Was in einem Moment geistiger Aktivität erscheint, umfasst sowohl die Arten des kognitiven Wahrnehmens von Objekten als auch die kognitiv wahrgenommenen Objekte selbst. Obwohl wir sagen können, dass beides in einem Moment der Wahrnehmung auftaucht – und das in dem Sinne, dass beide in unserem Geist erscheinen –, bezieht sich das, was mit „Erscheinungen“ in einem Wahrnehmungsmoment gemeint ist, gewöhnlich auf die erscheinenden Objekte (tib. snang-yul), auch kognitiv erfasste Objekte (tib. gzung-yul) der Wahrnehmung genannt. In der Sinneswahrnehmung, die immer nichtkonzeptuell ist, sind diese erscheinenden Objekte transparente geistige Hologramme (tib. rnam-pa), durch die wir konventionell existierende Phänomene (tib. tha-snyad-du yod-pa’i chos) wahrnehmen. Obwohl, wie wir gesehen haben, geistige Aktivität in konzeptuelle und nichtkonzeptuelle Wahrnehmung unterteilt werden kann, werden wir uns hier auf die nichtkonzeptuelle Sinneswahrnehmung gemäß dem Standpunkt des Gelug-Prasangika konzentrieren.
Die zwei wesentlichen Naturen von Erscheinungen und die zwei Wahrheiten
Wie wir auch an den Beispielen der Geistesfaktoren der Überlegung, Beachtung und des unterscheidenden Gewahrseins gesehen haben, können die Arten, sich etwas gewahr zu sein, akkurat oder inakkurat sein. Dasselbe gilt auch für geistige Hologramme. Dieser Parameter hat jedoch viele Varianten.
Jedes gültig wahrnehmbare Phänomen – und damit auch jedes geistige Hologramm, das bei der Wahrnehmung dessen erscheint – hat zwei wesentliche Naturen:
- Eine oberflächliche oder verdeckende wesentliche Natur (tib. kun-rdzob-kyi ngo-bo);
- eine tiefste wesentliche Natur (tib. don-dam-pa’i ngo-bo).
Die oberflächliche wesentliche Natur eines gültig wahrnehmbaren Phänomens bezieht sich auf:
- Dessen Art und Weise der Erscheinung (tib. snang-tshul), welche gleichbedeutend ist mit
- dessen oberflächlicher Wahrheit (tib. kun-rdzob bden-pa), welche sich bezieht auf
- das, was innerhalb des Bereichs dessen, was gültig wahrnehmbar ist, zu sein scheint (tib. ji-snyed-pa, wörtlich: „das Ausmaß dessen, was ist“).
Die tiefste wesentliche Natur eines gültig wahrnehmbaren Phänomens bezieht sich auf:
- Dessen Art und Weise des Verweilens (tib. gnas-tshul), mit anderen Worten, was dessen konventionelle Existenz begründet, was gleichbedeutend ist mit
- seiner tiefsten Wahrheit (tib. don-dam bden-pa), was sich bezieht auf
- dessen Existenzweise (tib. ji-lta-ba).
Die zwei Wahrheiten teilen eine gemeinsame wesentliche Natur (tib. ngo-bo gcig). Im Allgemeinen bedeutet das, dass die beiden Wahrheiten zwei Tatsachen desselben Aspekts eines gültig wahrnehmbaren Phänomens sind, betrachtet aus zwei kognitiven Blickwinkeln. Aspekt bezieht sich hier auf die Erscheinung des Phänomens – das geistige Hologramm –, durch das es wahrgenommen wird.
Die beiden Wahrheiten sind untrennbar (tib. dbyer-med) in dem Sinne, dass, wenn eine zutrifft, tut es auch die andere. Nehmen wir jedoch eine der beiden Wahrheiten gültig wahr, erkennen wir nicht notwendigerweise auch die andere auf gültige Weise, entweder gleichzeitig oder nacheinander. Wenn wir also die oberflächliche wesentliche Natur von etwas gültig wahrnehmen, erkennen wir nicht notwendigerweise auch seine tiefste wesentliche Natur.
Die Definitionen der beiden Wahrheiten sind wie folgt:
- Oberflächliche Wahrheiten sind jene Phänomene, die durch gültige Wahrnehmung zu finden sind, mit der Konventionelles untersucht wird.
- Tiefste Wahrheiten sind jene Phänomene, die durch gültige Wahrnehmung zu finden sind, mit der Letztendliches untersucht wird.
„Untersuchen” (tib. dpyod-pa) bedeutet im Zusammenhang mit diesen Definitionen, mit einer argumentationsberuhenden Wahrnehmung (tib. rigs-shes) zu untersuchen. Mit einer solchen Wahrnehmung wird analysiert, ob die oberflächliche oder tiefste wesentliche Natur eines gültig wahrnehmbaren Phänomens eine selbst-begründende Natur ist, die die Kraft besitzt, entweder allein oder in Verbindung mit geistiger Zuschreibung die konventionelle Existenz dieses gültig wahrnehmbaren Phänomens zu begründen oder nicht.
