Karma-Impulse von Körper, Rede und Geist

Kurzer Rückblick  

In der ersten Sitzung gab es eine Einführung zum Thema „Karma: Wer trägt die Schuld?“ Wir haben gesehen, dass die Herangehensweise, der wir folgen sollten, eine analytische ist, mit der wir jede der drei Komponenten untersuchen: Karma, das Selbst und die Schuld. Wollen wir ein harmonisches Bild davon bekommen, wie diese drei zusammenhängen, ist es notwendig, sie von der Sichtweise eines Systems zu analysieren, denn es gibt zwei Erklärungen zum Karma, die in der tibetischen Tradition studiert werden. Eine ist mit der Sicht des Sautrantika und Chittamatra verbunden und die andere mit der Sicht des Vaibhashika und Madhyamaka. 

Da man die tiefste Sicht in Bezug auf das Selbst im Prasangika-System innerhalb des Madhyamaka findet, muss sie, wenn man sie mit Karma verbinden will, mit der Prasangika-Sicht des Karma kombiniert werden. Obwohl alle tibetischen Schulen der Madhyamaka-Darstellung des Karma der indischen buddhistischen Meister zustimmen, unterscheiden sie sich in ihren Interpretationen von der Prasangika-Sicht der Wirklichkeit. Daher werden wir von diesen Sichtweisen die Gelugpa-Sicht erklären. 

Wir haben auch erwähnt, dass sich Karma auf karmische Impulse – karmische Impulse des Körpers, der Rede und des Geistes – bezieht. Alle drei Varianten können destruktiv, konstruktiv oder unspezifisch sein. Der Begriff „unspezifisch“ bedeutet, dass es in beide Richtungen gehen kann. 

Der entscheidende Punkt, den ich hier hervorheben möchte, ist, dass Karma mit Zwanghaftigkeit verbunden ist. Diese Zwanghaftigkeit bezieht sich auf die Weise, wie wir denken, sprechen und handeln. Wir nehmen diesen Zwang als etwas wahr, das sich außerhalb unserer Kontrolle befindet, denn er steht unter dem Einfluss starker Gewohnheiten, die von unseren störenden Emotionen und durch unser Greifen nach einem wahrhaft existierenden, selbst-begründeten „Ich“ angetrieben werden.

Karmische Impulse des Geistes 

Es gibt eine lange Liste von Geistesfaktoren, die unsere Wahrnehmung von Dingen begleiten. Einige von ihnen bezeichnen wir vielleicht als mechanisch, weil sie Teil des Mechanismus sind, wie wir Dinge erkennen – zum Beispiel Aufmerksamkeit, Interesse, Konzentration und diese Dinge. Karmische Impulse des Geistes beziehen sich auf einen dieser mechanischen Geistesfaktoren, einen geistigen Drang (tib. sems-pa). Andere Geistesfaktoren umfassen unsere Emotionen, sowohl die positiven als auch die negativen.

Definition

Ein geistiger Drang wird als der Geistesfaktor definiert, der eine der Bewusstseinsarten zusammen mit ihren anderen begleitenden Geistesfaktoren einem Objekt zuführt. Es ist ein zwingender Drang, über den wir, wenn er auftritt, keine Kontrolle haben. Es gibt zwei Arten zwingender geistiger Dränge: wirksame Dränge und bemühende Dränge. Wirksame zwingende Dränge treiben ein Sinnesbewusstsein an, ein Objekt zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken oder es physisch wahrzunehmen, oder sie treiben ein geistiges Bewusstsein an, an ein Objekt zu denken. Im Gegensatz zu wirksamen Drängen erfordern bemühende Dränge eine bewusste Bemühung.

Wirksame Dränge sind keine karmischen Impulse des Geistes. So treibt beispielsweise der unkontrollierbare Drang unser geistiges Bewusstsein zu einem äußeren Objekt des geistigen Abschweifens, wenn wir in der Meditation sitzen und versuchen, uns auf unseren Atem auszurichten. 

Was ist es, das den Geist antreibt, an etwas zu denken? Erkennen wir, wie zwanghaft es ist? Es geschieht außerhalb jeder Kontrolle, dass wir beginnen an etwas zu denken. Es könnte etwas Destruktives sein, wie darüber nachzudenken, sich über diese oder jene Person zu ärgern, oder es könnte etwas Konstruktives sein, wie der Gedanke daran, dass alle so nett sind und wir jemanden mögen. Es könnte auch einfach etwas Neutrales sein, wie die Frage, was es wohl zum Mittag geben wird? Es ist schon erstaunlich, wie unkontrolliert unser Denken doch ist. 

Das ist es, was ich meine, wenn ich diesen Geistesfaktor eines Dranges als zwanghaft beschreibe. Er lenkt unsere Aufmerksamkeit einfach ab, wenn wir zum Beispiel meditieren. Natürlich ist an jeder Handlung des Geistes Energie beteiligt, doch wir sprechen hier über einen Geistesfaktor, der mit der Weise verbunden ist, wie unsere geistige Aktivität aus Sicht der Bemühung tätig ist. 

Zwingende wirksame geistige Dränge entstehen in jedem Augenblick und treiben unser Bewusstsein zusammen mit seinen begleitenden Geistesfaktoren an, ihr nächstes Objekt zu erfassen. Wie gesagt sind dies keine karmischen Impulse des Geistes. Im Prasangika-System beziehen sich karmische Impulse des Geistes spezifisch auf die zwingenden bemühenden geistigen Dränge, die das konzeptuelle geistige Bewusstsein antreiben, darüber nachzudenken, etwas zu jemanden zu sagen oder mit jemanden oder einer Sache zu tun, während man sich auf diese Person oder Sache fokussiert. Nur diese Arten der zwingenden Dränge sind karmische Impulse für karmische Handlungen des Geistes.

Obwohl die zwingenden geistigen Dränge, die den Körper oder die Rede antreiben, eine karmische Handlung des Körpers oder der Rede zu begehen, bemühende Dränge sind, werden sie in diesem System nicht als karmische Impulse betrachtet und sind keine karmischen Impulse für die karmische Handlung des Körpers oder der Rede. In den Systemen des Chittamatra und des Sautrantika werden solche bemühenden geistigen Dränge auf der anderen Seite als damit verbundene karmische Impulse klassifiziert.

Destruktive Handlungen des Geistes

Manchmal gibt es ein wenig Verwirrung über diesen zwingenden Geistesfaktor bezüglich karmischer Handlungen des Geistes und daher werden wir als Beispiele kurz die drei destruktiven Arten der geistigen Aktivität erwähnen – begehrliches Denken an etwas, boshaftes Denken an etwas, und verzerrtes, feindseliges Denken an etwas. Diese geistigen Aktivitäten sind Gedankenströme, die in Bezug auf das Begehen einer Handlung mit jemanden oder etwas entstehen – mit einer bestimmten Gruppe störender Emotionen und Geisteshaltungen daran zu denken, etwas mit jemandem oder einem Objekt zu tun oder etwas zu jemandem zu sagen. Sie sind nicht nur ein Gedankenmoment. In jedem Fall treibt ein zwingender geistiger Drang das geistige Bewusstsein und eine bestimmte Gruppe begleitender Geistesfaktoren zu dieser Person oder Objekt hin und bringt es dazu, darüber nachzudenken und zu entscheiden, etwas zu ihnen zu sagen oder mit ihnen zu tun. 

