Bereits einige Jahrzehnte lang übertragen Meister aller vier Traditionen des tibetischen Buddhismus die Kalachakra-Initiation in Indien, der Mongolei, Südostasien und im Westen. Tausende Menschen aus buddhistischen und ebenso aus nichtbuddhistischen Kulturen haben entweder die Ermächtigung als aktive Teilnehmer erhalten oder ihr als interessierte Beobachter beigewohnt. Die Nachfrage für zukünftige Kalachakra-Initiationen nimmt rund um die Welt immer mehr zu. Das Interesse ist groß.
Nur eine Hand voll Westler wohnten der ersten Kalachakra-Ermächtigung bei, die Seine Heiligkeit der Dalai Lama außerhalb Tibets übertragen hat, und ich hatte das Glück, unter ihnen zu sein. Dies geschah in Dharamsala, Indien, im März 1970. Absehend, dass noch viel mehr Westler zu zukünftigen Initiationen kommen würden, entschied Seine Heiligkeit, für diese neue Zuhörerschaft einige Anleitungen und Hintergrundinformationen über Kalachakra zugänglich zu machen. Daher beauftragte Seine Heiligkeit einige Monate vor der nächsten Kalachakra-Ermächtigung, die er im indischen Bodh Gaya im Dezember 1974 übertrug, Sharpa Rinpoche und mich, eine Abfolge von Artikeln über Kalachakra zu übersetzen, geschrieben von Geshe Ngawang Dhargye und Garjang Kamtrul Rinpoche. Die Library of Tibetan Works and Archives veröffentlichte sie in Dharamsala und Deer Park druckte den Artikel von Geshe Dhargye erneut als Teil des Handbuchs, das es für die erste Übertragung der Initiation im Westen durch Seine Heiligkeit vorbereitete. Diese fand in Madison, Wisconsin, im Juli 1981 statt. Die Organisatoren späterer Kalachakra-Initiationen haben dieses Handbuch häufig neu aufgelegt sowohl auf Englisch als auch in einigen anderen europäischen Sprachen. Seine Heiligkeit beauftragte ebenfalls Professor Jeffrey Hopkins, den Text des Initiationsrituals zu übersetzen und zu veröffentlichen, damit Teilnehmer einfacher folgen könnten.
Der Hauptlehrer Seiner Heiligkeit für Kalachakra war Tsenshap Serkong Rinpoche, sein später Meisterpartner für Debatte und zusätzlicher Privatlehrer. Serkong Rinpoche war der Sohn und spirituelle Erbe von Serkong Dorjechang, einem herausragenden Meister des Kalachakra und Halter dieser Überlieferungslinie. Serkong Rinpoche war auch mein eigener Wurzel-Guru, dem ich viele Jahre als Übersetzer diente. Absehend, dass es im Westen ein immer weiter zunehmendes Interesse an Kalachakra geben würde, lehrte er mich dieses Thema ausgiebig. Dies beinhaltete nicht nur formelle Belehrungen über dessen viele Kommentare, sondern auch informelle Erklärungen über Entsprechungen im Kalachakra zu fast allem, das ich für ihn übersetzte. Er wurde nie müde, diesen Punkt zu diskutieren, und er tat dies zu Hause, auf der Straße und sogar abends am Esstisch, sowohl in Indien wie auch sonst überall, wohin wir auf seinen Vorlesungsreisen im Westen kamen. Besonders entzückten ihn die Details des dreidimensionalen Palastes des Kalachakra- Mandalas und oft verwendete er Teig, um Modelle der architektonischen Ausgestaltungen zu machen. Schließlich gab ich diese Lehren an Martin Brauen in der Schweiz weiter, der sie zur Grundlage seines Buches über dieses Thema machte. Dies führte zur Errichtung eines dreidimensionalen Mandalapalastes im Völkerkundemuseum Zürich zur Zeit der Übertragung der Initiation durch Seine Heiligkeit in Rikon im Juli 1985.
Aus dem Wunsch heraus, mich näher mit der Überlieferungslinie zu verbinden, richtete es Serkong Rinpoche freundlicher Weise ein, dass ich private Belehrungen über Kalachakra von Yongdzin Ling Rinpoche erhielt, dem späten Senior Privatlehrer Seiner Heiligkeit und Halter der Kalachakra Überlieferungslinie, von dem Seine Heiligkeit die Ermächtigung erhalten hatte. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Seine Heiligkeit die Kalachakra Initiation im indischen Spiti im Juli 1983 übertrug, war ich ausreichend vorbereitet, um Seiner Heiligkeit als Übersetzer hierbei dienen zu können. Damals hatte ich das Gefühl, als ob ich eine Gabe sei, die Serkong Rinpoche zu diesem Anlass an Seine Heiligkeit darbrachte, und ich war erfüllt von einem überwältigenden Gefühl von Verantwortung, Ehrfurcht, Respekt, Dankbarkeit und Inspiration.