- Gemäß den Chittamatra- und Svatantrika-Lehrsystemen werden die beiden wesentlichen Naturen durch solche argumentationsberuhenden Wahrnehmungen jeweils als selbst-begründende Naturen existierend vorgefunden.
- Der Gelug-Prasangika-Sicht folgend hält jedoch nichts einer genauen Prüfung bzw. Analyse mit einer solchen Argumentation stand. Dies ist der Fall, weil es so etwas wie eine selbst-begründende Natur nicht gibt. Das, was eine argumentationsberuhende Wahrnehmung vorfindet, ist Leerheit – die völlige Abwesenheit beider auf diese unmögliche Weise existierenden wesentlichen Naturen.
Aufgrund dieses Unterschieds definiert Gelug-Prasangika den Begriff „finden“ im Kontext dieser Definitionen der zwei Wahrheiten anders als die Chittamatra- und Svatantrika-Systeme. Im Gelug-Prasangika wird vertreten, dass „finden“ sich in diesem Kontext darauf bezieht, was die argumentationsberuhende Wahrnehmung als ihr beteiligtes Objekt (tib. ’jug-yul) untersucht.
- Wenn eine argumentationsberuhende Wahrnehmung etwas Konventionelles untersucht, ist das beteiligte Objekt die oberflächliche wesentliche Natur eines konventionell existierenden Phänomens (tib. tha-snyad-du yod-pa’i chos), welches lediglich eine selbst-begründende Natur zu sein scheint.
- Wenn eine argumentationsberuhende Wahrnehmung etwas Letztendliches untersucht, ist das beteiligte Objekt die tiefste wesentliche Natur dieses Phänomens, nämlich die vollkommene Abwesenheit – die Leerheit – der Tatsache, dass es tatsächlich eine selbst-begründende Natur ist.
Um also das Extrem des Nihilismus zu vermeiden, wird im Gelug-Prasangika die Erscheinungsweise eines geistigen Hologramms und damit seine oberflächliche Wahrheit in zwei Facetten unterteilt, wenn davon ausgegangen wird, dass alle oberflächlichen Wahrheiten trügerisch sind:
- Seine Erscheinungsweise in dem Sinne, welche Sache es im Ausmaß dessen zu sein scheint, was gültig wahrgenommen werden kann (tib. ji-snyed-kyi snang-tshul);
- seine Erscheinungsweise im Sinne seiner Existenzweise (tib. ji-ltar-gyi snang-tshul).
Mit einfachen Worten:
- Eine oberflächliche Wahrheit ist das, was ein gültig wahrnehmbares Phänomen zu sein scheint, und ebenso die Art und Weise, wie es zu existieren scheint, nämlich mit wahrhaft begründeter Existenz. Daher sind alle oberflächlichen Wahrheiten trügerisch, denn es handelt sich dabei um Erscheinungen von scheinbar in sich selbst begründeten Phänomenen. Sie sind wörtlich „verdeckende Wahrheiten“, da sie ihre tiefsten Wahrheiten verdecken. Doch nur weil die Art und Weise, wie etwas zu existieren scheint, trügerisch ist, heißt nicht, dass das, was etwas konventionell zu sein scheint, nicht korrekt sein kann.
- Eine tiefste Wahrheit ist die Art und Weise, wie ein gültig wahrnehmbares Phänomen tatsächlich existiert, nämlich ohne wahrhaft begründete Existenz, was so verstanden wird, dass es nicht nur mit dem abhängigen Entstehen vereinbar ist, sondern dieses auch unterstützt.
Eine Klarstellung bezüglich konventionell existierender gültig erkennbarer Phänomene
Gemäß den Chittamatra- und Svatantrika-Lehrsystemen haben die beiden Wahrheiten eine gemeinsame Grundlage (tib. gzhi-mthun), nämlich auffindbare, in sich selbst begründete, gültig erkennbare Phänomene, die beide wesentlichen Naturen haben. Solche Phänomene, behaupten sie, existieren konventionell.
Aus der Sicht des Gelug-Prasangika gibt es jedoch keine solche gemeinsame Grundlage für die zwei Wahrheiten, denn im Prasangika heißt es, es gäbe so etwas wie in sich selbst begründete, gültig erkennbare Phänomene nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine gültig erkennbaren Phänomene gibt. Tsongkhapa sagt häufig, dass es konventionell existierende Phänomene gibt, die gültig wahrgenommen werden können. Er bezeichnet diese als „bloße konventionelle Phänomene“ (tib. tha-snyad-pa tsam) oder „oberflächliche Phänomene“ (tib. kun-rdzob-pa). „Bloße konventionelle Phänomene“ sind das, was der gültigen Wahrnehmung erscheint, ohne deren kognitives Objekt zu untersuchen.
- Die Existenz bloßer konventioneller Phänomene kann jedoch nicht durch selbst-begründende Naturen festgelegt werden, da solche nicht existieren.
- Ihre Existenz kann lediglich in Abhängigkeit von geistiger Zuschreibung begründet werden.