Die Arten destruktiver Denkweisen, die wir haben, wenn wir planen etwas zu tun, sind folgende: 

  1. Mit begehrlichem Denken fragen wir uns: „Sollte ich versuchen, diese Sache zu bekommen, die ich für so toll halte und von der ich meine, dass sie mich glücklich machen wird?“ Hier kann es auch darum gehen, darüber nachzudenken, wie wir sie bekommen können. Wir kommen zu einer Schlussfolgerung, wenn wir uns entscheiden, dass wir daran arbeiten werden, etwas zu bekommen und das kann auch mit einschließen, was wir tun werden, um es zu bekommen. Das ist ein Gedankengang des begehrlichen Denkens. Diese destruktive Denkweise wird durch sehnsüchtiges Verlangen angetrieben, mit dem wir uns etwas wünschen, was wir nicht haben. Sie ist mit Anhaftung verbunden, da wir planen, daran festzuhalten und es nicht zu teilen, sowie mit Gier, weil wir sogar noch mehr haben wollen. 
  2. Mit boshaftem Denken fragen wir uns: „Diese Person hat etwas Schlechtes zu mir gesagt und ich mag das nicht. Soll ich ihr im Gegenzug auch etwas Schlechtes sagen und wenn ja, was kann ich sagen, das sie verletzen wird?“ Wir gehen den Vorgang des Entscheidens durch, ob wir etwas Verletzendes sagen sollen, und wenn wir uns dafür entscheiden, was wir sagen könnten. Diese Denkweise wird durch Wut und Feindseligkeit angetrieben. 
  3. Mit der verzerrten, feindseligen Geisteshaltung denken wir nicht einfach nur auf fehlerhafte Weise, wie, dass es keinen Wert hat, zu meditieren oder irgendeine spirituelle Praxis zu machen. Sie ist ebenfalls ziemlich feindselig und abweisend. Was eine Person entscheidet, ist in diesem Fall, ob sie ihrem Partner oder Kind sagen soll, dass spirituelle Praxis eine völlige Zeitverschwendung ist und sie es besser lassen sollten. Oder es mag darum gehen zu entscheiden, ob man evidenzbasierte Realität als Falschinformation ablehnen und eine „alternative Realität“ annehmen sollte, mit dem Glauben, im Recht zu sein. Das ist verzerrtes und feindseliges Denken und beruht auf Naivität und engstirniger Unwissenheit. Ein anderes Beispiel besteht darin zu entscheiden: „Sollte ich aufhören zu meditieren, weil es völlige Zeitverschwendung ist und mich nirgendwohin führt?“ Darum geht es bei dieser Art des Denkens.  

Konstruktive Handlungen des Geistes

Konstruktives Denken ist das Gegenteil dieser destruktiven Formen der geistigen Aktivität. Wir mögen eine Person anschreien wollen, aber denken darüber nach, ob wir es lieber lassen sollten, weil wir wissen, dass es zu noch mehr Problemen führen wird, und so entscheiden wir uns, es zu unterlassen. Das ist ein Beispiel einer geistigen Aktivität, die konstruktiv wäre. 

Unspezifische Handlungen des Geistes

Was unspezifische Gedankengänge betrifft, würde ein Beispiel darin bestehen, zu entscheiden, ob man jetzt zum Mittagessen gehen sollte. Das ist weder positiv noch negativ, abhängig von unser Motivation und was immer sonst sich in unserem Geist bezüglich des Mittagessens abspielt. In all diesen Fällen ist die geistige Handlung auch unvollständig, wenn unsere Abfolge von Gedanken nicht zu einer Schlussfolgerung kommt und wir keine Entscheidung treffen. Sie führt nicht zu einer entschiedenen Handlung des Körpers oder der Rede.

Sorgen

Das gebräuchlichste Beispiel destruktiven und unproduktiven Denkens ist, sich Sorgen zu machen. Wir sorgen uns, was passieren wird und was wir tun sollten, und das setzt sich einfach immer weiter fort und kommt nie zu einer entschiedenen Schlussfolgerung. Es ist ziemlich leidvoll und kein wirklich glücklicher Geisteszustand. Das Problem ist nicht das Denken und Versuchen, sich zu entscheiden, was wir ja tun sollten, sondern die zwanghafte Sorge, die mit diesem Vorgang einhergeht und mit der wir nie zu einer Entscheidung kommen, was wir tun könnten, um diese Sorge zu mindern.

Wir müssen das Problem korrekt identifizieren. Wir sollten es nicht nur als Denken sehen, sondern als die Zwanghaftigkeit, die wir nicht kontrollieren können. Es gibt bestimmte Entscheidungen, über die wir nachdenken müssen, doch wir sollten diesen Geisteszustand vermeiden, mit dem wir uns vor lauter Sorgen davontragen lassen. Die zwingenden geistigen Dränge, die solche zwanghaften sorgenvollen Gedanken antreiben, sind die karmischen Impulse des Geistes. 

Zwei Arten karmischer Impulse des Geistes  

Es gibt zwei Arten karmischer Impulse des Geistes: einen auslösenden karmischen Impuls des Geistes (tib. sems-pa’i las) und einen bloßen karmischen Impuls des Geistes. 

  • Ein auslösender karmischer Impuls des Geistes ist ein bemühender geistiger Drang, der eine geistige Handlung antreibt, mit der wir zu einem Entschluss kommen, tatsächlich etwas gegenüber jemanden zu sagen oder zu tun oder tatsächlich etwas mit einem Objekt zu tun. Wir können auch zu dem Entschluss kommen, nichts zu sagen oder zu tun. Es ist egal, ob die körperliche oder verbale Handlung überhaupt ausgeführt wird oder nicht. 
  • Ein bloßer karmischer Impuls des Geistes ist ein bemühender geistiger Drang, der solch eine geistige Handlung antreibt, mit der wir zu keinem Entschluss kommen.  

Wenn ich zum Beispiel darüber nachdenke, ob ich dir etwas Schlechtes sagen soll und mich entscheide, es zu tun, war der karmische Impuls des Geistes, der diesen Gedankengang hervorgebracht hat, ein auslösender. Das trifft zu, ob ich nun tatsächlich etwas sage oder nicht. Denken wir darüber nach, etwas zu sagen und kommen zu keiner Entscheidung, wurde der Gedankengang darüber durch einen bloßen karmischen Impuls des Geistes hervorgerufen. 

Begleitende Geistesfaktoren 

Zwingende geistige Dränge, ob wirksame oder bemühende, ob karmische oder nicht, ob auslösende oder nicht, werden stets durch andere Geistesfaktoren begleitet. Was wirksame Dränge betrifft, so ziehen sie diese Geistesfaktoren mit sich zu einem Objekt und was bemühende Dränge betrifft, so begleitenden die Geistesfaktoren lediglich den Drang, der das geistige Bewusstsein antreibt, darüber nachzudenken und zu entscheiden, etwas zu tun oder zu sagen.  

Was bemühende karmische Impulse betrifft, ob karmische oder nicht, gibt es drei wesentliche Geistesfaktoren, die den so genannten „geistigen Rahmen“ (tib. bsam-pa) ausmachen. In Bezug auf den karmischen Impuls des Geistes, der eine Handlung des Geistes hervorbringt, darüber nachzudenken, etwas zu tun oder zu sagen, damit wir zu einem Entschluss kommen, handelt es sich dabei um Folgende: 

  • Die Absicht (tib. ’dun-pa) ist der Wunsch oder die Absicht, etwas bestimmtes gegenüber einer spezifischen Person oder einem Objekt zu tun, wie darüber nachzudenken, etwas Schlechtes zu anderen zu sagen, was sie verletzen wird.  
  • Sie erfordert den Geistesfaktor des auseinanderhaltenden Gewahrseins (tib. ’du-shes), um die bestimmte Person oder das Objekt von anderen zu unterscheiden und die beabsichtigte Handlung mit diesem Objekt von anderen Handlungen zu unterscheiden, wie dieser Person und nicht jener etwas Schlechtes und nicht etwas Nettes zu sagen. 
  • Es muss auch eine störende Emotion geben – wenn wir beabsichtigen, dieser Person etwas Schlechtes zu sagen, ist die begleitende Emotion Feindseligkeit und Wut. 

