Die Eroberung der Mongolei durch die Kirgisen
Die Kirgisen waren ursprünglich ein mongolisches Volk, das von den Bergwäldern des heutigen Altai und den Gegenden von Tuwa des südlichen Sibirien nördlich von Dzungarien stammte. Einige der Kirgisen-Stämme lebten auch in den westlichen Bereichen der Gebirgsketten des Tianshan bis hin zum Süden Dzungariens. Das osttürkische Reich schloss die traditionellen kirgisischen Länder des Altai ein und als die Uiguren dieses Reich übernahmen, eroberten und verwüsteten die Uiguren im Jahr 758 das Land der Kirgisen. Danach blieben Kirgisen und Uiguren für immer Feinde. Viele Kirgisen wanderten in das Gebiet des westlichen Tianshan aus, wo sie sich mit den Karluken, Tibetern und Abbasiden gegen die Uiguren und Tang-China verbanden.
Seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts führte die tibetisch-arabische Handelsroute von Westtibet durch den Wakhan-Korridor nach Westbaktrien und weiter nach Sogdien. Eine zweite Route führte jedoch vom nordöstlichen Tibet durch die tibetischen Bereiche im Gansu-Korridor zu den kritischen Gegenden von Turfan und Beshbalik, über die sich die Tibeter, Uiguren und Tang-Chinesen stritten, bis der Konflikt schließlich im Jahr 821 zu Gunsten der Tibeter entschieden wurde.
Die Route führte weiter über das südliche Dzungarien, über den westlichen Pfad des Tianshan-Gebirges ins nördliche Westturkistan – alles Gebiete, die bis in die 790er-Jahre von den Karluken und dann den Uiguren beherrscht wurden – und letztlich führte die Route weiter nach Sogdien, das die Araber innehatten. Uigurische Banditen drangsalierten den Teil der Route, der durch das Tianshan-Gebirge führte. Die Kirgisen spielten eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung dieser Banditen und hielten die Handelsroute offen und sicher.
Die tibetischen Kaufleute, die sich auf dieser Route befanden, waren Buddhisten, wie es buddhistische Mantras (heilige Silben) beweisen, die in tibetischer Schrift in Felsen geschnitten nächst dem Issyk Kul-See im heutigen Ostkirgistan gefunden wurden. Die tibetischen Kaufleute waren der religiösen Verfolgung nicht unterworfen, ebenso wenig unterlagen sie in den muslimischen Ländern am westlichen Endpunkt der zentralasiatischen Seidenstraße irgendwelchen Beschränkungen, denn sonst hätten sie die Reise nicht riskiert. Dies ist ein anderer Beweis dafür, dass der Dschihad, der im Jahr 815 vom Kalifen al-Ma'mun gegen die Allianz von Tibetern, Turki-Shahi, Karluken und Ogusen geführt wurde, sich auf politische Angelegenheiten richtete, und nicht auf eine erzwungene Massenbekehrung von Menschen, die als Ungläubige angesehen wurden.
Nach den Friedensabkommen mit den Tibetern und Tang-China im Jahr 821, wurden die Uiguren durch interne Zerwürfnisse und die Schwierigkeiten, die ihnen dadurch aufgebürdet wurden, dass die Tibeter ein Keil in ihr Land trieben, durch das ihre Territorien in Mongolei und Dzungarien getrennt wurden, zunehmend schwächer. Im Jahr 840 stürzten die Kirgisen nach einem außerordentlich harten Winter mit dichtem Schneefall der die uigurischen Herden dezimierte, das Orkhon-Reich in der Mongolei, in Dzungarien und im östlichen Teil des nördlichen Westturkistan. Die Kirgisen beherrschten dann das Gebiet von ihrem Lager im Altai-Gebirge aus, bis sie im Jahr 924 selbst wiederum von den Kitan (Khi-tan) verdrängt wurden.
Die uigurische Wanderung nach Turkistan und dem Gansu-Korridor
Nach der Übernahme des uigurischen Reiches durch die Kirgisen, wanderte die Mehrheit der Orkhon-Uiguren südwärts. Die meisten gingen nach Turfan (Qocho), Beshbalik und Kucha. Diese Stadtstaaten entlang oder in der Nähe des nördlichen Randes des Tarimbeckens mit tocharischer Kultur und großen sogdischen und Han-chinesischen Minderheiten waren ihr natürlicher Bestimmungsort.
