Noch nicht stattfindende Ereignisse

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Karma: Weder deterministisch noch vorbestimmt 

Wir haben über Karma gesprochen und gesehen, dass es verschiedene Systeme gibt, in denen es dargelegt wird. Worum es jedoch geht, wenn wir über Karma reden, ist unser zwanghaftes Verhalten, sowie das, was unser zwanghaftes Verhalten hervorbringt. Außerdem geht es um die Auswirkungen unseres zwanghaften Verhaltens auf uns selbst und wie dadurch verschiedene Gewohnheiten und Tendenzen geschaffen werden, die zu verschiedenen Dingen heranreifen, die wir im Wesentlichen als Leiden erleben. Es geht um die verschiedenen Arten des Leidens in Samsara: das Leid des Unglücklichseins, das Leid der Veränderung, das unsere gewöhnliche Art des Glücklichseins ist (jedoch nicht andauert und nicht zufriedenstellend ist – unser so genanntes weltliches Glücklichsein), oder einfach das alles umfassende Problem von Samsara, fortwährend diese Art der grundlegenden Aggregate (Körper, Geist usw.) zu haben, die immer wieder die anderen Arten des Leidens hervorbringen werden. Sprechen wir über Gefühle, geht es um das normale Leid des Unglücklichseins, unser gewöhnliches, so genanntes „beflecktes“ Glück, und das neutrale Gefühl, das wir in höheren, tiefgreifenderen Ebenen der Konzentration erfahren. 

Karma legt dar, wie dieses ganze System aufrechterhalten wird, und es hat nicht mit Belohnen oder Bestrafen zu tun, denn damit würden wir auf jemanden hindeuten, der von außen als Richter diese Belohnung oder Bestrafung erteilt. Es ist nicht deterministisch, denn es ist möglich, zu ändern, was wir erfahren oder tun. Auch ist es nicht vorbestimmt, denn das würde bedeuten, dass es jemanden gäbe, der von außen bestimmt, was passiert und dies festlegt. Es handelt sich auch nicht um vollkommen freien Willen, denn damit würde man davon ausgehen, dass es ein „Ich“ gäbe, welches völlig unabhängig von allem ist, was wir erfahren und Entscheidungen unabhängig von allem treffen kann. Vielmehr kann alles, was wir erfahren, erklärt werden – es gibt Ursachen. Es ist nicht so, dass es keine Ursachen dafür gibt, was uns passiert. Es besteht ein riesiger Unterschied, ob etwas deterministisch oder erklärbar ist, und das werden wir untersuchen. 

Wenn wir beginnen einen Blick darauf zu werfen, was der Unterschied zwischen diesen beiden ist, denke ich, dass „deterministisch“ bedeutet (vielleicht könnt ihr mich vom wissenschaftlichen Standpunkt aus korrigieren), dass ein Resultat festgelegt wird, sobald all die Variablen in einem System vorliegen, wohingegen „erklärbar“ sich darauf bezieht, dass alles erklärt werden kann, was geschieht. Ich glaube der Unterschied ist die Richtung, in der wir analysieren. Angesichts der Variablen in einem System ist es deterministisch, wenn wir nach vorn analysieren, das System geschlossen ist und keine anderen Variablen einen Einfluss ausüben können. Analysieren wir von dem aus, was bereits geschehen ist, also in die andere Richtung, ist es erklärbar. 

Was ist der Unterschied zwischen „deterministisch“ und „vorhersehbar“? 

Deterministisch bedeutet, dass es zweifelsohne so sein wird. Vorhersehbar setzt eine Wahrscheinlichkeit auf der Grundlage von Durchschnittsdaten voraus, durch die wir vorhersehen können, was passieren wird, wie das Wetter von morgen, doch es ist nicht gewiss, dass es definitiv so sein wird, denn es gibt zahlreiche andere Faktoren, die in der Zwischenzeit einen Einfluss ausüben könnten. Das geschieht jedoch innerhalb bestimmter Parameter; es ist nicht so, dass alles passieren könnte, aber angesichts der Variablen im System gibt es verschiedene Möglichkeiten, was passieren kann. In beiden Fällen agieren wir aus einem bestimmten System, um vorherzusehen, was in der Zukunft passieren wird. Erklärbar bezieht sich hingegen darauf, zurückzugehen und zu betrachten, wie alles, was geschieht, Ursachen hat, und wir können herausfinden, was die Ursachen sind. Aus einer buddhistischen Sicht ist es meiner Meinung nach absolut sicher, dass alles, was passiert, erklärt werden kann. 

Die Schwierigkeit ist, dass es praktisch zahllose Variablen gibt, die einen Einfluss darauf haben, was stattfindet. Aus diesem Grund ist es notwendig, einen genaueren Blick auf die buddhistische Analyse der verschiedenen Arten von Ursachen zu werfen, obwohl das ziemlich komplex ist. Wir haben uns eine Art der Ursache angesehen, die wirkende Ursache (tib. byed-rgyu) – sie bezieht sich auf alles andere als das Resultat selbst, was bedeutet, dass alles miteinander verbunden ist und sich alles gegenseitig beeinflusst. Das gesamte Universum ist ein miteinander verbundenes System. Nichts ist unabhängig, was, betrachten wir es folgerichtig, auf den Urknall zurückzuführen ist. Nutzen wir das als ein Modell, ist natürlich alles miteinander verbunden. 

Wir verfügen nicht über all die Informationen, wenn wir kein Buddha sind. Wir kennen nicht all die Variablen; nur ein Buddha ist allwissend. Wenn wir versuchen uns damit zu befassen, was passieren wird, ist alles, was wir tun können, eine Wahrscheinlichkeit dessen festzulegen, was passieren könnte, denn wir verfügen nicht über all die Variablen. Ein Buddha kennt sie alle und daher weiß ein Buddha, was passieren wird. Wir können nur erklären, was bereits geschehen ist, indem wir zurückverfolgen, was die Ursachen gewesen sein müssen, doch nur in Bezug auf die Variablen, über die wir uns bewusst sind. 

