Das monastische Ausbildungssystem der Gelug im Überblick

Die Hauptthemen des Lehrplans

Das monastische Ausbildungssystem in den Klöstern der Gelug deckt fünf Hauptthemen ab, die basierend auf den fünf großen indischen Textschriften durch die Vermittlung von Logik und Debatte studiert werden, „tsennyi“ (tib. mtshan-nyid, Definitionen) auf tibetisch. Während des Studienablaufs lernen die Mönche auch die vier indisch-buddhistischen Lehrsysteme (tib. grub-mtha‘ bzhi) Vaibhashika (tib. Bye-brag smra-ba), Sautrantika (tib. mDo-sde-pa), Chittamatra (tib. Sems-tsam-pa) und Madhyamaka (tib. dBu-ma).

In Tibet war diese Bildung nur für Mönche zugänglich. Seit den Reformen des Vierzehnten Dalai Lama in Indien, beginnen auch Nonnen, an diesem Studienkurs teilzunehmen. In Tibet lernten die Nonnen meistens nur auswendig und führten Rituale aus.

Die fünf Hauptgegenstände sind:

  • Prajnaparamita (tib. phar-phyin), das weitreichende unterscheidende Gewahrsein, betrifft das Studium der Stufen und Pfade des Geistes (tib. sa-lam), welche zur Verwirklichung der Leerheit, Befreiung und Erleuchtung benötigt werden. Das Studium gründet auf dem Text „Filigranschmuck der Verwirklichungen“ (tib. mNgon-rtogs-rgyan, Skt. Abhisamayalamkara) von Maitreya (tib. rGyal-ba Byams-pa). Auch wenn der Text von Maitreya vom Gesichtspunkt des Prasangika-Madhyamaka (tib. dBu-ma thal-‘gyur-pa) aus geschrieben wurde, so wurden doch die einundzwanzig indischen Kommentare vom Standpunkt des Svatantrika-Madhyamaka (tib. dBu-ma rang-rgyud-pa) aus geschrieben und vor allem von deren Abteilung des Yogachara-Svatantrika (tib. rNal-‘byor spyod-pa‘i rang-rgyud-pa).
  • Madhyamaka (tib. bdu-ma), der Mittlere Weg, ist das Studium der Leerheit entsprechend dem Gesichtspunkt des Prasangika-Madhyamaka. Die Svatantrika-Abteilung, die in Verbindung hiermit studiert wird ist Sautrantika-Svatantrika (tib. mDo-sde spyod-pa‘i rang-rgyud-pa). Das Madhyamaka-Studium gründet sich auf den Text: „Ergänzung zu (Nagarjunas „Wurzelversen zum) Mittleren Weg“ (tib. dBu-ma-la ´jug-pa, Skt. Madhyamakavatara) von Chandrakirti (tib. Zla-ba grags-pa dPal-ldan grags-pa).
  • Pramana (tib. tshad-ma), gültige Wahrnehmung, ist das Studium der Beweise für die Gültigkeit solch essentieller Punkte wie den Drei Überragenden Kleinodien, der Wiedergeburt und der Allwissenheit. Es basiert auf dem Text „Ein Kommentar über (Dignagas „Kompendium von) gültig wahrnehmenden Arten von Geist“ (tib. Tshad-ma rnam-‘grel, Skt. Pramanavarttika) von Dharmakirti (tib. Chos-kyi grags-pa). Etliche seiner Kapitel sind vom Gesichtspunkt der Sautrantrika aus und andere von dem der Chittamatra.
  • Abhidharma (tib. mngon-par chos, mdzod), besondere Themen des Wissens, deckt die körperlichen und geistigen Bestandteile begrenzter Wesen ab, Wiedergeburtszustände, Karma, die störenden Emotionen und Geisteshaltungen, Pfade zur Befreiung und so weiter. Es gründet sich auf den Text “Ein Schatzhaus spezieller Themen des Wissens“ (tib. Chos mngon-pa‘i mdzod, Skt. Abhidharmakosha) von Vasubandhu (tib. dByigs-gnyen) und ist vom Standpunkt des Vaibhashika aus.
  • Vinaya (tib. ’dul-ba), Regeln der Disziplin, betrifft die monastischen Gelübde. Es basiert auf dem text „Das Vinaya Sutra“ (tib. ’Dul-ba’i mdo, Skt. Vinayasutra) von Gunaprabha (tib. Yon-tan’od).