Was Buddhas wahrnehmen
Laut Tsongkhapa sind bloße konventionelle Phänomene das, was Buddhas mit ihrem gleichzeitig auftretenden, allwissenden Gewahrsein aller gültig erkennbaren Phänomene wahrnehmen. In der Gelug-Tradition gibt es zwei Positionen in Bezug darauf, wie Buddhas bloße konventionelle Phänomene wahrnehmen:
- Direkt – dadurch, dass sie die beteiligten Objekte in ihrer eigenen allwissenden geistigen Aktivität sind;
- indirekt – dadurch, dass sie die beteiligten Objekte in der geistigen Aktivität aller fühlenden Wesen sind.
Im Kontext des Sutra-Systems nehmen Buddhas mit ihrer Allwissenheit zwar alle bloßen konventionellen Phänomene wahr, aber sie nehmen keine oberflächlichen, verdeckenden Wahrheiten wahr, da alle oberflächlichen Wahrheiten als etwas in sich selbst Begründetes erscheinen. Daher vertritt Tsongkhapa, dass das allwissende, explizite Gewahrsein eines Buddhas der Tatsache, dass die zwei Wahrheiten eine wesentliche Natur teilen, aber unterschiedliche konzeptuell isolierte Elemente sind, einzig auf die Leerheit fokussiert ist. Die vom allwissenden Gewahrsein wahrgenommene Leerheit kann auf konzeptueller Ebene in die Leerheit der oberflächlichen Wahrheit und die Leerheit der tiefsten Wahrheit aller gültig erkennbaren Phänomene isoliert bzw. unterteilt werden. Auf diese Weise nimmt ein Buddha die Leerheit der zwei Wahrheiten explizit und gleichzeitig wahr.
- Dies steht dem allwissenden Gewahrsein, welches gleichzeitig auch alle bloßen konventionellen Phänomene als Grundlagen der Leerheit wahrnimmt, nicht entgegen, denn bloße konventionelle Phänomene sind nicht dasselbe wie die verzerrten Erscheinungen der oberflächlichen, verdeckenden Wahrheiten.
- Vor der Erleuchtung ist es nur möglich, die Leerheit oberflächlicher Wahrheiten implizit wahrzunehmen – d.h. ohne dem Erscheinen der Leerheit in der Wahrnehmung –, während die verzerrten Erscheinungen oberflächlicher Wahrheiten explizit wahrgenommen werden. Dies geschieht nur während der nichtkonzeptuellen Meditation der nachfolgenden Erlangung über die illusionsgleiche Leerheit.
Die zwei Wahrheiten im Anuttarayoga-Tantra-System
Im Kontext des Anuttarayoga-Tantra-Systems beschreibt man im Gelug-Prasangika den Illusionskörper (tib. sgyu-lus) als eine oberflächliche Wahrheit und den subtilsten Geist klaren Lichts (tib. ’od-gsal) als tiefste Wahrheit. Hier bezieht sich
- der subtilste Geist klaren Lichts auf einen solchen Geist, wenn die Leerheit explizit wahrgenommen wird;
- der Illusionskörper auf den subtilsten Energiewind (tib. shin-tu phra-ba’i rlung), die Stütze des Geistes des klaren Lichts, wenn dieser Energiewind in der Form einer Buddha-Gestalt (tib. yi-dam) erscheint.
Da der subtilste Geist nicht von manifestem Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz oder konzeptueller Wahrnehmung begleitet wird, lässt er keine Erscheinung wahrhaft begründeter Existenz entstehen. Wenn also der Geist klaren Lichts manifest ist und sein unterstützender Energiewind in der Form eines Illusionskörpers erscheint, erscheint die oberflächliche wesentliche Natur dieses Illusionskörpers nicht als eine selbst-begründende Natur. Somit können die zwei Wahrheiten, auf diese Weise näher bestimmt, gleichzeitig und auf manifeste Weise entstehen und gültig wahrgenommen werden, was nach den Definitionen der beiden Wahrheiten im Sutra-Kontext nicht möglich ist.
Diese Unterschiede zwischen dem Gebrauch der beiden Wahrheiten im Sutra und im Anuttarayoga-Tantra sind von Bedeutung, wenn es darum geht, akkurate und verzerrte Erscheinungen zu analysieren.
Akkurate und verzerrte Erscheinungen
Bzgl. der Erscheinungsweise (oberflächliche Wahrheit) der geistigen Hologramme, die in der geistigen Aktivität begrenzter bzw. fühlender Wesen – jene, die noch nicht erleuchtet sind – auftauchen, differenziert man die folgenden zwei Arten:
- Was einem weltlichen Geist (tib. ’jig-rten-pa’i blo) erscheint – sprich, die geistige Aktivität von jemandem, der noch kein befreites Wesen, ein Arhat, ist, und die auftritt, wenn die Person nicht auf nichtkonzeptuelle Weise in die Leerheit vertieft ist;
- was in der geistigen Aktivität eines Arhats erscheint, auch wenn er nicht vollkommen auf nichtkonzeptuelle Weise in die Leerheit vertieft ist.
Erinnert euch an folgende Punkte:
- Weltliche geistige Aktivität umfasst immer noch sowohl die Wahrnehmung, dass Phänomene selbst-begründende wesentliche Naturen zu haben scheinen, als auch das Greifen nach ihnen in dem Sinne, dass ihre Existenzweise dieser Wahrnehmung entspricht.
