Rückblick – der Gefühlszustand der Zufluchtnahme
In der vorangegangenen Sitzung haben wir über die Wichtigkeit und Notwendigkeit gesprochen, eine positive Richtung in unserem Leben einzuschlagen. Wir haben gesehen, dass die Zuflucht eine Richtung ist, in der wir uns selbst vor Schwierigkeiten schützen. Wir sind eine ganze Liste von Schwierigkeiten durchgegangen, mit denen wir im Leben zu tun haben und die uns davon abhalten, glücklich zu sein.
Des Weiteren haben wir gesehen, dass Glück auf der grundlegendsten Ebene auf ein Gefühl der Verbundenheit mit anderen zurückzuführen ist. Wir entwickeln diese Art der Verbundenheit, wenn wir schädliches Verhalten unterlassen, und erfahren sie, wenn Menschen uns vertrauen, dass wir nichts tun werden, was sie verletzt. Sie haben ganz grundsätzlich Vertrauen in uns und wissen, dass wir ihnen gegenüber nicht gemein sein werden. Freundschaft beruht auf diesem Vertrauens und mit dieser Grundlage ist es dann notwendig, nicht wütend, bedrängend oder selbstisch gegenüber anderen zu sein, um ein Gefühl des Glücklichseins und der Verbundenheit mit ihnen zu haben. Im Allgemeinen öffnen wir unsere Herzen und denken nicht nur an uns selbst.
All diese negativen und schädlichen Verhaltensweisen – wie Wut, Engstirnigkeit, Verschlossenheit usw. – bringen uns dazu, entsetzt über unser Verhalten zu sein, was wir für gewöhnlich als Furcht bezeichnen. Wir denken: „Ich habe Angst, dass ich so weitermachen werde, was mich noch mehr von anderen isoliert und zu Einsamkeit, Unzufriedenheit und Leid führen wird.“ Wir erkennen jedoch, dass es nicht hoffnungslos ist; wir sind in dieser Situation nicht hilflos. Wir erkennen, dass es einen Weg gibt, all diese selbstzerstörerischen Hindernisse zu überwinden.
Wir haben auch darüber gesprochen, dass es für das Gehirn und den Geist möglich ist, neue Pfade anzulegen und neue Gewohnheiten zu schaffen. Wie in dem Beispiel, in dem wir lernen unsere linke Hand zu benutzen, wenn unsere rechte gelähmt ist, gibt es die Möglichkeit etwas zu ändern. Wenn wir dann neue Pfade anlegen, können wir Furcht überwinden – beispielsweise die Furcht, unseren Geist und unser Herz gegenüber anderen zu öffnen. Der Geist ist bestens dazu in der Lage offen zu sein, anstatt sich nur zu verschließen, stur oder ängstlich vor allem zu sein, was neu oder anders ist. Wir haben also diese Furcht; wir sind entsetzt darüber, dass die Dinge weiter in eine schlechte Richtung laufen. Wir haben auch Vertrauen darin, dass es möglich ist sich zu ändern und zu öffnen, sowie Mitgefühl, denn wir tun all dies, weil wir an andere denken, um mehr mit ihnen verbunden zu sein, auch wenn es nur auf einer selbstbezogenen Ebene ist. Damit bewegen wir uns dann von der selbstbezogenen Ebene zu einer Stufe, auf der wir ihnen wirklich helfen.
Furcht, Vertrauen und Mitgefühl sind die drei Ursachen der Zuflucht, die wir haben. Wir vereinen sie in dem Gefühlszustand miteinander, in dem wir Zuflucht nehmen und diese positive und sichere Ausrichtung in unserem Leben einschlagen. Bedenkt bitte, dass ich all dies auf einer recht grundlegenden Ebene präsentiere, bevor wir uns dann ganz fachlich mit Buddha, Dharma und Sangha befassen. Zunächst ist es notwendig, eine generelle Vorstellung davon zu bekommen, was hinter der Zuflucht und der sicheren Ausrichtung steckt, bevor wir auf weitere Einzelheiten eingehen, denn diese ganze Idee der Zufluchtnahme in unserem Leben hat im Grunde einen großen Nutzen für alle. Wir müssen keine Buddhisten werden. Zu etwas spezifisch Buddhistischem wird es, wenn es darum geht, was die Quellen sind, denen wir uns vollkommen anvertrauen und die in der Lage sind, uns den Weg zur Buddhaschaft zu zeigen. Es geht also nicht nur darum, ganz allgemein im Leben in eine positivere Richtung zu gehen, sondern vielmehr darum, sich selbst mit jenen zu identifizieren, die uns den Weg durch alle Stufen hindurch bis hin zum letztendlichen Ziel der Erleuchtung weisen können, sowie sich ihnen anzuvertrauen und überzeugt zu sein, dass sie verlässliche Anführer sind und wir diese Ziele erreichen können. Wir müssen nicht einmal an dieses letztendliche Ziel glauben, um zumindest in diese Richtung zu gehen.