Das führt uns zu einer komplizierten Diskussion über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht Dinge, die existieren und momentan zeitgleich, irgendwo in der Raum-Zeit stattfinden. Im Buddhismus sprechen wir vielmehr von der Vergangenheit als dem, was nicht mehr stattfindet, von der Gegenwart als dem, was gegenwärtig stattfindet, und von der Zukunft als dem, was noch nicht stattfindet. Die Diskussion wird ziemlich komplex und schwierig in Bezug darauf, was ein Buddha tatsächlich weiß. Ein Buddha kennt die drei Zeiten ohne Beeinträchtigungen und ohne Anhaftung. 

Dynamische Systeme versus geschlossene Systeme 

Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass das System des Karma dynamisch ist. Ein dynamisches System ist das Gegenteil von einem geschlossenen System. Ein geschlossenes System gilt als geschlossen, wenn all die Variablen, die einen Einfluss auf das System haben können, stattgefunden und ihre Wirkung gehabt haben; nichts kann das System dann mehr beeinflussen. Ist das System einmal geschlossen, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder können wir sagen, was geschehen wird und es gibt nichts, was wir dagegen tun können, oder es gibt eine Art Lücke, in der wir eine Wahl haben, was wir tun werden und die Auswirkung tritt entsprechend unserer Entscheidung auf. Bei keinem von beiden handelt es sich um das Modell dafür, wie karmische Ursache und Wirkung im Buddhismus funktionieren.

Das buddhistische System von karmischer Ursache und Wirkung ist ein dynamisches System, und das bedeutet, dass es nie geschlossen ist. Es gibt immer noch mehr Variablen, die in jedem Moment auftreten und damit fortfahren, Dinge zu beeinflussen. Nicht alle diese Variablen sind, wie wir gestern verdeutlicht haben, auf unserer Seite zu finden, denn alles wird durch alles andere – all die Umstände um uns herum – beeinflusst und das ändert sich ständig. Es ist also niemals ein geschlossenes System. 

Befassen wir uns mit der Wahl, sollten wir auch darauf achten, was denn tatsächlich stattfindet. Wie wir gestern analysiert haben, gibt es die Geistesfaktoren des unterscheidenden Gewahrseins, der Überzeugung usw.; wenn eine Entscheidung erfolgt, gibt es kein getrenntes „Ich“, das eine Entscheidung trifft. Wir erleben es jedoch so, als würden wir die Entscheidung treffen und konventionell gesehen ist das wahr. Hier müssen wir wieder einen Blick darauf werden, was es heißt, wenn wir sagen, dass wir entscheiden. Ist sich ein Buddha darüber bewusst, wofür wir uns entscheiden? „Ich entscheide“ ist die Art und Weise, wie wir es erfahren. Buddha würde es als eine Entscheidung erfahren, die auf diesem Geisteskontinuum in Bezug auf eine große Reihe von Ursachen und Umständen getroffen wurde. Beides ist gültig, solange wir uns gedanklich nicht auf ein getrenntes „Ich“ beziehen, das eine Entscheidung trifft, auf ein unabhängiges „Ich“, das sich entscheidet, was natürlich nicht der Fall ist. 

Ist es nicht auch so, dass Buddha vorher nicht weiß, was die Entscheidung sein wird? 

Nein, das ist nicht der Fall. Obwohl die Entscheidung noch nicht getroffen wurde, ist es nicht so, dass ein Buddha sie nicht kennt oder nur vermutet, was passieren wird. Aus diesem Grund sollten wir eine klare Vorstellung von nicht mehr stattfindenden, gegenwärtig stattfindenden und noch nicht stattfindenden Ereignissen haben und wissen, was dies bedeutet. Wie ich bereits erwähnte, ist eine der Qualitäten eines Buddhas, dass ein Buddha die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ohne Beeinträchtigungen und ohne Anhaftung kennt. Sie ist eine der zehn Qualitäten des allwissenden Geistes eines Buddhas. 

Muss man das wörtlich nehmen? 

Man muss es mit einem Verständnis der Leerheit der drei Zeiten wörtlich nehmen, und nicht im Sinne wahrhaft begründeter Existenz.

Aber es gibt keine Zukunft, die der Buddha wahrnehmen kann. 

Richtig, und daher habe ich gesagt, dass es nicht leicht zu verstehen ist, was der Buddha tatsächlich weiß. 

Ein anderer Punkt ist: kennt er nur Tendenzen? Könnte ein Buddha wissen, dass es keine Möglichkeit gibt, etwas vorherzusagen? 

Nein, denn alles kann vom Standpunkt eines Buddhas aus erkannt werden – das ist es, was so schwierig ist. Es ist nicht so, dass der Buddha dies durch Schlussfolgerung weiß (und angesichts all der Variablen schlussfolgert, was geschehen wird), denn die Schlussfolgerung ist konzeptuelle Wahrnehmung und Buddha hat keine konzeptuelle Wahrnehmung. Er weiß es direkt, ohne sich auf eine Ketten von Argumenten zu stützen. Das ist wirklich kompliziert und schwierig zu verstehen. 

Unsere noch nicht stattfindende Erleuchtung hinsichtlich durch Negierung und durch Bestätigung erkannter Phänomene  

Weiß ein Buddha wirklich, was in der Zukunft passieren wird. 

Ja. In tantrischen Initiationen im Anuttarayoga verkündet Buddha beispielsweise die Form des Dhyani-Buddhas, in dem wir Erleuchtung erlangen werden, dadurch, dass wir ein Stäbchen auf ein Tablett werfen, auf dem jede Richtung und das Zentrum einem bestimmten Dhyani-Buddha zugeschrieben ist. Es gibt sogar Fälle von Hellsehern, die wissen, was noch nicht stattgefunden hat. Wie gesagt, ist das ein recht kompliziertes Thema. 