- Ein befreiter Geist nimmt lediglich wahr, dass Phänomene selbst-begründende wesentliche Naturen zu haben scheinen, aber er greift nicht nach ihnen.
Oberflächliche Phänomene, die in weltlicher geistiger Aktivität erscheinen
Bei oberflächlichen Phänomenen, die in weltlicher geistiger Aktivität – sowohl Arten der Wahrnehmung als auch wahrgenommene Objekte – erscheinen, unterscheidet man:
- Akkurate oberflächliche Phänomene (tib. yang-dag-pa’i kun-rdzob);
- verzerrte oberflächliche Phänomene (tib. log-pa’i kun-rdzob).
Akkurate und verzerrte Erscheinungen dessen, was etwas konventionell ist
Was die Erscheinung dessen, was ein oberflächliches Phänomen ist, betrifft, so ist die Erscheinung entweder:
- Akkurat, wie zum Beispiel die Erscheinung eines einzelnen Mondes oder
- verzerrt, wie beispielsweise die Erscheinung von zwei Monden.
Die verzerrte Erscheinung entsteht aufgrund einer oberflächlichen Ursache für Täuschung (tib. ’phral-gyi ’khrul-rgyu), in diesem Fall zum Beispiel, weil wir schielen und unsere Brille nicht tragen.
Wir können jedoch die verzerrte Erscheinung von zwei Monden auf gültige Weise wahrnehmen, wenn wir sie auf akkurate und entschiedene Weise als Erscheinung dessen begreifen, was wie zwei Monde aussieht. Unsere Wahrnehmung der verzerrten Erscheinung wird erst dann zu einer verzerrten Wahrnehmung, wenn wir die Erscheinung aufgrund von fehlerhafter Betrachtung tatsächlich für zwei Monde am Himmel halten.
Was etwas zu sein scheint, hängt jedoch von der Klasse der Wesen ab, die es wahrnehmen, und ist für diese Wesen relativ gesehen akkurat.
- Dies bezieht sich nicht darauf, wie man die Erscheinung betrachtet und bezeichnet. Das geistige Hologramm, das bei der geistigen Aktivität eines Erwachsenen und eines Babys entsteht, kann beispielsweise dasselbe sein, aber der Erwachsene interpretiert das, was er sieht, als eine Uhr, die man am Handgelenk trägt, während das Baby es als Spielzeug wahrnimmt, das man sich in den Mund steckt.
- Die Relativität von Erscheinungen bezieht sich hier auf die unterschiedlichen geistigen Hologramme, zum Beispiel das Hologramm von Wasser in der weltlichen geistigen Aktivität eines Menschen, von Eiter in der geistigen Aktivität eines Klammergeistes und von Nektar in der geistigen Aktivität eines göttlichen Wesens, während sie alle dasselbe konventionelle Objekt betrachten. Da es keine auffindbare, in sich selbst begründete gemeinsame Grundlage gibt – in diesem Fall, dass das Objekt wahrhaft als Wasser begründet ist –, auf die alle schauen, ist jedes geistige Hologramm akkurat für die jeweilige Wesensklasse.
Die akkurate Bestimmung dessen, was etwas konventionell ist, wird durch die ersten beiden der drei von Chandrakirti angeführten Kriterien bestimmt:
- Was erscheint, muss durch die konventionelle, gewöhnliche weltliche Wahrnehmung einer bestimmten Gruppe oder Art von Wesen wohlbekannt bzw. allgemein wahrnehmbar sein, jedoch nicht unbedingt verstanden werden.
- Die Erkenntnis dieser wohlbekannten Erscheinung darf nicht durch einen Geist widerlegt werden, der die oberflächliche Wahrheit gültig wahrnimmt. Dies gilt für die Erscheinung dessen, was etwas ist.
Akkurate und verzerrte Erscheinungen der Existenzweise von etwas
Bezüglich der Erscheinung dessen, wie ein oberflächliches Phänomen existiert, gelten folgende Punkte:
- Die Erscheinung ist immer verzerrt, ob es sich nun um einen einzelnen Mond oder zwei Monde handelt, da sie immer in sich selbst begründet zu sein scheint.
- Die Wahrnehmung der Erscheinung kann jedoch gültig sein, wenn sie die Existenzweise auf akkurate und entschiedene Weise wahrnimmt, die eine Erscheinung von etwas zu sein scheint, das wie eine wahrhaft begründete Existenz aussieht.
- Diese Wahrnehmung ist jedoch immer unter dem Gesichtspunkt verzerrt, dass sie immer nach diesen Erscheinungen selbst-begründender Natur als tatsächliche selbst-begründende Natur greift.
Die Wahrnehmung der Existenzweise ist verzerrt, da sie Chandrakirtis drittes Kriterium für Gültigkeit nicht erfüllt: Die Wahrnehmung der Erscheinung darf nicht von einem Geist widerlegt werden, der die tiefste Wahrheit gültig wahrnimmt. Dies gilt für die Erscheinung dessen, wie etwas existiert.