Meditation – Eine Auswirkung auf uns selbst
Mit Dharma meinen wir, ganz allgemein gesagt, die Methoden, die Buddha lehrte. Viele dieser Methoden können von allen benutzt werden, auch ohne beispielsweise an Wiedergeburt zu glauben. Was den Sangha betrifft, so ist es nicht unbedingt notwendig, ihn als Gemeinschaft von Aryas zu sehen, die eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit gehabt haben. Vielmehr geht es darum, durch das Wissen, dass es auch andere gibt, die dieser Richtung folgen, Kraft zu bekommen. Sprechen wir also über die Zuflucht, müssen wir mit einer ganz grundlegenden Ebene beginnen, und zwar der Ebene, auf der wir im Wesentlichen an uns selbst arbeiten. Schlagen wir diese Richtung ein, haben wir Angst davor, die Dinge im Leben immer mehr zu verschlimmern und sind zuversichtlich, dass wir dies ändern können, während wir daran arbeiten, mit anderen mehr verbunden zu sein.
Schrittweise können wir uns dann durch den Lam-rim arbeiten, unsere Motivation prüfen usw., um Erleuchtung anzustreben. Diese grundlegende Richtung liegt jedoch dem gesamten Pfad zugrunde; sie ist die Basis. Ansonsten geschieht es leicht, dass wir buddhistische Methoden praktizieren – insbesondere die fortgeschrittenen der Visualisierungen, des Tantra, der Rezitation, Mantras und all diese Dinge – und sie nicht wirklich nutzen, um eine Änderung in uns selbst zu bewirken und etwas in unserem Leben zu verbessern. Wir tun es einfach nur aus irgendeinem Grund, aber es hat keine Auswirkungen darauf, wie wir mit den alltäglichen Situationen im Leben umgehen. Damit verfehlen wir den Sinn des Ganzen, der in all diesen Übungen darin besteht, eine Selbst-Transformation zu bewirken. An sich selbst zu arbeiten, Unzulänglichkeiten zu überwinden, immer mehr gute Eigenschaften zu entwickeln und anderen gegenüber hilfreicher zu sein – all diese Dharma-Methoden sind dafür gedacht, unsere Transformation zu unterstützen.
Welche grundlegenden Methoden nutzen wir nun, um tatsächlich zu meditieren? Meditation bedeutet, diese Gewohnheit zu schaffen, eine sichere Ausrichtung in unserem Leben einzuschlagen. Es gibt eine allgemeine Methode, die man nutzt und in den Dharma-Lehren auf verschiedene Arten der Meditation anwendet. Hierbei bedienen wir uns der Vorstellungskraft – was für zahlreiche Methoden im Buddhismus zutrifft – wobei wir auf drei Ebenen, in drei verschiedenen Situationen, arbeiten. Es handelt sich um Folgende:
- von einer Klippe hinunterfallen,
- fast von der Kante einer Klippe fallen, und
- sich wie auf einem Fließband auf die Kante einer Klippe zubewegen, von der wir hinunterfallen werden.
Dabei spielt es keine große Rolle, ob wir uns eine Klippe oder das Dach eines Hochhauses vorstellen.