Wenn wir im Buddhismus über das sprechen, was als „Zukunft“ übersetzt wird, bedeutet es „noch nicht stattfinden“. Ein „Noch-nicht-Stattfinden“ ist ein durch Negierung erkanntes Phänomen. Es gibt zwei Arten von existierenden Phänomenen: jene, die durch Bestätigung und jene, die durch Negierung erkannt werden. Ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen wäre zum Beispiel ein Apfel und ein durch Negierung erkanntes Phänomen wäre „kein Apfel“. Um dieses durch Negierung erkannte Phänomen zu differenzieren, müssen wir erst einmal „einen Apfel“ kennen und ihn dann konzeptuell von allen Dingen ausschließen, die nicht ein Apfel sind, um zu wissen, was „kein Apfel“ ist. Ein Apfel kann nicht „kein Apfel“ sein, doch wurde er erst einmal ausgeschlossen, ist alles andere, was übrig bleibt „kein Apfel“. Wir müssen alles andere nicht einzeln ausschließen, und um andererseits ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen zu differenzieren, müssen wir nicht erst einmal etwas kennen und es dann konzeptuell ausschließen. Alles, was wir kennen müssen, ist „ein Apfel“. 

Genau wie „ein Apfel“ ist auch „gegenwärtig stattfinden“ ein Bestätigungs-Phänomen. Wir müssen einfach nur ein Fußballspiel sehen, das gerade anfängt, um „gegenwärtig stattfinden“ zu kennen. „Noch nicht stattfinden“ ist ein durch Negierung erkanntes Phänomen. Zuerst gilt es zu wissen, was „gegenwärtig stattfinden“ ist und dann schließt man es, bevor das Spiel beginnt, aus, um „noch nicht stattfinden“ zu verstehen.

Ein anderer Punkt ist, dass „kein roter Apfel“ genau wie „kein Apfel“ ein durch Negierung erkanntes Phänomen ist. „Ein roter Apfel“ bildet eine Einheit und die gesamte Einheit wird konzeptuell ausgeschlossen, um „kein roter Apfel“ zu differenzieren. In ähnlicher Weise ist „kein gegenwärtig stattfindendes Fußballspiel“ ein durch Negierung erkanntes Phänomen, von welchem man „ein gegenwärtig stattfindendes Fußballspiel“ ausschließen muss, um es zu differenzieren. 

Ein weiterer Punkt ist folgender: Ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen kann mehr als ein Element beinhalten und eines dieser Elemente kann ein durch Negierung erkanntes Phänomen sein. So könnten wir zum Beispiel von einem „Tisch ohne einen Apfel darauf“ sprechen. Dieser bildet eine ganze Einheit und ist ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen. Um den Tisch zu sehen, müssen wir nicht alles andere kennen und konzeptuell ausschließen. Teil des „Paketes“ dessen, was wir sehen, ist jedoch das durch Negierung erkannte Phänomen „ohne ein Apfel darauf“. Um das wahrzunehmen, müssten wir vorher „die Gegenwart eines Apfels“ gekannt haben – nicht unbedingt auf dem Tisch, doch wir müssten wissen, wie ein Apfel aussieht – und dann konzeptuell dessen Gegenwart ausschließen. 

Sprechen wir von Bodhichitta, welches auf unsere „individuelle Erleuchtung, die noch nicht stattgefunden hat“ ausgerichtet ist, ist diese Erleuchtung in ähnlicher Weise ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen. Doch der Zustand der Erleuchtung ist ein ewiges, statisches Phänomen, das durch nichts beeinflusst wird. Es ändert sich nicht und kann weder „noch nicht stattfinden“, noch „nicht mehr stattfinden“. Des Weiteren ist Erleuchtung genau wie Leerheit immer gleich, egal was ihre individuelle Grundlage ist. Ob es sich nun um meine Erleuchtung oder Buddhas Erleuchtung handelt, sind sie beide vom Blickwinkel der Erleuchtung der gleiche Zustand. Wie dem auch sei, die Erleuchtung kann nur nichtkonzeptuell von einem Buddha erkannt werden. Wir können sie lediglich konzeptuell durch die Repräsentation mit etwas, wie eine Buddha-Gestalt, kennen. 

Wollen wir präziser in Bezug auf Bodhichitta sein, müssen wir sagen, dass Bodhichitta auf unsere individuelle Erleuchtung ausgerichtet ist, die noch nicht erlangt wurde. Diese „Erleuchtung“ ist noch immer ein durch Bestätigung erkanntes Phänomen und umfasst ein durch Negierung erkanntes Phänomen als ein beinhaltendes Element: „noch nicht erlangt“ – mit anderen Worten gibt es da ein „noch nicht stattfindendes Erlangen“. 

Ein Erlangen (tib. thob-pa) ist etwas, das stets ein Objekt besitzt. Es muss ein Erlangen von etwas sein, wie ein Erlangen der Erleuchtung oder das Erlangen eines Resultates, das durch karmische Hinterlassenschaft heranreift, wie das Erlangen eines Wiedergeburtszustands. Darüber hinaus bezieht sich ein „Erlangen“ von etwas nicht nur auf den ersten Moment, sondern auf die gesamte Zeit danach, so lange das, was erlangt wird, weiter gegenwärtig stattfindet – im Fall der Erleuchtung für immer und im Fall eines Wiedergeburtszustandes bis zum Tod. 

Ein Erlangen von etwas ist ein Zuschreibungsphänomen. Ein „Zuschreibungsphänomen“ ist etwas, das nur auf der Basis von etwas anderem existieren kann und nicht unabhängig davon wahrgenommen wird, dass diese Basis zuerst wahrgenommen und dann, außer im Fall der Leerheit, zusammen mit dieser Basis wahrgenommen wird. Ein Erlangen ist ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage eines individuellen Kontinuums von Aggregaten (Körper, Geist, Emotionen usw.). Gewissermaßen ist es Teil dieser Grundlage und nicht etwas, das wir oder irgendjemand anderes zuschreiben oder projizieren kann. Damit wir wissen können, dass andere ein Erlangen von etwas, wie eine kostbare menschliche Wiedergeburt, haben, ist es notwendig, dass wir zunächst das Kontinuum ihrer Aggregate und dann diese Aggregate zusammen mit dem Erlangen einer kostbaren menschlichen Wiedergeburt auf der Grundlage dieses Kontinuums wahrnehmen. Da sich die gegenwärtig stattfindenden Mitglieder der fünf Aggregate als die Grundlage des Erlangens jeden Augenblick ändern, ist das Erlangen einer kostbaren menschlichen Wiedergeburt auf der Grundlage dieser sich ändernden, nichtstatischen Aggregate ebenfalls nichtstatisch. Denkt daran, dass ein Erlangen von etwas, wie eine Person (ein konventionelles „Ich“), ein nichtstatisches, durch Bestätigung erkanntes Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage eines Kontinuums von Aggregaten ist. 

