Die Faktoren der Buddha-Natur
Um im Tantra durch die Ebene des Pfades von der grundlegenden Ebene zur resultierenden Ebene zu gelangen, ist es notwendig, mit unseren Faktoren der Buddha-Natur zu arbeiten. Sehen wir sie uns einmal an.
Es gibt so genannte sich entwickelnde Faktoren und andauernde Faktoren. Die sich entwickelnden Faktoren sind jene Dinge, die sich ändern und zu Buddhakörper werden. Sie ändern sich von einem Augenblick zum nächsten und können sich entwickeln. Diese sich entwickelnden Faktoren sind unser Netzwerk positiver Kraft, das die Formkörper hervorbringen kann, und unser Netzwerk tiefen Gewahrseins, welches das Dharmakaya des tiefen Gewahrseins, den allwissenden Geist eines Buddhas hervorbringen kann.
Obgleich sich die Formkörper und der allwissende Geist eines Buddhas von einem Augenblick zum nächsten ändern können, ändert sich ihre konventionelle und tiefste Natur niemals, aber durch sie werden sie aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Nichtsdestotrotz tut Buddha fortwährend etwas und Dinge ändern sich von einem Augenblick zum nächsten. Buddhas allwissender Geist befasst sich zu unterschiedlichen Zeiten mit verschiedenen Dingen und so müssen wir sagen, dass der Geist eines Buddhas sich ebenfalls von einem Augenblick zum nächsten ändert. Dessen Natur ist jedoch immer gleich.
Das Netzwerk positiver Kraft
Die positive Kraft, die in unserem Netzwerk positiver Kraft aufgebaut wird – die so genannte „Ansammlung von Verdienst“ – ist auf die konstruktiven Dinge zurückzuführen, die wir getan haben. Diese positive Kraft kann samsarabildend oder, mit der geeigneten Widmung, befreiungsbildend oder erleuchtungsbildend sein.
Widmen wir die positive Kraft unserer konstruktiven und nützlichen Handlungen mit mühevollem Bodhichitta, ist die positive Kraft das Ebenbild von einem tatsächlichen Erleuchtungsbildenden. Die echte Sache, das eigentliche reine Erleuchtungsbildende, ist die positive Kraft, die mit mühelosem Bodhichitta gewidmet wird. „Mühelos“ heißt, so vertraut mit Bodhichitta zu sein, dass man keine Argumentationskette durchgehen muss, um es hervorzubringen. Bodhichitta aufzubauen, indem wir über Gleichmut nachdenken, darüber, dass jeder schon einmal unsere Mutter gewesen ist usw. ist mühevoll. „Mühevoll“ bedeutet somit, dass wir jeden Schritt, Stufe für Stufe, durchgehen müssen und mit Bemühung darauf hinarbeiten, einen Zustand von Bodhichitta zu erzeugen.
Müheloses Bodhichitta heißt, sich Bodhichitta unmittelbar zu vergegenwärtigen, ohne es mit einer der Methoden, wie dieser siebenteiligen Meditation über Ursache und Wirkung, aufbauen zu müssen. Haben wir müheloses Bodhichitta erreicht, sind wir auf dem ersten der fünf so genannten „Pfade“ oder „Arten des Pfadgeistes“ angekommen. Die positive Kraft, die wir von nun an durch unser konstruktives Verhalten aufbauen, ist erleuchtungsbildend.
Uns geht es darum, dass unser Netzwerk positiver Kraft nicht mit der Standardeinstellung arbeitet, in der es lediglich heranreift, um Samsara zu verbessern, denn das ist dessen grundlegende Ebene der Funktionsweise. Wir wollen natürlich auch nicht, dass unsere negative Kraft ein furchtbares Samsara für uns erschafft. Vielmehr soll unser Netzwerk positiver Kraft zumindest das Ebenbild eines Erleuchtungsbildendenden sein, das es wird, wenn wir mühevolles Bodhichitta und die angemessene Widmung haben. Von dort arbeiten wir dann daran, dass es ein tatsächliches Erleuchtungsbildendes mit mühelosem Bodhichitta wird.
Beachtet, dass wir kein Shamatha und keine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit benötigen, um ein tatsächliches reines erleuchtungsbildendes Netzwerk positiver Kraft zu haben. Alles, was wir zusätzlich zu mühelosem Bodhichitta brauchen, ist konzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit und eine Ebene der Konzentration. Nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit und Shamatha sind Dinge, die wir später auf dem Pfad erlangen. Es ist möglich, Shamatha bereits vor dem mühelosen Bodhichitta zu erlangen, aber es ist nicht verpflichtend, um beginnen zu können, diese reinen erleuchtungsbildenden Netzwerke aufzubauen. Es ist wichtig zu erkennen, wo die verschiedenen Dinge auf dem Pfad hingehören, die wir im Dharma erlangen können.
Unser erleuchtungsbildendes Netzwerk positiver Kraft ist das, was die Formkörper eines Buddhas hervorbringen wird, und ohne das Widmen wird es für gewöhnlich unser samsarisches Erleben eines Körpers, unsere Begegnungen, unsere Reaktionen darauf, unsere Gefühle von Glück und Leid etc. hervorbringen. All das ergibt sich aus der karmischen Hinterlassenschaft in unserem Netzwerk positiver Kraft.