Zuerst bestimmen wir, was es ist, in das wir fallen. Wir können mit ein paar allgemeinen Beispielen beginnen, wie beispielsweise eine Depression, Einsamkeit oder Isolation. Dies sind alles Zustände, vor denen es uns grauen würde. Wir können zum Beispiel denken: „Ich bin ein alter Mensch, will einfach nur in meiner Wohnung bleiben, bin einsam, fühle mich allein und bin frustriert.“ Zunächst sind wir bestürzt darüber und wollen nicht, dass es uns passiert. Des Weiteren verstehen wir, dass diese Gefühle durch unsere Engstirnigkeit verursacht werden, sowie dadurch, ständig zu lamentieren und nur an uns selbst zu denken. Immer, wenn wir Besuch von jemandem bekommen, ist es für die anderen einfach nur unangenehm, mit uns zusammen zu sein.
Zweitens sind wir, zusätzlich dazu, bestürzt darüber zu sein, dass dies geschieht oder weiter stattfindet, und zuversichtlich, dass es möglich ist, dieses Verhalten zu beenden und bessere Gewohnheiten zu schaffen. Wir denken an andere: „Wenn ich mit allen so umgehe, wollen sie nicht nur meine Gemeinschaft meiden, sondern werden selbst furchtbar unglücklich. Meine Gemeinschaft löst einen bedrückenden Geisteszustand bei ihnen aus und das will ich nicht. Ich will nicht, dass sie das erleben.“ Mit dieser dreifachen Motivation stellen wir uns dann zunächst vor, in diese Depression zu fallen – wir befinden uns schon auf dem Weg nach unten und denken: „Ich will wirklich nicht, dass dies geschieht; ich möchte meinem Leben eine sichere Ausrichtung geben, um diese Depression zu vermeiden.“
Der nächste Schritt ist dann folgender: Wir sind kurz davor, in diesen furchtbaren Geisteszustand zu fallen und denken: „Ich will nicht, dass es passiert!“ und wenden uns der sicheren Ausrichtung zu. Beim dritten Schritt befinden wir uns etwas weiter weg von der Klippe, aber steuern diese Richtung an, wenn wir weiter so handeln. Und daher sagen wir: „Ich muss damit aufhören. Es gibt eine sichere Ausrichtung, die ich einschlagen kann und ich werde mich dieser Richtung in meinem Leben zuwenden, ich werde an mir selbst arbeiten und in der Gegenwart anderer nicht ständig nur lamentieren.“ Das ist die Weise, in drei Schritten über die Zuflucht zu meditieren.
Natürlich können wir uns in unserer Meditation vorstellen, in höllische Bereiche hinab zu fallen, aber wir müssen uns nicht auf diese klassische Meditationsweise beschränken. In eine furchtbare Depression zu fallen, in der wir völlig allein sind, ist höllisch genug in Bezug auf das, was wir vermeiden wollen. Die klassische Form besteht darin sich vorzustellen, wir würden in die höllischen Bereiche fallen. Lasst uns also versuchen, diese Meditation auszuführen.
Geführte Meditation über die Zuflucht in drei Schritten
Zunächst ist es, wie in jeder Meditation, notwendig zur Ruhe zu kommen. Dies tun wir normalerweise, indem wir uns auf den Atem ausrichten. Der Atem ist ziemlich hilfreich, denn wir müssen jeden Atemzug loslassen, da wir unseren Atem nicht ewig anhalten können. Jedes Mal, wenn wir ausatmen, versuchen wir jegliche Anspannung und Gedanken, die wir haben, mit dem Ausatmen loszulassen. Das hilft uns ruhiger zu werden und verbindet uns mit unserem Körper, sodass wir uns nicht einfach nur in Gedanken verlieren. In gewissem Sinne ist es hilfreich, um sich zu erden.
Dann stellen wir uns diesen Zustand der Frustration, Einsamkeit, Isolation oder Verbitterung vor. Wie fühlt es sich an zu denken: „Niemand liebt mich.“ Wir müssen dieses Gefühl nicht wirklich hervorbringen, sondern versuchen es uns nur vorzustellen. Dann denken wir: „Dieser Geisteszustand ist wirklich grauenhaft und erschreckend. So etwas will ich ganz gewiss nicht erleben und ich wäre bestürzt, wenn es passieren würde.“
Darüber hinaus denken wir: „Ich befürchte, es wird geschehen, wenn ich mich nicht ändere. Ich bin jedoch überzeugt, dass ich mich ändern kann. Das Gehirn besitzt diese Neuroplastizität, der Geist ist flexibel. Es ist möglich, meine Gewohnheiten zu ändern – ich kann damit aufhören zu lamentieren und so zu handeln, dass niemand etwas mit mir zu tun haben möchte.“
„Ich kann mein Herz gegenüber anderen öffnen. Ich muss mich nicht so verschließen und nur an mich selbst denken. Es ist nicht notwendig, über alles zu klagen, was mir widerfährt und ständig nur an mich zu denken, während ich alle anderen vernachlässige.“
Schließlich denken wir: „Ich kümmere mich um andere und die Auswirkung meines Verhaltens auf sie. Ich will sie durch mein Verhalten nicht unglücklich machen.“ Wir entwickeln also Mitgefühl.