Die Uiguren hatten seit mindestens dem 4. Jahrhundert u. Z. eine kleine Präsenz in Turfan und Turfan kurz zwischen 605 und den 630er-Jahren regiert. Sie kontrollierten zeitweise Turfan und Beshbalik zwischen den 790er-Jahren und 821. Nun hatten sie ein Friedensabkommen mit den Tibetern geschlossen, die damals die zwei Stadtstaaten regierten. Ferner hatten sie seit den 790er-Jahren eine Präsenz in Kucha, nachdem sie es Tang-China weggenommen hatten.
Die Karluken von Kashgar und die Tibeter von Turfan stritten auch über Kucha und es ist nicht klar, wer es zu dieser Zeit wirklich regierte. Wären es aber die Karluken gewesen, so waren die Tibeter noch immer, trotz ihrer beinahe unaufhörlichen Kämpfe, die sie im letzten Jahrhundert gegen die Karluken geführt hatten, die nominellen Vasallen der Uiguren. Die Uiguren wären weder von den Karluken hinausgeworfen worden, noch hätte man ihnen den weiteren Einlass verweigert. Aber dank der langen Vertrautheit mit der ansässigen städtischen Kultur dieser Oasenstaaten, war es nicht schwer für die uigurischen Flüchtlinge dorthin zu ziehen und den Übergang vom nomadischen Steppenleben zu bewältigen.
Es gab drei andere kleinere Verbünde von Orkhon-Uiguren, die sich nicht in diesen nördlichen Tarim-Stadtstaaten niederließen. Die größte der drei Gruppen wanderte in die Stadtstaaten des Gansu-Korridors aus, der von den Tibetern beherrscht wurde. Diese Gruppe von Orkhon-Uiguren wurde später als Gelben Yuguren bekannt. Von den beiden anderen Gruppen wanderte einer nach Westen aus, in den östlichen Teil des nördlichen Westturkistan, das den Uiguren gehörte. Die Gruppe ließ sich unter den Karluken im Chu-Fluss-Tal des nördlichen Kirgisistan nieder. Der dritte Verbund siedelte sich bei den Karluken in Kashgar an. Eine weitere kleine Gruppe wiederum ging nach Osten in die Mandschurei, assimilierte sich dort schnell und wird danach in der Geschichtsschreibung nicht mehr erwähnt.
Alle vier Gruppen der Uiguren nahmen nach ihrer Wanderung den Buddhismus an. Diejenigen am nördlichen Rand des Tarimbeckens nahmen die tocharisch-sogdisch-han-chinesische Form des Buddhismus aus Kucha und Turfan an, die im Gansu-Korridor eine han-chinesisch-tibetische Mischung, die im Chu-Tal den westturkistanisch-sogdischen Stil, während die in Kashgar die kashgarische Form des Buddhismus annahmen. Außer den Gelben Yuguren traten alle anderen uigurischen Zweige möglicherweise Jahrhunderte später zum Islam über. Um die Dynamik der Bekehrung unter den Turkvölkern besser zu verstehen, lassen Sie uns noch einmal die Gründe untersuchen, weshalb die Uiguren ihre Religion wechselten – dieses Mal vom Manichäismus zum Buddhismus. Wir werden unsere Erörterung auf die zwei größten Gruppen, die Kocho-Uiguren (Qoco-Uiguren) und Gelben Yuguren konzentrieren.