Ich bin mir nicht sicher, ob ein allwissender Buddha der Reihenfolge nachgehen müsste, zuerst die Grundlage der Zuschreibung und dann die Grundlage mit dem Zuschreibungsphänomen wahrzunehmen, aber auf jeden Fall nimmt ein Buddha gleichzeitig unser individuelles Kontinuum der Aggregate und unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ auf dessen Grundlage wahr. Das ist es, was ein Buddha nichtkonzeptuell weiß. Das gleiche gilt in Bezug darauf, wie ein Buddha die „noch nicht stattfindenden Resultate“ mancher karmischen Potenziale auf der Grundlage unseres individuellen Kontinuums der Aggregate kennt, die diese Potenziale umfassen.

Wie kennen wir „ein noch nicht stattfindendes Erlangen“? Damit wir es kennen können, müssen wir zunächst „ein gegenwärtig stattfindendes Erlangen“ kennen und es dann ausschließen, um „ein noch nicht stattfindendes Erlangen“ zu kennen. Haben wir jemals das „gegenwärtig stattfindende Erlangen, ein Fußballspiel zu schauen“ erfahren, können wir diesen Ausschluss machen, während wir auf den Beginn eines Spieles warten, um das „noch nicht stattfindende Erlangen, ein Fußballspiel zu schauen“ zu kennen. Was sehen wir, während wir warten? Wir sehen ein leeres Fußballfeld und die Abwesenheit unseres „gegenwärtig stattfindenden Erlangens, ein Fußballspiel zu schauen“. Eine Abwesenheit von etwas ist ein durch Negierung erkanntes Zuschreibungsphänomen. Zunächst müssen wir dessen Grundlage, wie einen Tisch sehen, dann dessen Grundlage plus das Zuschreibungsphänomen, wie den Tisch plus die Abwesenheit eines Apfels auf ihm.

Wie wissen wir, dass es irgendwann ein „gegenwärtig stattfindendes Erlangen, ein Fußballspiel zu schauen“ geben wird? Weil es ein Potenzial dafür gibt, dass das Spiel beginnt, und dieses Potenzial hat einen Aspekt „vorübergehend das Spiel noch nicht erscheinen zu lassen, bis alle Umstände dafür vollständig sind.“ Wir wissen, dass es „ein noch nicht stattfindendes Erlangen, das Fußballspiel zu schauen“ auf der Grundlage dieses Aspektes gibt und wir schlussfolgern konzeptuell, dass es solch ein noch nicht stattfindendes Erlangen auf der Grundlage der Tatsache gibt, ein Ticket gekauft und Platz genommen zu haben; außerdem sehen wir all die anderen Fans usw. 

Ein Buddha kann in ähnlicher Weise die Abwesenheit „eines gegenwärtig stattfindenden Erlangens der Erleuchtung“ auf der Grundlage unseres Kontinuums von Aggregaten wahrnehmen. Ein Buddha nimmt auch das „noch nicht stattfindende Erlangen der Erleuchtung“ wahr, welches das „vorübergehende Nicht-Hervorbringen eines gegenwärtig stattfindenden Erlangens der Erleuchtung bis all die Umstände vollständig sind“ ist, was ein Aspekt der erleuchtungsbildenden Potenziale ist, die Zuschreibungsphänomene auf der Grundlage des konventionellen „Ichs“ sind, das ein Zuschreibungsphänomen auf der Basis unseres Kontinuums von fünf Aggregaten ist. Da nur ein Buddha „ein gegenwärtig stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ – nämlich seine eigene – nichtkonzeptuell wahrnehmen kann und da alle Erleuchtungen gleich sind, kann ein Buddha sie ausschließen, um das „noch nicht stattfindende Erlangen der Erleuchtung“ in unserem Kontinuum nichtkonzeptuell wahrzunehmen.  

Obwohl wir konzeptuell das „noch nicht stattfindende Erlangen, das Fußballspiel zu schauen“ kennen können, ist dieses „noch nicht stattfindende Erlangen“ kein „gegenwärtig stattfindendes Erlangen“. Das Spiel hat noch nicht begonnen. In ähnlicher Weise ist unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ kein „gegenwärtig stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“. Obwohl wir unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ nur konzeptuell erfassen können, indem wir es, beruhend auf unseren Potenzialen des Erlangens schlussfolgern, kennt ein Buddha es nichtkonzeptuell, ohne sich auf eine Kette von Argumenten zu stützen. Ein Buddha kennt es nichtkonzeptuell, weil ein Buddha unser Kontinuum von Aggregaten und sowohl die Abwesenheit „eines gegenwärtig stattfindenden Erlangens der Erleuchtung“ als auch die „gegenwärtig stattfindenden erleuchtungsbildenden Potenziale“ nichtkonzeptuell wahrnimmt, die dessen Zuschreibungsphänomene sind, um es einfacher auszudrücken. 

Außerdem nimmt ein Buddha war, dass unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ in der Form des spezifischen Dhyani-Buddhas geschehen wird, in dessen Richtung das Stöckchen fiel, als wir es auf das Tablett warfen. Das beruht auf dem Potenzial, das wir in dem Moment schufen, um Erleuchtung in dieser Form zu erlangen.    

Worüber ist sich ein Buddha bewusst? 

So, wie ein Buddha nicht-konzeptuell unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ kennt, was kurz gesagt ein Aspekt unserer Potenziale für ein „gegenwärtig stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ ist, kennt ein Buddha nicht-konzeptuell die „noch nicht stattfindenden Resultate“, die ein Aspekt unserer karmischen Potenziale sind.  

