Arten karmischer Resultate

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Die fünf Arten von Resultaten 

Wir haben über die verschiedenen Arten von Ursachen und Bedingungen gesprochen, und um damit abzuschließen, werde ich die fünf Arten von Resultaten aufzählen.

Zunächst gibt es gereifte Resultate. Gereifte Resultate sind nichtbehindernde, unspezifische Dinge, die mit dem geistigen Kontinuum eines begrenzten Wesens verbunden sind, wie der Körper, das Bewusstsein, die Gefühle, die aus einer reifenden Ursache kommen, die mit seinem oder ihrem Geisteskontinuum verbunden war. Sie behindert Befreiung oder Erleuchtung nicht. Das ist eines der Resultate positiven oder negativen karmischen Potenzials, das nur aus konstruktiven und destruktiven Handlungen stammt. Unspezifische Handlungen, wie das Essen, die Buddha nicht als konstruktiv oder destruktiv festlegte, führen zu keinem gereiften Resultat.

Gefühle, wie Glücklichsein und Unglücklichsein, sind unspezifisch. Das heißt, dass Leiden, also Unglücklichsein, nicht etwas Destruktives ist. Etwas ist destruktiv, wenn es zu Unglücklichsein oder weiterem Leid heranreift; und das Leiden oder Unglücklichsein selbst reift nicht unbedingt zu noch mehr Leid heran. Wäre das zwangsläufig der Fall, würde es unmöglich sein, jemals von Leiden frei zu werden. 

Das gleiche gilt für das Glücklichsein. Glücklichsein ist nicht unbedingt konstruktiv. Glücklichsein ist unspezifisch. Etwas ist konstruktiv, wenn es zu weiterem Glück heranreift und unser gewöhnliches Glück ist wiederum nicht etwas, das zwangsläufig zu noch mehr Glück führt. Das sind also gereifte Resultate.

Dann haben wir Resultate, die ihrer Ursache ähneln. Hier gibt es zwei Arten: die Resultate, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln und die Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln. Über sie wird im Karma sehr viel gesprochen. Sie entstehen durch karmische Potenziale und Tendenzen aus entweder destruktiven, befleckt konstruktiven oder unspezifischen Handlungen. Eine von ihnen wird sie also hervorbringen oder dazu heranreifen. Jene, die der Ursache im eigenen Verhalten ähneln, sind der Geistesfaktor, eine ähnliche Handlung, die wir in der Vergangenheit ausgeführt haben, in einem bestimmten Moment begehen zu wollen. Wir möchten diese Handlung also gern wiederholen. Es könnte dazu führen, eine Handlung ausführen zu wollen und in dem Fall ist das gleichbedeutend mit einer Absicht. 

Die Resultate, die der Ursache in der eigenen Erfahrung ähneln, wären unsere unbewusste Anziehung, eine Situation zu erleben, in der uns im Gegenzug zu einer früheren Handlung etwas Ähnliches passiert. Vielleicht haben wir eine Person verletzt und in einem zukünftigen Leben verletzt sie uns dann auch. Von dem, was ich gehört habe, ist das ziemlich spezifisch und bezieht sich auf ein bestimmtes individuelles Wesen. Es ist nicht so, dass wir jemanden verletzen und uns dann in der Zukunft im Gegenzug ein völlig anderer verletzt. Vielmehr werden wir in eine Situation kommen, in der wir durch diese Person verletzt werden. Die Tatsache, dass sie uns verletzt, ergibt sich aus ihren karmische Tendenzen. Die Tatsache, dass wir die Verletzung durch sie erleben, ist das Resultat unserer karmischen Handlungen. 

