wäre, dass wir uns selbst nicht weit genug entwickelt haben und es somit nicht möglich ist, weiter zur Erleuchtung zu gehen. Mit anderen Worten ist die Befreiung als ein Arhat eine Sackgasse. Obwohl es einige buddhistische Sutras gibt, in denen erklärt wird, die Arhatschaft sei eine Sackgasse und manche Menschen könnten nicht weiter zur Erleuchtung gehen, ist das Verständnis in vielen anderen Sutras, die als definitiv betrachtet werden, dass es hier keine Sackgasse gibt. Jeder kann Erleuchtung erlangen, und auch Arhats können weitergehen und Buddhas werden.

Die Ursachen für das Klammern an zukünftige Leben 

Die Ursache für das Klammern an zukünftige Leben ist das Klammern an kostbare menschliche Wiedergeburten, mit unseren Freunden und allem, was dazu gehört. Mit anderen Worten hängen wir an dem Glück, der Art des Glücklichseins, das wir mit den verschiedenen Arten der kostbaren menschlichen Wiedergeburt haben. Und somit sehen wir uns die Ursache des Klammerns genauer an, welche unsere störenden Emotionen und unser zwanghaftes Verhalten – sowohl konstruktiv als auch destruktiv – sind, die durch den Mechanismus der zwölf Glieder des anhängigen Entstehens hervorgebracht werden, was den Mechanismus von samsarischer Wiedergeburt beschreibt.

All das wird durch unser mangelndes Gewahrsein darüber hervorgerufen, wie wir und wie andere existieren. Anders ausgedrückt halten wir uns für ein solides, auffindbares Ding, das „Ich“, und unsere Freunde und Geliebten sehen wir ebenfalls auf diese Weise. Wir wollen glücklich sein, dürsten nach diesem Glück und wollen nicht davon getrennt werden. Uns geht es nur um das „Ich“ und darum, uns bloß nicht davon zu lösen. Das aktiviert das werfende Karma, welches die unkontrollierbar sich wiederholende Wiedergeburt hervorruft.

Es ist überaus wichtig, die zwölf Glieder des anhängigen Entstehens zu verstehen. Seht ihr, was ich meine? Es geht um diese Art des Denkens an ein solides „Ich“, das glücklich sein will, und dieses Glück bekommt, wenn es immer mit seinen Freunden zusammen ist, und diese Freundschaft immer weiter fortbesteht Diese Art des Klammerns wirft uns wieder in eine weitere samsarische Wiedergeburt. Versuchen wir, diese Funktionsweise vereinfacht darzustellen, ist es das, was den gesamten Mechanismus antreibt.

Die Nachteile des Klammerns an Wiedergeburten unter dem Einfluss störender Emotionen und zwanghaftem Verhalten 

Die Nachteile des Klammerns an Wiedergeburten unter dem Einfluss störender Emotionen und zwanghaftem Verhalten bestehen darin, immer wieder die Höhen und Tiefen unseres Lebens zu erfahren. Manchmal sind wir glücklich; andere Male sind wir unglücklich. All das Glück, das wir erfahren, stellt uns nie zufrieden und wir wissen nie, was als nächstes kommt. Und dann gibt es die Leiden von Geburt, Krankheit, Alter und Tod; wir bekommen nicht das, was wir uns wünschen, uns geschehen Dinge, die wir nicht wollen, und so weiter. Das ist die klassische Liste all der Nachteile samsarischer Wiedergeburt. 

Wenn man darüber nachdenkt, so ist es wirklich ermüdend. In diesem Leben arbeitet man so hart daran, sich selbst zu schulen, den Dharma zu praktizieren, und dann wird man alt, verliert sein Kurzzeitgedächtnis – davon kann ich ein Lied singen, denn es ist wirklich furchtbar – und schließlich beginnt auch das Langzeitgedächtnis nachzulassen. Dann hat man keine Energie mehr, um zu praktizieren, und verliert irgendwann alles, wenn man stirbt. Im nächsten Leben muss man wieder von vorn beginnen, wenn man das Glück hat, noch eine kostbare menschliche Wiedergeburt zu bekommen.