Werden wir jemandem etwas Nettes sagen, wäre die begleitende Emotion eine befleckt konstruktive Emotion, wie Liebe, der Wunsch jemand möge glücklich sein. Die Emotion ist befleckt, weil es eine Erscheinung selbst-begründeter Existenz (tib. rang-bzhin-gyis grub-pa) gibt, die sie begleitet. In diesem Fall des karmischen Dranges, darüber nachzudenken, jemandem etwas Nettes zu sagen, projiziert unser Geist beispielsweise durch die ständige Gewohnheit des Greifens nach selbst-begründeter Existenz die Erscheinung eines soliden „Ichs“, eines soliden „Du“ und einer soliden Handlung etwas Nettes zu sagen, wobei jede als eine unabhängige, selbst-begründete Entität existiert. Zusätzlich greifen wir nach diesen Erscheinungen, als würden alle drei tatsächlich so existieren. Unser Geist projiziert auch die Erscheinung eines soliden Resultats, also glücklich darüber zu sein, welches bereits innerhalb des karmischen Dranges und der Handlung festgeschrieben existiert und wir greifen danach, dass diese Erscheinung wahr ist. Außerdem projiziert unser Geist die Erscheinung eines anderen soliden Resultats, wenn wir dieser Person etwas Nettes sagen, nämlich dass wir dadurch als ein guter Mensch dastehen, weil wir die Person glücklich gemacht haben, und wir glauben, dass dem so sei. Auf diese Weise sind unser konstruktiver karmischer Impuls, unsere begleitende konstruktive Emotion und die sich daraus ergebende konstruktive Handlung allesamt befleckt. 

Zum Beispiel gibt es Menschen, die in einer Beziehung zu jemandem stehen, sich aber diesbezüglich nicht sicher sind. Daher müssen sie zwanghaft immer wieder sagen: „ich liebe dich“ und fordern ihren Partner damit indirekt auf, ihnen mit „ich liebe dich auch“ zu antworten. Unbewusst projizieren und glauben sie, wenn sie dies sagen und die andere Person darauf erwidert, es würde beweisen, dass die Beziehung real ist. 

Es aus Liebe zu sagen ist konstruktiv und es ist nichts Destruktives daran, „ich liebe dich“ zu sagen oder dies von einer anderen Person zu hören. Geschieht es jedoch zwanghaft und beruht auf der Unsicherheit gegenüber dem „Du“, dem „Ich“ und „unserer Beziehung“, führt es nur zu Leiden. Egal wie oft wir es sagen, es wird uns nie zufriedenstellen und wir werden es immer wieder sagen und hören wollen. Es wird unsere Unsicherheit nie besiegen, die auf dem Greifen nach selbst-begründeter Existenz, besonders in Bezug auf uns, auf das „Ich“ gründet.

Sich unsicher zu fühlen ist ein Anzeichen des Greifens nach einem soliden „Ich“ 

Ein Gefühl der Unsicherheit weist darauf hin, dass wir dieses Greifen nach einem soliden, selbst-begründeten „Ich“ haben. Der ist ein ausgesprochen wichtiger Punkt.

Warum fühlen wir uns unsicher? Weil wir uns auf ein erfundenes, wahrhaft existierendes, selbst-begründetes „Ich“ fokussieren, welches sich auf nichts Reales bezieht. Es gibt kein „Ich“, das als etwas begründet werden kann, was unabhängig von allem anderen existiert. Das ist das falsche „Ich“. Wir fühlen uns unsicher in Bezug auf dieses falsche „Ich“ und versuchen immer, ihm Sicherheit zu geben. Wir machen uns in Form von diesem falschen „Ich“ Sorgen und wollen, dass Menschen uns lieben. Wir wollen „Likes“ auf unserer Facebook-Seite und es können nie genug sein. Diese Unsicherheit ist ein Zeichen dafür, dieses Greifen nach einem soliden „Ich“ zu haben. Doch es ist unmöglich, diesem falschen „Ich“ jemals Sicherheit zu geben, denn das falsche „Ich“ entspricht nichts Realem. Wir sind uns jedoch unbewusst über diese Tatsache. 

Vielleicht denken wir: „Ich bin jung, gesund und attraktiv, und das wird immer so sein.“ Das ist natürlich unmöglich und dann fühlen wir uns unsicher deswegen. Wir meinen, es allen beweisen zu müssen und machen uns Sorgen, dass wir verlieren werden. Wir sorgen uns um etwas, was wir unmöglich absichern können und daher fühlen wir uns unsicher. Das Leben bringt Veränderungen und alles ist unbeständig.

Karmische Impulse des Körpers und der Rede 

Das war die Prasangika-Sicht der karmischen Impulse des Geistes, die zwingende geistige Dränge sind. Sie können auslösende geistige Dränge oder bloße geistige Dränge sein. Lasst uns nun über die Prasangika-Sicht der erzwungenen karmischen Impulse des Körpers und der Rede sprechen. 

Erzwungene karmische Impulse des Körpers und der Rede sind laut dieser Sicht Formen physischer Phänomene, die durch zwingende nicht-karmische bemühende geistige Dränge angetrieben werden. Sie sind keine Geistesfaktoren. Es gibt zwei Arten physischer Phänomene, die mit Handlungen des Körpers oder der Rede verbunden sind – eine offenbarende Form (tib. rnam-par rig-byed-kyi gzugs) und eine nicht-offenbarende Form (tib. rnam-par rig-byed ma-yin-gyi gzugs). Von jedem gibt es zwei: einen ausgelösten karmischen Impuls (tib. bsam-pa’i las) des Körpers oder der Rede und einen bloßen karmischen Impuls des Körpers oder der Rede. 

  • Ein ausgelöster karmischer Impuls des Körpers oder der Rede ist einer, dem eine geistige Handlung vorangegangen ist, die durch einen auslösenden karmischen Impuls des Geistes angetrieben wurde, und mit dem man somit zu einem Entschluss gekommen ist, die körperliche oder verbale Handlung umzusetzen.  
  • Ein bloßer karmischer Impuls des Körpers oder der Rede ist einer, dem keine solche geistige Handlung vorangegangen ist. 

Einfache Erklärung offenbarender und nicht-offenbarender Formen physischer Phänomene

Alle physischen und verbalen Handlungen haben eine offenbarende Form, eine manifeste, offensichtliche Form, die sich anderen zeigt und auch den ethischen Status des Bewusstseins offenbart, das sie entstehen lässt. Diese offenbarende Form ist die Bewegung des Körpers als eine Methode zum Umsetzen der körperlichen Handlung oder die Äußerung von Wortlauten als eine Methode zum Umsetzen der verbalen Handlung. Die Formen, welche die Bewegung des Körpers annehmen oder die Laute, welche die Äußerungen der Rede machen, offenbaren sich so, dass sie gesehen oder gehört werden können. Sie offenbaren auch den ethischen Status des Bewusstseins, das sie hervorbringt. Eine einfache Erklärung ist folgende: Weil die offenbarende Form gesehen oder gehört werden kann, gibt sie anderen zu erkennen, dass der Geist der Person, welche die Form mit ihrem Körper oder ihrer Rede erzeugt, unter dem Einfluss einer konstruktiven Emotion, einer destruktiven Emotion oder einer unspezifischen Geisteshaltung steht. Sie kann jedoch nicht die spezifische Emotion oder Geisteshaltung offenbaren, die das Bewusstsein begleitet.

Die nicht-offenbarende Form ist in etwa wie ein körperlicher Eindruck oder ein „Muskelgedächtnis“, wenn die Energie der motivierenden Emotion der körperlichen oder verbalen Handlung stark ist. Sie ist verschleiert und nicht offensichtlich; sie kann nicht gesehen oder gehört, sondern nur durch den Geist erkannt werden und sie macht diese motivierende Emotion für andere nicht erkennbar. Sie wirkt, indem sie weitere kurzfristige Wiederholungen der Handlung erzeugt – zum Beispiel schlechte oder nette Worte gegenüber jemandem zu wiederholen.