Außerdem studieren die Mönche interpretierbare und letztendliche Bedeutungen (tib. drang-nges), um weitere Details über die Sicht des Chittamatra und Madhyamaka zu klären. Dieses Studium basiert auf dem Text: „Die Essenz der vorzüglichen Erklärung über die interpretierbaren und die letztendlichen Bedeutungen“ (tib. Drang-nges legs-bshad snying-po) von Tsongkhapa (tib. rJe Tsong-kha-pa Blo-bzang grags-pa) (1357-1419).

Alle Mönche müssen diese Themen zumindest bis zu einem bestimmten Grad studieren. Sie wechseln sich dabei ab, jeweils einen Monat lang für die Pflege der Tempel zu sorgen und um andere Aufgaben zu erfüllen.

Textbücher

Alle Kollegs der Gelug-Klöster folgen den Kommentaren zu diesen Texten, die von Tsongkhapa und seinen beiden Hauptschülern Gyaltsabje (tib. rGyal-tshab rJe Dar-ma rin-chen) (1364-1432) und Khadrubje (tib. mKhas-grub rJe dGe-legs dpal-bzang) (1385-1438) geschrieben wurden. Zusätzlich folgt jedes einem der verschiedenen Textbüchern (tib. yig-cha), die entstanden sind um heikle Punkte zu erklären. Die Textbücher unterscheiden sich in der Interpretation vieler Einzelheiten.

Die erste Reihe von Textbüchern, die entstanden sind, wurde von Jetsunpa Chökyi-gyaltsen (tib. rJe-btsun-pa Chos-kyi rgyal-mtshan) (1469-1544), geschrieben und werden kurz „Die Jetsunpa-Textbücher“ genannt. Die Kollegs Ganden Jangtse (tib. dGa’-ldan Byang-rtse Grva-tshang), Sera Je (tib. Se-ra Byes Grva-tshang) und Sera Ngagpa (tib. Se-ra sNgags-pa Grva-tshang) folgen ihnen.

Die nächsten beiden Reihen wurden von zwei Schülern Jetsunpas geschrieben. Nach der allgemeinen Tradition bat Jetsunpa die beiden, Kommentare zu schreiben, die einige der größeren Texte erklären sollten und etwas unterschiedlich zu den seinen sein sollten, damit künftige Schüler fähig sein würden, ihre Intelligenz durch die Debatte der Widersprüche dieser Versionen zu schärfen. Eine Reihe wurde von Khedrub Tendarwa (tib. mKhas-grub dGe-’dun bstan-pa dar-rgyas) (1493-1568) geschrieben. Diese Texte werden im Sera Me-Kolleg (tib. Se-ra sMad Grva-tshang) verwendet.

Die andere Reihe wurde von Panchen Sönam-dragpa (tib. Pan-chen bSod-nams grags-pa) (1478-1554) geschrieben und wird kurz „ Die Panchen-Textbücher“ genannt. Ihr folgen die Kollegs von Ganden Shartse (tib. dGa'-ldan Shar-rtse Grva-tshang), Drepung Losel-ling (tib. 'Bras-spungs Blo-gsal gling Grva-tshang) und Drepung Ngagpa (tib. ’Bras-spungs sNgags-pa Grva-tshang).

Eine vierte Reihe wurde einige Jahrhunderte später von Künkyen Jamyang-zhepa (dem Ersten) Ngawang-tsondrü (tib. Kun-mkhyen ’Jam-dbyangs bzhad-pa Ngag-dbang brtson-’grus) (1648-1721) geschrieben, kurz genannt „Die Kunkyen-Textbücher“. Ihnen folgen die Kollegs Drepung Gomang (tib. ’ras-spungs sGo-mang Grva-tshang) und Drepung Deyang (tib. `Bras-spungs bDe-dyangs Grva-tshang). Auch das Kloster Labrang (tib. Bla-brang dGon-pa) i amdo im fernen Osten (von Jamyang-zhepa gegründet) und die meisten Klöster in der Inneren und Äußeren Mongolei, in Buriatien, Kalmükien und Tuwa.

Jede dieser Textbuch-Traditionen enthält verschiedene zusätzliche Texte, die von späteren Gelehrten geschrieben wurden.

Der Ablauf der Hauptausbildung

Der Ablauf der Hauptausbildung deckt die oben genannten Themen ab. Werden zum Beispiel die Chittamatra-Abteilungen der interpretierbaren und letztendlichen Bedeutungen studiert, zeigen sich geringfügige Unterschiede in jeder der Gelug-Klöster. Es gibt auch Unterschiede, wenn Studenten formale Debatten (tib. dam-bca`) vor ihrem versammelten Kolleg auszuführen haben, um den Abschluss bestimmter Teile des Studiums deutlich zu machen. Hier wollen wir die Form darstellen, der die dem Ganden Jangtse-Kolleg folgt.