Die oberflächlichen Phänomene, die in der geistigen Aktivität eines befreiten Wesens erscheinen
Befreite Wesen (Arhats) sind den oberflächlichen Ursachen für Täuschung nicht länger unterworfen, da sie so genannte „geistige Körper“ (tib. yid-lus) und keine physischen Körper haben. Daher werden von ihnen die Erscheinungen dessen, was etwas auf konventioneller Ebene ist, niemals verzerrt wahrgenommen.
[Siehe: Die physischen Körper von Buddhas und Arhats]
Die oberflächlichen Phänomene, die in der geistigen Aktivität eines befreiten Wesens erscheinen, das nicht völlig und nichtkonzeptuell in Leerheit vertieft ist, sind jedoch alle in dem Sinne verzerrt, dass sie in sich selbst begründet zu sein scheinen. Befreite Wesen erkennen diese Erscheinungen gültig als das, was sie sind, haben aber niemals die verzerrte Sicht, dass sie einer tatsächlichen selbst-begründenden Natur entsprechen.
Reine und unreine Erscheinungen
Im buddhistischen Kontext wird die Variable „rein“ (tib. dag) oder „unrein“ (tib. ma-dag) in Bezug darauf angewendet, ob eine Erscheinung verfälscht und mit Makel behaftet ist oder nicht. Makel sind jene Dinge, die aus Unwissenheit herrühren. Rein oder unrein bezieht sich also auf beide Facetten der oberflächlichen Wahrheit eines geistigen Hologramms: was es zu sein scheint und wie es zu existieren scheint.
Reine und unreine Erscheinungen dessen, was etwas konventionell ist
Bezüglich der Erscheinung dessen, was etwas ist, gilt:
- Eine unreine Erscheinung ist wie eine gewöhnliche Umgebung und ein gewöhnlicher Körper, zum Beispiel der eines Menschen. Menschliche Körper entstehen aus Unwissenheit bzgl. des Mechanismus der zwölf Glieder des abhängigen Entstehens.
- Eine reine Erscheinung ist zum Beispiel ein Mandala-Palast und der Körper einer Buddha-Gestalt (tib. yi-dam), wie Avalokiteshvara oder Tara. Diese reinen Erscheinungen entstehen aus Mitgefühl als Mittel, um für das Wohl anderer zu wirken.
- Sowohl unreine als auch reine Erscheinungen dessen, was etwas ist, können akkurat oder inakkurat sein. Inakkurate Erscheinungen wären zum Beispiel ein verschwommen wahrgenommener Umriss einer Person oder von Tara. Akkurate Erscheinungen wären eine scharf umrissene Person oder Tara.
Reine Erscheinungen dessen, was etwas ist, implizieren auch eine Erscheinung, die dem ähnelt, was in unserer geistigen Aktivität erscheint, wenn wir einmal Buddhas geworden sind. Dazu gehören die vier bereinigten Faktoren (tib. rnam-par dag-pa bzhi):
(1) Reine Körper (unser eigener und andere in der Form von Buddha-Gestalten);
(2) Reine Umgebung (ein Mandala-Palast und dessen Umgebung, wie ein reines Land);
(3) Reine Weise der Wahrnehmung von Sinnesobjekten mit Freude (glückseliges Gewahrsein);
(4) Reine Handlungen (erleuchtender Einfluss).
- Andere zur Ruhe bringen;
- andere dazu anregen, zu wachsen, einen klareren Geist und ein warmes Herz zu entwickeln, sich mehr mit positiven Aktivitäten zu beschäftigen usw.;
- andere unter den eigenen Einfluss bringen, damit sie sich in eine positive Richtung bewegen, und anderen helfen, sich zu vereinen und Kraft aus ihren eigenen inneren Ressourcen zu schöpfen, um sich auch dadurch in eine positive Richtung zu entwickeln;
- gefährlichen Situationen, in denen andere durch sich selbst oder andere zu Schaden kommen könnten, energisch Einhalt gebieten.
Im Tantra schreiben wir aufgrund der Faktoren unserer Buddha-Natur unser konventionelles „Ich“ den noch nicht eingetretenen vier bereinigten Faktoren zu und stellen uns vor, dass wir diese jetzt erleben.
Buddhas können in jeder Form erscheinen, um anderen zu nützen, entweder als gewöhnlicher Mensch, Avalokiteshvara oder sogar als Tier oder als Gegenstand wie beispielsweise eine Brücke. Sich selbst in der reinen Form einer Buddha-Gestalt zu visualisieren, hat als eine Methode viele Vorteile, um uns und anderen dazu zu verhelfen, Erleuchtung zu erlangen.
- Unsere gewöhnlichen Formen sind „befleckt“ (tib. zag-bcas). Vasubandhu beschreibt dies so, dass sie aufgrund von Unwissenheit und anderen störenden Emotionen und Geisteshaltungen entstehen und deren weitere Entstehung hervorrufen, verstärken und am Leben erhalten. Die Form einer Buddha-Gestalt ist nicht notwendigerweise unbefleckt (tib. zag-med), da die Möglichkeit besteht, dass wir Tantra mit Anhaftung praktizieren. Solche Formen lösen jedoch nicht so störende Emotionen aus, wie unsere gewöhnlichen Körper es tun. Mit ihnen sind nicht all die störenden Emotionen verbunden, mit denen wir beispielsweise denken: „Ich bin zu klein“; „Ich bin hässlich“, usw.