Das ist die erste Ebene der Erklärung. Die karmischen Impulse unserer physischen oder verbalen Handlungen sind sowohl offenbarende als auch nicht-offenbarende Formen. Das hört sich zwar nett an, doch wenn wir darüber reden oder es hören und mit dem Analysieren beginnen, müssen wir etwas tiefer gehen. Wir wollen nicht einfach nur in der Lage sein, durch ein intellektuelles Verständnis Definitionen aufzusagen, die wir nicht wirklich verstehen. Uns geht es vielmehr darum, diese Zwei in unserer eigenen Erfahrung identifizieren zu können, denn sie sind das, was wir loswerden wollen. Es ist nicht einfach nur interessant zu hören, was sie bedeuten. Wir wollen sie wirklich verstehen, denn Karma ist ein Unruhestifter.

Karmische Impulse sind nicht dasselbe wie karmische Handlungen 

Wie wir bereits besprochen haben, ist ein karmischer Impuls nicht dasselbe wie eine karmische Handlung. Was karmische Handlungen des Geistes betrifft, so ist der bemühende karmische geistige Drang das, was das geistige Bewusstsein und die begleitenden Geistesfaktoren antreibt, über eine bestimmte Handlung des Körpers oder der Rede nachzudenken und sich zu entschließen, sie auszuführen. Somit treibt der zwingende karmische Drang die karmische Handlung des Geistes an, doch er ist keine wirkliche Komponente der Handlung. In einfachen Worten ist der Drang, der unser Denken antreibt, nicht das Denken selbst. 

Eine Handlung dauert nicht nur eine Mikro-Sekunde an. Sie ist etwas, das sich über eine Abfolge von Momenten erstreckt. Als wir über den zwingenden karmischen Drang, über etwas nachzudenken, gesprochen haben, ging es dabei nicht nur um den zwingenden Drang, zu beginnen über etwas nachzudenken. Es handelt sich auch um den zwingenden Drang, in jedem Augenblick diese Gedankenkette fortzusetzen und den zwingenden Drang am Ende, den Gedanken zu beenden und zu beginnen, an etwas anderes zu denken. Sie umfasst die gesamte Abfolge. 

In ähnlicher Weise ist der nicht-karmische bemühende geistige Drang, der den Körper oder die Rede antreibt, eine karmische Handlung des Körpers oder der Rede zu begehen, nicht die karmische Handlung selbst. Und wie bei Handlungen des Geistes gibt es eine Abfolge nicht-karmischer Dränge, damit zu beginnen, weiterzumachen oder aufzuhören, etwas zu tun oder zu denken. 

Sowohl bei karmischen Handlungen des Geistes als auch bei karmischen Handlungen des Körpers und der Rede ist der Strom bemühender geistiger Dränge, der das Bewusstsein und die begleitenden Geistesfaktoren während der Handlung antreibt, nicht dasselbe wie die karmische Handlung, die sie beginnt, fortführt und beendet. Der bemühende geistige Drang ist die gleichzeitig auftretende Ursache (tib. lhan-cig ’byung-ba’i rgyu) der karmischen Handlung als dessen Resultat. Wie im Fall der Bestandteile eines materiellen Objektes und des materiellen Objektes selbst, tragen hier die Ursache und die Auswirkung gegenseitig zur Erzeugung des anderen bei. Es kann keine karmische Handlung geben, die unabhängig von einem bemühenden geistigen Drang entsteht und existiert, der das Bewusstsein und die begleitenden Geistesfaktoren antreibt, ihn auszuführen, und es kann keinen bemühenden geistigen Drang geben, der unabhängig von einer karmischen Handlung entsteht und existiert, die das Bewusstsein und die begleitenden Geistesfaktoren antreibt, sie auszuführen. 

Obgleich jedoch Ursache und Wirkung hier gleichzeitig auftreten, sind sie nicht identisch. Eine Ursache ist die Auswirkung von etwas Vorangegangenem, doch sie kann nicht ihre eigene Auswirkung sein; und eine Auswirkung ist die Ursache von etwas Späterem, doch sie kann nicht ihre eigene Ursache sein. 

Was den karmischen Impuls des Körpers oder der Rede betrifft, der eine offenbarende Form ist, so handelt es sich dabei um die Methode, die angewandt wird, um die Handlung des Körpers oder der Rede stattfinden zu lassen, also die Bewegung des Körpers oder die Äußerung der Rede. Es kann auch eine Abfolge von Bewegungen des Körpers und eine Reihe von Äußerungen von Wortlauten geben, die am Ausführen solch einer Handlung beteiligt sind. In diesem Fall ist die Abfolge karmischer Impulse Teil der karmischen Handlung, doch sie ist nicht die karmische Handlung selbst. Wie im Fall des bemühenden geistigen Drangs, der die karmische Handlung antreibt, ist die offenbarende Form, die Teil der Handlung ist, eine gleichzeitig auftretende Ursache der Handlung, jedoch nicht die Handlung selbst.

Eine karmische Handlung des Körpers, der Rede oder des Geistes ist das, was man als Pfad eines karmischen Impulses oder kurz als Pfad des Karmas kennt, und sie besteht aus zahlreichen Komponenten.

Um uns einer Analogie zu bedienen, ist eine Handlung wie ein Schachspiel, das aus all den individuellen Zügen und all den individuellen Figuren besteht, die während des Spieles zum Einsatz kommen, sowie natürlich auch aus den Spielern. Das Spiel ist eine Synthese des Ganzen. Es ist mehr als nur ein individueller Zug – das Ganze ist größer als die Summer der Teile. Eine karmische Handlung ist in ähnlicher Weise eine Synthese all der Komponenten einer jeden Bewegung der Handlung, wie das Schachspiel eine Synthese aller Momente all der Züge ist.

Der Pfad eines karmischen Impulses 

Jeder Moment ist der Pfad einer karmischen Handlung, die aus vier Faktoren besteht, von denen der zweite drei Teile hat:

  • eine Grundlage (gzhi), die auf die Handlung ausgerichtet ist;
  • der „motivierende geistige Rahmen“, der aus drei Geistesfaktoren besteht: (1) einem auseinanderhaltenden Gewahrsein, dass die Grundlage für unsere Handlung dieses beabsichtigte Objekt und nicht jenes ist, und das die Handlung die wir diesbezüglich ausführen wollen, diese beabsichtige Handlung und nicht jene ist; (2) die Absicht, die der Wunsch oder das Ziel ist, eine bestimmte Handlung bezüglich eines spezifischen Objektes auszuführen; und (3) eine motivierende Emotion, die destruktiv oder befleckt konstruktiv sein kann – jede dieser Komponenten kann sich während dem Verlauf des karmischen Pfades ändern; 
  • das Umsetzen (tib. sbyor-ba) einer Methode, die eine Handlung stattfinden lässt; sowie 
  • das Endziel (tib. mthar-thug) oder Ergebnis, das durch die Handlung erreicht wird. 

Im Fall einer karmischen Handlung des Körpers oder der Rede ist die offenbarende Form, die der karmische Impuls des Körpers oder der Rede ist, der dritte dieser vier Faktoren – das Umsetzen einer Methode, welche die Handlung stattfinden lässt. 

Damit eine Handlung vollständig sein und das Resultat die volle Stärke haben kann, müssen alle Komponenten vollständig sein. Zum Beispiel erschießt man jemanden, mit der Absicht, ihn zu töten. Besteht das Ergebnis darin, dass die Person stirbt, war die Handlung ein Töten. Stirbt die Person nicht, hat man sie nicht getötet und dann war die Handlung nur ein Verwunden, kein Töten, trotz der Absicht, die man hatte. Die Handlung des Tötens war nicht vollständig. Das Resultat und das Ausmaß der Resultate variiert also abhängig von der Vollständigkeit all dieser Faktoren. 

Im Grunde ist es ziemlich interessant, all diese Details zu lernen. Es mag uns etwas überraschen, denn das Lügen ist beispielsweise erst vollständig, wenn die andere Person das, was wir sagen, versteht und daran glaubt. Sie könnte uns auch nicht gehört haben, nicht verstanden haben oder nicht glauben und denken, was wir sagen, wäre einfach nur dumm oder unwahr. In solchen Fällen ist unsere Handlung einfach nur sinnloses Geschwätz.