Das Netzwerk tiefen Gewahrseins
Das Netzwerk tiefen Gewahrseins wird aufgebaut, indem man sich auf die vier edlen Wahrheiten, die sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten und die Leerheit der sechzehn Aspekte der vier edlen Wahrheiten richtet, was recht kompliziert ist. Das eigentliche reine erleuchtungsbildende Netzwerk tiefen Gewahrseins wird aufgebaut, wenn unsere Wahrnehmung dessen nichtkonzeptuell ist, was wir mit einem Pfadgeist des Sehens, dem so genannten „Pfad des Sehens“, erlangen, welcher der dritte der fünf Pfade des Geistes zur Erleuchtung ist. Das heißt, dass wir bereits über müheloses Bodhichitta verfügen. Ist unsere Wahrnehmung dessen konzeptuell, haben wir ein Ebenbild des erleuchtungsbildenden Netzwerk tiefen Gewahrseins.
Es ist wirklich wichtig zu verstehen, was wir unter der Leerheit der vier edlen Wahrheiten verstehen, von denen jede vier Aspekte besitzt. Darauf fokussieren wir uns mit diesen fünf Pfaden des Geistes und das ist die echte Praxis.
Bei den vier edlen Wahrheiten geht es um den Geist, unser geistiges Kontinuum der geistigen Aktivität. Mit der geistigen Aktivität erfahren wir Leiden, wahres Leiden. Wahres Leiden bezieht sich nicht nur auf beflecktes Glücklichsein und Unglücklichsein, sondern auf die sich wiederholende Grundlage dafür, sowohl beflecktes Glücklichsein als auch Unglücklichsein zu empfinden. Das ist Samsara und die wahre Ursache dafür ist unser zwanghaftes Verhalten, angetrieben durch zwanghafte störende Emotionen und Unwissenheit oder mangelndes Gewahrsein. Das wird mit der geistigen Aktivität unseres Geisteskontinuums erfahren. Wahre Beendigungen sind die reine, unbefleckte Natur des Geistes. Der wahre Pfad oder Pfadgeist ist das Verständnis, welches die wahren Beendigungen bewirken wird.
Die Leerheit der vier edlen Wahrheiten ist somit von einem Standpunkt aus die Leerheit des Geistes und eines getrennten, festen und auffindbaren „Ichs“, durch die diese vier erfahren werden. Es gibt kein abgetrenntes, unabhängig existierendes „Ich“, das leidet, unwissend ist, auf zwanghafte, dumme Weise handelt, sowie Erleuchtung erfährt und die Weisheit und das Verständnis entwickelt, durch die sie herbeigeführt wird. Die vier edlen Wahrheiten werden durch das Geisteskontinuum erfahren, welches frei von einem unmöglichen „Ich“ ist, welches die ganze Sache erlebt. Der Geist ist leer von einem „Ich“, das dies erlebt. Es ist nicht so, als gäbe es da ein „Ich“ in meinem Kopf und hier einen Geist, die Maschine, welche das „Ich“ betätigt, indem es auf Knöpfe drückt und daraufhin eine Erfahrung hat. So ist das nicht.
Dann haben wir die Leerheit des wahren Leidens selbst, die Leerheit der wahren Ursachen des Leidens, die Leerheit der wahren Beendigungen und die Leerheit des wahren Pfades des Verstehens. Auf all das richten wir uns aus, um ein Netzwerk tiefen Gewahrseins aufzubauen.
Die fünf Arten des tiefen Gewahrseins
Um ein reines erleuchtungsbildendes Netzwerk tiefen Gewahrseins aufzubauen, richten wir uns dann auf die Leerheit der vier edlen Wahrheiten, des Geistes und des „Ichs“, welches sie erfährt, sowie auf den eigentlichen Inhalt der vier, jede zusammen mit den vier Aspekten. Auf der resultierenden Ebene wird dieses reine Netzwerk den allwissenden Geist eines Buddhas hervorbringen. Doch da gibt es auch einen anderen Aspekt tiefen Gewahrseins, der sich ebenfalls, wenn er rein ist, in den allwissenden Geist eines Buddhas umwandeln wird und das bezieht sich auf die fünf Arten des tiefen Gewahrseins. Sie können auch als die sich entwickelnden Faktoren der Buddha-Natur betrachtet werden. Diese fünf werden manchmal als die fünf „Buddhaweisheiten“ übersetzt und auf den Ebenen des Pfades und den resultierenden Ebenen werden sie durch die so genannten „Dhyani Buddhas“ repräsentiert. Dabei handelt es sich nicht um einen indischen Begriff, sondern um ein Wort, das im Westen erfunden wurde.
Diese fünf Arten des tiefen Gewahrseins beschreiben, wie unsere geistige Aktivität, auch auf der grundlegenden Ebene, der Ebene des Pfades und der resultierenden Ebene, funktioniert. Wir alle verfügen über spiegelgleiches Gewahrsein, mit dem wir Informationen aufnehmen. Gleichsetzendes Gewahrsein befähigt uns, Dinge gleichermaßen als Äpfel, Hunde oder ebenbürtige Objekte des Mitgefühls zu sehen. Individualisierendes Gewahrsein ist die Fähigkeit, die Individualität von Dingen zu sehen. Es ist nicht alles ein Einheitsbrei. Vollbringendes Gewahrsein befähigt uns, etwas mit einer Sache zu tun, eine Art des Umgangs mit ihr zu haben. Dann gibt es das Dharmadhatu-Gewahrsein der Realitätssphäre, welches das tiefe Gewahrsein darüber ist, was etwas konventionell und was dessen tiefste Natur ist.