- Sie verändern sich nicht von Moment zu Moment, sodass sie als eine weniger trügerische, stabilere und subtilere Grundlage für die Meditation über Leerheit dienen, im Gegensatz zu dem sich ständig verändernden, scheinbar soliden Körper als Grundlage für unsere Leerheitsmeditation.
- Alle Arme, Beine, Gesichter usw. stehen für die verschiedenen Faktoren, die wir entwickeln und vervollkommnen wollen, um Erleuchtung zu erlangen, und sie helfen uns, diese Faktoren gleichzeitig im Auge zu behalten.
- Die reine Erscheinung von uns selbst als Buddha-Gestalt ist dem Ergebnis, das wir erreichen wollen, nämlich dem Körper der erleuchtenden Formen (auch Formkörper genannt) eines Buddhas, ähnlicher. Das bedeutet, dass die Formkörper als herbeiführende Ursachen (tib. nyer-len-gyi rgyu) dem Ergebnis ähnlicher sind als Mitgefühl, Bodhichitta und das Netzwerk positiver Kraft. Eine herbeiführende Ursache ist diejenige, die das Resultat in dem Sinne „herbeiführt“, dass sie sich in das Resultat verwandelt und aufhört zu existieren, sobald das Resultat entstanden ist, wie der Spross aus dem Samen. Die visualisierte Buddha-Gestalt auf der Erzeugungsstufe (tib. bskyed-rim) und dann der reine Illusionskörper in der Form einer Buddha-Gestalt auf der Vollendungssstufe (tib. rdzogs-rim) sind die herbeiführenden Ursachen für die Formkörper im Anuttarayoga-Tantra.
Reine und unreine Erscheinungen dessen, wie etwas existiert
Bezüglich der Erscheinung, wie etwas existiert, bedeutet „rein“ hier „bereinigt“; also Erscheinungen, die in bereinigter geistiger Aktivität auftauchen (d.h. eine geistige Aktivität, die eine wahre Beendigung der emotionalen Schleier erreicht hat):
- Eine unreine Erscheinung ist eine Erscheinung, die in der geistigen Aktivität weltlicher Wesen – d.h. Personen mit emotionalen Schleiern, zu denen auch das Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz gehört – entsteht, außer wenn sie völlig in die nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit vertieft sind (tib. mnyam-bzhag). Zu allen anderen Zeiten scheinen die geistigen Hologramme, die in ihrer geistigen Aktivität entstehen, wahrhaft begründete Existenz zu besitzen, welche sie wahrnehmen und nach denen sie greifen, als würden sie der Realität entsprechen. Dies gilt sowohl für die Erscheinungen von gewöhnlichen Körpern als auch von Buddha-Gestalten. Beide sind in Bezug darauf, wie sie zu existieren scheinen, unreine Erscheinungen.
- Eine reine Erscheinung ist eine Erscheinung, die in der geistigen Aktivität von befreiten Wesen oder Buddhas entsteht – jene, die eine wahre Beendigung der emotionalen Schleier erreicht haben. Im Falle von befreiten Wesen, außerhalb der nichtkonzeptuellen völligen Vertiefung in die Leerheit, haben die geistigen Hologramme, die in ihrer geistigen Aktivität entstehen, eine Erscheinung von wahrhaft begründeter Existenz, die sie lediglich wahrnehmen, nach der sie aber nicht greifen. Ein Beispiel dafür ist der reine Illusionskörper des Pfades der Befreiung, der im Anuttarayoga-Tantra auf der Vollendungsstufe der Einheit des Paares erlangt wird: reiner Illusionskörper und eine wahre Beendigung der emotionalen Schleier. Während der völligen Vertiefung in die Leerheit von befreiten Wesen ist die reine Erscheinung ihres Illusionskörper nicht einmal eine Erscheinung wahrhaft begründeter Existenz. Dies ist die Stufe der Einheit des Paares: reiner Illusionskörper und das tatsächliche klare Licht. Buddhas sind ebenfalls befreite Wesen, und sie haben zusätzlich die wahre Beendigung der kognitiven Schleier erlangt. Die reinen Erscheinungen, die in ihrer geistigen Aktivität entstehen, sind niemals eine Erscheinung wahrhaft begründeter Existenz, da sie immer auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft sind. Da reine Illusionskörper nur in der geistigen Aktivität von befreiten Wesen, einschließlich Buddhas, erscheinen, sind sie immer akkurat in Bezug darauf, was sie zu sein scheinen.
Befleckte oder unbefleckte Erscheinungen
Die Definition der Variable „befleckt” (tib. zag-bcas) oder „unbefleckt” (tib. zag-med) im Gelug-Prasangika ist einzigartig. Es ist eine Variable, die in Bezug auf die Erscheinung, wie etwas existiert, festgelegt ist:
- Befleckte Phänomene – Phänomene, die mit einer Erscheinung wahrhaft begründeter Existenz vermischt sind, wie die Aggregate von jemandem, der nicht auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft ist. Dazu gehören sowohl die kognitiven Objekte als auch die Arten, wie diese wahrgenommen werden, die in der geistigen Aktivität einer solchen Person erscheinen.