Das letzte Gespräch, das ich mit Serkong Rinpoche kurz nach dieser Initiation führte, betraf einige schwierige Punkte der Kalachakra Initiation. Er zitierte keinen Kommentar, sondern arbeite die Antworten zu meinen Fragen rein mit Begründungen aus. Dies habe ich als wertvolle Anleitung genommen für meine eigenen nachfolgenden Lehrbemühungen.
Nach dem Tod von Serkong und Ling Rinpoche 1983 stimmte Seine Heiligkeit großzügiger Weise zu, mein fortlaufendes Studium und Praktizieren des Kalachakra zu leiten. Mit Serkong Rinpoche hatte ich ein Programm der Lesung der Hauptkommentare von Meistern der vier tibetischen Traditionen begonnen und Seine Heiligkeit traf sich mit mir privat, um Fragen zu beantworten, nachdem ich jeweils einen Text beendet hatte. Kurz vor seinem Verscheiden hatte Serkong Rinpoche mir empfohlen, dass ich die Astronomie und Astrologie des Kalachakra mit Gen Lodro Gyatso studieren sollte, dem späten Meisterastrologen des Tibetischen Medizinischen und Astrologischen Instituts, und das Ritual des Kalachakra mit Lobpön Thubten Chöphel, dem Kalachakrameister des Namgyal Klosters Seiner Heiligkeit. Nach dem Tod von Serkong Rinpoche folgte ich seinem Ratschlag, um meine Kalachakra Ausbildung abzurunden.
1985 baten mich einige buddhistischen Zentren in Europa einführende Kurse über Kalachakra zu geben, um den Leuten zu helfen, sich auf die Initiation vorzubereiten, die Seine Heiligkeit im Juli dieses Jahres in Rikon in der Schweiz geben würde. Nachdem er mir Erlaubnis gewährt hatte, leitete mich Seine Heiligkeit ausführlich an, wie man die am häufigsten gestellten Fragen beantwortet. Während dieser Initiation hielt ich drei Vorträge, um den Teilnehmern und Beobachtern durch die Prozedur hindurch zu helfen. Der Meridian Trust erstellte und verbreitete Videobänder von diesen Vorträgen und die Dharma Friendship Foundation veröffentlichte schließlich eine leicht editierte Abschrift von ihnen. Im Anschluss an diese Initiation begannen viele buddhistische Zentren in Europa und Nordamerika mich einzuladen, damit ich grundlegende Kalachakra Lehren und die Meditationspraxis erkläre. Wiederum war Seine Heiligkeit äußerst großzügig mit seiner Zeit und leitete mich an, was und wie zu lehren. Einige der deutschen, französischen und holländischen Vorträge waren in diesen Sprachen veröffentlicht worden durch das Aryatara Institut München in Deutschland, das Vajrayogini Institut Lavaur in Frankreich und das Maitreya Instituut Emst in Holland. Der Hauptteil des vorliegenden Buches ist eine Erweiterung der Vorträge, die ich auf diesen Reisen hielt, und derjenigen, die ich in Rikon hielt.
In den folgenden Jahren genoss ich das Privileg, Seiner Heiligkeit einige weitere Male als Übersetzer bei der Kalachakra Initiation und als Vortragender während der Prozedur zu dienen. Während einiger Besuche in der Mongolei und der früheren Sowjetunion sprach ich mit Mönchs- und Laiengelehrten über die Geschichte des Kalachakra in ihren Ländern und fand seltene Kalachakratexte in ihren Bibliotheken. Als ein Ergebnis dieser Besuche baten mich die Übersetzer der Kalachakra-Ermächtigung, die Seine Heiligkeit in Ulaan Baatar in der Mongolei im Juli 1995 übertrug, eine Zusammenfassung des Rituals zu erstellen, um ihnen mit der Vorbereitung zu helfen. Eine editierte Version bildet das letzte Kapitel dieser vorliegenden Arbeit.
1996 schlug mir Sidney Piburn von Snow Lion Publication vor, meine zuvor veröffentlichte Arbeit über Kalachakra zu erweitern und ein umfassenderes Buch zu diesem Thema zusammenzustellen. Sein Wunsch war, denjenigen zu helfen, die vorhatten zukünftigen Initiationen beizuwohnen, und denjenigen, die bereits die Ermächtigung erhalten hatten, damit ihre Erfahrung bedeutungsvoller würde. Dieses Buch ist das Ergebnis dieser Anfrage und der langen Geschichte, die ihr vorausging. Ich möchte mich bedanken bei der Kapor Family Foundation für die Finanzierung seiner Vorbereitung und bei der Nama Rupa Foundation für die Verwaltung der Finanzen. Ich möchte auch meinen Editoren bei Snow Lion danken wie auch Rajinder Kumar Dogra für seine hilfreichen Vorschläge. Möge damit dieses Buch in gewisser Weise beginnen, die Güte meiner Lehrer zu erwidern und die Welt des Kalachakra zugänglicher zu machen zum Wohle aller.
Alexander Berzin
Dharamsala, Indien
22. Februar 1997