Um weiterzugehen, ist es notwendig, die ganze Diskussion der Leerheit von Ursache und Wirkung mit ins Spiel zu bringen. Eine Argumentationskette, die hier benutzt wird, um die wahrhaft auffindbare Existenz der Resultate oder Auswirkungen zu widerlegen, besteht darin, dass zur Zeit der Ursache das Resultat weder wahrhaft existierend noch wahrhaft und völlig nicht-existierend ist. Würde das Resultat wahrhaft und auffindbar zur Zeit der Ursache existieren, gäbe es keine Notwendigkeit für dessen Hervorbringen oder Erscheinen; es würde bereits existieren und stattfinden. Wäre das Resultat zur Zeit der Ursache wahrhaft nicht-existierend, könnte es niemals erscheinen, weil es kein Entstehen von etwas geben könnte, was überhaupt nicht existiert. Etwas, das wahrhaft ein „Nichts“ ist, kann nicht etwas werden, das wahrhaft ein „Etwas“ ist. 

Der Standpunkt, dass das Resultat zur Zeit der Ursache bereits existiert und wahrhaft auffindbar ist, wird von der Samkhya-Schule der nicht-buddhistischen indischen Philosophie vertreten und dabei handelt es sich zweifelsohne nicht um eine buddhistische Sichtweise. Es ist nicht so, dass das Resultat bereits in den Ursachen existiert und nur darauf wartet herauszukommen und sich zu manifestieren, wenn all die Umstände vollständig sind. Unser „gegenwärtig stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ ist nicht etwas, das bereits wahrhaft und auffindbar in den „gegenwärtig stattfindenden Ursachen“ existiert. Unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ ist ebenfalls nicht etwas, das gegenwärtig stattfindet. Obwohl unsere „noch nicht stattfindende Erleuchtung“ noch nicht stattfindet, bedeutet das nicht, dass sie wahrhaft und auffindbar etwas ist, das nicht existiert. Wir sollten wirklich die Leerheit von Ursache und Wirkung verstehen oder zumindest versuchen zu verstehen. 

Haben wir zum Beispiel eine Eiswürfelschale, die wir mit Wasser füllen, wissen wir, dass aus dem Wasser Eiswürfel werden, wenn wir sie in das Gefrierfach legen. Das Wasser hat das Potenzial, zu Eiswürfeln zu werden. Kennen wir die „noch nicht stattfindenden Eiswürfel“? Ja. Obgleich die „noch nicht stattfindenden Eiswürfel“ momentan nicht da sind, wissen wir, dass sie da sein werden, wenn die Umstände für ihr Entstehen vollständig sind. Wir wissen es durch etwas, wie ein Gesetz der Physik, das ein konzeptuelles Konstrukt ist –Wasser wird bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkt zu Eis. Wir müssen das Gesetz nicht formulieren, es ist ein Konzept und wir kennen es konzeptuell. Buddha muss das Konzept nicht nutzen, um zu wissen, dass Wasser unter dem Gefrierpunkt zu Eis wird. Doch dieses Gesetz existiert und man kann es kennen.

Doch das Konzept ist nicht das, was das Wasser dazu bringt, zu gefrieren. 

Das stimmt, das Konzept ist nicht das, was das Wasser zum Gefrieren bringt; das Konzept ist nur eine Weise, es zu erklären und zu verstehen. Dies sind Dinge, über die wir nachdenken sollten, wenn wir versuchen, uns der Frage zu nähern, was ein Buddha weiß. Ein Buddha kennt nicht-konzeptuell unser „noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung“ sowie die „noch nicht stattfindenden Resultate unseres Verhaltens“ und es gibt Gesetze des Karma, die konzeptuelle Konstrukte sind. 

Weitere Diskussion über das „Noch-nicht-Stattfinden“ 

Was passiert, wenn der Buddha das „noch nicht stattfindende Erlangen der Erleuchtung“ von Jorge kennt, aber Jorge sich entscheidet, nicht weiter auf das Erlangen der Erleuchtung hinzuarbeiten? 

Nun, Buddha würde das bereits wissen. Buddha war sich Jorges noch nicht stattfindender Entscheidung bewusst, nicht weiter daran zu arbeiten, Erleuchtung zu erlangen. Er wusste es bereits, dass bestimmte Umstände auftreten würden, Jorge seine Meinung ändern, Bodhichitta aufgeben und nicht weiter auf das Erlangen der Erleuchtung hinarbeiten würde. Aber wie erlebt Jorge das? 

Wohlgemerkt gibt es in der Gleichung keinen unabhängig existierenden Jorge. Aus Sicht des Geisteskontinuums, in dem all die verschiedenen Handlungen von einem Augenblick zum nächsten stattfinden, gibt es unterscheidendes Gewahrsein, Überzeugung, das Treffen von Entscheidungen und solche Dinge. Seine „gegenwärtig stattfindende Entscheidung entsteht als Resultat einer unfassbaren Anzahl von Ursachen und Umständen, von denen manche mit den Geistesfaktoren in seinem Geisteskontinuum verbunden sind und viele nicht, wie das Wetter, ein Erdbeben und wer weiß was noch – das findet ebenfalls statt. 

Was geschieht aus der Sicht von Jorge, der Person, welche das Treffen von Entscheidungen subjektiv erlebt? Es gibt das Entstehen des Gedankens, die Entscheidung zu treffen, und dies ist gleichbedeutend mit dem Treffen und kennen der Entscheidung. Dieses Treffen einer Entscheidung geschieht, ohne dass es da ein unabhängiges „Ich“ gibt, das sie trifft, doch ungeachtet dessen wird das Treffen der Entscheidung individuell und subjektiv erlebt. Natürlich wird sie als eine Entscheidung erfahren und sie ist eine Entscheidung – konventionell handelt es sich dabei um eine Entscheidung. Niemand zwingt Jorge, sie zu treffen. Doch für was immer er sich entscheidet, gibt es eine Erklärung und ein Buddha sieht all das, weil ein Buddha all die Faktoren kennt, die daran beteiligt sind, die alle durch Gesetzte erklärt werden können, obwohl Gesetze letztlich nur eine Annäherung an einen Versuch sind, Dinge zu erklären. 