Seit der Reform des Vierzehnten Dalai Lama im Exil in Indien müssen alle Mönche acht Jahre Grundschule-Ausbildung genau wie weltliche Kinder abschließen. Sie müssen Tibetisch, Englisch, Hindi, Mathematik, soziale Fächer und Naturwissenschaft lernen. Jedes Kolleg hat für diesen Zweck seine eigene Grundschule.

Als Teil des Pensums von der vierten bis zur achten Klasse durchlaufen die Kinder die drei vorbereitenden Gegenstände, die für die formale klösterliche Ausbildung erforderlich sind. Während der fünften Klasse lernen sie gesammelte Themen (tib. bsdus-grva, dura), die mit einer Mengenlehre und logischer Durchdringung zu tun haben. Sie lernen die Grundlagen für die Debatte. Während der fünften Klasse lernen sie die Arten der Wahrnehmung (tib. blo-rig, lorig), die sich mit gültigen und ungültigen Wegen etwas wahrzunehmen befassen. Von der sechsten bis zur achten Klasse lernen sie Argumentationsketten (tib. rtags-rig, tarig), die von gültigen und ungültigen logischen Schlussfolgerungen handelt. Diejenigen, die in das Jangtse-Kolleg nach dem Abschluss ihrer Grundschulausbildung eintreten, studieren diese drei Gegenstände während ihrer ersten drei Jahre im Kloster, jedes Jahr einen Gegenstand.

Nachdem sie diese vorbereitenden Gegenstände abgeschlossen haben, verbringen die Mönche die nächsten elf Jahre damit, die fünf größeren Texte zu studieren. Zuerst studieren sie fünf Jahre lang Prajnaparamita. Die ersten zwei Jahre verwenden sie auf das erste Kapitel des Textes „Filigranschmuck der Verwirklichungen“, das dritte Jahr auf das zweite Kapitel (das auch das dritte Kapitel einschließt), das vierte Jahr auf das vierte Kapitel und das fünfte Jahr auf das achte Kapitel (das die fünften, sechsten und siebte Kapitel umfasst). Während ihres sechsten Jahres studieren sie die Chittamatra-Abteilung der interpretierbaren und letztendlichen Bedeutungen. Sie verbringen die nächsten drei Jahre (vom siebten bis zum neunten Jahr) mit Madhyamaka, während der sie auch die Madhyamaka-Abteilung der interpretierbaren und letztendlichen Bedeutungen abdecken. Das zehnte Jahr gilt dem Abhidharma und das elfte der Vinaya. Da die Studenten Novizen (tib. dge-tshul, Skt. shramanera) während fast aller Jahre ihrer Studien sind und erst mit einundzwanzig Jahren die vollständigen Gelübde eines Mönchs (tib. dge-slong, Skt. bhikshu) ablegen können, kommt das Studium des Vinaya am Ende. Vom Anfang des Studiums der Argumentationskette (tarig) bis zum Abschluss der Vinaya verwenden sie einen Monat des Jahres auf Pramana.

Art und Weise des Studiums

Die Mönche müssen die fünf grundlegenden Texte und viele andere kleinere Werke und Gebete auswendig lernen. Sie verwenden die frühen Morgenstunden dazu. In Indien halten sie zwischen 8 und 9 Uhr 30 die Morgendebatte (tib. dam-bca`) ab, die mit einer kurzen Reihe von Gebeten begonnen wird. Alle Klassen des Kollegs debattieren am selben Platz, teilen sich in Gruppen von je zwei oder drei auf, wobei jeder mit lautester Stimme schreit. Der befragte Mönch sitzt am Boden, der Fragende steht. Da die Gruppen dicht nebeneinander debattieren und die Lautstärke des Schreiens enorm ist, zwingen die Umstände die Mönche hervorragende Konzentration zu erlangen. Die Debatten sind sehr hitzig und werden von ritualisierten Gesten wie Händeklatschen unterbrochen. Dies stellt ein hervorragendes Ventil für Energie dar, da die Teenager-Mönche zölibatär leben und keinen Sport treiben. Für den Rest des Tages hat jede Klasse Lektionen mit ihren Lehrern und die Studenten lernen auswendig und studieren. Die Mönche praktizieren die Rezitation der Texte, die sie auswendig gelernt haben, indem sie diese üblicherweise mit laut herausschreien. Dies ist auch ein hervorragendes Ventil für Energie und hält sie wach.