Dann stellen wir uns vor, in diesen Zustand der Depression, Isolation oder Einsamkeit zu fallen. Wir sind noch nicht am Boden angekommen, aber fallen hinein. Da wir bestürzt darüber sind und zuversichtlich, dass wir uns ändern und mitfühlend gegenüber anderen sein können, haben wir diese feste Entschlossenheit und das Ziel: „Ich werde meinem Leben eine positive Richtung geben und daran arbeiten, mein negatives Verhalten zu überwinden.“ Es ist, als würden wir fallen, aber nun unsere Richtung ändern wollen und wieder zurückfliegen.
Dann stellen wir uns eine ähnliche Situation vor, in der wir an der Kante einer Klippe stehen und kurz davor sind hinunter zu fallen. Wieder sind wir erschrocken und denken: „Ahhh! Aber ich bin überzeugt, ich kann damit aufhören, da mir alle anderen am Herzen liegen.“ Während wir uns dann davon abhalten hinunter zu fallen, schlagen wir eine positive Richtung ein.
Im Anschluss stellen wir uns dann noch vor, wie wir uns auf die Kante einer Klippe zubewegen. Wir sind noch nicht dort, aber verstehen, dass es uns immer näherbringen wird, wenn wir weiter so handeln. Wir denken: „Ich will es wirklich vermeiden, denn es ist so grauenhaft. Ich werde also jetzt diese sichere Ausrichtung in meinem Leben einschlagen, um das zu vermeiden. Ich bin mir sicher, dass ich in diese positive Richtung gehen kann, denn ich achte darauf, welche Auswirkungen meine Handlungen auf alle anderen haben werden. Dann bewegen wir uns stattdessen in eine sichere Richtung.
Schließlich beenden wir die Meditation damit, uns auf den Atem auszurichten, sodass wir wieder zur Ruhe kommen können.
Das ist im Wesentlichen die Struktur der Meditation über die Zuflucht. Wir fügen viele verschiedene höllische Arten von Situationen ein, die wir vermeiden wollen und auf der anderen Seite können wir eine klarere Vorstellung davon haben, was es bedeutet, in eine positive Richtung zu gehen und uns Buddha, Dharma und Sangha anzuvertrauen und die sichere Ausrichtung ihrer Anweisungen einzuschlagen. Die Struktur der Meditation in drei Schritten ist jedoch die gleiche wie eben. Erst einmal ist es notwendig, die Struktur der Meditation zu verstehen und dann können wir die Details hinzufügen.
Fragen
Gibt es auch eine Anweisung, bei der es nicht um Furcht geht? Ich habe lange daran gearbeitet, die positiven Seiten von Dingen in meinem Leben zu entwickeln und denke, dass durch Angst alles Positive blockiert wird.
Nun, aus diesem Grund halte ich es für wichtig, zwischen zwei Arten der Furcht zu unterscheiden. Da gibt es die Furcht, die mit dem Gefühl verbunden ist: „Alles ist hoffnungslos. Ich bin hilflos und es gibt nichts, was ich tun kann.“ Diese Art der Furcht ist äußerst negativ und lähmt uns. Es gibt jedoch auch eine positive Art der Furcht, mit der uns bewusst wird, dass es eine Möglichkeit gibt etwas zu vermeiden, was wir vermeiden wollen, und mit der wir realisieren, dass wir nicht hilflos sind. Diese Art der Furcht treibt uns an, etwas zu verhindern, was wir nicht erfahren wollen.