Unser Geist arbeitet unablässig mit diesen fünf, doch auf der grundlegenden Ebene sind sie natürlich mit Verwirrung vermischt. Wenn sie mit Verwirrung vermischt sind, haben wir beispielsweise statt dem individualisierenden tiefen Gewahrsein eine Haltung, mit der wir meinen: „Dies ist etwas Besonderes; ich muss es haben.“ Wir entwickeln Gier, Anhaftung und Verlangen. Anstatt des gleichsetzenden Gewahrseins meinen wir: „Ich bin besser als du und ich will das, was ich habe, nicht mit dir teilen. Wir entwickeln Arroganz, Stolz und Geiz. Diese fünf Arten des Gewahrseins werden durch die störenden Emotionen verzerrt.
Das findet auf der grundlegenden Ebene statt und das ist etwas, was wir nicht wollen. Wir wollen stattdessen die fünf so genannten „Buddha-Weisheiten“ haben – diese fünf Arten des tiefen Gewahrseins, die auf der Ebene des Pfades durch die fünf farbigen Lichter und die fünf verschiedenfarbigen Figuren im Mandala, das wir visualisieren, dargestellt werden.
Die andauernden Faktoren Buddha-Natur
Zusätzlich zu diesen sich entwickelnden Faktoren der Buddha-Natur haben wir auch die andauernden Faktoren Buddha-Natur. Sie dauern an, was bedeutet, dass sie immer gleich bleiben, ohne sich zu verändern oder zu wachsen. Das bezieht sich auf die leere Natur des Geistes, welche diese Transformation ermöglicht, und in vielen Kommentaren bezieht es sich auch auf die konventionelle Natur des Geistes, welche geistige Hologramme und kognitive Beschäftigungen hervorbringt. Diese ermöglichen die Umwandlung der Netzwerke in die sich verändernden Buddhakörper. Mit der Erleuchtung fahren diese zwei Naturen fort, als Körper der essentiellen Natur, des Svabhavakaya, zu verweilen.
Inspiration
Es gibt einen dritten Faktor der Buddha-Natur und dieser bezieht sich auf die Eigenschaft des geistigen Kontinuums, erhoben oder inspiriert zu werden. Leider wird dieses Wort, welches ich mit „Inspiration“ übersetze, häufig als „Segen“ übersetzt. Dadurch kommt es zu allen möglichen Missverständnissen, wie, dass der Geist durch die heiligen Gurus gesegnet wird, was nun ganz und gar nicht das ist, worum es hier geht. Wir sprechen über die Inspiration, darüber, dass das geistige Kontinuum erhoben, erhellt und gestärkt wird. Das sind all die Bedeutungen, die es in diesem Wort „Inspiration“ gibt.
Eine Weise, auf die unser Geist inspiriert und erhoben wird, besteht in einer gesunden Beziehung zu einem qualifizierten spirituellen Lehrer, und mit dem Guru-Yoga stellen wir uns vor, wie die guten Eigenschaften unseres Gurus mit unseren eigenen verschmelzen und sie erheben und verstärken.
Was für eine gesunde Einstellung sollte das sein, die wir gegenüber unserem spirituellen Lehrer haben? Das sollten wir wissen. Es ist keine ergebene Haltung, mit der wir sagen: „Lama, bitte rette mich. Sag mir, was ich tun soll; ich bin dein Sklave.“ Darum geht es nicht. Die angemessene Einstellung hat zwei Faktoren. Die erste ist die feste Überzeugung in die guten Eigenschaften des Lehrers. Sie beruht darauf, die Lehrer und deren Qualitäten gründlich untersucht und sie als gute Eigenschaften befunden zu haben, die wir selbst gern entwickeln würden. Die zweite Geisteshaltung ist die Wertschätzung ihrer Güte, uns zu helfen, indem sie uns lehren und den Weg weisen. Beruhend auf diesen zwei Geisteshaltungen haben wir enormen Respekt für unsere Lehrer. Das ist der Geisteszustand, den wir in der Beziehung benötigen, um in der Lage zu sein, uns ihrer Führung anzuvertrauen.
Wie es in den klassischen Texten heißt, werden wir schwerlich Lehrer mit allen guten Eigenschaften finden, aber wir sollten welche finden, die zumindest mehr gute als negative Eigenschaften haben. Es hat keinen Sinn, sich auf deren negative Eigenschaften zu fokussieren, darauf, dass sie vielleicht nicht genug Zeit für uns haben. Darüber zu klagen, wird uns nur bedrücken. Weit besser ist es, sich auf ihre guten Eigenschaften zu fokussieren, ohne irgendwelche Mängel zu leugnen, die unsere Lehrer haben mögen. Das wird uns inspirieren. Unsere geistige Aktivität kann auf diese Weise zu höheren und leuchtenderen Ebenen erhoben und inspiriert werden.
Unsere geistige Aktivität kann außerdem während einer Ermächtigung, einer Initiation, erhoben werden. Die Atmosphäre und Umgebung der Initiation ist inspirierend, wie auch die Präsenz des tantrischen Meisters, den wir in der Form der Buddha-Gestalt zusammen mit allem um uns herum als Mandala visualisieren. Wir visualisieren auch uns selbst in diesen erleuchtenden Formen und das ist ebenfalls inspirierend.