Frühere Vertrautheit der Uiguren mit dem Buddhismus
Vor der Konvertierung des Orkhon-uigurischen Adels zum Manichäismus, hatten die Uiguren vordem den Buddhismus angenommen. Die uigurischen Krieger und einfachen Menschen behielten eine gewisse Ebene der Verehrung für den Buddhismus im Zeitraum des uigurischen Orkhon-Reiches bei. Dies wird durch die anti-buddhistische Rhetorik einiger der späten uigurischen Kaghane belegt. Nichtsdestoweniger enthalten uigurisch-manichäische Texte dieser Periode – aufgrund des Hintergrunds der sogdischen Übersetzer – gehaltreiche buddhistische Elemente. Ferner war der uigurische Adel nicht exklusiv manichäisch. Viele Adlige folgten auch dem nestorianischen christlichen Glauben. Einige nahmen sogar den Buddhismus an, wie dies durch den tibetischen König Tri Relpachen bewiesen wird, der einige Übersetzungen buddhistischer Texte aus dem Tibetischen ins Uigurische kurz nach dem Friedensabkommen des Jahres 821 anordnete. Es gab aber auch noch andere Gründe, als die Vertrautheit mit dem Buddhismus, die zweifelsohne dazu beitrugen, dass die Uiguren die Religion wechselten.
Der Zusammenbruch des tibetischen Reiches
Im Jahr 836, vier Jahre vor der kirgisischen Übernahme des uigurischen Orkhon-Gebietes, wurde der König Relpachen von Tibet von seinem Bruder Langdarma (tib. gLang-dar-ma, reg. 836 – 842) ermordet. Nachdem er den Thron bestiegen hatte, veranlasste der neue König eine schwerwiegende Unterdrückung des Buddhismus in ganz Tibet. Sie zielte darauf ab, die Einmischung des religiösen Konzils in die Politik zu beenden. Ebenso wollte er verhindern, dass der Wirtschaft weiterhin Mittel abgezogen wurden, wie dies vorher durch die Politik von Tri Relpachen geschah, als dieser anordnete, die Klöster noch eindrucksvoller mit öffentlichen Mittel zu unterstützen. Langdarma schloss alle Klöster und zwang die Mönche, ihre Robe abzulegen. Er zerstörte die Klosteranlagen oder ihre Bibliotheken jedoch nicht physisch. Auch ohne Zugang zur schriftlichen Literatur, setzte sich der Buddhismus unter vielen tibetischen Laienpraktizierenden fort.
Im Jahr 842 ermordete das abgesetzte Oberhaupt des religiösen Konzils, der frühere Abt des Klosters Samye, König Langdarma. Über die Frage der Nachfolge auf den Thron entbrannte ein Bürgerkrieg, der mit dem Zusammenbruch des tibetischen Reiches endete. In den nächsten zwei Jahrzehnten zog sich Tibet allmählich von den Besitzungen in Gansu und Ostturkistan zurück. Einige Besitzungen wurden unabhängige politische Gebiete, als erstes Dunhuang, das als Staat des Guiyijun (Kuei i-chün, 848 – 890er) bekannt wurde, regiert von einem örtlichen han-chinesischen Klan und dann Khotan (851 – 1006), das von seiner eigenen ungebrochenen königlichen Linie beherrscht wurde. In anderen Gebieten übernahmen anfänglich örtliche Han-Chinesen die Kontrolle, errichteten aber keine strenge Herrschaft, zum Beispiel im Jahr 851 in Turfan beginnend. Bis zum Jahr 866 haben die uigurischen Gemeinschaften von Einwanderern jedoch in diese früheren tibetischen Besitzungen genügend an Stärke gewonnen, um ihre eigene Herrschaft zu errichten.
Die nachfolgende politische Teilung von Ostturkistan und Gansu
Das uigurische Kocho-Königreich (866 – 1209) umschloss zunächst das Gebiet zwischen Turfan und Beshbalik. Schließlich umfasste es den nördlichen Rand des Tarimbeckens bis hin nach Kucha. Der östliche Teil des südlichen Randes bis zu den Grenzen von Khotan wurde zum unbewohnten Land, mit wenigen rückständigen tibetischen Stämmen, die es noch besiedelten. Der dort zuvor durchführende Handel zwischen Han-China und Khotan und dann weiter nach Westen kam zum Stillstand. Kashgar verblieb in Händen der Karluken.
Das Königtum der Gelben Yuguren (866 – 1028) besetzte den Gansu-Korridor. Guiyijun half den eingewanderten Uiguren ihn mit militärischer Hilfe zu etablieren um den verbleibenden Rest der tibetischen Herrschaft zu vertreiben. Viele Tibeter flohen südwärts in die Kokonor-Region, woher die meisten Tibeter kamen und wo schließlich das Tsongka- (tib. Tsong-kha) Königreich entstand. Die Gelben Yuguren hingen bald von ihren Verbündeten in Guiyijun ab und übernahmen es in den 890er-Jahren.