Die beteiligte Person ist spezifisch. Wir kennen das ja aus folgendem Beispiel. Wie viele von uns hatten schon einmal die Erfahrung jemanden zu treffen und sofort eine karmische Verbindung, die entweder positiv oder negativ ist, zu haben? Obwohl es auch mit Begehren oder Feindseligkeit zu tun haben könnte, ist die Tatsache, dass das Objekt dafür diese bestimmte Person ist, in vielen Fällen eine Verbindung aus einem früheren Leben. Das ist also spezifisch; es ist nicht so, dass wir in einem früheren Leben befreundet waren und nun, in diesem Leben, mit jemand anderem befreundet sein werden. Es ist dieses bestimmte Geisteskontinuum und genauso verhält es sich, wenn wir ein anderes Wesen verletzt haben: in einem anderen Leben werden wir dann die Erfahrung machen, von diesem anderen Wesen verletzt zu werden. Doch wir sollten daran denken, dass wir und alle anderen anfangslose Leben haben und allen bereits alles angetan haben und alle anderen uns bereits alles angetan haben. Es ist nicht so, dass nur eine bestimmte Person uns jemals verletzt hat. 

Das ist jedoch nicht so einfach. Hier kann es jede Menge Missverständnisse oder Verwirrung geben. Nehmen wir einmal an, wir erleben einem Unfall. Wir gehen aus unserem Haus, überqueren die Straße und jemand, der in dem Moment gerade mit dem Auto kommt, fährt uns an. Haben wir die andere Person dazu gebracht, uns anzufahren? Nun, es gibt zahlreiche Dinge, die auf der Seite der Person passieren. Wie wusste diese Person, dass wir genau in dem Augenblick aus dem Haus kommen würden, sodass sie uns anfährt?  Nun, so ist das nicht. Alles entsteht durch all diese verschiedenen Arten von Ursachen und Bedingungen, über die wir gesprochen haben, und wenn die Ursachen und Bedingungen passen und vollständig sind, wird ein bestimmtes karmisches Potenzial reifen. Aus diesem Grund wird in den „37 Übungen der Bodhisattvas“ geraten, wenn die Umstände in unserem Heimatland (unserem Dorf, unserer Familie oder was auch immer) zu Anhaftung, Wut und Naivität führen und wir ungebildet bleiben, es zu verlassen, damit wir negative Einflüsse vermeiden, welche dazu führen würden, weiteres negatives karmisches Potenzial heranreifen zu lassen.

Die Umstände, in denen wir uns befinden, sind äußerst wichtig und in vielen Fällen können wir sie ändern. Doch wenn die Umstände vollständig sind, passieren Dinge. Wir denken vielleicht: „Woher wusste der Blitz, dass er gerade mich treffen sollte?“ Der Blitz wusste es nicht; es sind die Umstände des Wetters, die durch so viele andere Dinge beeinflusst werden. Wir erleben also eine Situation, in der uns etwas passiert, das unserer früheren Handlung ähnelt. Das ist unser Erleben von etwas, doch die Sache, die wir erleben, wird durch dessen eigene frühere Ursachen und Bedingungen bewirkt. Wenn wir von einem Auto angefahren werden, ist das ein Resultat, das seiner Ursache ähnelt. Wir erfahren es, weil wir in einem früheren Leben diese gleiche Person verletzt haben, die uns jetzt mit dem Auto anfährt. Wir haben sie damals vielleicht nicht unbedingt mit einem Auto angefahren, aber wir haben dieser Person auf jeden Fall Schaden zugefügt; es geht dabei nicht um irgendeine, sondern um diese spezifische Person. Es ist nicht so, dass unser Karma diese Person dazu gebracht hat, sich an diesem Tag zu entscheiden, mit dem Auto zu fahren, oder dass unser Karma ihr Auto oder die Person erschaffen hat. Diese Dinge gilt es zu verstehen.