Am Abend versammeln sich die Mönche von 6 bis 8 Uhr zu Gebeten am Debattierplatz (tib. chos-grva). Während der ersten Stunde rezitieren sie immer wieder die „Lobpreisungen der einundzwanzig Taras“ (tib. sGrol-ma nyi-shu rtsa-gcig) um Hindernisse bei ihren Studien aufzulösen. Während der zweiten Stunde rezitieren sie verschiedene andere Gebete. Dann debattieren sie für den Rest des Abends mindestens bis 10.30 Uhr. Viele bleiben bis in die Morgenstunden.

Prüfungen

In Tibet gab es am Ende jedes Studienjahres nur zwei Prüfungen (tib. rgyugs-sprod). Diese waren ein Examen über das auswendig Gelernte (tib. blo-rgyugs) und ein Examen über die Debatte (tib. rtsod-rgyugs). Mönche mussten beide Prüfungen bestehen, um in die nächste Klasse aufzusteigen. Seit den Reformen des Vierzehnten Dalai Lama müssen sie auch jedes Jahr ein geschriebenes Examen (tib. bri-rgyugs) bestehen, ein Examen der Dichtkunst (tib. rtsom-bri) und ein Examen zur tibetischen Kultur und Religionsgeschichte (tib. rgyal-rabs chos-byung).

Während des ersten Jahres des Prajnaparamita und während des letzten Jahres der Vinaya müssen die Mönche eine Versammlungsvorführung (tib. tshogs-langs) leisten, während der sie einen Tag vor der ganzen Ganden-Versammlung (tib. dGa’-ldan bla-spyi) von sowohl Mönchen von Jangtse als auch Shartse debattieren und einen Tag nur vor den versammelten Mönchen von Jangtse. Vor der ganzen Ganden-Versammlung müssen sie mit einem Mönch von Shartse, der den Panchen Textbüchern folgt, debattieren. Für Tulkus (reinkarnierte Lamas) können die Jahre, in denen sie ihre Versammlungsvorführungen zu machen haben, variieren.

Gewöhnliche Mönche müssen keine Speisen- und Geldopfer (tib. gtong-sgo) bei der Versammlungsvorführung leisten. Tulkus machen aber für gewöhnlich diese Opfergaben. Irgendwann während der elf Jahre ihres Hauptstudiums müssen aber alle Mönche der gemischten Versammlung aller Mönche von Jangtse (tib. gling-bsre gtong-sgo) ein Speisen- und Geldopfer machen.

Diejenigen, die nicht so gut in ihren Studien vorangekommen sind oder kein Interesse hatten, ihre Studien abzuschließen, können ihre Ausbildung beenden, indem sie nur ein Examen des auswendig Gelernten bestehen. Auch wenn sie das bereits vor Anfang ihres Hauptstudiums tun könnten, warten die meisten, bis sie die Madhyamaka-Klassen beendet haben. Sie erhalten den Grad des Kyerimpa (tib. bsKyed-rim-pa).

Der Grad eines Geshe Tsogrampa

Diejenigen, die die elf Jahre der Hauptausbildung abgeschlossen haben und keine weitere höhere Bildung anstreben, erhalten den Grad eines Geshe Tsogrampa (tib. dGe-bshes Tshogs-ram-pa). Sie müssen eine formale Debatte vor der gemischten Versammlung aller Mönche von Jangtse (tib. gling-bsre dam-bca’) vorführen. Ebenso müssen sie eine formale Debatte mit einem Geshe von Shartse vor der gesamten Ganden-Gemeinschaft vorführen und dort allen Mönchen eine Geshe-Opfergabe (tib. dge-bshes gtong-sgo) darbieten. Danach erhalten sie den Titel Geshe Dorampa (tib. dGe-bshes rDo-ram-pa).

Vor den Reformen des Vierzehnten Dalai Lama erteilte jedes Gelug-Kolleg den Grad eines Geshe Tsogrampa nur zwei Kandidaten jährlich. Es gab einen riesigen Rückstau an Kandidaten und viele hatten sehr viele Jahre zu warten. Die meisten warteten in den Madhyamaka-Klassen und studierten weiter. Durch die neuen Reformen gibt es keine Begrenzung für die Anzahl der Kandidaten, die diesen Grad jedes Jahr erhalten.

Höhere Ausbildung und der Grad eines Geshe Lharampa

Seit den Reformen des Vierzehnten Dalai Lama müssen diejenigen, die den höheren Geshe-Grad, den Geshe Lharampa (tib. dGe-bshes Lha-ram-pa) erreichen wollen, sechs Jahre des Studiums der Gelug-Prüfungsebene (tib. dGe-lugs rgyugs-sprod) vollenden. Am Beginn des elften Jahres der Hauptausbildung, werden die Studenten gemäß ihrer Leistung bei ihren Studien und ihren Wünschen weiter zu studieren, in zwei Vinaya-Klassen eingeteilt. Für eine Klasse ist es das letzte Jahr ihrer Studien und sie werden den Grad des Geshe Tsogrampa als erfolgreichen Abschluss erhalten. Für die andere Gruppe zählt dieses Jahr des Vinaya-Studiums als erstes von sechs Jahren ihrer höheren Ausbildung.