Eine weitere Gruppe von Menschen, die Tanguten, lebten in der Gegend und wurden bald eine bedeutende Kraft in der historischen Entwicklung. Sie standen mit den Tibetern in Beziehung. Deren Territorium im östlichen Gansu trennte die Gelben Yuguren von den Han-Chinesen in Chang‘an. In der Mitte des 7. Jahrhunderts flohen die Tanguten aufgrund der ständigen Angriffe durch Zentraltibet aus ihrem Heimatland im Kokonor-Gebiet und nahmen unter dem Schutz der Tang Zuflucht im östlichen Gansu. Da trafen sie zum ersten Mal auf den Buddhismus. Ihr Rang wuchs ein Jahrhundert später durch weitere tangutische Flüchtlinge, die in der Zeit nach dem von An Lushan angeführten Aufstand vor den militärischen Handlungen Tibets in der Region flohen.
All diese Gebiete von Gansu und Ostturkistan, in denen sich die tibetische Kultur verbreitet hatte, wurden von der Unterdrückung des Buddhismus durch Langdarma ausgespart. Viele tibetisch-buddhistische Flüchtlinge suchten tatsächlich sogar Asyl in diesen Gebieten. Daher erblühte der Buddhismus in diesen Gegenden, in denen die Arkhon-Uiguren ankamen. Die Hauptform der Buddhismus die dort erblühte, war allerdings ein Buddhismus im han-chinesischen Stil, der stark vom tibetischen Buddhismus beeinflusst wurde und dem in Turfan zahlreiche Elemente sogdischen und tocharischen Glaubens beigefügt wurden.
Die Unterdrückung des Buddhismus in Han-China
In der Zwischenzeit erlitt der Buddhismus in Han-China eine sogar noch schlimmere Verfolgung als in Tibet. Im Jahrhundert nach den Reformen des Tang-Kaisers Xuanzong, durch die der Machteinfluss der Buddhisten eingeschränkt wurde, erhielten die han-chinesischen buddhistischen Klöster wieder den Status der Steuerfreiheit. Sie besaßen einen unverhältnismäßigen Anteil des Vermögens der Nation, insbesondere besaßen sie wertvolle Metalle, die für die Herstellung von Tempelbildern verwendet wurden. Zudem beschäftigten sie auf riesigen Liegenschaften, die ihnen gehörten, eine große Anzahl von Laien. Die Damen und Eunuchen des kaiserlichen Harems verehrten die Mönche und Nonnen zutiefst und beeinflussten die Kaiser dahingehend, diese Exzesse zu dulden.
Als der Kaiser Wuzong (Wu-tsung, reg. 841 – 847) den Thron bestieg, überredeten ihn die taoistischen Hofbeamten, dass der Kaiser seine vorherige Strategie gegenüber den buddhistischen Klöstern nicht weiter fortführen solle. Weil die Hofbeamten von einer eifersüchtigen Angst befallen waren, dass der kaiserliche Harem weiter auf die Politik Einfluss nehmen könnte und weil die Beamten sich um die nationale Wirtschaft sorgten, ergriff der Kaiser Wuzong Maßnahmen. Im Jahr 841 befahl er allen Mönchen, die Frauen hatten und die mit den Aberglauben der Leute ausnutzten, ihre Roben abzulegen. Ferner befahl er, alles überschüssige Geld sowie die Liegenschaften, die sich im Besitz der Klöster befanden, einzuziehen. Dadurch erfüllte er die traditionelle Rolle des nördlichen han-chinesischen Kaisers als Schützer der Reinheit der buddhistischen Doktrin.