Der entscheidende Punkt ist, dass unsere sich entwickelnden Faktoren der Buddha-Natur durch Inspiration aktiviert werden können. Wir haben eine enorme Anzahl an Tendenzen, Potenzialen und so weiter, und viele der positiven sind momentan inaktiv oder schwach. Die Initiation ermächtigt sie in gewissem Sinne, indem sie sie aktiviert zu wachsen, solange wir den geeigneten Geisteszustand haben und nicht nur dasitzen, wie ein Zombie.
Während der Initiation werden im übertragenen Sinne immer mehr Samen in unseren zwei Netzwerken gepflanzt. Der Sanskrit-Begriff „abhisheka“ für eine Initiation bezieht sich auf das Bewässern von Samen. Der tibetische Begriff dafür ist „wang“ und bedeutet Ermächtigung. Während der Ermächtigung haben wir laut den großen Drikung Kagyü-Meistern auch eine bewusste Erfahrung. Um die Ermächtigung zu empfangen, ist es notwendig, eine bewusste Erfahrung zu haben – ein gewisses Gefühl der Leerheit mit einem glückseligen Geist, auch wenn wir einfach nur glücklich darüber sind, bei der Ermächtigung dabei zu sein und die Vorstellung davon haben, dass nichts auf feste Weise existiert, wie dieses solide „Ich“ oder ein solides „Du“. „Ich existiere nicht auf festgeschriebene Weise als dieser arme kleine Wurm hier unten und du existierst nicht auf festgeschriebene Weise als der allmächtige Guru dort oben.“ Es ist nichts dergleichen. Diese bewusste Erfahrung, die Atmosphäre und die Gegenwart des Gurus sind das, was erhebend ist. Das alles gehört zur Buddha-Natur, dass diese Netzwerk gewissermaßen durch die Inspiration einen Auftrieb bekommen. Das ist wunderbar.
Zusammenfassung
Auf dem Pfad geht es uns dann darum, dass unsere zwei erleuchtungsbildenden Netzwerke beruhend auf der Natur des Geistes diese Buddha-Gestalten hervorbringen, anstatt einfach nur immer mehr Leiden in Samsara zu bewirken. Mit Mitgefühl und Bodhichitta bringen wir diese Buddha-Gestalten hervor, die unsere noch nicht stattfindende Erleuchtung repräsentieren. Sie können das nur auf der Grundlage der Leerheit des Geistes und der konventionellen Natur des Geistes tun. Mit dem Wunsch, anderen ebenfalls zu ermöglichen, diesem Pfad zu folgen, verweben wir alles miteinander.
Schließlich werden wir dann als ein Buddha in der Lage sein, alle zur Erleuchtung zu führen. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, die Qualitäten eines Buddhas zu haben, die wir erlangen wollen: einen erleuchtenden Körper, der nie ermüdet oder altert, eine erleuchtende Rede, die mit jedem auf perfekte Weise kommuniziert und durch Mantras repräsentiert wird, einen erleuchtenden Geist, der die zwei Wahrheiten wahrnimmt und über Bodhichitta verfügt, und eine erleuchtende Aktivität, die einen erleuchtenden Einfluss auf alle ausübt. Die farbigen Lichter repräsentieren diesen erleuchtenden Einfluss. Diese Aktivität ist damit verbunden, Opfergaben darzubringen und jedem zu nützen, ihnen eine reine Umgebung und all die anderen Reinheiten zu schenken.
Ein Mandala und all die in ihm enthaltenen Figuren visualisieren
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, sind Mandalas, also der Palast, in dem wir uns befinden und den wir visualisieren, sowie dessen reine Umgebung. Diese gesamte Visualisierung ist die Grundlage der Zuschreibung des „Ichs“, nicht nur die zentrale Gestalt oder die Hauptfigur des Paares, wenn es zwei sind. Wir sind beide Figuren des Paares und auch all die anderen Figuren, sowie der Mandala-Palast, in dem wir uns alle befinden.
Wenn wir darüber nachdenken, sind wir natürlich auf der grundlegenden Ebene nicht nur ein Verdauungssystem und Atemorgane, sondern bestehen aus vielen verschiedenen Teilen und Systemen, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Auf diese Weise repräsentieren all die Figuren im Mandala die verschiedenen Elemente und Aggregate des Körpers, der Sinnesobjekte, die wir wahrnehmen, der Bewegung unserer Arme und Beine, und all diese Dinge. Die Teile des Gebäudes, wie die vier Tore, repräsentieren die vier festen Ausrichtungen der Vergegenwärtigung, die fünf Wände sind die fünf Arten des tiefen Gewahrseins usw. Alles repräsentiert irgendetwas; so funktioniert eine Infografik.
Wenn wir diese Visualisierungen ausführen, stellen wir uns vor, dass das „Ich“ ein Zuschreibungsphänomen auf der Grundlage des Ganzen ist. Ansonsten entwickeln wir die merkwürdige Vorstellung eines soliden „Ichs“ als einen Teil des Paares, aber wer ist dann der andere? Sind wir beide Teile des Paares, welche Sicht haben wir dann, wenn wir visualisieren? Sehen wir nur in die Richtung der Hauptfigur und können lediglich sehen, was sich vor ihr befindet, oder sehen wir auch in die Richtung des Partners? Und wie ist es, wenn wir vier Gesichter haben, die alle in eine andere Richtung schauen? Es ist nichts von alledem. Beim Visualisieren geht es nicht darum, mit unseren Augen zu sehen, sondern vielmehr mit unserem Geist. Es ist eine unfassbare Öffnung des Geistes, sich die ganze Sache vorzustellen.