Ausführliche Erklärung offenbarender Formen 

Während dem Verlauf des Umsetzens der Methode, die eine körperliche oder verbale Handlung stattfinden lässt, gibt es da den Körper der Person oder die Rede der Person, durch die die Handlung ausgeführt wird. Die zwanghafte offenbarende Form ist die sich ändernde Form des Körpers oder der sich ändernde Klang der Stimme dieser Person während dem Verlauf des Umsetzens dieser Methode. Sie endet, wenn das Umsetzen dieser Methode endet, ob das Endziel oder Ergebnis der Handlung unmittelbar mit dem Umsetzen dieser Methode stattfindet – die Person, auf die geschossen wurde, unmittelbar stirbt – oder irgendwann später – die Person am nächsten Tag von der Schussverletzung stirbt, vorausgesetzt, dass der Schießende nicht in der Zwischenzeit stirbt.

Das Umsetzen einer Methode, welche die karmische Handlung des Körpers oder der Rede stattfinden lassen, mag nur einen Moment andauern – wie das Betätigen des Abzugs eines Gewehrs, mit dem man auf ein Reh schießt und es tötet – oder es mag eine Reihe von Momenten andauern und sich jeden Moment ändern – wie jemanden zu schlagen oder eine Lüge zu erzählen. Die offenbarende Form des Körpers oder der Rede findet in der Tat nicht nur während dieser Hauptphase einer karmischen Handlung statt, in der der Abzug betätigt oder eine Lüge erzählt wird, sondern mit jeder vorbereitenden oder vorausgehenden Phase, wie dem Anschleichen an das Reh. Sie setzt sich auch in jeder darauffolgenden Phase fort, wenn es eine solche gibt – man nimmt das Reh mit nach Hause, häutet es, bereitet es zu und isst es. In ähnlicher Weise kann die offenbarende Form des Lügens mit der vorbereitenden Äußerung von Worten beginnen, die wir sagen und die schließlich zu der Lüge führen, und kann sich im Verlauf aller weiteren Äußerungen von Worten fortsetzen, die wir sagen, nachdem wir die eigentlichen Worte der Lüge ausgesprochen haben.  

Egal wie lang die offenbarende Form andauert, sie ist offensichtlich und kann somit gesehen oder gehört werden. Daher offenbart sie den ethischen Status des Bewusstseins, das sie auftreten lässt. Doch sie offenbart nicht unbedingt die spezifische Emotion, die dieses Bewusstsein begleitet und es destruktiv, konstruktiv oder unspezifisch macht. Die Bewegung des Körpers einer Person, die ein Reh jagt, offenbart beispielsweise, dass ihr Geist unter dem Einfluss einer störenden Emotion steht, jedoch nicht, ob sie wütend auf das Reh ist, weil es ihre Ernte gefressen hat oder sie das Verlangen hat, Rehfleisch zu essen.  

Ein anderer Punkt ist, dass die offenbarende Form einer karmischen Handlung des Körpers oder der Rede destruktiv, befleckt konstruktiv oder unspezifisch sein kann. Ihr ethischer Status hängt von dem ethischen Status des Bewusstseins ab, das sie herbeiführt und so hängt sie vom ethischen Status der Emotion ab, die sie als ein Faktor auf dem karmischen Pfad der offenbarenden Form begleitet. 

Kurzer Rückblick 

Was haben wir bis jetzt in unserer Analyse karmischer Impulse des Körpers oder der Rede? In jedem Augenblick während dem Verlauf einer körperlichen oder verbalen Handlung haben wir: 

  • den karmischen Pfad der Handlung, der aus all den Faktoren besteht, einschließlich einer Grundlage, einem auseinanderhaltenden Gewahrsein, einer Absicht, einer Emotion, dem Umsetzen einer Methode, um die Handlung stattfinden zu lassen, und einem Ergebnis;
  • die zwanghafte Bewegung des Körpers des Ausführenden der Handlung oder die zwanghafte Äußerung seiner Rede als Methode, die zum Stattfinden der Handlung zum Einsatz kommt und anderen den ethischen Status des Sinnesbewusstsein offenbart, das diese Handlung stattfinden lässt – das sind die offenbarenden Formen, welche die karmischen Impulse des Körpers oder der Rede und Teile des karmischen Pfades sind;
  • ein zwingender nicht-karmischer bemühender geistiger Drang, der den Körper oder die Rede dazu bringt, von einem Augenblick zum nächsten eine Methode umzusetzen, um die Handlung stattfinden zu lassen – er ist nicht Teil des karmischen Pfades;
  • obwohl es in der karmischen Analyse normalerweise nicht erwähnt wird, gibt es auch einen auslösenden geistigen Drang, der das Sinnesbewusstsein zusammen mit seinen begleitenden Geistesfaktoren von einem Augenblick zum nächsten zur Grundlage der Handlung hinzieht. Während wir jemanden anlügen, sehen wir ihn oder sie für gewöhnlich an. Dieser Drang ist auch kein Teil des karmischen Pfades.  

Lassen wir das einen Moment einwirken. Während einer karmischen Handlung des Körpers oder der Rede gibt es all diese Komponenten, die gleichzeitig stattfinden – eine Grundlage als das Objekt der Handlung; ein Sehbewusstsein, das durch einen auslösenden Drang angetrieben wird, diese Grundlage anzusehen, und ein Körperbewusstsein, das durch einen nicht-karmischen bemühenden Drang angetrieben wird, den Körper oder die Rede dazu zu bringen, etwas durch eine Bewegung des Körpers mit dieser Grundlage zu tun oder etwas durch eine Äußerung der Rede zu ihr zu sagen (die offenbarende Form der Handlung). Dieses Körperbewusstsein und der Drang werden durch ein auseinanderhaltendes Gewahrsein des Objektes, der beabsichtigten Handlung und einer Emotion begleitet. Und natürlich gibt es da die Person, das „Ich“, das der Ausführende der Handlung ist, doch dazu kommen wir später. All diese Komponenten sind wie in einem Schachspiel miteinander verbunden. Es ist nicht so, dass sie voneinander getrennt sind und nichts miteinander zu tun haben. 

Zusätzlich kann der karmischen Handlung des Körpers oder der Rede der karmische Pfad einer geistigen Handlung vorangegangen sein, mit dem wir darüber nachgedacht und uns dazu entschlossen haben, die körperliche oder verbale Handlung auszuführen. Der geistige Drang, der die Handlung des Geistes auslöste, fortsetzte und endete, wäre ein auslösender karmischer Impuls des Geistes und die offenbarende Form des Körpers oder der Rede wäre demzufolge ein ausgelöster karmischer Impuls des Körpers oder der Rede.

Diese Punkte in unserem Verhalten identifizieren

Was wir versuchen zu tun, ist, diese Komponenten in unserem Verhalten zu identifizieren. Nehmen wir einmal an, wir würden beispielsweise eine Kakerlake zertreten und töten wollen. Ein wirksamer Drang lenkt unser Sehbewusstsein auf eine Kakerlake, die sich auf dem Boden in unserer Küche befindet. Wir unterscheiden sie von dem Boden, sind nicht glücklich sie zu sehen, empfinden Abneigung und Feindseligkeit ihr gegenüber und erfahren dann einen zwingenden, destruktiven, geistigen karmischen Impuls, der unser geistiges Bewusstsein, zusammen mit dem auseinanderhaltenden Gewahrsein, dem Unglücklichsein und der Absicht oder dem Wunsch, sie zu töten, antreibt, mit Feindseligkeit darüber nachzudenken, sie zu zertreten. Nachdem wir für ein paar Momente darüber nachgedacht haben, entscheiden wir uns schließlich, sie zu zertreten. Der Pfad unseres auslösenden destruktiven karmischen Impulses des Geistes ist nun vollkommen. 