Das alles klingt aber ziemlich deterministisch. Sie haben ja einen Vergleich gemacht und deterministisch als nach vorn gerichtet erklärt, während das Kausalprinzip eher eine Erklärung ist, die sich nach hinten richtet. Doch der Punkt ist, dass ein Buddha Dinge vorhersieht, wenn wir einmal das Beispiel nehmen, das Erlangen der Erleuchtung von jemanden vorherzusagen. Ein Buddha richtet also seine Aufmerksamkeit auf Dinge, die noch nicht stattfinden und nicht zurück auf die Ursachen. Doch beruhend auf den Ursachen richtet er seine Aufmerksamkeit auf die Resultate oder möglichen Resultate. Also auch wenn es unzählige Ursachen gibt und sie sich ständig ändern, würde ein Buddha sie alle erfahren, ihre gegenseitige Verbundenheit sehen und sie in jedem Moment ihres Änderns erleben – doch das klingt immer noch ziemlich deterministisch. 
Und wenn der Buddha beispielsweise wissen würde, dass Jorge in einer bestimmten Zeit – in 6438 Zeitaltern – Erleuchtung erlangt und dies Jorge sagen würde, wäre das damit festgelegt, denn Jorge müsste ja nichts mehr tun, weil der Buddha es vorhergesehen hat und wie könnte es eine größere Gewissheit geben, als die Vorhersage eines Buddhas? Warum sollte man an so einem Punkt noch irgendetwas tun? 

Wahrend einer Initiation verkündet der tantrische Meister als ein Buddha den Dhyani-Buddha, in dessen Form Jorges noch nicht stattfindendes Erlangen der Erleuchtung stattfinden wird und dies geschieht, indem während dieser spezifischen Initiation ein Stäbchen auf ein Tablett geworfen wird. Der tantrische Meister sagt nicht, wann Jorges gegenwärtig stattfindendes Erlangen passieren wird. Und natürlich kann Jorge noch viele andere Initiationen empfangen, in denen das Stöckchen, das er wirft, auf einem anderen Dhyani-Buddha landet und somit eine weitere Variable bietet, um die Situation zu ändern. 

Doch wie dem auch sei, sogar wenn ein Buddha das Gefühl hätte, es wäre nützlich, Jorge zu verkünden, dass das Erlangen der Erleuchtung in 6438 Zeitaltern stattfindet, würde ein Buddha die Auswirkung davon kennen, ihm das zu sagen und es in die Gleichung mit einbeziehen. In seinem nächsten Leben hätte Jorge dann selbstverständlich vergessen, was Buddha ihm gesagt hatte und vielleicht vergisst er es sogar in diesem Leben oder schenkt dem Buddha keinen Glauben, doch ein Buddha würde all das wissen.  

Das Beispiel von „Flächenland“ 

Ich muss zugeben, dass ich nur damit spiele, doch lasst mich einmal meine eigenen Vorstellungen davon mit einfließen, um zu sehen, ob es einen Sinn für euch ergibt. Lass uns einfach hineinspringen. Es gibt ein Buch mit dem Titel „Flächenland“, das Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben wurde. Darin geht es um ein zweidimensionales Universum mit dem Namen Flächenland, das von einem dreidimensionalen Wesen besucht wird. Natürlich kann das dreidimensionale Wesen sehr viel mehr sehen, als die Menschen in Flächenland, weil es sich über dieser Ebene befindet. Die Menschen aus Flächenland können nur sehen, was sich direkt neben ihnen befindet, während das dreidimensionale Wesen die gesamte flache Ebene sehen kann, als würde es von oben aus einem Flugzeug schauen. Als das dreidimensionale Wesen durch Flächenland läuft, können sie es lediglich als eine zweidimensionale Form wahrnehmen. Diese Form ändert sich natürlich. Sobald das dreidimensionale Wesen einen Fuß anhebt, verschwindet es ganz plötzlich und taucht dann wieder an einem anderen Ort auf, wenn es den Fuß wieder abstellt. Größe und Form ändern sich und zuweilen gibt es zwei Formen, weil sich beide Füße auf dem Boden befinden. 

Das ich meiner Meinung nach suggestiv dafür (zumindest könnte es suggestiv dafür sein), wie wir diese außergewöhnlichen Kräfte eines Buddhas verstehen könnten. Wir sollten das Konzept ernst nehmen, welches wir im Westen haben, dass es nicht nur drei räumliche und eine zeitliche Dimension, sondern zehn oder gar elf Dimensionen gibt, und wer weiß, auf wie viele Dimensionen sie sich in einigen Jahren einigen werden. Wäre ein Buddha also in der Lage, in allen Dimensionen zu agieren, wäre die Situation eines Buddhas in Bezug auf unsere Sicht der drei räumlichen und einer zeitlichen Dimension und was immer unser begrenztes Gewahrsein wahrnehmen kann, wie jene dieses dreidimensionalen Besuchers in Flächenland. Denkt daran, dass wir fühlende Wesen mit einem begrenzten Geist, einer begrenzten Hardware (dem Wahrnehmungsapparat) sind; wir können nur drei räumliche und eine zeitliche Dimension wahrnehmen, wie die Leute in Flächenland nur zwei räumliche Dimensionen wahrnehmen können, doch ein Buddha kann die Gesamtheit wahrnehmen und in dieser Gesamtheit agieren. 

Hören wir, wie ein Buddha sich zur gleichen Zeit in zahlreichen Formen manifestieren und seine Größe ändern kann (Milarepa ebenfalls, denn er passte in die Spitze des Yak-Horns), wie er sich überall  im Universum gleichzeitig manifestieren kann und all diese Dinge, können wir es vielleicht mithilfe dieses Beispiels des dreidimensionalen Wesens verstehen, welches aus der Perspektive des Flächenlandes wahrgenommen wurde. Können wir es im Sinne der physischen Dimensionen verstehen, warum nicht auch im Sinne mehrfacher zeitlicher Dimensionen? 