Dann gibt es Befehlshaber-Resultate oder vorrangige bzw. umfassende Ergebnisse. Dabei geht es um die Art des Umfeldes oder der Gesellschaft, in die wir hineingeboren werden, wie in einem armen Land, einem reichen Land usw., sowie die Weise, wie uns das beeinflusst oder was das mit uns macht. Es kann auch zu etwas heranreifen, was wir mit Objekten, wie mit unseren Besitztümern erfahren. Wenn wir gestohlen haben, führt das dazu, dass wir Dinge kaufen und diese dann sofort kaputtgehen. Diese werden als Befehlshaber-Resultate bezeichnet, weil sie sich wie ein Befehlshaber auf alles erstrecken und alles dominieren, was wir in einer bestimmten Wiedergeburt erfahren. In vielen Fällen erstrecken sich diese Resultate darauf, das Leben vieler anderer zu dominieren, die beispielsweise ein Umfeld miteinander teilen, weil sie die karmischen Ursachen aufgebaut haben, darin geboren zu werden und dort zu leben.

Dann gibt es von Menschenhand geschaffene Resultate oder wörtlich Resultate, die von einer Person erschaffen wurden, und davon gibt es zwei Arten: von Menschenhand geschaffene Resultate die erzeugt oder entwickelt werden und von Menschenhand geschaffene Resultate, die Errungenschaften sind. Beide entstehen als direktes Resultat der Bemühung eines begrenzten Wesens. Sie reifen nicht aus karmischem Potenzial heran. Stoßen wir uns zum Beispiel unseren Fuß, ist die Verletzung das von Menschenhand geschaffene Resultat des Stoßens unseres Fußes. Machen wir Geschäfte und erwirtschaften einen Gewinn, ist der Gewinn das von Menschenhand geschaffene Resultat davon, Geschäfte zu machen. Warum ist eine Person darin erfolgreich und die andere nicht? Nun, es handelt sich dabei um ein Resultat, das in Bezug auf unser Erleben seiner Ursache ähnelt, aber hier reden wir von etwas anderem. Mit anderen Worten ist aller Gewinn, den wir machen, das von Menschenhand geschaffene Resultat davon, Geschäfte zu machen. Es reift nicht als karmisches Resultat von unseren geschäftlichen Tätigkeiten heran. 

Ein Beispiel der zweiten Art der von Menschenhand geschaffenen Resultate – ein von Menschenhand geschaffenes Resultat, das eine Errungenschaft ist – wäre das Erlangen eines Pfad des Sehens, der die nicht-konzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit als das Resultat vorangegangener Momente oder Abfolgen der Meditation mit einem konzeptuellen Verständnis der Leerheit wäre. Dieses Erlangen ist das von Menschenhand geschaffene Resultat der Meditation. Es ist nicht etwas, das von der Meditation als dessen karmisches Resultat heranreift. 

Wir sollten bedenken, dass von Menschenhand geschaffene Resultate Dinge sind, die in den meisten Fällen unmittelbar nach ihren Ursachen folgen. Stoßen wir uns beispielsweise den Fuß, bekommen wir einen blauen Fleck; verkaufen wir etwas für mehr, als wir investiert haben, machen wir einen Profit; oder setzen wir uns hin und meditieren, erlangen wir am Ende der Meditation eine andere geistige Ebene. Das sind Dinge, die unmittelbar aus der Handlung folgen, die ihre Ursache ist und sie sind nicht etwas, das aus einem langen Prozess karmischer Tendenzen oder Samen und Gewohnheiten heranreift, die aus der Prasangika-Sicht Zuschreibungsphänomene des konventionellen „Ichs“ sind, das wiederum ein Zuschreibungsphänomen eines individuellen Kontinuums der fünf Aggregate ist.