Nehmen wir einmal an, wir ziehen beispielsweise einen Splitter aus unserem Finger oder wollen etwas aus dem Auge entfernen. Dann denken wir vielleicht: „Ich habe Angst, ich werde es noch schlimmer machen. Aber ich weiß, dass ich es vermeiden kann, wenn ich vorsichtig bin.“ Warum wollen wir vorsichtig sein? Weil wir uns nicht wehtun wollen. Da gibt es ein starkes Gefühl: „Ich will mir nicht wehtun.“ Wie nennen wir es? Ist es Furcht? Ist es Grauen? Oder erschreckt uns vielleicht die Vorstellung, mit dieser Nadel in unser Auge zu stechen? Wie nennen wir es? Es ist wirklich schwierig, hier das richtige Wort zu finden, um dieses starke Gefühl zu beschreiben.
Früher habe ich das Wort „Grauen“ (engl. „dread“) benutzt. Ich weiß nicht, ob es dieses Wort im Russischen gibt, aber das Beispiel, was ich oft benutze, ist: „Ich habe diese Verabredung mit jemandem, der schrecklich langweilig ist. Ich will wirklich nicht hingehen, aber ich muss. Ich habe keine Angst vor dem Treffen, aber mir graut davor.“
In letzter Zeit – es ändert sich ständig – denke ich, dass Grauen als Emotion nicht stark genug ist. Sage ich zum Beispiel, mir graut davor, in einem Altersheim zu sein, in dem mich niemand besuchen kommt, und ich dort allein herumsitze und mich furchtbar fühle, dann ist dieses Wort nicht stark genug. Mir graut zwar davor, aber ich finde es auch erschreckend. So ein grauenhaftes Gefühl will ich wirklich nicht haben. Es ist nicht wirklich Furcht, aber es ist stärker als Grauen. Momentan spiele ich mit diesem Wort „erschreckend/grauenhaft“ (engl. „horrifying“), da ihm eine starke Emotion zugrunde liegt, es uns jedoch nicht lähmt.
Mit anderen Worten sollte es es hilfreicher Geisteszustand sein, und nicht einer, der zu einem Hindernis wird. Dann versuchen wir, mit diesem erschreckenden und grauenhaften Gefühl zu arbeiten und es als hilfreichen Geisteszustand zu betrachten, der in diese allgemeine Kategorie des Grauens, der Angst oder Furcht passt – jedoch nicht auf solche Weise, dass uns dieses Gefühl lähmt, sondern wir die Zuversicht haben, den Gegenstand der Furcht zu vermeiden. Furcht ist auch nicht die einzige Motivation. Zur Furcht kommt das Vertrauen, dass es eine Möglichkeit gibt, dies zu vermeiden, und der Gedanke: „Ich will es nicht nur wegen mir vermeiden, sondern weil ich dazu in der Lage sein will, anderen zu helfen, da es nicht nur mir wehtut, sondern auch allen anderen. Wenn ich in die Hölle gehe, wie kann ich da jemandem helfen, wenn ich für mehrere Zeitalter dort feststecke?
Wie gesagt gibt es drei Arten des Glaubens oder Vertrauens, die wir hier miteinander verbinden. Der erste gründet auf Vernunft, dass wir uns ändern können und es vernünftig ist, diesbezüglich zuversichtlich zu sein. Natürlich ist es sinnvoll sich ändern und negatives Verhalten vermeiden zu können. Das Vertrauen mit klarem Verstand ist jenes, das uns von jeglichen störenden Emotionen freimacht. Diese Art der hilflosen Furcht wäre also der negative Aspekt der Furcht; sind wir hingegen zuversichtlich, dass wir uns ändern können und es eine zuverlässige Methode gibt, der wir folgen können, haben wir nicht diese lähmende Art der Furcht, sondern eine gesunde Furcht. Und schließlich gibt es noch die Art des anstrebenden Vertrauens, mit dem wir das Gefühl haben: „Ich bin zuversichtlich in diese Richtung gehen zu können und daher strebe ich an, dies zu tun.“
Für mich ist es schwierig, meine persönlichen höllischen Situationen zu visualisieren, da sie nicht so viel Furcht hervorrufen. Können wir uns in diesem Fall zum Beispiel auch die großen Probleme in unserer Gesellschaft vorstellen, wie die Möglichkeit, in einen Krieg verwickelt zu werden, oder wäre das nur ein Versuch des eigenen Geistes, die eigenen realen Probleme zu vermeiden?