Auf welche Weise sind wir uns beispielsweise bewusst darüber, wie unsere Gesichter aussehen und wie sehen wir sie? Tun wir es von innen heraus oder so, als würden wir in einen Spiegel schauen? Oder handelt es sich um die Sicht von jemandem, der sich uns gegenüber befindet und uns ansieht? Wenn wir beginnen darüber nachzudenken, wie wir unser Gesicht visualisieren, kann das recht seltsam anmuten. Stellt euch nur vor wie es ist, drei oder vier Gesichter zu haben! Es gibt jedoch Methoden, mit denen man all das lernen kann.
Wir können zum Beispiel unsere Hand auf unser Gesicht legen und sie wieder wegnehmen. Können wir ein Gesicht fühlen? Ja, das können wir. Wir können uns über ein Gesicht bewusst sein. Dann legen wir sie auf die Seite unseres Kopfes. Können wir uns über die Seite unseres Kopfes bewusst sein? Ja, das können wir, und wir können uns vorstellen, dass es dort ein Gesicht gibt und auch auf der Hinterseite unseres Kopfes. Wir können auch unsere Hand oben auf den Kopf legen und sie wieder wegnehmen. Können wir uns über die Oberseite unseres Kopfes bewusst sein? Natürlich können wir das. Oben auf unserem Kopf befindet sich Vajrasattva. Es gibt viele Möglichkeiten, dies zu lernen.
Können wir uns bewusst sein, dass wir uns in einem Raum mit vier Wänden befinden und dass es hinter uns eine Wand gibt? Sehen wir sie mit den Augen? Nein, aber sind wir uns bewusst, dass es da eine Wand hinter uns gibt? Ja, wir können uns darüber bewusst sein. So funktionieren Visualisierungen. Es ist ein Trainieren der Vorstellungskraft und darum geht es im Tantra, in dem das „Ich“, mit dem wir den so genannten „Stolz der Gottheit“ haben, ein Zuschreibungsphänomen der gesamten Visualisierung ist.
Wir stellen uns auch vor, dass wir nun, als ein Buddha, all dies im Geist haben. Außerdem stellen wir uns vor, wie Lichter, Nektar und winzige Buddha-Gestalten ausstrahlen, anderen nützen, Opfergaben darbringen und noch mehr positive Kraft aufbauen. Die Visualisierungen sind ziemlich weitreichend.
Durch Tantra wird alles im Dharma zu einem Ganzen verwoben
Was wir bis hierhin besprochen haben, ist ziemlich weitreichend und tiefgründig. Wir sollten uns einen Moment Zeit nehmen, darüber nachzudenken und es ein wenig einsinken zu lassen. Wir haben über eine umfangreiche Zahl von Themen gesprochen und es ist nicht leicht oder vielleicht nicht einmal möglich, sie wirklich zu verinnerlichen und zu vergegenwärtigen. Ich denke jedoch, dass einer der Hauptpunkte, die wir mitnehmen sollten, der ist, wie all die Sutra-Punkte des Dharma durch Tantra miteinander verwoben werden. Es ist eine Weise, sie alle miteinander zu verbinden und mit dem Ganzen zu arbeiten. Was ist die Schlussfolgerung all dessen? Wir können es nicht auf effektive Weise tun, wenn wir uns nicht intensiv in den Sutra-Lehren, den gemeinsamen vorbereitenden Übungen, die zwischen Sutra und Tantra miteinander geteilt werden, bemüht haben.
Was passiert denn ohne sie? Dann gehen wir einfach nur auf eine fantastische Reise. Wenn wir noch nicht dort sind und noch nicht alle Puzzleteile haben, gilt es, wie ich bereits erklärt habe, all die Teile des Puzzles zusammenzusuchen, die wir dann auf dem Webstuhl des Tantra miteinander verweben können. Bis dahin können wir alle einfachen Dinge aus den Tantra-Übungen nutzen. Das umfasst die Mantra-Rezitation, ein etwas positiveres Selbstbild zu haben, sowie sich eine Buddha-Gestalt vor sich im Raum vorzustellen und Inspiration von ihr zu bekommen. Wir können uns auf die guten Eigenschaften eines spirituellen Lehrers konzentrieren, der diese Qualitäten tatsächlich hat und die Güte solch eines Lehrers schätzen, uns zu belehren. Im Gegenzug können wir dem Lehrer helfen, ihn in seiner Arbeit für andere so gut wie möglich zu unterstützen. Das baut uns auf, inspiriert uns und schafft mehr positive Kraft. Als eine Gemeinschaft können wir mehr positive Kraft aufbauen, indem wir uns gegenseitig helfen und freundlich zueinander sind.
Kurzum sollten wir nicht unterschätzen, wie anspruchsvoll und fortgeschritten Tantra ist. Wir sollten Respekt dafür haben. Um Tantra auf wirkungsvolle Weise zu praktizieren, ist es wichtig, Respekt davor zu haben, zu verstehen, wie es tatsächlich funktioniert und was es so tiefgründig macht. Dann haben wir auch Respekt gegenüber uns selbst, die es praktizieren. Tantra ist keine Magie oder irgendein exotischer Trip, sondern vielmehr ein unfassbar anspruchsvolles System.