Als nächstes treibt ein zwingender, nicht-karmischer, bemühender Drang unser Körperbewusstsein zusammen mit dem auseinanderhaltenden Gewahrseins der Kakerlake, dem Unglücklichsein und der Absicht, sie zu töten, an, unseren Körper voller Feindseligkeit in der Handlung des Tötens zu betätigen, indem wir den Fuß bewegen und diese Bewegung als Methode des Umsetzens nutzen, sie zu zertreten und damit zu töten. Die Bewegung unseres Fußes ist der ausgelöste, bemühende karmische Impuls des Körpers. Diese karmische Handlung des Tötens der Kakerlake könnte eine einleitende Phase des Jagens nach ihr umfassen, nachdem wir sie voller Schauer auf dem Boden entdeckt haben und sogar unseren Fuß auf sie platzieren, wenn wir sie endlich gefangen haben. Unsere Absicht war jedoch nicht nur, unseren Fuß auf sie zu stellen, sondern sie wirklich zu zertreten. Die Bewegung, unseren Fuß mit voller Kraft auf den Boden zu setzen und sie zu töten, ist die Hauptphase unserer destruktiven Handlung. Das Endziel oder Ergebnis der Handlung ist, dass die Kakerlake stirbt.

Unsere Emotion während dem Zertreten war Feindseligkeit und vielleicht auch Furcht. Haben wir sie zertreten und kommen zur nachfolgenden Phase, in der wir uns unsere Schuhe ansehen, kann unsere Emotion zu Ekel werden. Doch während wir unsere Schuhe wieder saubermachen, kann unser Unglücklichsein wieder zu einem Glücksgefühl werden, weil wir sie nun los sind. 

All diese Handlungen sind zwanghaft und auch wenn wir die Abfolge während der Jagd nach der Kakerlake unterbrechen könnten, erfahren wir das Jagen und Töten als etwas, das sich außerhalb unserer Kontrolle befindet. In ähnlicher Weise jagen und töten wir die Mücke oder Fliege mit der offenbarenden Form der Bewegung unseres Körpers. 

Zwanghafte offenbarende Formen der Rede gibt es auch bei Menschen, die auf zwanghafte Weise, unablässig und völlig unkontrolliert reden. Sie unterbrechen andere ständig mit ihrem Gerede und das ist die destruktive Handlung des sinnlosen Geschwätzes, mit der man meint, sie hätte irgendeine Bedeutung. Dabei handelt es sich beispielsweise darum, in den sozialen Medien Fotos davon zu veröffentlichen, was wir zum Frühstück gegessen haben, als würde das irgendjemanden interessieren. Hinter solchem Verhalten steckt der Gedanke: „Ich bin so wichtig und daher muss es dich ja interessieren, was ich mit jeder Mahlzeit zu mir nehme, und du willst bestimmt auch ein Bild davon sehen.“ Da gibt es dieses starke Greifen nach einem „Ich“, als würde die ganze Welt wissen wollen, was wir zum Frühstück hatten. Aber wen interessiert das wirklich? Wie dem auch sei, das soll nur veranschaulichen, wie dieses Greifen nach einem „Ich“, dem wir zu große Bedeutung beimessen, hinter all unseren zwanghaften, karmischen Handlungen steckt. 

Ausführlichere Erklärung nicht-offenbarender Formen  

Lasst uns als nächstes über zwingende nicht-offenbarende Formen sprechen, die subtile, nicht offensichtliche karmische Impulse des Körpers oder der Rede sind. Weil sie nicht gesehen oder gehört und nur abgeleitet werden können, sind sie schwer zu erkennen und es ist nicht leicht zu verstehen, wie sie funktionieren. Sehen wir uns zunächst die Definition und die Eigenschaften an. Dann können wir ihre Bedeutung erforschen, was die eigentliche Aufgabe der analytischen Meditation ist. Wir werden versuchen herauszufinden, wovon die Lehren reden, mit der Überzeugung, dass Buddha nicht nur Unsinn, sondern über etwas geredet hat, was uns weiterhelfen kann. Daher wollen wir herausfinden, was alles im Dharma bedeutet. 

Definition und Eigenschaften

Eine zwingende nicht-offenbarende Form:

  • ist die subtile Form eines physischen Phänomens, die nicht den ethischen Status des Bewusstseins offenbart, der sie in Erscheinung treten lässt.  
  • Sie ist Teil eines Geisteskontinuums, wird jedoch in diesem Geisteskontinuum nicht empfunden. In der westlichen Fachsprache würde man sagen, dass wir uns nicht über sie bewusst sind.  
  • Sie besteht nicht aus Teilchen der groben Elemente Erde, Wasser, Feuer oder Wind.  
  • Sie kann nur ein Objekt geistiger Wahrnehmung sein, wie die subtilen Formen, die in Träumen erscheinen. 
  • Sie ist keine statische Kategorie, zu der alle offenbarenden Formen der karmischen Pfade für alle Instanzen der gleichen Art karmischer Handlungen gehören. Das ist sie nicht. Zum Beispiel ist es nicht so, dass es da eine Kategorie gibt, „wie ich töte“ oder „wie ich lüge“ und jede Instanz meines Tötens oder Lügens als ein Beispiel in diese statische Kategorie passt. Um so etwas geht es nicht. Sie ist die Form eines physischen Phänomens. 
  • Sie ist nicht statisch und ändert sich von einem Augenblick zum nächsten. Das heißt, dass sie von Ursachen und Bedingungen beeinflusst wird, verschiedene Resultate hervorzubringen. 
  • Sie erfüllt die Funktion, immer mehr positives oder negatives karmisches Potenzial entstehen zu lassen. Wenn sie diese Funktion erfüllt, wird sie allerdings nicht schwächer oder erschöpft sich nicht, wie unser Körper es tut.  
  • Sie muss entweder destruktiv oder befleckt konstruktiv und nicht unspezifisch oder neutral sein.  
  • Sie entsteht abhängig und zeitgleich mit einer starken destruktiven oder konstruktiven offenbarenden Form und setzt sich weiter fort, nachdem die offenbarende Form nicht mehr im Geisteskontinuum vorhanden ist. 
  • Sie setzt sich im Geisteskontinuum fort, bis wir sie aufgeben oder sie sich verliert.  

Arten nicht-offenbarender Formen

Es gibt drei Arten nicht-offenbarender Formen: 

  • gelobte Enthaltungen (tib. sdom-pa);
  • bekennende Nicht-Enthaltungen (tib. sdom-pa ma-yin-pa); und
  • mittlere nicht-offenbarende Formen (tib. bar-ma), die entweder konstruktiv oder destruktiv, aber keine gelobten Enthaltungen oder bekennenden Nicht-Enthaltungen sind. 

Gelobte Enthaltungen umfassen die Pratimoksha-, Bodhisattva-  und tantrischen Gelübde. So lange wir sie einhalten, erfüllen sie in jedem Augenblick die Funktion uns davon abzuhalten, bestimmte Handlungen zu begehen, wie wir gelobt haben zu vermeiden. Auf diese Weise schaffen sie ständig immer mehr positives Potenzial. Wenn wir sterben, verlieren wir die Mönchs- und Nonnengelübde, doch da wir Bodhisattva- und tantrische Gelübde für all unsere Leben nehmen, bis wir Erleuchtung erlangen, setzen sie sich in unserem Geisteskontinuum als extrem subtile Formen sogar in unseren zukünftigen Leben fort, wenn wir sie nicht aufgeben.

Bekennende Nicht-Enthaltungen sind Verpflichtungen, in unserem gesamten Leben nicht darauf zu verzichten, beispielsweise Fische zu fangen und zu töten, wenn wir in der Kaste von Fischern geboren werden oder diesen Beruf annehmen. Sie verschwinden entweder, wenn wir sie aufgeben oder wenn wir sterben.