Die taoistischen Minister waren mit dem Schritt des Kaisers aber nicht zufrieden. Sie riefen dazu auf, dass alle fremden Einflüsse in Han-China entfernt werden müssten und forderten eine Rückkehr zu traditionellen Werten und Ethik. Nicht nur den Manichäismus und das nestorianische Christentum, sondern auch den Buddhismus als fremde Religionen identifizierend, schritten sie zunächst gegen den Manichäismus und das nestorianische Christentum ein, da es von diesen Religionen weniger Anhänger in Han-China gab. Im Jahr 843 beeinflussten sie den Kaiser dahin, dass er eine völlige Ächtung des Manichäismus und nestorianischen Christentums im ganzen Reich aussprach und all seine Kleriker vertrieb. Dies betraf nicht nur die sogdische Gemeinschaft der Kaufleute sondern auch den gesamten uigurischen Adel, der in Han-China Zuflucht genommen hätte. Im Jahr 845 überzeugte die taoistische Partei den Kaiser, alle buddhistischen Tempel und Klöster, mit Ausnahme weniger Anlagen, zu zerstören, ihre Figuren aus wertvollen Metallen zu beschlagnahmen und einzuschmelzen, alle Mönche und Nonnen ins Laienleben zurückzuschicken, alle Laien aus dem Dienst des klösterlichen Landes zu entlassen und sich den ganzen klösterlichen Besitz anzueignen.
Analyse der Unterdrückung
Es ist beachtenswert, dass diese Verfolgung und Ächtung der fremden Religionen nie auf den Islam ausgedehnt wurde. Die Gemeinschaft der muslimischen Kaufleute war auf die Küstenstädte des Südostens beschränkt. Sie befuhren die Seidenstraße erst Jahrhunderte später. Die Sogdier, Han-Chinesen und Tibeter übten diesen Handel aus, wobei die Uiguren dahinter her waren, einen Teil davon abzubekommen. Der Wettbewerb war hart und die Tatsache, dass die Unnachsichtigkeit der taoistischen Minister sich nicht nur gegen die Buddhisten, sondern auch gegen die Manichäer und nestorianischen Christen richtete, zeigt, dass diese Härte vordringlich von wirtschaftlichen Interessen geleitet wurden.
Tibet befand sich in den Wirren des Bürgerkriegs und befand sich eindeutig auf dem Weg, den Einfluss auf Gansu und Ostturkistan zu verlieren. Die einzigen übrig gebliebenen Rivalen, die das Machtvakuum der Tibeter auf der Seidenstraße hätten füllen können, waren die Uiguren und die Sogdier. Die Tatsache, dass die Verfolgung nur gegen die Religionen der Sogdier, Han-Chinesen, Tibeter und Uiguren gerichtet war, und nicht gegen die Araber oder Perser, bestätigt, dass der Fokus der Politik der Tang-Minister auf die Seidenstraße und Zentralasien gerichtet war und nicht auf die südlich gelegenen Meere. Wenn die Verfolgung von Religionsanhängern in Zentralasien nicht aus politischen Gründen in die Tat umgesetzt worden ist, so standen wirtschaftliche Interessen dahinter und wohl kaum spirituelle oder doktrinäre Gründe.
Nachwirkungen
Nach dem Tod von Wuzong im Jahr 847 richtete der neue Kaiser Xuanzong (Hsüan-tsung, reg. 847 – 860) die taoistischen Anführer hin und gab bald die Erlaubnis zur Erneuerung des Buddhismus. Die meisten der han-chinesisch-buddhistischen Sekten konnten aber diese schwere Verfolgung nicht überleben. Nur die Chan-Schule (jap. Zen) und die Schulen des Reinen Landes erholten sich wieder. Die Chan-Schule erholte sich aufgrund ihrer Lage in entfernten, gebirgigen Gebieten des westlichen Han-China und weil sie unabhängig von klösterlichen Bibliotheken war; die Schule des Reinen Landes erholte sich aufgrund ihrer volksverbundenen Basis, die nicht auf Gelehrsamkeit gegründete.
Als die Macht der Tang-Dynastie bis zu ihrem Ende im Jahr 907 vor sich hin welkte und Han-China während der fünften Dynastie (907 – 960) zerbrach, verloren die Han-Chinesen jeglichen effektiven Einfluss in Zentralasien. Die Strategie der taoistischen Minister, den Wettbewerb um die Seidenstraße auszuschalten und wirtschaftliche Vorteile für Han-China zu erlangen, endete in einem Fehlschlag.
Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Konversion der Uiguren zum Buddhismus
Dies war der politische und wirtschaftliche Kontext innerhalb dessen dann die Orkhon-Uiguren die Religion vom Manichäismus zum Buddhismus wechselten. Wie bei dem Religionswechsel der Osttürken vom Schamanismus zum Buddhismus und wieder zurück, und der früheren Konvertierung der Uiguren vom Schamanismus zum Buddhismus und dann zum Manichäismus, beeinflussten vorrangig drei Faktoren den Wechsel und die Wahl der Religion. Erstens gab es das Bedürfnis nach einer einenden Kraft, mit der das Volk geschlossen unter der neuen Dynastie vereint werden konnte. Zweitens gab es die Suche nach einer Unterstützung der neuen Herrschaft durch übernatürliche Kräfte. Dieser Wunsch nach Unterstützung durch übernatürliche Kräfte ergab sich dadurch, dass der Erfolg bewertet wurde, den verschiedene Religionen beim Aufbau fremder Regime erbracht hatten. Als dritten Faktor gab es die ausschlaggebende Priorität, dass man wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen wollte, den Handel der Seidenstraßen zu kontrollieren.
Die Kocho-Uiguren und die Gelben Yuguren riefen nicht nur neue Dynastien ins Leben, sondern auch neue Lebensformen als sesshafte städtische Oasenbewohner. Der Manichäismus hatte sich als Staatsreligion für nicht geeignet erwiesen, um die übernatürlichen Kräfte bereitzustellen, die nötig dafür gewesen wären, dass sich noch im Anfangsstadium befindliche Orkhon-Imperium zu erhalten. Sie benötigten eine neue Religion, mit der sie die Menschen um die herum versammeln konnten und die ihnen die benötigte außerweltliche Unterstützung verschaffen konnte, um den Übergang erfolgreich zu gestalten.
Das tibetische Königreich war gerade zusammengebrochen und Tang-China befand sich am Vorabend des Zerfalls. Die Uiguren hatten vordem gegen beide gekämpft und kannten ihre Stärken und Schwächen. Von einem nomadischen, schamanistischen Gesichtspunkt aus betrachtet, konnte das Versagen des tibetischen Königreichs und Tang-Chinas nur darin bestehen, dass sie den Buddhismus erst vor kurzem verfolgt hatten. Sowohl die Tibeter, als auch die Tang-Chinesen, hatten beide die buddhistischen Gottheiten beleidigt und dadurch ihre Unterstützung verloren. Die übernatürliche Macht des Buddhismus war damit klar bewiesen. Noch ein Jahrhundert zuvor befanden die Uiguren, dass die Niederlagen des Tang-Kaisers durch die Abbasiden und An Lushans Rebellion durch die Schwäche des Buddhismus verursacht wurden und verwarf daher den buddhistischen Glauben zugunsten des Manichäismus. Der Lauf der Dinge bewies aber, dass ihre Bewertung falsch war.
Ferner waren sowohl Tibet als auch Tang-China von der Seidenstraße abgeschnitten und zu schwach, um ihren lukrativen Handel kontrollieren zu können, der noch immer überwiegend in den Händen der Sogdier lag. Viele zentraltibetische und han-chinesisch-buddhistische Flüchtlinge, die vor der Verfolgung in ihre eigenen Ländern flohen, strömten in die Territorien, durch die sich der östliche Teil der Seidenstraße erstreckte, dass heißt sie zogen nach Turfan, nach Guiyijun, zum Gansu-Korridor, in die Kokonor-Region des nordöstlichen Tibets und in das Gebiet der Tanguten. Das war deshalb möglich, weil der Buddhismus in diesen Gebieten weiterhin gedieh, ohne durch die Regierung eingeschränkt zu sein. Daher war der Buddhismus zweifellos stärker entlang des östlichen Teils der Seidenstraße vertreten als es der Manichäismus oder das nestorianische Christentum war. Da Tibet und Tang-China gerade eine Periode der Unterdrückung des Buddhismus hinter sich hatte, waren zudem diejenigen Glaubensanhänger, die diesem Glauben entlang der Seidenstraße folgten, ohne einen einflussreichen königlichen Schutzpatron. Sowohl die Klosterinsassen, als auch die Laien hätten einen religiösen Anführer, der diese Rolle übernommen hätte, gleichermaßen willkommen geheißen.