- Unbefleckte Phänomene – Phänomene, die nicht mit einer Erscheinung wahrhaft begründeter Existenz vermischt sind, wie die Aggregate von jemandem, der auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft ist. Zu solchen Personen gehören alle Aryas, Arhats und Buddhas, wenn sie auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft sind, unabhängig davon, ob sie diese Vertiefung auf der Sutra-Ebene oder in einer der vier Klassen der Tantra-Praxis erlangen.
Bezüglich der Erscheinungen, wie etwas existiert, gilt:
- Wenn es eine befleckte Erscheinung davon ist, wie etwas existiert (d.h. mit einer Erscheinung von wahrhaft begründeter Existenz einhergehend), kann es eine unreine Erscheinung davon sein, wie etwas existiert, die in der geistigen Aktivität eines weltlichen Wesens entsteht, wenn es nicht auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft ist. Alternativ kann es eine reine Erscheinung davon sein, wie etwas existiert, z.B. die Erscheinung eines reinen Illusionskörper auf dem Pfad der Befreiung eines befreiten Arhats, auch wenn ein solches Wesen nicht auf nichtkonzeptuelle vollkommen in die Leerheit vertieft ist. Sowohl reine als auch unreine Erscheinungen dessen, was etwas ist (eine Buddha-Gestalt oder ein Mensch), können befleckt sein (d.h. als wahrhaft begründet erscheinen).
- Wenn es eine unbefleckte Erscheinung dessen ist, wie etwas existiert (ohne den Anschein wahrhaft begründeter Existenz), kann es keine unreine Erscheinung dessen sein, wie etwas in der geistigen Aktivität eines weltlichen Wesens existiert. Genauso wenig kann es eine reine Erscheinung dessen sein, wie etwas in der geistigen Aktivität eines befreiten Wesens existiert, wenn es nicht auf nichtkonzeptuelle Weise in die Leerheit vertieft ist.
- Sowohl reine als auch unreine Erscheinungen dessen, was etwas ist (eine Buddha-Gestalt oder ein Mensch), können befleckt oder unbefleckt sein, je nachdem, ob die Person vollkommen auf nichtkonzeptuelle Weise in die Leerheit vertieft ist oder nicht.
Die Erscheinungen von Samsara und Nirvana
Was ist Samsara?
Samsara bezieht sich auf die unkontrolliert wiederkehrende Wiedergeburt unter dem Einfluss störender Emotionen und Geisteshaltungen sowie karmischer Impulse, die alle aus der Unwissenheit darüber herrühren, wie Personen (wir selbst und andere) existieren; mit anderen Worten, eine inakkurate und widersprüchliche Wahrnehmung dessen, wie Personen existieren. Da Personen und alle Phänomene auf dieselbe Weise existieren, bezieht sich dies auf die Unwissenheit der Leerheit aller Phänomene.
Samsarische Erscheinungen treten also nur in weltlicher geistiger Aktivität auf – der geistigen Aktivität derjenigen, die noch nicht von Samsara befreit sind und die entstehen, wenn sie nicht auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft sind. Weltliche geistige Aktivität beinhaltet sowohl die Wahrnehmung wahrhaft begründeter Existenz als auch das Greifen nach ihr.
Samsarische Erscheinungen
In Bezug auf die Erscheinungen dessen, wie Phänomene existieren, sind alle samsarischen Erscheinungen befleckt, da sie alle eine wahrhaft begründete Existenz hervorbringen und diese wahrnehmen.
Da alle samsarischen Erscheinungen auch mit einem Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz einhergehen, sind sie alle aus dieser Sicht verzerrt. Beachtet folgende Punkte:
- Manchmal gehen samsarische Erscheinungen sowohl mit manifester Wahrnehmung von, als auch mit manifestem Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz einher, wie z.B. bei der konzeptuellen Wahrnehmung von gewöhnlichen Wesen und Aryas, die noch keine Arhats sind.
- Manchmal gehen sie sowohl mit manifester Wahrnehmung als auch mit schlafendem Greifen einher, wie bei der nichtkonzeptuellen Sinneswahrnehmung von gewöhnlichen Wesen und Aryas, die noch keine Arhats sind.
- Wenn Aryas, die noch keine Arhats sind, jedoch auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft sind und somit sowohl auf inaktive Weise wahrnehmen als auch auf inaktive Weise greifen, ist die entstehende Erscheinung nicht samsarisch.
Bzgl. der Erscheinungen dessen, was ein Phänomen ist, so können samsarische Erscheinungen folgendes sein:
- Rein (der Körper einer Buddha-Gestalt) oder unrein (ein menschlicher Körper);
- diese können jeweils akkurat (ein vierarmiger Avalokiteshvara oder ein menschlicher Körper) oder verzerrt (ein dreiarmiger Avalokiteshavara, der vierarmig zu sein scheint, oder eine Vogelscheuche, die ein Mensch zu sein scheint) sein.
Was ist Nirvana?