Schließlich gibt es noch Resultate, die Zustände der Trennung sind. Dabei handelt es sich um statische Zustände, die durch Bemühung erlangt werden, aber die durch diese Bemühung weder erzeugt werden noch heranreifen. Mit anderen Worten meditieren wir nicht-konzeptuell über Leerheit und dies ist dann ein Umstand für eine wahre Beendigung, also sich von einem Teil der störenden Emotionen zu trennen.  Dieses Sich-Trennen hält für immer an und ist statisch; nichts kann es beeinflussen oder ändern. Die Meditation über Leerheit ist der Umstand für das Erlangen dieses Zustandes, doch es erschafft diesen Zustand nicht. Ein Geisteskontinuum wurde nie durch die flüchtigen Makel der störenden Emotionen und deren Tendenzen befleckt. Von Natur aus ist das Geisteskontinuum rein von all diesen Dingen; es ist getrennt davon. 

Wenn wir nicht-konzeptuell über Leerheit meditieren, dienst das als Ursache für ein Erlangen, doch was ist das für ein Zustand, den wir erlangen? Dieser Zustand, den wir erlangen oder diese Situation, die wir bekommen, ist ein Zustand, der ohne Anfang und Ende schon immer so war – dieser Zustand, von Natur aus rein oder frei von jeglicher Art flüchtiger Makel oder störender Emotionen zu sein, ist ein statisches Phänomen. Er wird durch nichts erzeugt; er beeinflusst nichts und bringt keine Auswirkungen hervor. Er war immer da und wird immer da sein; genau genommen ist er somit kein Resultat von irgendetwas. 

Wenn wir hier also diesen Zustand der Trennung als ein „Resultat“ bezeichnen, geben wir ihm nur den Namen eines Resultats; im Grunde ist er kein Resultat. Wir können nur sagen, dass Meditieren die Ursache dafür ist, das Erlangen dieses Zustandes zu bewirken, doch dieses Erlangen ist ein von Menschenhand geschaffenes Resultat. 

Zusammenfassung von Ursachen, Bedingungen und Resultaten 

Was wir aus dieser Darstellung von Ursachen, Bedingungen und Resultaten sehen können, ist, dass manche Ursachen von Dingen karmisch sind und sich auf karmische Potenziale und Tendenzen beziehen, die nach einer langen Zeitspanne reifen werden. Wir haben auch gesehen, dass nur bestimmte Resultate karmische Resultate sind, die aus so einem Mechanismus stammen. Es gibt manche Ursachen, die nicht karmisch sind und es gibt manche Resultate, die nicht karmisch sind. Der gesamte Prozess der Kausalität ist ziemlich komplex und nicht alles, was passiert, kann durch Karma erklärt werden oder ist zu einhundert Prozent karmisch. 

Ferner kann ein Phänomen als viele verschiedene Arten von Ursachen für zahlreiche unterschiedliche Dinge wirken und ein Resultat kann viele verschiedene Arten von Resultate zahlreicher unterschiedlicher Dinge sein. Darum geht es hier. Es ist nicht so, dass eine Ursache ein Resultat hervorbringt oder ein Resultat nur auf eine Ursache zurückzuführen ist. Genauer gesagt kann ein karmisches Potenzial oder eine karmische Tendenz verschiedene Arten von Ursachen für unterschiedliche Dinge sein. Und genauso bezieht sich eine Sache, die passiert, auf verschiedene Arten von Resultaten unterschiedlicher Arten von Ursachen. Sie könnte eine Art von Resultat eines karmischen Potenzials und auch eine andere Art von Resultat einer karmischen Tendenz sein.

All das ist ausgesprochen wichtig, wenn wir versuchen zu verstehen, warum uns etwas passiert. Erklären wir es nur mit Karma? Nun, es ist viel komplexer, besonders, wenn wir die ganze Thematik der Entscheidung mit in Betracht ziehen, und dass ein Phänomen das Resultat vieler anderer Dinge und die Ursache für zahlreiche weitere Dinge ist. Wie wir gesehen haben finden viele Ursachen sogar zusammen mit dem Phänomen statt, wie die Elemente, die ein materielles Objekt ausmachen, oder die Geistesfaktoren, die einen Moment der Wahrnehmung begleiten. 