Was physische Dimensionen betrifft, durchdringt der Geist eines Buddhas, weil er allwissend ist, das gesamte Universum als Objekt der Wahrnehmung gleichzeitig und daher kann ein Buddha sich parallel im gesamten Universum in zahlreichen verschiedenen Formen manifestieren. Ich denke, was die zeitliche Dimension betrifft, ist das ähnlich. Die Menschen in Flächenland können jemanden nicht sehen, der sich ihnen aus der Entfernung nähert, während ein dreidimensionales Wesen die Perspektive hat, eine Person in der Ferne zu sehen, die in diese Richtung kommt, während es gleichzeitig wahrnehmen kann, was sich im Moment hier befindet. Ein Buddha kann in ähnlicher Weise noch nicht stattfindende und nicht mehr stattfindende Ereignisse sehen, während er zur gleichen Zeit erkennen kann, was momentan passiert.

Aus der Sicht der Bewohner Flächenlands, ist das, was der Buddha sieht, das „Noch-nicht-Stattfinden des Ankommens von jemanden“ und dieses „Noch-nicht-Stattfinden“ ist nichtstatisch. Es kommt immer näher und das ist genau das, was im Prasangika gesagt wird, nämlich dass das „Noch-nicht-Stattfinden“ unbeständige oder nichtstatische Phänomene sind. Sie ändern sich jeden Augenblick, denn in jedem Augenblick sind sie nicht mehr X minus zehn Sekunden, sondern X minus neun Sekunden, dann X minus acht Sekunden usw. Sie kommen immer näher, ein „gegenwärtig stattfindendes Ereignis“ zu werden. Natürlich ist das Ereignis keine auffindbare Sache, die für sich existiert und dann durch eine Zeit-Variante modifiziert wird. Es ist nicht wie ein Koffer, der sich auf dem Transportband bewegt und uns immer näher kommt. Das muss man natürlich mit dem Verständnis der Leerheit wahrer auffindbarer Existenz verknüpfen. 

Von unserer Sicht aus sind wir nur in der Lage, die zeitliche Dimension des „gegenwärtigen Stattfindens“ wahrzunehmen. Von der Sicht eines Buddhas aus, kann ein Buddha „Noch-nicht-Stattfinden“, „Gegenwärtig-Stattfinden“ und „Nicht-mehr-Stattfinden“, also alle drei Zeiten gleichzeitig wahrnehmen. Doch das bedeutet nicht, dass die drei Zeiten alle gegenwärtig stattfinden. Es ist wichtig, dies hinzuzufügen. Es bedeutet nicht, dass sie alle gegenwärtig stattfinden, doch ein Buddha kann sie alle wahrnehmen. Es ist in etwa so, wie die Abfolge von Tagen in einem Kalender zu sehen – nur ein Tag findet auf einmal statt, doch wenn wir uns den Kalender ansehen, können wir auch Tage sehen, die noch nicht stattfinden und jene, die nicht mehr stattfinden.  

Weitere Diskussion über das Beispiel von Wasser und Eiswürfeln 

Denkt an das Beispiel von Wasser und Eiswürfeln. Es gibt eine Eiswürfelschale mit Wasser darin, die wir in das Gefrierfach legen werden. Können wir die noch nicht stattfindenden Eiswürfel kennen? Ich denke, dass wir sie kennen können, doch wir könnten sie nur konzeptuell erfassen – zum Beispiel können wir sie durch Visualisierung kennen. Wir müssten sie jedoch nicht unbedingt visualisieren oder uns vorstellen. Trotzdem finden die „noch nicht stattfindenden Eiswürfel“ gegenwärtig nicht statt; sie sind momentan nicht hier. 

Man kann sagen, die Eiswürfel werden entstehen, doch ich glaube nicht, dass ich mir genau vorstellen kann, wie diese Eiswürfel aussehen werden. 

Genau, wir können nicht genau wissen, wie die Eiswürfel aussehen werden, weil die „gegenwärtig stattfindenden Eiswürfel“ sich nicht in dem „gegenwärtig stattfindenden Wasser“ befinden. „Noch nicht stattfindende Eiswürfel“ sind ein Zuschreibungsphänomen des Potenzials von Wasser zu Eis zu werden. Sie sind durch Negierung erkannte Zuschreibungsphänomene, die weder Formen physischer Phänomene noch Weisen, sich etwas gewahr zu sein, sind und so haben sie keine eigene Form. Wir können sie nur konzeptuell darstellen, indem wir uns eine Form vorstellen, die sie annehmen könnten.  

Wie könnten wir die „gegenwärtig stattfindenden Eiswürfel“ kennen, die entstehen werden? Nun, würden wir all die Variablen der Temperaturverteilung innerhalb des Gefrierfaches kennen, wüssten wir, welchen Einfluss sie auf das Entstehen der Eiswürfel in ihm hätten; und würden wir den genauen Status des Gefrierfaches kennen, sowie das Stromnetz der Stadt, des Gebäudes, des Landes usw., wären wir uns auch über den „noch nicht stattfindenden Stromausfall“ bewusst. Würden wir zudem das Verhalten von allen kennen, wären wir uns über den „noch nicht stattfindenden Terroranschlag auf das Stromnetz“ bewusst, welcher dafür sorgen würde, dass die „noch nicht stattfindenden Eiswürfel“ für ziemlich lange Zeit nicht mehr gegenwärtig stattfinden werden. Buddha würde all diese Faktoren kennen. 

Ich weise nur auf einen Gedankengang, eine Art des Analysierens, hin, wie wir die „noch nicht stattfindenden Eiswürfel“ im Moment des „gegenwärtig stattfindenden Wassers“ kennen könnten. Wir würden sie nur durch ein Konzept (Wasser plus Minusgrade gleich Eis) und eine konzeptuelle Darstellung von ihnen kennen. Würde ein Buddha in allen Dimensionen agieren und könnte alle Dimensionen wahrnehmen, wäre ein Buddha in der Lage, alle drei Zeiten gleichzeitig zu sehen, doch es ist nicht so, dass alle drei gegenwärtig stattfinden. Die Zukunft findet nicht irgendwo jetzt statt und es ist nicht so, dass wir die Zukunft erreichen und sie sehen könnten, wenn wir schnell genug wären. Wie dem auch sei, das sind lediglich Vorstellungen, mit denen man spielen kann. Ich weiß nicht, ob sie hilfreich oder relevant sind. Vielleicht sind sie ja auch völliger Unsinn, aber ich finde sie nützlich, wenn man beginnt, sich mit diesen wirklich schwierigen Themen der außerkörperlichen, außerzeitlichen und außersinnlichen Kräfte eines Buddhas zu befassen. 