Mittlere nicht-offenbarende Formen umfassen jene, die gleichzeitig durch Folgendes herbeigeführt werden:

  • ein Gebrauchsobjekt herzustellen oder zu geben, durch das wir und andere positives oder negatives karmisches Potenzial aufbauen, wenn wir oder sie es nutzen. Was positives karmisches Potenzial betrifft, so sind solche Gebrauchsobjekte Dharmabücher, Stupas und buddhistische Tempel. Bauen wir negatives karmisches Potenzial auf, zählen zu solchen Gebrauchsobjekten Waffen und Schlachthäuser. Diese nicht-offenbarenden Formen schaffen sogar weiter karmisches Potenzial in unserem Geisteskontinuum, nachdem wir gestorben sind, wenn jemand das Objekt nutzt, das wir hergestellt oder dargebracht haben. Diese Formen verschwinden, wenn das Objekt nicht mehr zur Verfügung steht. 
  • Eine Unterkategorie des oben genannten ist, jemanden anzuweisen, destruktive Handlungen zu begehen, wie ein Militärkommandant, der den Soldaten befiehlt, den Feind anzugreifen und zu töten. Diese nicht-offenbarende Form schafft weiter negatives karmisches Potenzial im Geisteskontinuum des Kommandanten, wenn einer dieser Soldaten einen Feind tötet. 
  • Sich zu verpflichten, für eine begrenzte Zeit eine konstruktive Handlung auszuführen, wie jeden Tag zu meditieren oder davon abzulassen, jemanden zu vergewaltigen, was sich aber nicht auf andere Formen unangemessenen sexuellen Verhaltens bezieht. In ähnlicher Weise sich zu verpflichten, für eine begrenzte Zeit eine destruktive Handlung auszuführen, wie das Töten feindlicher Truppen, während man bei der Armee ist. Die nicht-offenbarende Form dieser Verpflichtung schafft jedes Mal weiteres karmisches Potenzial, wenn wir die Handlung wiederholen, zu der wir uns verpflichtet haben.  
  • Mit einem starken geistigen Drang und einer starken konstruktiven Emotion eine konstruktive Handlung auszuführen, die nicht mit einer gelobten Enthaltung verbunden ist, wie das Ausführen von Niederwerfungen mit einer starken Zufluchtnahme. In ähnlicher Weise mit einem starken geistigen Drang und einer starken destruktiven Emotion eine destruktive Handlung auszuführen, die nicht mit einer bekennenden Nicht-Enthaltung verbunden ist, wie dem Steuerbetrug, weil man große Wut wegen den hohen Steuerbeträgen empfindet. Die nicht-offenbarende Form der Handlung schafft jedes Mal weiteres karmisches Potenzial, wenn wir diese Handlung wiederholen, bis wir damit aufhören. 

Was ist in westlichen Fachbegriffen eine nicht-offenbarende Form? 

Das sind die definierenden Eigenschaften und Varianten zwingender nicht-offenbarender Formen. Wir können die Liste durchlesen und vielleicht sogar rezitieren, doch worum geht es dabei eigentlich? Die Antwort darauf können wir in keiner Beschreibung finden, die wir in unseren westlichen Fachausdrücken verstehen könnten. Es liegt an uns, darüber nachzudenken. Ich kann mit euch meine aktuellsten Vermutungen teilen und das ist alles, was wir wirklich tun können. Wir können versuchen, sie zu identifizieren, und wenn wir uns immer weiter mit ihnen beschäftigen, sind wir vielleicht in der Lage, unser Verständnis dahingehend zu verfeinern, worauf sich diese Art der subtilen Form bezieht. 

Eine Vorstellung, die sich jedoch nur auf solche Fälle bezieht, in denen eine bestimmte Handlung wiederholt wird, ist, dass eine nicht-offenbarende Form wie ein Muskelgedächtnis oder Muskeleindruck ist. Wenn wir lernen, eine bestimmte körperliche Übung zu machen, ein Instrument zu spielen, eine Maschine zu betätigen, auf einer Tastatur zu schreiben oder ein Lied zu singen, befähigt uns ein so genanntes „Muskelgedächtnis“, die Bewegung ohne bewusste Bemühung zu wiederholen. Doch das Beispiel ist nicht ganz zutreffend, da die oben genannten Beispiele damit verbunden sind, unspezifische Handlungen zu wiederholen. Ein besseres Beispiel wäre das Muskelgedächtnis oder die Eindrücke, die damit zusammenhängen, Menschen zu schlagen oder sie anzuschreien.

Eine andere Vorstellung ist vielleicht, eine nicht-offenbarende Form als eine Art Trägheit zu sehen, die mit unserem Verhalten verbunden ist. Sie dauert während der Handlung an und setzt sich nach der Handlung fort, bis wir diese Trägheit unterbrechen. Sie ist die Form eines physischen Phänomens und wir können sie daher in gewisser Weise als physikalische Gesetzmäßigkeit sehen. 

Wie verhält es sich aber mit der nicht-offenbarenden Form, ein Dharma-Zentrum aufzubauen oder zu betreiben? Das ist etwas schwieriger in westlichen Fachausdrücken zu erklären.

Die Wichtigkeit, Bodhichitta nicht aufzugeben und somit die Bodhisattva-Gelübde nicht zu verlieren 

Es gibt einen wichtigen Punkt, der meines Erachtens mit nicht-offenbarenden Formen verbunden ist, insbesondere mit den nicht-offenbarenden Formen der Bodhisattva-Gelübde und warum wir sie nicht einmal aufgeben sollten, wenn das eigene Leben auf dem Spiel steht. Obgleich ich dies in keinem Text gesehen habe, ist meine Analyse folgende:  

Im Nur-Geist-System des Chittamatra wird behauptet, dass ein Objekt des Bewusstseins, sowie das Bewusstsein und all die Geistesfaktoren, die das Objekt in jedem Moment der Wahrnehmung wahrnehmen, sind alle auf einen karmischen Samen, eine karmische Tendenz zurückzuführen. Dazu zählt auch, dass sie aus diesem Samen des reflexiven Gewahrseins stammen, der kognitiven Fähigkeit mit einer Wahrnehmung, die das Bewusstsein und die Geistesfaktoren innerhalb der Wahrnehmung, dass sie Teil davon ist, als ihr kognitives Objekt erfasst. Sie alle kommen aus einem karmischen Samen als ihrer Ursprungsquelle (tib. rdzas), wie Brot aus einem Ofen. Das Problem mit diesem Schema ist die Ursache der Formkörper eines Buddhas. 

Es gibt eine Art der Ursache, die man als „herbeiführende Ursache“ (tib. nyer-len-gyi rgyu) bezeichnet, und die sich darauf bezieht, wodurch etwas herbeigeführt wurde, wie ein Spross durch einen Samen. Sie wandelt sich in ihr Resultat um und endet, wenn all ihre Resultate hervorgebracht wurden. Daher muss sie vor ihrem Resultat existieren. Im Chittamatra-System haben Formen physischer Phänomene keine herbeiführende Ursache. Die karmische Tendenz für eine Wahrnehmung ist nur die herbeiführende Ursache für das Bewusstsein, die begleitenden Geistesfaktoren und das reflexive Gewahrsein der Wahrnehmung, jedoch nicht die herbeiführende Ursache des Objektes der Wahrnehmung. Diese karmische Tendenz wird nicht zu dem Objekt der Wahrnehmung, das sie hervorbringt. 

Obwohl die karmische Tendenz für eine Wahrnehmung zu der Wahrnehmung wird und somit vor der Wahrnehmung existiert, haben darüber hinaus nur vorangegangene Wahrnehmungen, die zu der Tendenz geworden sind, vor der Tendenz existiert, nicht die physischen Objekte, welche die Objekte dieser Wahrnehmungen waren. Im Chittamatra wird widerlegt, dass physische Objekte vor ihrer Wahrnehmung existieren und somit werden äußere Phänomene widerlegt. Daher vertritt man im Chittamatra, dass der karmische Same oder die karmische Tendenz lediglich die gleichzeitig wirkende Bedingung (tib. lhan-cig byed-pa’i rkyen) des Objektes der Wahrnehmung ist, das sie hervorbringt.