Während wir jemanden schlagen, gibt es zum Beispiel Wut, aber auch das Sehen der Person. Was ist die Ursache dafür, dass in der Zukunft wieder etwas Ähnliches passiert? Ist es die Wut? Ist es das Schlagen? Ist es das Sehen? Oder ist es das Zusammenspiel dieser drei? Ist jedes dieser Dinge auf andere Ursachen zurückzuführen? Wie können wir das Resultat davon, jemanden zu schlagen, beeinflussen? Können wir den blauen Fleck beeinflussen, den die andere Person bekommt? Offensichtlich nicht. Haben wir einen Einfluss auf die karmischen Resultate dessen, was wir getan haben? Nun, das müssen wir analysieren. Können wir das Resultat der Wut beeinflussen? Können wir das Resultat des Schlagens beeinflussen? Können wir das Resultat des Sehens beeinflussen? Welche Wahl haben wir bei jedem dieser Dinge und welche Wahl hatten wir in Bezug auf die Wut, die hochkam? Welche Wahl hatten wir in Bezug auf das Schlagen, das Ausleben unserer Wut oder das Treffen und Sehen der Person? Wo gibt es Lücken in diesem ganzen Vorgang, in denen wir die Situation tatsächlich beeinflussen können? Was können wir wirklich tun?

All das ist höchst interessant und natürlich auch ziemlich komplex. Um dies zu verstehen, müssen wir alles, über das wir bis jetzt gesprochen haben, mit ins Spiel bringen, insbesondere Leerheit. Nehmen wir einmal an, wir sehen eine Person und unser Sehen wird von einem angenehmen Kontaktbewusstsein dieser Person begleitet – es ist eine schöne Erfahrung. Wir halten die Person für hübsch. Nun ist sie natürlich nicht von Natur aus hübsch; es ist unsere eigene Sichtweise, sie als hübsch zu betrachten, beruhend auf unserem Konzept von Schönheit. Ein Schwein würde sie nicht für schön halten und das, was ein Schwein als schön erachtet, wäre wahrscheinlich für uns nichts Schönes. Es gibt also die angenehme Erfahrung des Sehens der Person und dann gibt es die konzeptuelle Wahrnehmung der Person in Bezug darauf, sie für schön zu halten. Gibt es eine Lücke zwischen diesen zwei Dingen? Vielleicht geht es zu schnell, um es zu bemerken.

Doch dann kommt der Gedanke auf, zu der Person zu gehen und sie auf verführerische Weise anzusprechen, um zu versuchen sie dazu zu bringen, eine unangemessene sexuelle Beziehung mit uns einzugehen.

Im Deutschen würden wir sagen, „uns ist danach, es zu tun“. Wir denken ganz automatisch so, als ein Resultat, das der Ursache im eigenen Verhalten ähnelt. Wir flirten und verführen andere gern, weil wir es zuvor immer wieder getan haben. Dieser Gedanke kann zu dem Wunsch oder der Absicht führen, tatsächlich hinüberzugehen und zu versuchen, die Person zu verführen. Doch es gibt eine Lücke zwischen dem Gedanken, der aufkommt und dem Wunsch, aufgrund des Gedankens zu handeln. Wir könnten diesen Gedanken abwägen und entscheiden, dass wir ihn nicht wirklich in die Tat umsetzen wollen, und dann kommt der Wunsch, es zu tun, gar nicht auf.

Doch wir wollen vielleicht trotzdem zu ihr gehen und versuchen, sie dennoch zu verführen. An diesem Punkt könnten wir darüber nachdenken, ob wir es tun sollten oder nicht, und uns entscheiden, es zu tun. Der karmische Impuls eines Dranges treibt diese Handlung des Geistes an. Wir könnten uns entscheiden: „Ja, ich werde zu dieser Person gehen und sie versuchen zu verführen, um eine bestimmte sexuelle Beziehung mit mir zu haben.“ Natürlich könnten wir uns auch entscheiden, es nicht zu tun. Doch es gibt da eine Lücke; wir müssen gar nicht erst anfangen so zu denken, obwohl wir gern hinübergehen und mit der Person reden würden. Es ist ein Unterschied, den Wunsch zu haben, hinüberzugehen oder tatsächlich zu denken: „Ja, ich werde hinübergehen.“ Zwischen diesen beiden gibt es eine Lücke. An diesem Punkt könnten wir entweder beginnen, so zu denken oder nicht. Welches von beiden wird passieren? Für was werden wir uns entscheiden und reift das aus irgendetwas heran?