Es war daher logisch, dass die Kocho-Uiguren und die Gelben Yugur-Prinzen den Buddhismus zu ihrer Religion wählten, da der Buddhismus so gut eingeführt war und in Ostturkistan und Gansu ein stabiles Standbein hatte – das war nicht nur unter den Sogdiern so, sondern auch unter den anderen zentralasiatischen Völkern in der Region. Das gleiche galt auch für die viele Uiguren, die bereits mit dem Buddhismus vertraut waren, besonders für die Uiguren, die bereits in dieser Gegend lebten. Wer zu einem Wahrer des Buddhismus werden würde, der würde sich dadurch in die überzeugendste Position bringen, um als Oberherr und Schützer der Seidenstraße akzeptiert zu werden. Die Herrscher beider Königtümer nahmen daher den Titel „Bodhisattva-Prinz“ an, wie es frühere uigurische Herrscher eineinhalb Jahrhunderte vorher taten, als sie ehemals über Turfan herrschten.
Mit Hilfe der vielsprachigen Sogdiern, begannen die Uiguren nun die buddhistischen Schriften in ihre Sprache zu übersetzen. Jedoch verwendeten sie für ihre Übersetzungen nicht die sogdischen Ausgaben dieser Schriften, sondern verwendeten han-chinesische und tocharische Texten, wobei sie sich Textelemente früherer Übersetzungen ins Alttürkische ausborgten. Die Sogdier nahmen für ihre Übersetzungen nicht von ihre eigenen Texten als Grundlage, weil sie möglicherweise ihre einzigartige kulturelle Identität erhalten wollten und nicht in einer uigurischen buddhistischen Kultur verloren gehen wollten, in der jeder der gleichen Schrift-Tradition folgte.
Die Position des Islam am Ende der frühen Abbasiden-Periode
In der Mitte des 9. Jahrhunderts, als das abbasidische Kalifat seinen direkten Einfluss in Zentralasien zu verlieren begann, war die Verbreitung des Islam im Wesentlichen noch immer nur auf Sogdien beschränkt. Der Islam war unter den arabischen Nachfahren und der lokalen Bevölkerung verbreitet, die zum Glauben nicht mit Gewalt bekehrt worden waren, sondern deshalb konvertierten, weil sie sich von der islamischen Hochkultur angezogen fühlten. Als die Abbasiden einen Dschihad gegen Saurashtra und Kabul geführt hatten – auch wenn deren Gegner Buddhisten waren – zielte ihr heiliger Krieg nicht darauf ab, den Buddhismus per se zu zerstören. In beiden Fällen hatten die muslimischen Anführer die Wahrer des Buddhismus mit den anti-abbasidischen Musalemiyya und den manichäischen schiitischen Rebellen verwechselt. Großteils waren die Abbasiden dem Buddhismus gegenüber tolerant und behielten Handel und kulturelle Beziehungen mit buddhistischen Ländern bei.
Während der folgenden Jahrzehnte ereignete sich eine größere Veränderung, da Zentralasien unter die Herrschaft verschiedener Turkvölker kam. Einige der türkischen Staaten nahmen den Islam an, da es sich bei ihren Anführer um Oberbefehlshaber handelte, die von den Abbasiden versklavt worden waren und die ihre Freiheit durch den Übertritt zum Islam wieder gewonnen hatten. Einer der türkischen Staaten, der Karachaniden-Staat, nahm jedoch freiwillig den Islam an. Viele Gründe dafür waren dieselben, wie vordem bei anderen türkischen Völkern, wie beispielsweise bei den Osttürken und Uiguren, die bereits zuvor von ihrer Religion zum Buddhismus, Schamanismus oder Manichäismus konvertiert waren. Bei der Konvertierung zum Buddhismus hatten diese türkischen Anführer zuvorderst im Sinn, sich damit übernatürliche Kräfte einzukaufen, die ihren Staat und ihre geopolitischen Strategien unterstützten sollten, um so die Kontrolle über den Handel der Seidenstraße zu erlangen. Innerhalb dieses Kontexts wird die nun folgende Verbreitung des Islam in Zentralasien und Indien, und die Interaktion des Islam mit dem Buddhismus in diesen beiden Gebieten verständlich.