Buddha kennt die vergangenen Leben eines jeden, sowie all ihre noch nicht stattfindenden Handlungen. Kann ein Buddha oder können wir ändern, was bereits stattgefunden hat? Nein. Kann ein Buddha ändern, was noch nicht stattgefunden hat? Nein. Können wir ändern, was wir noch nicht getan haben? Wäre das, was noch nicht stattgefunden hat, wahrhaft existent, wäre es bereits bestimmt und festgelegt, und kann somit nie geändert werden. Wie wir aber gesehen haben, sind Dinge, die „noch nicht stattfinden“ nichtstatische Phänomene. Sie werden durch Umstände beeinflusst und können sich somit in jedem Augenblick ändern. 

Zusammenfassung 

Ich muss sagen, dass ich keine völlige Klarheit in Bezug auf all diese Themen habe, da bin ich ganz ehrlich. Es handelt sich wirklich um ausgesprochen schwierige Dinge, um einige der schwierigsten Fragen, doch ich denke, der wichtigste Punkt ist, wie wir Dinge erfahren. Wir erfahren Dinge in Form von Entscheidungen und es gibt verschiedene Lücken, die auftreten. Es gibt eine Lücke, bevor wir auf das erwidern, was in uns und um uns passiert, ein Gedanke kommt auf, etwas zu tun, und dann entsteht eine Absicht oder ein Wunsch, es zu tun. Wir haben das Entstehen solch eines Gedankens als „etwas gern tun wollen“ beschrieben. 

Sind wir beispielsweise müde und es ist schon spät, entsteht als Erwiderung darauf der Gedanke schlafen zu gehen. Es gibt jedoch eine Lücke zwischen dem Gefühl, schlafen gehen zu wollen und der Absicht oder dem Wunsch, tatsächlich zu Bett zu gehen. Wir haben die Wahl, das, worauf wir Lust haben, was wir beabsichtigen und uns wünschen zu tun, zu ignorieren. Doch wenn wir wirklich die Absicht haben, zu Bett zu gehen, überdenken wir es vielleicht erst einmal, was unentschlossenes Schwanken ist. „Soll ich jetzt ins Bett gehen oder soll ich meditieren?“ Und wir kommen zu einer Entscheidung: „Ich werde zu Bett gehen.“ Doch da gibt es eine weitere Lücke, bevor wir tatsächlich ins Bett gehen, in der wir unsere Meinung ändern könnten. In diesen Lücken ist es nicht so, als wäre es ein geschlossenes System, denn zahlreiche andere Dinge finden statt. Situationen tauchen auf, die einen Einfluss darauf haben könnten, was wir tun. Erinnerungen kommen hoch, Gewohnheiten treten auf, das Telefon klingelt; so viele Dinge können passieren. Der Buddha kennt all diese Faktoren, die auftreten und einen Einfluss darauf haben, was wir tun, doch wie erfahren wir es? Wir erfahren es aus dem Blickwinkel der Entscheidung. 

Dann wir die Entscheidung nicht nur illusionsgleich, sondern eine echte Illusion. 

Nein, nein, sie ist wie eine Illusion, doch sie findet statt und es gibt eine Wahl, die getroffen wird. Wie verstehen wir das Wählen? Was bedeutet das Wort „wählen“? Wir werden diese Frage nicht so einfach beantworten. Dafür haben wir das ganze Wochenende, um darüber zu diskutieren; wir haben ein ganzes Leben, um darüber zu reden. Wir haben ja das gesamte Wochenende mit der Aussage Buddhas begonnen, dass Karma von allem am schwersten zu verstehen ist. Auch haben wir herausgefunden, dass das korrekte Verständnis der Leerheit nur ein Teil dessen ist, was es zu verstehen gilt, um Karma zu verstehen. Es ist notwendig die Leerheit von Ursache und Wirkung zu verstehen. Auch sollten wir auf jeden Fall die Leerheit des Selbst verstehen. Wir sollten verstehen, was Geist bedeutet. Es gibt niemanden außerhalb des gesamten Systems, weder Buddha noch wir, der entscheidet, was passieren wird. 

Die Wahl hat etwas mit der Frage der Entschlossenheit zu tun: wie Unentschlossenheit zu Entschlossenheit wird, und da kommt die Wahl mit ins Spiel. Wir müssen die Bedeutung des westlichen Wortes „Wahl“ verstehen, und hier ist es wirklich relevant, oder beruht das ganze Konzept des Wählens auf dem Konzept eines wahrhaft unabhängig existierenden „Ichs“? Unser Konzept von „keine Wahl“ beruht auch auf einem Konzept eines wahrhaft existierenden „Ichs“, das keine Wahl hat. Das ist meiner Meinung nach entscheidend für unser Verständnis dieser Frage des freien Willens, des Determinismus, der Wahl usw. Ich denke, die ganze Weise, wie die Frage gestellt wird, geschieht von einem Blickwinkel, das Selbst als wahrhaft existierend und unabhängig vom System zu betrachten und entweder eine Wahl oder keine Wahl zu haben. Es ist nicht so, als würden wir in einem Restaurant sitzen und hätten all die Auswahlmöglichkeiten auf einem Menü, die nur darauf warten, dass wir uns für etwas entscheiden. 

Wir sollten darauf achten, nicht zu sagen: „ja, ich verstehe Leerheit“, doch tatsächlich eine Chittamatra- oder Svatantrika-Sicht im Gegensatz zur Prasangika-Sicht zu haben. Wir sagen, wir wissen, dass es kein unabhängiges „Ich“ gibt, aber das ist nicht tiefgreifend genug; es ist kein ausreichend tiefes Verständnis darüber, wie das „Ich“ existiert. Es ist notwendig, sich tiefgründig mit analytischer Meditation zu befassen. 

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