Beim Nirvana unterscheidet man zwei Hauptarten:
- das natürliche Nirvana (tib. rang-bzhin-gyi mya-ngan ’das) – die Leerheit von wahrhaft begründeter Existenz aller Phänomene;
- das erlangte Nirvana (tib. thob-pa’i mya-ngan ’das) – der Zustand der Befreiung von Samsara, entweder als Arhat oder Buddha.
Für ein Arhat beinhaltet das erlangte Nirvana die folgenden zwei Punkte:
- Nirvana ohne Überrest (tib. lhag-med-pa’i mya-ngan-’das) – ihr Zustand während der nicht-begrifflichen vollkommenen Vertiefung in die Leerheit von wahrhaft begründeter Existenz, wenn es keine Wahrnehmung von oder Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz gibt;
- Nirvana mit Überrest (tib. lhag-bcas-pa’i mya-ngan ’das) – ihr Zustand während der Phase der nachfolgenden Verwirklichung der Meditation, wenn sie eine Wahrnehmung von wahrhaft begründeter Existenz haben, aber kein Greifen danach.
Das erlangte Nirvana eines Buddhas wird als nichtverweilendes Nirvana (tib. mi-gnas-pa’i mya-ngan ’das) bezeichnet, da er weder im Extrem von Samsara noch im Extrem des inaktiven Nirvanas der Arhats verweilt. Die geistige Aktivität von Buddhas beinhaltet zu keinem Zeitpunkt die Wahrnehmung von oder dem Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz. Wie wir gesehen haben, nehmen allwissende Buddhas alle oberflächlichen Phänomene wahr, jedoch keine oberflächlichen Wahrheiten, da sich diese auf eine oberflächliche wesentliche Natur beziehen, die eine in sich selbst begründete Natur zu sein scheint.
Bei Buddhas umfasst das nichtverweilende Nirvana diese beiden Punkte:
- Nirvana ohne Überrest – der Dharmakaya des tiefen Gewahrseins eines Buddhas (tib. ye-shes chos-sku, Skt. jñānadharmakāya);
- Nirvana mit Überrest – der Körper der erleuchtenden Formen eines Buddhas.
Nirvanische Erscheinungen
Sowohl Arhats als auch Buddhas erfahren die Erscheinungen des natürlichen Nirvana, denn wenn sie auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit von wahrhaft begründeter Existenz vertieft sind, greift keiner von ihnen nach wahrhaft begründeter Existenz, weder auf manifeste noch auf inaktive Weise.
Wenn Aryas, die noch keine Arhats sind, auf nichtkonzeptuelle Weise vollkommen in die Leerheit vertieft sind, greifen sie immer noch auf inaktive Weise nach wahrhaft begründeter Existenz. Obwohl die Erscheinung der Leerheit, die in ihrer Meditation entsteht, unbefleckt ist, ist sie deshalb weder rein (mit einer wahren Beendigung der emotionalen Schleier) noch unrein (mit einer Erscheinung wahrhaft begründeter Existenz). Es ist eine nirvanische Erscheinung nur vom Standpunkt des natürlichen Nirvana aus, aber nicht vom Standpunkt des erlangten Nirvana.
Nur Arhats und Buddhas erfahren jedoch das erlangte Nirvana.
- Arhats erlangen eine wahre Beendigung der emotionalen Schleier und damit eine wahre Beendigung des Greifens nach wahrhaft begründeter Existenz.
- Buddhas erlangen ebenfalls eine wahre Beendigung der kognitiven Schleier und damit eine wahre Beendigung der Wahrnehmung von wahrhaft begründeter Existenz.
Erscheinungen des erlangten Nirvana sind also solche, denen jegliches Greifen nach wahrhaft begründeter Existenz fehlt, ob manifest oder inaktiv. Arhats und Buddhas erfahren diese durchgehend. Die Erscheinungen dessen, wie die Dinge existieren, die in ihrer geistigen Aktivität entstehen, sind immer rein.
Bedenkt, dass Buddhas aus Mitgefühl heraus in jeder Form erscheinen können, um anderen zu helfen, sei es als Mensch, Buddha-Gestalt oder sogar als Brücke. Diese Formen sind alle im Körper der erleuchtenden Formen eines Buddhas enthalten. Selbst wenn ein Buddha als gewöhnlicher Mensch erscheint, ist dies eine Erscheinung des Nirvana eines Buddhas mit Überrest und somit eine reine Erscheinung, keine unreine.
Fazit
Es gibt eine große Anzahl von Permutationen, wenn wir die logischen Durchdringungen zwischen den Variablen von akkuraten und verzerrten, reinen und unreinen, befleckten und unbefleckten sowie samsarischen und nirvanischen Erscheinungen von kognitiven Objekten und Arten der Erkenntnis herausarbeiten. Wenn wir diese Durchdringungen entweder selbst oder in der Diskussion mit anderen erarbeiten, zeigt sich die breite Palette der Erscheinungen, die in der geistigen Aktivität auftreten. Sie alle haben jedoch ein gemeinsames Merkmal, das geistige Aktivität kennzeichnet: Alle sind Beispiele für „bloße Klarheit und Gewahrsein“.