Die wesentlichen Aspekte der Praxis erkennen
Die andere Sache, auf die wir achten sollten, ist, dass wir von den Einzelheiten, die ja recht verlockend sind, eingenommen werden könnten. Dann bleiben wir vielleicht an Dingen hängen, wie dem Schmuck, den Avalokiteshvara trägt, und ähnlichem. Schließlich kümmern wir uns dann nur noch um die winzigen Details der Visualisierungen und verlieren das Gesamtbild dessen, was wir tun. Serkong Rinpoche führte als Beispiel dazu die absurde Frage eines Westlers an, ob Dorje Palmo denn einen Bauchnabel habe oder nicht. Darum geht in der Praxis nun wirklich nicht. Was Mandalas und Buddha-Gestalten betrifft, können wir uns in all den winzigen Details völlig verlieren, besonders, wenn wir uns auf so etwas Kompliziertes und unglaublich Schönes, Ausführliches, Faszinierendes und Komplexes wie Kalachakra einlassen.
Tsongkhapa sagte in Bezug darauf, wie wir über ein Mandala meditieren sollten, Folgendes: Bringt es einfach erst einmal zum Laufen. Anfangs wird das Bild nicht klar sein und wir werden nicht all die Einzelheiten sehen, aber das ist in Ordnung. Verbessert sich dann unsere Konzentration, wird unsere grobe Visualisierung immer fokussierter werden. Das Wesentliche ist, sich von gewöhnlichen Erscheinungen, dem gewöhnlichen Hervorbringen von Erscheinungen und dem gewöhnlichem Klammern daran, dass sie selbst-begründet sind und wahrhaft existieren, wie sie es auf trügerische Weise zu tun scheinen, zu distanzieren. Davon sollten wir uns lösen und verstehen, dass das Mandala keineswegs selbst-begründet ist. Das Objekt der Ausrichtung sollte etwas Reines sein, auch wenn es nur Lichter sind.
Wir sollten anstelle unserer gewöhnlichen Erscheinungen, die wir hervorbringen, etwas Reines haben und den so genannten „Stolz der Gottheit“ entwickeln. Dieser Begriff bezieht sich darauf, die gesamte Visualisierung als Grundlage der Zuschreibung des „Ichs“ zu sehen. Um dies jedoch korrekt umzusetzen, ist es notwendig zu verstehen, was es bedeutet. Es handelt sich dabei weder um eine absolutistische noch um eine nihilistische Position. Konventionell ist da ein „Ich“, jedoch kein „Ich“, das auffindbar und unabhängig davon ist, lediglich als das begründet zu sein, worauf sich das Wort und das Konzept „Ich“ beziehen. Nur so kann man begründen, dass es so etwas wie ein „Ich“ gibt und dass es funktioniert. Wir können es zum Beispiel nicht durch etwas festlegen, was man in einer Reihe von Bildern von uns finden kann, die uns im Laufe unseres Lebens zeigen. Dennoch können wir sie alle korrekt als Bilder von uns identifizieren und dies könnte von jenen bestätigt werden, die uns in unserem Leben kannten. Es handelt sich nicht um Bilder von niemandem.
In ähnlicher Weise ist die Form der Gottheit, die wir noch nicht erlangt haben, aber die wir mit unserer Visualisierung repräsentieren, ebenfalls eine gültige Grundlage der Zuschreibung des „Ichs“, durch die wir diesen Stolz der Gottheit gültig entwickeln. Es ist eine Repräsentation des erleuchteten Zustands, den wir erreichen wollen. Er hat noch nicht stattgefunden, kann aber auf der Grundlage unserer Faktoren der Buddha-Natur und auf der Grundlage von Bodhichitta stattfinden. Wie gesagt visualisieren wir uns selbst auf diese Weise, um die Ziele der anderen zu erfüllen. Es sind Formen, die auch anderen nützen werden, wenn sie sich als sie visualisieren und mit ihnen praktizieren.
Es ist schwierig genug, all das auszuführen. Wie ich bereits betont habe, sollten wir uns nicht in all den Einzelheiten der Visualisierung verlieren, denn sonst wird es zu einem Hindernis. Vielleicht sind wir nicht in der Lage, all die Figuren auf dem Guru-Baum zu visualisieren und das entmutigt uns dann so sehr, dass wir nicht einmal mehr unsere Niederwerfungen machen wollen, weil wir uns zu sehr an den Figuren des Baumes festhängen. Vielmehr sollten wir einfach etwas haben, was die Objekte der Zuflucht repräsentiert, den Geisteszustand der Zufluchtnahme hervorbringen und dann die Niederwerfungen machen. Kurzum geht es darum, stets die wesentlichen Aspekte der Praxis zu erkennen. Auf sie richten wir uns aus und der Rest kommt dann ganz von selbst, wenn wir mit der Praxis vertraut werden.
Lasst das einen Moment einwirken. Wie gesagt, sollten wir aus dieser Darlegung mitnehmen, dass im Tantra alles zusammenpasst. Je mehr Teile wir zusammenfügen können, desto tiefgründiger wird es.
[Pause zum Nachdenken]
Eine tägliche Praxis, die sich im Laufe des Lebens entwickelt
Weil es so komplex ist und weil zur Tantra-Praxis so viele Ebenen gehören, ist es im Grunde nicht schlecht, wenn wir mit dem echten Dharma die Verpflichtung eingehen, für den Rest des Lebens eine tägliche Praxis auszuführen. Es wird also nicht langweilig. Im Laufe eines Lebens des Praktizierens entwickeln wir dann eine immer größere Vertrautheit und können mehr und mehr Dinge hinzufügen, um unsere Praxis umfassender zu machen. Wenn wir dann weiter mit dem Sutra-Material arbeiten, mit Bodhichitta, Leerheit und den sechs weitreichenden Geisteshaltungen, welche die sechs Arme einiger Figuren darstellen, kann das unsere Praxis stets erneuern und erfrischen.
