Die drei Hauptaspekte des Pfades

03:16

Ich verneige mich vor meinen erhebenden, makellosen spirituellen Lehrern.

(1) Ich werde versuchen, so gut ich kann, den wesentlichen Sinn all der schriftlich niedergelegten Worte der Siegreichen zu erklären, den Pfad, der von den heiligen Nachkommen der Siegreichen gepriesen wird, den Übergang für die Glücklichen, die Befreiung wünschen.

(2) Höre zu mit klarem (Geist), o Glücklicher, dessen Geist sich auf den Pfad stützt, der die Siegreichen erfreut, indem er nicht an den Freuden der zwanghaften Existenz haftet und bemüht ist, diesem Leben, das mit Ruhepausen und bereichernden Faktoren ausgestattet ist, Bedeutung zu verleihen.

(3) Da ein reges Interesse an den angenehmen Früchten des Ozeans zwanghafter Existenz ohne reine Entsagung keine Methode zum (Erlangen) des Friedens (der Befreiung) ist – begrenzte Wesen sind im Grunde völlig gefesselt von dem, was sie in zwanghaften Situationen finden – strebe zuerst nach Entsagung.

(4) Indem du deinen Geist damit vertraut machst, dass du keine Zeit verschwenden solltest, wenn ein Leben mit Ruhepausen und Bereicherungen so schwer zu finden ist, wende dich von der Besessenheit mit den Erscheinungen dieses Lebens ab. Indem du immer wieder über die Probleme sich wiederholender Wiedergeburten nachdenkst und darüber, dass (die Gesetzmäßigkeit von) verhaltensbedingter Ursache und Wirkung unfehlbar ist, wende dich davon ab, auf die Erscheinungen künftiger Leben versessen zu sein.

(5) Wenn du aufgrund dessen, dass du dich auf diese Weise damit vertraut gemacht hast, keinen Augenblick lang mehr einen Geist hervorbringst, der Sehnsucht nach dem Gepränge wiederholten Samsaras hat, und du die Haltung entwickelst, Tag und Nacht reges Interesse an Befreiung zu haben, hast du Entsagung entwickelt.

(6) Doch da sogar diese Entsagung nicht zur Ursache für die Fülle und Glückseligkeit eines einzigartig gereinigten Zustands (der Erleuchtung) werden wird, wenn sie nicht von der Entwicklung einer reinen Bodhichitta-Ausrichtung durchdrungen ist, bringen jene mit Verstand eine höchste Bodhichitta-Ausrichtung hervor.

(7) Von der Strömung der vier reißenden Flüsse davongetragen, gebunden durch die engen Fesseln schwer abwendbaren Karmas, geworfen in ein eisernes Netz des Greifens nach wahren Identitäten, völlig eingehüllt in die bedrückende Finsternis der Unwissenheit,

(8) unerbittlich geplagt von den drei Arten des Leidens, Leben für Leben in grenzenlosen zwanghaften Existenzen – indem du über den Zustand deiner Mütter nachgedacht hast, die sich in solchen Umständen wiederfinden, entwickle eine höchste Bodhichitta-Ausrichtung.

(9) Hast du zwar Entsagung und eine Bodhichitta-Ausrichtung als Gewohnheiten entwickelt, jedoch nicht das unterscheidende Gewahrsein der Verwirklichung der andauernden Natur der Wirklichkeit, wirst du nicht in der Lage sein, die Wurzel der zwanghaften Existenz zu durchtrennen. Bemühe dich daher um die Methoden des Erkennens, wie alles in Abhängigkeit entsteht.

(10) Wer erkennt, dass (die Gesetzmäßigkeit von) verhaltensbedingter Ursache und Wirkung hinsichtlich aller Phänomene von Samsara und Nirvana stets unfehlbar ist, und wem jegliche stützenden Bezugspunkte für eine (Wahrnehmung), die (in sich selbst begründete Existenz) zum Ziel hat, zerfallen sind, der befindet sich auf dem Weg, der die Buddhas mit Freude erfüllt.

(11) Erscheinungen sind nicht-irreführendes abhängiges Entstehen und Leerheit ist getrennt von jeglichen Behauptungen (von unmöglichen Existenzweisen). Solange einem diese beiden Erkenntnisse getrennt erscheinen, hat man noch nicht die Absicht der Fähigen verwirklicht.

(12) Doch wenn nicht abwechselnd, sondern gleichzeitig die Gewissheit aus der bloßen Sicht des nicht-irreführenden abhängigen Entstehens alle Arten des Erfassens von Objekten (als in sich selbst begründet) zunichte macht, hat man die Erkenntnis der korrekten Sicht vollständig erreicht.

(13) Wenn man überdies weiß, inwiefern die Erscheinung das Extrem der Existenz und die Leerheit das Extrem der Nicht-Existenz beseitigt und versteht, dass Leerheit als Ursache und Wirkung erscheint, wird man nicht von Sichtweisen hingerissen, die nach Extremen greifen.

(14) Wenn du die Kernpunkte dieser drei Hauptaspekte des Pfades so verstanden hast, wie sie sind, begib dich an einen abgelegenen Ort, mein Sohn, bringe die Kraft der Ausdauer auf und verwirkliche rasch dein seit unvordenklichen Zeiten bestehendes Ziel.

Hier kann man einen Kommentar vom Dalai Lama zu diesem Text lesen.

Top