Seine Heiligkeit der Dalai Lama betont stets die Notwendigkeit, sich gedanklich auf soziale Probleme wie Krieg usw. zu beziehen. Um jedoch eine Auswirkung zu erzielen, sollten wir bei uns selbst beginnen und daher liegt das Hauptaugenmerk am Anfang darin, an sich selbst zu arbeiten, und das dann auf jene in unserer Umgebung auszuweiten. Auf diese Weise haben wir Teil an einem allmählichen sozialen Wandel, denn die meisten von uns sind nicht in der Lage, große soziale Veränderungen zu bewirken.
Was die Situation in einem Krieg betrifft: was löst denn einen Krieg aus? Er entsteht durch Wut, sowie dadurch, an der eigenen Position zu hängen und nicht über die Position der anderen Seite nachzudenken. Das wenden wir dann auf uns selbst an und denken: „Wenn ich Probleme mit anderen bekomme, mag es sich nicht um Krieg oder um das Schießen mit Gewehren handeln, aber es geht um ein ähnliches Problem – um Wut, Anhaftung an meinen Standpunkt, und das Vernachlässigen der Meinung anderer, ihrer Gefühle und so weiter.“
Anders ausgedrückt: Was können wir tun, wenn wir Angst davor haben, uns in einem Krieg zu befinden, um dies effektiv zu vermeiden? Wir könnten losgehen und protestieren, was uns vielleicht ein besseres Gefühl verleiht, aber damit dringen wir nicht wirklich bis zur Wurzel des Problems vor. Die eigentliche Quelle des Problems ist Wut und Anhaftung an die eigene Meinung. Das sind die Qualitäten, an denen wir nur in uns selbst arbeiten können. Es gilt also zuversichtlich zu sein, dass das, was wir tun – an uns selbst zu arbeiten – helfen wird. Hier denken wir über die zwei Ursachen nach, die zwei Teile der Motivation, also entsetzt wegen unserer Wut zu sein, und zuversichtlich im Hinblick darauf zu sein, dass unsere Handlungen tatsächlich Auswirkungen haben werden, die wir jetzt persönlich erfahren können. An sich selbst zu arbeiten, kann zu schnelleren Resultaten führen, als wenn wir versuchen, gesellschaftlich etwas ändern zu wollen. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen ungeheuer viel Zeit.
Wir könnten Angst davor haben, dass uns eine Atombombe auf den Kopf fällt, aber was können wir tun, um dies zu verhindern? Uns unter dem Stuhl verstecken? Was könnten wir wirklich tun?
Auf welche Weise könnte uns die Zuflucht helfen, mit dieser Furcht vor Atombomben umzugehen? Wie kann uns die Zuflucht helfen, uns mit unseren Gefühlszuständen auseinanderzusetzen?
Indem wir denken: „Was können wir beeinflussen?“ Mit anderen Worten sollten wir realistisch sein. Ich habe also Angst davor, mit könnte eine Atombombe auf den Kopf fallen. Nun, ich kann nicht wirklich viel dagegen tun, um das zu verhindern. Davor Angst zu haben, wird uns nicht weiterhelfen, da es uns nur unglücklich macht. Shantideva gibt uns den Rat: Wenn es etwas gibt, das wir ändern können, warum sollten wir uns Sorgen machen? Wir ändern es einfach. Und wenn es etwas ist, das wir nicht ändern können, weil es außerhalb unserer Macht liegt, warum sollten wir uns aufregen und ärgern; das wird uns auch nicht weiterhelfen.
Wir ändern also den Fokus: anstatt daran zu arbeiten, vor der fallenden Bombe Schutz zu suchen, geht es uns darum, uns vor der Furcht und dem Leid der Furcht zu schützen. Die Furcht ist etwas, woran wir arbeiten können, und wenn es etwas gibt, was wir tun dagegen tun können, tun wir es. Können wir nichts dagegen unternehmen, nun, dann machen wir das Beste aus unserem Leben, solange die Bombe nicht auf unseren Kopf fällt. Der Tod wird sowieso irgendwann kommen – wir könnten von einem LKW überfahren werden; es muss nicht gleich eine Atombombe sein, die auf unseren Kopf fällt.
