Der Neunte Karmapa, Wangchug Dorje (tib. Dbang-phyug rDo-rje) wurde 1566 in der osttibetischen Region Kham geboren. Es wird gesagt, dass er sich kurz nach seiner Geburt, zum Erstaunen aller anderen, aufsetzte und verkündete: „Ich bin der Karmapa“. Diese Geschichte kam einigen Kagyü-Lehrern zu Ohren, die das Kind ins Kyamo Lhündrub Tse Kloster (tib. sKya-mo lhun-grub rtse) brachten. Dort wurde er anerkannt und im Alter von sechs Jahren vom Vierten Tai Situpa Mitrug Chokyi Gocha (tib. Ta’i Si-tu-pa Mi-’khrugs chos-kyi go-cha) und dem Fünften Shamarpa, Könchog Yanlag (tib. dKon-mchog yan-lag) zur Reinkarnation des Achten Karmapa, Mikyö Dorje (tib. Mi-bskyod rdo-rje) ernannt.
Wangchug Dorje bekam von diesen Lehrern umfangreiche Belehrungen und Initiationen, oftmals verbunden mit weiten Reisen von mongolischen Gebieten, durch die tibetische Steppe, bis hin nach Bhutan. Später wurde er eingeladen in China zu unterrichten, aber er lehnte dies ab. Er war nicht nur ein spiritueller Lehrer, sondern auch ein geschickter Vermittler. Vom König in Sikkim nahm er eine Einladung an, um lokale Streitigkeiten zu schlichten, und während er dort war, gründete er drei Klöster, unter anderem Rumtek (tib. Rum-theg dGon-pa).
In Tsurphu (tib. mTshur-phu), dem Hauptsitz der Karmapas, gab Wangchug Dorje Belehrungen und widmete sich intensiver Retreats, während er auch Schriften über Mahamudra verfasste, von denen viele noch heute benutzt werden. Die wichtigsten sind „Mahamudra – Das Dunkel der Unwissenheit beseitigen“ (tib. Phyag-chen ma-rig mun-sel) und das umfangreichere Werk „Mahamudra – Der Ozean des wahren Sinnes“ (tib. Phyag-chen nges-don rgya-mtsho). Er starb 1603 und hinterließ einen Brief, in dem seine Wiedergeburt beim Sechsten Sharmapa, Chökyi Wangchug (tib. Chos-kyi dbang-phyug) vorhergesagt wurde.