Es wird länger als ein Leben dauern, all diese Dinge zu meistern, aber das sollte uns nicht entmutigen. Im Samsara gibt es Höhen und Tiefen. Manchmal läuft die Meditation gut, manchmal einfach nur furchtbar; bisweilen schweift unser Geist ständig ab, und dann wieder nicht. Wir sollten einfach daran festhalten. Was auch kommt, wir machen einfach weiter. Dafür benötigen wir Disziplin, Selbstdisziplin, Geduld, die Freigebigkeit, unsere Zeit der Praxis zu widmen, Konzentration und unterscheidendes Gewahrsein, um ein Verständnis darüber zu haben, was wir tun. Das sind die sechs Paramitas oder Vollkommenheiten. All das wird miteinander verbunden und das ist es, was Tantra ausmacht.
Fragen und Antworten
Können sie etwas über die Psychologie der zornvollen Formen sagen? Wie verhält es sich beispielsweise damit, Wertschätzung gegenüber einem zornvollen Lehrer zu haben?
Zunächst sollten wir uns hier wieder die Übersetzung und die Bedeutung des Wortes ansehen. „Zornvoll“ bezieht sich mehr darauf, dass jemand wirklich wütend und genervt ist, was hier wohl nicht gemeint ist. Ich übersetze den Begriff lieber mit dem Wort „kraftvoll“. Visualisieren wir uns als eine dieser kraftvollen Figuren, sagen wir zu uns: „Höre auf, dich wie ein Baby zu benehmen! Reiß dich zusammen. Sei nicht so egoistisch!“ Auf diese Weise sind wir kraftvoll gegenüber uns selbst. Wir stampfen auf all diese Figuren, die unsere störenden Emotionen repräsentieren: „Zertrample sie!“ Da gibt es diesen kraftvollen Aspekt, der sagt: „Löse dich von all diesem Zeug! Werde realistisch. Lass den Luftballon der Fantasien darüber platzen, dass alles so schön und wunderbar werden wird.“
Kraftvoll zu sein, wenn es notwendig ist, ist eine der Buddha-Aktivitäten und übt einen erleuchtenden Einfluss aus. Wenn Dinge wirklich schwer sind, müssen wir kraftvoll und wirklich tatkräftig sein. Das hat nichts mit Wut oder Zorn zu tun. Es ist ziemlich hilfreich, die Bedeutungen der Worte zu kennen.
Was einen kraftvollen Lehrer betrifft, so sagte beispielsweise Naropa, dass die Schläge von seinem Lehrer Tilopa die erstaunlichste, mitfühlendste Belehrung war, die er bekommen konnte. Ein weiteres Beispiel ist mein eigener Lehrer, Serkong Rinpoche. Ich war neun Jahre bei ihm und habe ihm als Übersetzer und Fremdsprachensekretär gedient, habe all seine Reisen organisiert usw. Während dieser Zeit hat er sich nur zweimal bei mir bedankt. In dieser Zeit war sein Lieblingsname für mich „Idiot“ und er wies gnadenlos darauf hin, wenn ich mich wie ein Idiot benahm, was ziemlich häufig passierte. Aber ich hatte ihm vorher die Erlaubnis dafür gegeben, da ich ihn bat, aus einem Esel wie mir einen Menschen zu machen, was der klassische Ausdruck für so eine Bitte ist. Man tut es mit dem Verständnis, niemals wütend auf ihn zu sein.
Er war ziemlich energisch mit mir, aber auch unglaublich gütig, dass er mich auf die klassische Weise schulte. Ich kam zu ihm als ein arroganter junger Mann, der nicht wusste, wie man sich im Umgang mit anderen benimmt. Ich war ein erstklassiger Student in Harvard, der höchsten Universität in Amerika. Um meinen Stolz zu dämpfen, war es äußerst hilfreich für ihn, mich darauf hinzuweisen, was für ein Idiot ich war und wahrscheinlich noch immer bin. Mich die ganze Zeit zu loben, hätte ganz und gar nicht geholfen und hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Und was das Bedanken betrifft, so half ich ihm schließlich nicht, um ein Danke zu bekommen, auf dem Kopf gestreichelt zu werden und dann mit dem Schwanz zu wedeln. Ich tat es, um ihn zu unterstützen, anderen zu helfen, Punkt.
Kraftvoll und energisch mit mir zu sein, war ziemlich effektiv. Mit anderen ging er nicht so um. Wenn Menschen ein niedriges Selbstwertgefühl haben, sollten wir nicht energisch mit ihnen sein und sie darauf hinweisen, dass sie sich wie Idioten benehmen, auch wenn sie es tun. Wir wollen ihnen helfen, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Sind Menschen jedoch arrogant, sollten wir ihren Stolz dämpfen. Wirklich qualifizierte Lehrer sind in der Lage das zu tun, jedoch nicht Menschen, die als „Lehrer“ bezeichnet werden, aber nach wie vor jede Menge störende Emotionen haben. Wenn qualifizierte Lehrer mit verschiedenen Menschen zusammen sind, folgen sie dem Beispiel Buddhas und nutzen geschickte Methoden, die auf jede Person, die zu ihnen kommt, zugeschnitten sind. Als ein Übersetzer hatte ich die Möglichkeit zu sehen, wie vollkommen anders sie mit jedem Menschen umgingen.