Sogar, wenn wir uns entscheiden, zu der Person zu gehen, gibt es eine weitere Lücke zwischen dem Treffen dieser Entscheidung und dem tatsächlichen Hinübergehen zu der Person, um sie anzusprechen. Und auch dann könnten wir unsere Handlungen von Körper und Rede aufhalten, bevor sie ihr Endziel erreichen. Es gibt so viele Lücken. 

Sehen wir uns das etwas genauer in Bezug darauf an, was hier bereits herangereift ist und was als nächstes reifen wird. Da ist das Treffen der Person, was nicht nur das Resultat unseres eigenen karmischen Potenzials ist, das uns in Situationen führt, in denen wir bestimmte Handlungen wiederholen werden, sondern auch das karmische Potenzial der anderen Person, das sie in Situationen treibt, in denen ihr etwas passiert, was dem ähnelt, was sie zuvor getan hat. Die Person zu treffen, ist natürlich auch das von Menschenhand geschaffene Resultat des Gehens und der Gründe, die jeder von uns hatte, dort zu sein, wo wir uns trafen. Die Person zu sehen, ergibt sich aus einer ganzen Reihe von Ursachen und Bedingungen, damit eine Wahrnehmung entstehen kann. Sie zu sehen, wird von einem angenehmen Kontaktbewusstsein und einem Glücksgefühl begleitet. Diese Geistesfaktoren entstehen durch andere karmische Potenziale. Die Person für schön zu halten, ist auf unsere eigene Tendenz sowie auf sehnsüchtiges Verlangen zurückzuführen.

Dann gibt es verschiedene karmische Gründe dafür, dass der Wunsch oder die Absicht aufkommt, hinüberzugehen und zu versuchen, die Person zu verführen. Es ergibt sich aus einer eigenen karmischen Tendenz. Es könnte auch den Einfluss anderer Menschen geben, die hier mit involviert sind. Ein Freund sagt vielleicht: „Geh doch rüber und versuche, mit der Person eine sexuelle Beziehung einzugehen.“ Es gibt wirklich viele verschiedene Dinge, die einen Einfluss auf unseren Wunsch, es zu tun, haben könnten. Es gibt jedoch eine Lücke, bevor wir abwägen, tatsächlich hinüberzugehen. Wir könnten den Gedanken verwerfen, bevor wir überhaupt beginnen in Betracht zu ziehen, es zu tun. Unser Abwägen und Entscheiden wird durch einen karmischen Impuls, einen geistigen Drang, gesteuert. Resultierend daraus, darüber nachgedacht und uns entschieden zu haben hinüberzugehen, denken wir nun entschieden: „Ja, ich werde gehen und es tun.“

Dann gibt es eine weitere Lücke zwischen dem Gedanken es zu tun und dem Moment, in dem die karmischen Dränge unseres Körpers uns dazu bringen, es tatsächlich zu tun. Es gibt da eine weitere Lücke, in der zahlreiche andere Dinge passieren und einen Einfluss darauf haben könnten, was wir tun. Wir könnten uns an die Lehren über Karma erinnern. Wir könnten uns an die Lehren über die Unreinheit des menschlichen Körpers erinnern, unser Telefon könnte klingeln, das Telefon der Person könnte klingeln, jemand könnte gerade zu der Person kommen, die Person könnte weggehen oder es könnte beginnen zu regnen. Alles mögliche könnte passieren. 