Wir ändern den Fokus, indem wir daran arbeiten, uns von der Furcht zu befreien, anstatt uns damit zu befassen, die Atombombe zu beseitigen. An uns selbst zu arbeiten, ist etwas, das wir tun können. Wenn es zum Beispiel brennt, haben wir Angst, einfach aus dem Haus zu fliehen, um uns selbst zu retten und die Kinder zu vergessen. Das ist dann etwas, woran wir arbeiten können, damit diese Furcht und unsere Selbstbezogenheit nicht gegenüber unsere Sorge für den Rest unserer Familie überhand nehmen. Das ist eine gute Art der Furcht, an der man arbeiten kann – die Furcht, dass wir zu egoistisch sein und nur an uns selbst denken werden.
Wenn wir Angst vor anderen haben und gleichzeitig nicht wissen, wie wir ihnen helfen können, ist diese Art der Furcht dann ein Hindernis oder nicht?
Das hängt davon ab, ob wir das Gefühl haben, nie dazulernen zu können oder ob wir danach streben, Buddhaschaft zu erlangen, damit wir uns aller Möglichkeiten anderen zu helfen bewusst sein können. Es ist notwendig, Schritte in diese Richtung zu unternehmen. Der erste Schritt besteht darin, tatsächlich zuzuhören, was andere sagen. Wir sollten nicht einfach denken, was für uns das Beste ist, sei auch gut für andere. Wir hören zu und versuchen ihre Seite zu verstehen. Das ist jedoch nicht einfach.
Wir nutzen diese Drei-Schritt-Methode der Meditation über die Zuflucht stufenweise und denken an jede der furchtbaren Situationen, die wir vermeiden wollen. Einige von ihnen sind wir in unseren vorangegangenen Sitzungen durchgegangen – wie beispielsweise schädlich gegenüber anderen zu handeln, störende Emotionen zu haben, Menschen mit unserer Wut oder damit zu vertreiben, an ihnen zu hängen, bis sie Platzangst bekommen und weglaufen. Drängen wir ihnen zum Beispiel zwanghaft unsere Hilfe auf, ruft das in ihnen Beklemmung und Ärger hervor, und sie sagen: „Hör auf mir ständig zu erzählen, was ich tun soll!“
Es könnte auch unsere Selbstbezogenheit sein, bei der es stets nach unserem Kopf gehen muss und wir meinen, wir wären immer im Recht. Indem wir diese Verhaltensmuster unkontrollierbar wiederholen und nicht wissen, wie wir anderen bestmöglich helfen können, treffen wir falsche Entscheidungen und geben nutzlose oder schlechte Ratschläge. Während wir uns durch die Stufen des Lam-rim durcharbeiten, können wir diese grundlegende Idee der Zuflucht auf jeder dieser Stufen anwenden und Entsagung, die Entschlossenheit, frei zu sein oder Bodhicitta hinzufügen, was unser Verständnis der Zuflucht noch verstärkt. Die Struktur ist jedoch die gleiche. Zuflucht ist der Korb, in den alles hinein getan wird.
Wir können es auch auf störende Emotionen anwenden, einfach nur um sicherzugehen, dass wir die Methode verstehen. Betrachten wir beispielsweise unangenehme Geisteszustände, wie wütend auf andere zu werden, unsere Geduld zu verlieren, sich zu nerven, feindselig oder aggressiv zu werden: diese Zustände stören nicht nur uns, sondern ganz gewiss auch alle anderen.
Zuerst gilt es sich wiederum zu beruhigen, indem wir uns auf den Atem ausrichten. Dann denken wir an die Situation, wobei es jedoch nicht notwendig ist, sie genau zu visualisieren. Wir stellen uns einfach nur vor, furchtbar wütend auf andere zu werden und aufgrund unserer störenden Emotionen mit ihnen zu argumentieren. Da wir ziemlich aggressiv sind, wollen sie wegen unserem Verhalten nichts mit uns zu tun haben.