Vielleicht sind unsere Neigungen im nächsten Leben etwas stärker, aber dennoch müssen wir diese ganze Reise durch unsere Ausbildung erneut durchgehen, was doch recht ermüdend ist. All das hält uns davon ab, inneren Frieden zu erlangen und beschränkt unsere Fähigkeit, anderen zu helfen. Jetzt, nach 70 Jahren, kann ich ein paar hilfreiche Dinge für andere tun, aber bald – wenn ich hoffentlich nicht als Kakerlake wiederkomme und eine menschliche Wiedergeburt habe – werde ich ein kleiner Säugling sein und nicht einmal selbst auf die Toilette gehen können. Wie hilfreich werde ich an dem Punkt sein? Das ist furchtbar, wenn man darüber nachdenkt.

Unser Ziel auf korrekte Weise festlegen 

Es ist also wirklich wichtig, einen ernsthaften Blick darauf zu werfen, was wir in jedem Leben als ein Mensch durchgehen müssen, was zu sprechen von einer Kakerlake. Was streben wir also an? Wir streben an, Befreiung zu erlangen. Nun müssen wir allerdings wissen, was Befreiung bedeutet – wie wird sie aussehen? Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder befinden wir uns in einer Art reinem Land und haben nicht diese Art von Körper, der auf Unwissenheit zurückzuführen ist und all diesen Problemen unterliegt, über die wir gesprochen haben: Geburt, Krankheit, Alter usw. Wir haben dann einen so genannten geistigen Körper, der nur für die Augen von uns selbst und anderen Arhats, sowie für Buddhas sichtbar ist. Andere können ihn nicht sehen und daher ähnelt er ein wenig einem Traumkörper, ist aber nicht das gleiche. Es ist ein sehr subtiler Körper, der aus äußerst subtiler Energie besteht. 

Wohnen wir als ein Arhat in einem reinen Land, können wir unsere Zeit entweder damit verbringen, uns völlig auf die Leerheit zu konzentrieren und diese höheren Dhyana-Ebenen der vertieften Konzentration zu erreichen, auf denen wir überhaupt keine Gefühle haben werden. Oder wir könnten uns in einer nachfolgenden Phase des Erlangens befinden, in der im Grunde alles wie eine Illusion erscheint. In diesen Zeiten werden wir niemals unglücklich, sondern glücklich sein. Das ist die Situation eines Arhats in einem reinen Land. 

Oder wir könnten als ein Arhat Bodhichitta entwickeln und würden dann entweder in einem reinen Land bleiben wollen, um weiter auf die Erleuchtung hinzuarbeiten, oder wir können uns in dieser gewöhnlichen Welt manifestieren und dort daran arbeiten, zu versuchen, anderen auf dem Pfad zur Erleuchtung von Nutzen zu sein. Wir wären auch dort nie unglücklich und würden in diesen Leben keine Art des Leidens erfahren. Und solange wir nicht völlig auf nichtkonzeptuelle Weise in Leerheit vertieft sind, wird unser Geist immernoch eine Erscheinung selbst-begründeter Existenz hervorbringen. Mit anderen Worten wird er Dinge erscheinen lassen, die wie in Plastik gehüllt sind – unabhängig, isoliert von allem anderen, um es ganz einfach auszudrücken.

Überschätzen und Unterschätzen der Arhatschaft 

Ein Überschätzen dessen, was das Erlangen der Arhatschaft bedeutet, wäre zu denken, dass der Geist in diesem Zustand frei davon ist, Erscheinungen von selbst-begründeter Existenz hervorzubringen. Als ein Arhat projiziert unser Geist noch immer diese trügerischen Erscheinungen, aber wir fallen nicht mehr auf sie herein; wir glauben oder meinen nicht, sie würden der tatsächlichen Realität entsprechen. Wir wissen, dass sie wie eine Illusion sind. Ein Überschätzen wäre, dass unser Geist diese illusionsgleichen Erscheinungen nicht einmal projiziert. 