Ob es hier sehnsüchtiges Verlangen gibt oder nicht, ist etwas anderes. Es könnte auch einfach sein, dass wir von unseren Freunden angestachelt werden: „Los komm, tu es!“ Wir müssen ein Mann sein und es tun, doch im Grunde haben wir gar nicht den Wunsch dazu. Es gibt so viele Faktoren, die hochkommen. Es gibt also diese Lücken, in denen auch viele Umstände zusammenkommen und abhängig von zahlreichen verschiedenen Situationen werden in dem Moment unterschiedliche Dinge heranreifen: ob wir uns an die Lehren erinnern oder nicht, ob es einen Einfluss von anderen um uns herum gibt, die äußeren Umstände und was die andere Person die wir attraktiv finden, gerade tut. Es gibt so viele Dinge, die einen Einfluss darauf haben, was hier passiert.

Es gibt also viele Lücken in der Abfolge von Momenten, in denen das Ergebnis anders sein könnte. Dann kommen wir zurück zu unserem Thema der Entscheidung, doch darum geht es in unserer Diskussion über Ursachen und Bedingungen, sowie die verschiedenen Arten von Resultaten. Alles, was in jedem Moment passiert, ist das Resultat von so vielen verschiedenen Arten von Ursachen und es gibt zahlreiche verschiedene Ursachen und Bedingungen, die in jedem Augenblick stattfinden. Was wir tun, wird durch sie alle beeinflusst.

Kann die Meditation diese Lücke, diesen Intervall vergrößern, damit wir tatsächlich einen Einfluss darauf haben können, was stattfindet?

Ja, und genau das ist hier der Punkt der Meditation. Während einer dieser Lücken könnten wir zum Beispiel an die Lehren über ethische Selbstdisziplin, die Nachteile und die negativen Konsequenzen denken, die sich daraus ergeben, auf der Grundlage von störenden Emotionen zu handeln. Doch wir denken vielleicht nach wie vor: „oh, diese Person sieht so hübsch aus“, und dann gegen wir eventuell trotzdem hinüber und versuchen, sie zu verführen, obwohl wir uns an diese Lehren erinnern. In dem Fall wird die Kraft unserer motivierenden Emotion schwächer sein, wenn wir uns an die Nachteile des Handelns auf der Basis von störenden Emotionen erinnert haben, und wenn die Kraft der motivierenden Emotion schwächer ist, wird das einen Einfluss auf das Resultat haben, das aus einer darauf basierenden Handlung heranreift. Viele andere Dinge werden das Resultat ebenfalls beeinflussen. Eine enorme Anzahl von Dingen beeinflussen das Resultat, nicht nur während der Handlung sondern auch danach.

Was wir durch die „Achtsamkeitsmeditation“, wie sie im Westen genannt wird, erreichen wollen, ist zu versuchen, diesen Intervall zu bemerken, den es gibt, wenn wir gerade etwas tun wollen. Wir wollen beispielsweise vom Meditationskissen aufstehen und zum Kühlschrank gehen. Wenn wir uns tatsächlich entschieden haben, es zu tun, mögen wir darüber nachgedacht haben, aufzustehen und hinzugehen, oder auch nicht. Vielleicht hatten wir nur so ein Gefühl und gingen einfach zum Kühlschrank. Es gab jedoch eine Lücke zwischen diesen zwei Schritten und während dieser Lücke könnten andere Variablen oder andere Geisteszustände auftreten und wir würden es als eine Entscheidung erleben. Wir entscheiden uns (mit Entschiedenheit) wirklich darüber nachzudenken und entscheiden uns zu gehen oder nicht. Wir könnten uns entscheiden, nicht einmal darüber nachzudenken, oder wenn wir darüber nachgedacht haben, könnten wir uns entscheiden nicht zu gehen. Sogar ohne bewusst darüber nachzudenken, könnten wir uns entscheiden, nicht zu gehen. Wenn das geschieht, kommt diese Entscheidung auf der Grundlage zahlreicher anderer Ursachen und Bedingungen zustande. Das Entscheiden ist an sich der Prozess, der vom unentschlossenen Schwanken zwischen mehreren Möglichkeiten bis zum Entschließen für eine Möglichkeit stattfindet.  