Wir denken für uns selbst: „Das ist ein Muster, das ich habe und ich bin wirklich entsetzt deswegen. Ich will nicht, dass es so weitergeht. Mich erschrecken die Auswirkungen, die es auf mich und auf andere hat, mit denen ich Austausch habe – es ist einfach furchtbar! Aber ich bin zuversichtlich, dass ich mich ändern kann. Es ist möglich sich zu ändern und ich kann an mir arbeiten. Es gibt viele Methoden, die zur Verfügung stehen; es ist nur eine Sache des Umsetzens. Der Buddha lehrte viele Methoden zum Überwinden von Wut, und sie funktionieren. Ich möchte wirklich damit aufhören, für andere durch mein schlechte Laune und mangelnde Toleranz eine Störung zu sein.“
Betrachten wir es nun am ersten Beispiel des Fallens von einer Klippe, wenn wir bereits hinunterfallen. Welche Situation aus dem wahren Leben kann man dem zuordnen? Die Situation, wenn wir in einer Begegnung mit jemandem immer wütender und ungeduldiger werden. Wir fallen also bereits in dieses Muster und stehen kurz davor, den Boden zu erreichen, auf dem beide Seiten in einen heftigen Streit geraten. Wir denken, dass wir dies wirklich vermeiden wollen, denn diese Reaktion wäre furchtbar.
Dann hören wir auf. Wir legen unsere positive Richtung fest und wenden all die Methoden an, um nicht wütend zu werden. Wir halten inne, denn unsere gesamte Konversation geht in die völlig falsche Richtung, in die wir nicht gehen wollen. Wir erkennen, dass es uns, die andere Person und alle anderen in dem Raum nur beunruhigt. Wir entscheiden, dass wir dies auf keinen Fall wollen und schlagen diese sichere Ausrichtung ein, um weiteren Streit zu vermeiden.
Als nächstes stellen wir uns dann vor, wir befinden uns am Rand der Klippe und sind kurz davor hinunter zu fallen. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass die andere Person etwas recht Aggressives zu uns gesagt hat und wir kurz davor stehen, unsere Fassung zu verlieren und wütend zu werden. An diesem Punkt schlagen wir diese sichere Ausrichtung in unserem Leben ein und denken, dass wir in diesem Moment schlicht und ergreifend keinen Streit beginnen wollen.
Dann haben wir die dritte Situation, in der wir uns auf den Rand der Klippe zubewegen. Das bezieht sich darauf, schon vor dem Treffen mit dieser Person eine abwehrende Haltung zu haben und zu erwarten, dass es Streit geben wird. Der Streit hat noch nicht begonnen, aber wir befinden uns bereits in diesem Geisteszustand, in dem wir bereit dazu sind; wir sind defensiv, aggressiv und bereit, unseren Punkt durchzubringen. Bevor wir überhaupt wütend werden und einen Streit anfangen, entscheiden wir uns, lieber eine sicher Richtung in unserem Leben einzuschlagen. Wir werden die Person nicht mit dieser streitlustigen Haltung treffen, denn wir wollen sie nicht beunruhigen, nur weil wir uns auf diese Klippe der Wut zubewegen.
Das ist also die sichere Richtung, in die wir gehen wollen – wir wollen an uns selbst arbeiten und Wut vermeiden. Wir denken: „Es ist erschreckend, wozu Wut führen kann, ich bin überzeugt sie überwinden zu können, ich sorge mich um die Auswirkungen meiner Wut auf andere und will sie nicht verletzen.“
Schließlich kehren wir zu unserem Atem zurück.
Widmung
Es ist immer hilfreich, am Ende unserer Meditation zu widmen: „Möge dies als Ursache dafür dienen, meine Wut wirklich zu überwinden; möge es die Ursache dafür sein, in meinem Leben eine sichere Ausrichtung zu haben, um allen wahrhaft und bestmöglich helfen zu können.“
Soll es wirklich vollständig sein, beginnen wir mit der Absicht. Nachdem wir den Atem beruhigt haben, würden wir unsere Absicht festlegen. Wir denken: „Ich möchte an meinem negativen Verhalten und den störenden Emotionen arbeiten, um anderen nützlicher sein zu können und nicht mehr so viele Probleme mit meiner Wut zu haben.“ Und schließlich widmen wir dann am Ende unserer Meditation.