Eine weiteres Überschätzen der Arhatschaft wäre zu denken, dass wir bereits erleuchtet sind, einen erleuchtenden Körper, eine erleuchtende Rede und einen erleuchtenden Geist haben, fortwährend völlig in Leerheit vertieft sind und unablässig Glückseligkeit erfahren. Das ist jedoch nicht der Fall und damit überschätzen wir die Arhatschaft.

Ein Unterschätzen der Arhatschaft wäre zu meinen, dass wir weiterhin leiden und unglücklich sind, wenn wir in einem gewöhnlichen Körper geboren werden, um den Pfad zur Erleuchtung weiter fortzusetzen. In dieser Situation gibt es kein Unglücklichsein und kein Leiden. Arhats können Schmerz erfahren – das ist nur eine körperliche Empfindung – aber der Geistesfaktor des Unglücklichseins begleitet nicht ihre Erfahrung.

Die Vorteile und Methode des Erlangens der Befreiung 

Die Vorteile des Erlangens der Befreiung bestehen darin, dass wir nicht glauben, die illusionsgleichen Erscheinungen selbst-begründeter Existenz, die unser Geist projiziert, würden der Realität entsprechen. Aus diesem Grund haben wir keine störenden Emotionen und zwanghaftes Verhalten, sowie Leiden, die daraus entstehen.

Haben wir diese Entsagung, frei von all den Leiden Samsaras zu sein, verfügen wir über die Grundlage zum Entwickeln von Mitgefühl, welches nicht nur notwendig ist, um Befreiung, sondern auch um Erleuchtung zu erlangen. Das ist so, weil großes Mitgefühl einfach der Geist der Entsagung ist, der sich von unserem eigenen Leiden auf das Leiden anderer richtet. Entwickeln wir Bodhichitta, ist es auch so, dass wir uns als ein Arhat bereits auf der achten Bhumi von zehn Bhumis befinden; das ist die Prasangika-Sichtweise innerhalb des Gelugpa.

Was werden wir tun, wenn wir einmal die Arhatschaft erlangt haben? Wir werden weiter auf die Erleuchtung hinarbeiten und es uns nicht einfach nur in einem reinen Land gutgehen lassen. 

Die Methode zum Erlangen der Befreiung besteht darin, das Leiden unkontrollierbar sich wiederholender Wiedergeburt mit all seinen Nachteilen zu erkennen. Wir müssen die zwölf Glieder des anhängigen Entstehens verstehen, also wie Samsara funktioniert, und dann die drei höheren Schulungen entwickeln: ethische Selbstdisziplin, Konzentration und unterscheidendes Gewahrsein. Wir sollten korrekt unterscheiden, wie das Selbst existiert und wie es nicht existiert, damit wir widerlegen können, wie es nicht existiert. Es ist notwendig, Konzentration zu haben, um uns darauf zu fokussieren, und ethische Selbstdisziplin, um unseren Geist disziplinieren zu können, die Konzentration dort zu halten. 

Glaubt nicht, das wäre genug, um Befreiung zu erlangen. In all den Theravada-Lehren gibt es immer die Praxis der vier Unermesslichen: Liebe, Mitgefühl, Freude und Gleichmut. Ganz klar muss es da ein Ansammeln von positiver Kraft, so genanntem „Verdienst“, geben, der mit diesen drei höheren Schulungen Hand in Hand geht. Unterschätzt nicht den Theravada-Pfad; eines der Bodhisattva-Gelübde besteht darin, die so genannten Hinayana-Lehren nicht abzuwerten, die nicht nur die Theravada-Traditionen, sondern auch viele andere Hinayana-Traditionen umfassen.

Der letzte Punkt, um den es geht, ist die Überzeugung, dass wir Befreiung erlangen können, und wir gewinnen sie, weil wir überzeugt von der natürlichen Reinheit des Geistes sind, sowie davon, dass die wahre Beendigung – die dritte edle Wahrheit – beruhend auf der Buddha-Natur erlangt werden kann.

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