Nur im indischen Mahayana-Lehrsystem des Buddhismus geht man von Faktoren der Buddha-Natur (tib. sang-rgyas-kyi rigs) – wörtlich Eigenschaften der Buddha-Familien – aus, die verantwortlich für das Erlangen der Buddhaschaft sind. Im Chittamatra-System sind die sich entwickelnden Eigenschaften der Buddha-Familien die Samen im Geisteskontinuum von jemandem, die die Person befähigen, den Pfad des Geistes eines Buddhas zu erlangen, der keines weiteren Trainings mehr bedarf. Vermutlich sind das die Samen innerhalb des Netzwerks tiefen Gewahrseins (Ansammlung von Weisheit) der Person, die der Erleuchtung gewidmet sind, und solche Samen wären die herbeiführende Ursache für das Dharmakaya des tiefen Gewahrseins eines Buddhas. Es gibt keine herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas. In ähnlicher Weise vertritt man im Svatantrika, dass die sich entwickelnden Eigenschaften der Buddha-Familien nur die Faktoren – vermutlich die Samen – im Netzwerk tiefen Gewahrseins sind, die der Erleuchtung gewidmet werden und geeignet sind, zur Wesensnatur eines Dharmakaya des tiefen Gewahrseins zu werden. Unter allen indischen Lehrsystemen des Mahayana-Buddhismus vertritt man einzig im Prasangika, dass die sich entwickelnden Eigenschaften der Buddha-Familien Faktoren umfassen, die zu Formkörpern werden.

Gemäß dem Prasangika ist das Netzwerk positiven Potenzials (Ansammlung von Verdienst), das der Erleuchtung gewidmet wird, die herbeiführende Ursache der Formkörper, während das Netzwerk tiefen Gewahrseins die herbeiführende Ursache für einen Dharmakaya des tiefen Gewahrseins ist. Das Netzwerk positiven Potenzials besteht sowohl aus Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz (eines Samen) angenommen hat, wie auch aus nicht-offenbarenden Formen. Ein Same wird als die herbeiführende Ursache eines Sprosses akzeptiert, da sowohl der Same als auch der Spross zur gleichen Klasse von Phänomenen gehören – beide sind Formen physischer Phänomene. Doch das karmische Potenzial, das die Wesensnatur einer Tendenz (eines Samen) angenommen hat, ist eine nicht-kongruente beeinflussende Variable (tib. ldan-min ’du-byed) und keine Form eines physischen Phänomens. Nicht-kongruente beeinflussende Variablen können nicht zu Formen physischer Phänomene werden; nur Formen physischer Phänomene können sich in Formen physischer Phänomene verwandeln; nur Formen physischer Phänomene können die herbeiführende Ursache anderer Formen physischer Phänomene sein. Daher können wir schlussfolgern, dass die herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddha Formen physischer Phänomene sein müssen. 

Daraus folgt dann, dass es im Netzwerk positiver Kraft Formen physischer Phänomene geben muss, wenn das Netzwerk positiver Kraft, welches der Erleuchtung gewidmet wird, die herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas ist. Somit können wir die Existenz nicht-offenbarender Formen als Mitglieder solche eines Netzwerkes ableiten und sagen, dass sie die herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas sind. Wenn also gesagt wird, dass nicht-offenbarende Formen nur durch geistiges Bewusstsein erkannt werden können, bezieht sich das darauf, dass ihre Existenz konzeptuell durch schlussfolgernde Wahrnehmung erkannt wird. 

Denkt einmal darüber nach. In der buddhistischen Diskussion des anfangslosen Geistes sagen wir immer, dass physische Substanzen, wie Same und Eizelle, keinen Geist hervorbringen können; nur ein vorangegangener Moment des Geistes kann einen nächsten Moment des Geistes hervorbringen. In ähnlicher Weise kann ein Geist keine physische Substanz hervorbringen; nur eine andere physische Substanz, wie die Verbindung von Same und Eizelle, kann so etwas, wie einen Körper, hervorbringen. 

Ein anderer Beweis für das Schließen auf die Existenz nicht-offenbarender Formen als herbeiführende Ursache für die Formkörper eines Buddhas stammt aus der Darstellung der 32 hervorragenden Zeichen eines Buddhas, den so genannten „Hauptmerkmalen“ eines Buddhas. Jedes der 32 Zeichen ist auf eine bestimmte Art konstruktiven Verhaltens zurückzuführen, das die Person als ein Bodhisattva an den Tag gelegt hat. Ein Buddha hat beispielsweise eine lange Zunge, weil er oder sie sich als ein Bodhisattva mit Mitgefühl um andere wie eine Mutter im Tierbereich gekümmert hat, die ihre Jungen ableckt. Die nicht-offenbarenden Formen, die mit den offenbarenden Formen solcher Handlungen durch einen Bodhisattva hervorgegangen sind, wären die herbeiführenden Ursachen für diese hervorragenden Zeichen.

Ich glaube somit, dass diese Analyse den Grund offenbart, warum so viel Nachdruck darauf gelegt wird, die Bodhisattva-Gelübde niemals aufzugeben, auch nicht, wenn unser Leben auf dem Spiel steht. Die Bodhisattva-Gelübde, die Gelübde sind, bestimmte Verhaltensweisen zu vermeiden, die uns davon abhalten würden, anderen zu helfen und Buddhas zu werden, sind nicht-offenbarende Formen. Sie sind auch herbeiführende Ursachen für die Formkörper eines Buddhas. Als offenbarende Formen bringen sie, wie Shantideva erklärt, jedes Mal weiteres positives Potenzial hervor, wenn wir sie einhalten, ob wir wach sind, schlafen, nüchtern sind oder betrunken.

Was den anfangslosen Geist betrifft, haben wir die Bodhisattva-Gelübde unzählige Male genommen, doch wir haben Bodhichitta auch bereits unzählige Male aufgegeben und diese Bodhisattva-Gelübde unzählige Male wieder verloren. Um daher Erleuchtung zu erlangen ist es notwendig, dass es ein erstes Mal gibt, Bodhichitta niemals aufzugeben und unsere Bodhisattva-Gelübde niemals zu verlieren. Der Grund, warum wir angesichts des anfangslosen Geistes nicht bereits Erleuchtung erlangt haben ist, dass dieses erste Mal, unsere Bodhisattva-Gelübde nicht aufzugeben, noch nicht stattgefunden hat. Daher geht es darum, unser Bodhisattva-Gelübde wirklich niemals, nicht einmal, wenn es unser Leben kostet, aufzugeben.     

Wir brauchen die Form eines physischen Phänomens, die sich bis hin zur Erleuchtung fortsetzt und die dann zum physischen Körper eines Buddhas wird. Das sind die nicht-offenbarenden Formen konstruktiven Verhaltens und, was sogar noch wichtiger ist, die Gelübde, die das konstruktive Verhalten noch stabiler und entschiedener machen. Die Stärke einer nicht-offenbarenden Form kann stärker oder schwächer werden, je nachdem, wie oft wir die Handlung wiederholen, welche Motivation dahinter steckt, was wir tun und so weiter. Sie ist nicht statisch und ändert ihre Stärke und Energie von einem Augenblick zum nächsten.

Zusammenfassung 

Zusammenfassend haben wir eine Handlung und jedes ihrer Teile hat seine eigene Ursache. Diese Ursachen sind zwanghaft. Ebenfalls zwanghaft ist der Drang, die Handlung auszuführen und weiter fortzusetzen. Die Form der Bewegung, die unser Körper annimmt, während er die Handlung ausführt, ist ebenfalls zwanghaft. Der Muskeleindruck der Handlung ist zwanghaft und führt dazu, diese Verhaltensweise zwanghaft zu wiederholen. 

Top