Bevor wir uns jedoch einem spirituellen Lehrer anvertrauen, sollten wir die Person gründlich überprüfen, denn es gibt viele, die missbräuchlich und nicht qualifiziert sind, und nur vorgeben Lehrer zu sein. Daher sollten wir den Lehrer zunächst wirklich untersuchen und nicht diesen Traumvorstellungen nachhängen, sie wären alle Buddhas und was immer sie tun, wäre erleuchtende oder „verrückte Wahrheit“. Das ist keine Rechtfertigung.
Es gibt ein berühmtes Beispiel von einer Konferenz westlicher Lehrer mit Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama, die vor vielen Jahren stattfand, als erstmals sexueller Missbrauch durch Lehrer an die Öffentlichkeit kam. Einer der Anwesenden schlug einen, Entschuldigung für den Ausdruck, „Scheiße-Test“ vor. Wenn solche Lehrer wirklich so hoch entwickelt waren und über „verrückte Wahrheit“ verfügten, sollten sie auch in der Lage sein, Kot, Urin, Eiter, Erbrochenes und Blut in Nektar zu verwandeln. Man sollte ihnen einen Teller voll davon geben und sehen, ob sie es essen können. Andernfalls sind sie missbräuchlich. Seine Heiligkeit fand das ziemlich lustig.
Sie haben darüber gesprochen, wie man sich in der Faszination mit all den Einzelheiten verlieren kann. Meine Reaktion war genau das Gegenteil, als ich das erste Mal mit Vajrasattva und all den Details, langen Mantras, Farben und Niederwerfungen in Kontakt kam. Ich war überwältigt und es schien alles einfach zu viel zu sein. Ich hatte versucht, mich von solchen Dingen zu befreien und sie nicht in mein Leben zu lassen. Zum Teil empfinde ich noch immer so. Ich hatte verschiedene Einweihungen, aber war nie in der Lage, wirklich mit Yidams zu praktizieren. An einem bestimmten Zeitpunkt kam ich zu einer Praxis der Zuflucht, nicht nur zur äußeren Zuflucht von Buddha, Dharma und Sangha, sondern zu einer inneren Zuflucht, der Reglosigkeit des Körpers, der Stille der Rede und der Weite des Geistes, und hatte das Gefühl, in der Lage zu sein, auf diese Weise die Buddha-Natur in mir erkennen zu können, indem ich mich an diese innere Zuflucht anstatt an all die Details erinnerte. Könnten Sie etwas dazu sagen?
Ja, man kann sich entweder von den Einzelheiten faszinieren lassen oder Horror davor haben. Darum habe ich gesagt, dass ich Tsongkhapas Rat recht hilfreich finde, sich einfach auf etwas ganz Allgemeines zu konzentrieren, wie ein weißes Licht oder ähnliches. Es müssen nicht alle Details da sein. Das Wesentliche in Bezug auf Vajrasattva ist nicht sein Schmuck, sondern der Geisteszustand der vier Gegenkräfte: unseren Fehler einzugestehen, ihn zu bedauern, versuchen ihn nicht zu wiederholen usw. Darum geht es in der Vajrasattva-Praxis.
Wir wollen uns weder in der Faszination all der Details verlieren, noch Horror vor ihnen haben. Da das Leben komplex ist, sind auch die Übungen komplex, damit wir lernen, mit Komplexität klarzukommen. Es ist nicht so, dass alles einfach ist. Das ist es nicht. Wenn wir uns das Leben ansehen, erkennen wir, dass so viele Dinge passieren und es so viele Menschen gibt, die alle ihre eigenen Probleme haben. Wir wollen in der Lage sein, allen zu helfen. Das ist unglaublich kompliziert.
Das heißt nicht, dass wir uns einfach so auf die ganze Sache einlassen. Es ist wichtig, einen ruhigen Geist zu haben, die Weite und die Fähigkeit, diese Weite zu erkennen. Nur die Weite ist jedoch nicht genug. Da gibt es immer noch störende Emotionen und störende Gedanken, die hochkommen werden. Nur zur Ruhe zu kommen ist kein Gegenmittel dafür, ihnen ein Ende zu setzen. Das Gegenmittel besteht darin, Leerheit zu verstehen, dass unsere Vorstellung von der Existenzweise der Dinge nicht mit der Realität übereinstimmt. Es ist nicht so, dass wir von Natur aus eine furchtbare Person oder ganz grundsätzlich dieses oder jenes sind. All das muss mit dem korrekten Verständnis geklärt werden und dann befähigt uns die Weite, die sich aus dieser Klärung ergibt, all unsere guten Eigenschaften vollständig zu entwickeln, sogar mit komplexer Tantra-Praxis.
Wir sollten uns aber nicht in den Details verlieren. Dennoch gibt es sie und das Leben ist kompliziert. Allmählich wachsen wir und sind in der Lage, mit immer mehr Komplexitäten im Leben zurechtzukommen. Kinder befassen sich mit Märchen und ganz einfachen Dingen. Sie müssen sich nicht damit auseinandersetzen, wie man eine große Firma leitet oder eine Familie ernährt. Sie spielen einfach nur und allmählich haben sie immer mehr Verpflichtungen und Einzelheiten.
Daher denke ich, dass deine Herangehensweise gut und hilfreich ist, aber von dort kannst du weitergehen. Du musst daran arbeiten, dich nicht vor den Details zu fürchten. Sie sind da, aber sie sind nicht das Wesentliche.