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Karma: Weder deterministisch noch vorbestimmt 

Wir haben über Karma gesprochen und gesehen, dass es verschiedene Systeme gibt, in denen es dargelegt wird. Worum es jedoch geht, wenn wir über Karma reden, ist unser zwanghaftes Verhalten, sowie das, was unser zwanghaftes Verhalten hervorbringt. Außerdem geht es um die Auswirkungen unseres zwanghaften Verhaltens auf uns selbst und wie dadurch verschiedene Gewohnheiten und Tendenzen geschaffen werden, die zu verschiedenen Dingen heranreifen, die wir im Wesentlichen als Leiden erleben. Es geht um die verschiedenen Arten des Leidens in Samsara: das Leid des Unglücklichseins, das Leid der Veränderung, das unsere gewöhnliche Art des Glücklichseins ist (jedoch nicht andauert und nicht zufriedenstellend ist – unser so genanntes weltliches Glücklichsein), oder einfach das alles umfassende Problem von Samsara, fortwährend diese Art der grundlegenden Aggregate (Körper, Geist usw.) zu haben, die immer wieder die anderen Arten des Leidens hervorbringen werden. Sprechen wir über Gefühle, geht es um das normale Leid des Unglücklichseins, unser gewöhnliches, so genanntes „beflecktes“ Glück, und das neutrale Gefühl, das wir in höheren, tiefgreifenderen Ebenen der Konzentration erfahren. 

Karma legt dar, wie dieses ganze System aufrechterhalten wird, und es hat nicht mit Belohnen oder Bestrafen zu tun, denn damit würden wir auf jemanden hindeuten, der von außen als Richter diese Belohnung oder Bestrafung erteilt. Es ist nicht deterministisch, denn es ist möglich, zu ändern, was wir erfahren oder tun. Auch ist es nicht vorbestimmt, denn das würde bedeuten, dass es jemanden gäbe, der von außen bestimmt, was passiert und dies festlegt. Es handelt sich auch nicht um vollkommen freien Willen, denn damit würde man davon ausgehen, dass es ein „Ich“ gäbe, welches völlig unabhängig von allem ist, was wir erfahren und Entscheidungen unabhängig von allem treffen kann. Vielmehr kann alles, was wir erfahren, erklärt werden – es gibt Ursachen. Es ist nicht so, dass es keine Ursachen dafür gibt, was uns passiert. Es besteht ein riesiger Unterschied, ob etwas deterministisch oder erklärbar ist, und das werden wir untersuchen. 

Wenn wir beginnen einen Blick darauf zu werfen, was der Unterschied zwischen diesen beiden ist, denke ich, dass „deterministisch“ bedeutet (vielleicht könnt ihr mich vom wissenschaftlichen Standpunkt aus korrigieren), dass ein Resultat festgelegt wird, sobald all die Variablen in einem System vorliegen, wohingegen „erklärbar“ sich darauf bezieht, dass alles erklärt werden kann, was geschieht. Ich glaube der Unterschied ist die Richtung, in der wir analysieren. Angesichts der Variablen in einem System ist es deterministisch, wenn wir nach vorn analysieren, das System geschlossen ist und keine anderen Variablen einen Einfluss ausüben können. Analysieren wir von dem aus, was bereits geschehen ist, also in die andere Richtung, ist es erklärbar. 

Was ist der Unterschied zwischen „deterministisch“ und „vorhersehbar“? 

Deterministisch bedeutet, dass es zweifelsohne so sein wird. Vorhersehbar setzt eine Wahrscheinlichkeit auf der Grundlage von Durchschnittsdaten voraus, durch die wir vorhersehen können, was passieren wird, wie das Wetter von morgen, doch es ist nicht gewiss, dass es definitiv so sein wird, denn es gibt zahlreiche andere Faktoren, die in der Zwischenzeit einen Einfluss ausüben könnten. Das geschieht jedoch innerhalb bestimmter Parameter; es ist nicht so, dass alles passieren könnte, aber angesichts der Variablen im System gibt es verschiedene Möglichkeiten, was passieren kann. In beiden Fällen agieren wir aus einem bestimmten System, um vorherzusehen, was in der Zukunft passieren wird. Erklärbar bezieht sich hingegen darauf, zurückzugehen und zu betrachten, wie alles, was geschieht, Ursachen hat, und wir können herausfinden, was die Ursachen sind. Aus einer buddhistischen Sicht ist es meiner Meinung nach absolut sicher, dass alles, was passiert, erklärt werden kann. 

Die Schwierigkeit ist, dass es praktisch zahllose Variablen gibt, die einen Einfluss darauf haben, was stattfindet. Aus diesem Grund ist es notwendig, einen genaueren Blick auf die buddhistische Analyse der verschiedenen Arten von Ursachen zu werfen, obwohl das ziemlich komplex ist. Wir haben uns eine Art der Ursache angesehen, die wirkende Ursache (tib. byed-rgyu) – sie bezieht sich auf alles andere als das Resultat selbst, was bedeutet, dass alles miteinander verbunden ist und sich alles gegenseitig beeinflusst. Das gesamte Universum ist ein miteinander verbundenes System. Nichts ist unabhängig, was, betrachten wir es folgerichtig, auf den Urknall zurückzuführen ist. Nutzen wir das als ein Modell, ist natürlich alles miteinander verbunden. 

Wir verfügen nicht über all die Informationen, wenn wir kein Buddha sind. Wir kennen nicht all die Variablen; nur ein Buddha ist allwissend. Wenn wir versuchen uns damit zu befassen, was passieren wird, ist alles, was wir tun können, eine Wahrscheinlichkeit dessen festzulegen, was passieren könnte, denn wir verfügen nicht über all die Variablen. Ein Buddha kennt sie alle und daher weiß ein Buddha, was passieren wird. Wir können nur erklären, was bereits geschehen ist, indem wir zurückverfolgen, was die Ursachen gewesen sein müssen, doch nur in Bezug auf die Variablen, über die wir uns bewusst sind. 

Das führt uns zu einer komplizierten Diskussion über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht Dinge, die existieren und momentan zeitgleich, irgendwo in der Raum-Zeit stattfinden. Im Buddhismus sprechen wir vielmehr von der Vergangenheit als dem, was nicht mehr stattfindet, von der Gegenwart als dem, was gegenwärtig stattfindet, und von der Zukunft als dem, was noch nicht stattfindet. Die Diskussion wird ziemlich komplex und schwierig in Bezug darauf, was ein Buddha tatsächlich weiß. Ein Buddha kennt die drei Zeiten ohne Beeinträchtigungen und ohne Anhaftung. 

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