Es ist nicht so, dass es, wie wir zuvor erklärt haben, ein getrenntes „Ich“ von dem ganzen Ereignis sowie getrennte Auswahlmöglichkeiten gibt, die sich da irgendwo vor uns befinden und wir auf einen Knopf drücken und uns für dieses oder jenes entscheiden können. So ist das nicht, doch es gibt Auswahlmöglichkeiten und Entscheidungen. Entschiedenes unterscheidendes Gewahrsein zwischen zwei Alternativen tritt auf, wenn wir unentschlossen sind und schwanken, aber dann zu einer Schlussfolgerung kommen; es tritt Entschiedenheit auf. Sogar, wenn wir darüber nachdenken und entscheiden: „gut, ich werde aufstehen“, gibt es zwischen der Entscheidung aufzustehen und dem tatsächlichen Aufstehen eine weitere Lücke, in der wir einen Einfluss darauf haben könnten, was wir tun und es ändern. Werden wir das Stück Schokolade, das wir in der Hand haben, dann auch wirklich in unseren Mund stecken oder nicht?

Hier ist die so genannte Achtsamkeitsmeditation hilfreich. Wenn wir uns über jeden Moment in der Abfolge bewusst sind, bemerken wir, dass wir in jedem Augenblick etwas ändern oder zumindest das Objekt auf andere Weise sehen können. Geht es beispielsweise darum, Schokolade zu essen, könnten wir darüber nachdenken, dass uns das nicht zu letztendlichem Glück verhelfen wird. Auch wird sich die Schokolade, nachdem wir sie einige Male gekaut haben, in Erbrochenes verwandeln. Wenn wir unsere Betrachtungsweise des Objektes ändern, wird die motivierende Emotion oder Geisteshaltung, mit der wir die Schokolade essen und sie tatsächlich in unseren Mund stecken, viel weniger störend sein, als die ursprüngliche motivierende Emotion der Gier, mit der wir uns entschieden haben, sie zu essen und mit der wir zum Kühlschrank gegangen und sie in unsere Hand genommen haben. Folglich werden die karmischen Resultate des Essen dieses Schokoladenstückchens mit Gier viel schwächer sein.

Aus diesem Grund wird dem Unterscheiden zwischen der ursächlichen Motivation, die uns anfangs antreibt, eine bestimmte Handlung auszuführen, und der gleichzeitig stattfindenden Motivation, mit der wir tatsächlich in die Handlung hineingehen, so eine Wichtigkeit beigemessen. In all diesen verschiedenen Lücken können wir wirklich Entscheidungen treffen, die einen Einfluss darauf haben, was wir tun und was das Resultat davon sein wird.

Das bringt uns zum Ende unserer Diskussion über Karma, freien Willen, Vorbestimmung und Determinismus. Wir haben gesehen, dass es sich dabei nicht um ein einfaches Thema handelt. Es ist etwas, das ein tiefes Leerheitsverständnis erfordert: die Leerheit des Selbst und die Leerheit der Entscheidungen, die wir haben. Nichts davon existiert unabhängig von diesem ganzen System. Es ist ein komplexes System von Ursachen und Auswirkungen, die in jedem Moment stattfinden und von denen manche karmisch und andere nicht karmisch sind. Auf einige haben wir einen Einfluss und auf andere nicht. Auf der Grundlage dieser Entscheidungen, die wir im Kontext von Leerheit und Karma, Ursache und Wirkung, treffen können, sind wir in der Lage uns tatsächlich dafür zu entscheiden, zum Wohl aller Wesen auf die Erleuchtung hinzuarbeiten.

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