Während der sechs Jahre wiederholen die Mönche jedes Jahr jeden der fünf Hauptgegenstände, jetzt aber in größerer Tiefe. Während ihrer Hauptausbildung studieren sie diese mittels der Jetsunpa-Textbücher. Nun konzentrieren sie ihre Studien der fünf Gegenstände auf die großen Kommentare, die von Tsongkhapa, Gyaltsabje und Khedrubje geschrieben wurden. Jedes Jahr haben sie nur Examen zur Debatte und schriftliche Prüfungen.

Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer höheren Studien müssen sie eine formale Debatte beim jährlichen großen Gebetsfest (tib. sMon-lam chen-mo) vor den versammelten Mönchen der drei Hauptklöster der Gelug (tib. gdan-sa gsum) im Gebiet von Lhasa, also in Ganden, Sera und Drepung, ablegen. In Tibet wurde das im Jokang-Tempel (tib. Jo-khang, Jokhang) abgehalten. Zu diesem Zeitpunkt führen sie auch eine formale Debatte vor den versammelten Mönchen von Jangtse (tib. gling-bsre dam-bca`) vor. Wie die Geshe Tsogrampa müssen auch sie eine weitere formale Debatte vor der gesamten Ganden-Gemeinschaft von Jangtse und Shartse präsentieren und allen Mönchen eine Geshe-Opfergabe von Essen und Geld darbieten. Auch sie erhalten den weiteren Titel des Geshe Dorampa.

Vor den Reformen des Vierzehnten Dalai Lama wurden nur zwei Kandidaten jeder Hochschule jährlich mit dem Grad eines Geshe Lharampa ausgezeichnet. Die Reformen entfernten diese Begrenzungen.

Tantra Studium

Durch die Ausbildungsreformen des Dreizehnten Dalai Lama mussten alle Geshe Tsogrampas und Geshe Lharampas ihre Ausbildung entweder am unteren Gyüme-TantraKolleg (tib. rGyud-smad Grva-tshang) oder der oberen Gyütö-Tantra – Kolleg (tib. rGyud-stod Grva-tshang) fortsetzen. Es hing von ihrem Herkunftsort ab, welches Kolleg sie besuchten. In den Tantra-Kollegs werden sie Geshe Karampa (tib. dGe-bshes dKa`-ram-pa) genannt. Sie müssen dort mindestens ein Jahr lang studieren. Es gibt dort keine formalen Klassen wie in Jangtse. Mönche studieren privat mit individuellen Lehrern. Diejenigen in Gyüme studieren die Tantra-Textbücher, die von Gyü Sherab-sengge (tib. rGyud Shes-rab seng-ge) (1383-1445) geschrieben wurden. Diejenigen in Gyütö folgen den Tantra-Textbüchern, die von Gyüchen Künga-döndrub (tib. rGyud-chen Kun-dga`don-grub) (1419-1486) geschrieben wurden.

Nur zwei Kandidaten wird jedes Jahr an jedem tantrischen Kolleg gestattet, die formale Tantra Prüfung (tib. sngags dam-bca`) abzulegen, worauf sie den Titel Geshe Ngagrampa (tib. dGe-bshes sNgags-ram-pa) erhalten. Daher verbleiben viele Geshe Karampas viele Jahre auf den tantrischen Kollegs. Sie können jedoch wählen nach Jangtse zurückzukehren bevor sie ihren Ngagrampa-Grad erhalten haben. Dort müssen sie eine formale tantrische Debatte abhalten, wonach sie einen Geshe Ngagrampa-Grad von Jangtse erhalten. Auch wenn sie den Rabjampa-Grad von der tantrischen Hochschule vor ihrer Rückkehr nach Jangtse erhalten haben, müssen sie trotzdem die formale tantrische Prüfung in Jangtse ablegen und erhalten dann den Grad des Jangtse Ngagrampa.

Auch wenn Kyerimpa-Geshes keine Sutra-Geshes geworden sind, können Qualifizierte privat Tantra mit individuellen Lehrern in Jangtse studieren. Sie folgen dabei den Gyüme-Textbüchern. Nach erfolgreichem Abschluss ihrer Studien und der Vorführung einer formalen tantrischen Debatte erhalten sie ebenfalls den Grad eines Jangtse Geshe Ngagrampa.

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